Project/Occasion | Project artemak / previous examination (1997) of several paintings from the series "Männer" in the collection at Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main | |
Interview with | Anke Doberauer (AD) | |
Conducted by | Maike Grün (MG) | |
Location | artist's atelier at the Academy of Fine Arts Munich | |
Date | 22.11.2006 / 06.12.2006 | |
Transcript | Schreibbüro Karin Scholz, Munich (transcription) | |
Dr. Brigitta Heid (revision) | ||
Maike Grün (additions) | ||
Anke Doberauer (revision and additions) | ||
Symbols | (text) | = additions by MG or AD |
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Maike Grün: Frau Doberauer, was sind Sie von Beruf?
Anke Doberauer: Bildende Künstlerin, Malerin.
MG: Seit wann malen Sie?
AD: Ungefähr seit Anfang des Studiums, 1982.
MG: Hat Sie neben der Malerei jemals eine andere Form der bildenden Kunst interessiert?
AD: Eine andere Form der bildenden Kunst? Ich habe während des Studiums das eine oder andere ausprobiert, das heißt ich habe Experimental- und Animationsfilme gemacht, ich habe mich in Bildhauerei versucht, sogar einen Kopf aus Stein geschlagen, und ich habe natürlich die druckgrafischen Techniken getestet. Bislang bin ich aber bei der Malerei geblieben, wozu selbstverständlich auch die Zeichnung gehört, und die Druckgrafik gelegentlich auch.
MG: Wo arbeiten Sie?
AD: Im Atelier und zunehmend auch in Pleinair, also unter freiem Himmel.
MG: Haben Sie mehrere Ateliers?
AD: Zwei. Das Atelier in Marseille und dieses hier in München.
MG: Gibt es Arbeiten, die Sie für Ihre Kunst benötigen, aber nicht im Atelier durchführen?
AD: So direkt nicht. Außer, wenn ich Fotos brauche, als Malvorlagen. Dann muss ich losziehen und fotografieren, was ich brauche.
MG: Wie sieht für Sie der ideale Malarbeitsplatz aus?
AD: Sehr, sehr viel Licht, und das am besten irgendwie regulierbar. Wunderbar ist Oberlicht, was man aber auch irgendwie zumachen können sollte, damit man bei einem Porträt zum Beispiel ein gerichtetes Licht haben kann, Seitenlicht. Das Licht muss von links kommen, weil ich Rechtshänderin bin. Ich hasse reine Nordlichtateliers. Ein gutes Nordlichtfenster ist nicht schlecht, aber man braucht auch andere Lichtquellen. Ein paar Südfenster sind sehr schön. Mein idealer Arbeitsplatz hätte eigentlich eine große Terrasse mit einer überdachten Wand, so dass ich bei gutem Wetter mit dem Bild hinausgehen und draußen malen könnte – ohne dass die Sonne direkt darauf schiene. Vielleicht ein Peristyl, worin man mit den Leinwänden dem besten Licht hinterher ziehen könnte. Für den Winter dann ein beheizbares Atelier mit (verschließbarem) Oberlicht, Nord- und Südlicht.
MG: Warum mögen Sie kein Nordlicht?
AD: Weil ich dann friere, mir ist es zu kalt. In der dunklen Jahreszeit ist es häufig auch wirklich zu dunkel, in Nordeuropa hat man oft im Winter viel zu wenig Licht. Diese Art von Atelier wurde in südlichen Ländern erfunden und dorthin passt sie. Nordlicht ist das konstanteste Licht und wirklich gut, wenn man nach einem realen Modell malen möchte, wo es sehr stört, wenn sich das Licht dauernd verändert. Doch ganz allein ist es mir zu kalt, ich möchte wärmeres Licht zusätzlich haben. Wenn ich in einem reinen Nordlichtraum sitze, fühle ich mich von der Welt und dem Leben ausgeschlossen. So wie man normalerweise auch sein Wohnzimmer nicht nach Norden ausrichtet. Mein Atelier muss ein sehr angenehmer Raum sein, worin ich mich den ganzen Tag von morgens bis abends gerne aufhalten möchte. Er sollte die Qualitäten eines Wohnzimmers haben – wenn auch nicht seine Einrichtung.
MG: Möchten Sie beim Malen allein sein?
AD: Ja, auf jeden Fall. Manchmal stört mich sogar beim Porträtieren das Modell. Es kommt aber sehr auf die Situation an, bisweilen habe ich gerade darum mit Modellen gearbeitet, denn wenn ich sehr viel allein bin, ist mir etwas Gesellschaft im Atelier mitunter ganz lieb. Bei Workshops mit Studenten, wo wir zum Beispiel in Pleinair malen, ist es mir durchaus angenehm, wenn andere dabei sind, nur müssen sie sich in einem ausreichenden Sicherheitsabstand aufhalten. Ich kann es nicht leiden, wenn jemand mir beim Malen über die Schulter sieht.
MG: Gibt es Arbeiten, die Sie delegieren?
AD: Nein. Außer, dass ich inzwischen hauptsächlich vorgrundierte Leinwand benutze und teilweise auch fertig aufgespannte Leinwände kaufe. Früher habe ich immer selbst grundiert. Auch die Fotoabzüge meiner Malvorlagen habe ich früher selber angefertigt, es waren schöne Schwarzweißabzüge auf Barytpapier. Heute lasse ich das machen, bearbeite aber die Fotos, wenn nötig, digital.
MG: Das heißt, Sie arbeiten nicht mit Assistenten?
AD: Nein, überhaupt nicht.
MG: Woher beziehen Sie Ihre Mal- und Arbeitsmaterialien?
AD: Das meiste eigentlich von dem marktführenden Großhandel, seitdem es den gibt.
MG: Sie meinen Boesner (Großhandel für Künstlerbedarf, Anm. MG)?
AD: Ja, klar. Aber bestimmte Sachen bekommt man nur in bestimmten Ländern. Also zum Beispiel ganz dicke Rindsohrenhaarpinsel, wirklich ganz dick und rund, in sehr großen Größen, die gibt es nur in Italien. Die bringe ich mir jedes Mal mit, wenn ich nach Italien fahre. Wenn ich irgendwo etwas sehe, was besonders gut ist, dann kaufe ich mir das dort. Das ist das aufregendste Shopping überhaupt.
MG: Gemessen an der Zeit, die Ihnen insgesamt für Ihre künstlerische Arbeit zur Verfügung steht, wie viel Zeit verbringen Sie damit, sich Ihre Arbeitsbedingungen zu schaffen? Also Material besorgen, alles zu tun, damit Sie loslegen können?
AD: Oh Gott, das kann ich jetzt gar nicht richtig sagen, weil das ja bei mir seit Jahren ständig in Bewegung ist durch diese vielen Umzüge. Ich bin erst seit drei Jahren in München, davor war ich auch nicht lange in Marseille, und davor ein Jahr in Budapest. Jedes Mal ist es ziemlich aufwendig, bis man richtig loslegen kann, wenn man wieder umgezogen ist. Dadurch, dass ich teils in Deutschland, teils in Frankreich arbeite, muss ich das ebenfalls organisieren. In Frankreich kommt man schwerer an Material und es ist deutlich teurer. Größere Keilrahmen etwa muss man bestellen, mit Ausnahme ganz weniger Standardformate. Hier in Deutschland ist es einfacher. Bestellungen sind sehr schnell da.
Die Vorarbeiten dauern manchmal etwas länger, aber das war jetzt gar nicht die Frage, glaube ich.
MG: Doch.
AD: Die Vorarbeiten der Materialauswahl sind ein Teil des künstlerischen Prozesses. Man sitzt da, macht Skizzen, guckt auf eine Wand und überlegt sich wie groß man das Ganze haben will. Sobald der Entwurf steht, muss man natürlich sofort das Material holen. Den Kremer (gemeint ist die Filiale in München, Barer Straße. Kremer Pigmente GmbH & Co. KG, Aichstetten, Deutschland, Anm. MG) habe ich vergessen, der ist hier ganz in der Nähe. Wenn ich spezielle Pigmente brauche, hole ich sie dort.
MG: Woher haben Sie Ihre maltechnischen Kenntnisse?
AD: Teils vom Maltechniklehrer der Braunschweiger Kunsthochschule, wo ich studiert habe, aber größtenteils aus dem Doerner (das Buch "Malmaterial und seine Verwendung im Bilde" des Landschaftsmalers und Maltechnikers Max Doerner, Anm. MG). Ein Tip einer ehemaligen Kunstlehrerin und früherer Bauhausschülerin, die empfahl, es mir von den Eltern zu Weihnachten schenken zu lassen, noch vor dem Studium. Ich habe das Buch in den ersten Semestern zum großen Teil durchgelesen und auch später immer wieder darin nachgesehen.
MG: Wie sind Ihre Erfahrungen mit diesem Buch?
AD: Mein Gott, es hat sich ja inzwischen etwas verbessert, aber es ist leicht chaotisch geordnet, man findet nicht alles auf Anhieb, weil es hin und her springt. Ein paar meiner maltechnischen Kenntnisse stammen, wie gesagt, von dem Leiter der Maltechnikwerkstatt in Braunschweig, Seidel glaube ich hieß er. Zu ihm konnte man immer hingehen und sagen, wie mache ich das jetzt? Und konnte dann oft sicher sein, dass man das Gegenteil tun musste. Wenn man sagte: "Ich möchte einen absolut nicht saugenden Grund" empfahl er: "Kreidegrund ist das Beste, was du nehmen kannst!" Und damit hatte man den am stärksten saugenden Grund, den es gibt – auch wenn er sicherlich der beste ist ... Nun, um das zu korrigieren hatte ich den Doerner. Aber einige gute Rezepte wie Ei- oder Gummitempera, die auch wirklich funktionierten, habe ich von ihm. Und natürlich hat er uns beigebracht, wie man eine Leinwand richtig aufspannt und grundiert. Details über Malmittel allerdings holte ich mir aus dem Doerner, denn diesbezüglich habe ich sonst niemandem so recht über den Weg getraut.
MG: Machen Sie Skizzen vor dem Malen Ihrer Bilder?
AD: Ja, sehr viele. Nur sehr rudimentäre Bleistiftskizzen, aber unglaubliche Mengen von kleinen Farbskizzen. Die sind zum Teil winzig, briefmarkengroß oder streichholzschachtelgroß. Je konkreter es wird, desto größer werden sie. Dann mache ich mehrere Skizzen 1:10, das ist immer noch sehr klein. Danach male ich normalerweise ein "Modell", das heißt, ein kleines Bild im Verhältnis 1:5 auf Leinwand mit Ölfarben, in ungefähr demselben technischen Aufbau, den ich im großen Bild will.
MG: Das ist sehr ausführlich.
AD: Oh ja. Nicht für jedes Bild ist die Vorbereitung gleich aufwendig, das kommt ganz darauf an. Wenn die Idee von vornherein stimmt und ich mir ganz sicher bin, und ich kein neues technisches Experiment wagen will, dann spare ich mir manchmal einen Teil der Skizzen. Aber normalerweise ist es unglaublich zeitraubend. Für ein Männerbild, was zum Beispiel 2,10 mal 1,25 m misst, gibt es oft monatelange Skizzenarbeit. Wenn es nicht sofort klappt, dauert es oft ewig. Manchmal stelle ich ein Projekt sogar zurück und hole es mehrere Jahre später wieder hervor.
MG: Skizzieren Sie unterwegs? Wenn Sie zufällig irgendwo sind, kommt es dann vor, dass Sie von irgendeiner Situation schnelle Skizzen machen?
AD: Von einer Situation nicht mehr so oft. Früher habe ich das sehr viel getan, jetzt habe ich nicht mehr so viel Lust darauf. Aber sehr gerne und oft zeichne ich in Museen ganz kleine Skizzen von Bildern, die mich interessieren, oder Details daraus, die mich ansprechen, die dann fast mehr wie eine Karikatur funktionieren. Natürlich mache ich auch Skizzen als Vorüberlegungen für Bilder oder Installationen.
MG: Und welche Dinge sind das an den Bildern, die Sie ansprechen?
AD: Ach, das weiß ich jetzt gar nicht so genau. Manchmal ist es so, dass ich gerade an irgendeinem Thema bin, und dann interessiert mich natürlich alles, was in diese Richtung geht. Manchmal suche ich nichts Konkretes, komme ins Museum, und sehe auf einmal Bilder, an denen irgendetwas merkwürdig ist. Je mehr man sich auskennt, desto weniger ganz unbekannte Bilder sieht man allerdings, weil man sehr viele Werke schon auf Abbildungen gesehen hat. Ein gutes Bild hat etwas von einer Karikatur: Wodurch wirkt denn ein bestimmtes Bild so, wie es eben wirkt? Zur Erzielung der Wirkung sind die meisten Details nicht wichtig. Ein richtig gutes Bild ist immer irgendwie auf die Spitze getrieben. Das kann man dann leicht "karikieren", so dass man das Bild sofort wiedererkennen kann. Eine Zeitlang habe ich alle Bilder skizziert, auf denen sich halb oder ganz barbusige Frauen irgendwelche scharfen Gegenstände ins Fleisch stechen, etwa den "Tod der Kleopatra" oder den "Selbstmord der Lukrezia". Auch von männlichen Darstellungen, etwa dem heiligen Sebastian, kann man in manchen Museen, wo es ziemlich viele von dieser Sorte gibt, richtige Reihen finden. Ich erinnere mich hier an Budapest, Kassel und Montpellier. Aber es ist unterschiedlich, was mich gerade interessiert. Schuhe und Füße. Künstlerporträts mit Palette. Wenn es in einem Museum mehrere Sachen gibt, die irgendwelche formalen Verwandtschaften haben, das ist ganz spannend.
MG: Wenn Sie an einem Porträt arbeiten, sitzt Ihnen der oder die Porträtierte Modell?
AD: Ja, was heißt Porträt? Also was nennen Sie jetzt Porträt von dem, was ich mache?
MG: Zum Beispiel die Vierzehn Forscher, die zur Zeit in Salzburg gezeigt werden (gemeint ist die Ausstellung "SURreal. Aspekte des Figuralen aus der Sammlung Museum der Moderne Salzburg Mönchsberg" vom 28.10.2006 – 04.02.2007, in der die Porträtserie Vierzehn Forscher von Anke Doberauer gezeigt wurde. Die Wissenschaftler, unter ihnen namhafte Kunsthistoriker, werden allesamt im Profil dargestellt, Anm. MG)
AD: Ach so, ja. Diese Brustbildporträts gibt es ja nur als Reihen. Die großen Männer (bei den "Männerbildern" handelt es sich um eine Reihe von großformatigen Gemälden, auf denen ganzfigurige, teilweise verkleidete Männer dargestellt sind, Anm. MG) würde ich nicht Porträts im engeren Sinne nennen. Die Vierzehn Forscher natürlich schon. Diese Personen sitzen Modell, und es gibt auch keine Fotos. Wenn sie nicht mehr wiederkommen, wird das Bild eben nicht fertig. Da mache ich außer dem Hintergrund nichts ohne Modell.
MG: Sie haben jetzt gerade von Fotos gesprochen. Arbeiten Sie bei Ihren ganzfigurigen Männerbildern wie dem Mounir oder Olympe mit Fotos?
AD: Olympe ist ein untypisches Beispiel, denn es ist ausschließlich nach einem Modell gemalt. Bei den anderen Männerbildern ist es gemischt. Früher war mir der fotografische Anteil wichtiger, denn ich wollte für bestimmte Bilder diese schnappschussartigen Posen haben, die ein Modell ja gar nicht lange halten kann. Auch sollte alles sehr flächig sein. Inzwischen ist es so, dass ich mehr Körperlichkeit anstrebe, die Posen haben mich teilweise nicht mehr so sehr interessiert. Deswegen habe ich das Foto oft nur als Hilfsmittel genommen, weil die Modelle nicht so lange stehen können. Die Köpfe sind dann entweder nach dem Modell gemalt oder mit Hilfe mehrerer Fotos und der Erinnerung. Letzteres funktioniert nur, wenn man die Modelle sehr gut kennt. Das war bei diesen Männerbildern allerdings eigentlich immer Voraussetzung, sonst geht es nicht.
MG: Und die Kleidung der Modelle? Tragen die Modelle die Kleidung, die Sie auf dem Bild wiedergeben?
AD: Ja, na klar. Nur, dass ich die Farben beliebig verändere. Als ich noch mehr mit Fotos gearbeitet habe, waren es immer Schwarz-Weiß-Fotos, die ich selber abgezogen habe. Da hatte ich dann die Abstraktion von der Farbe und konnte diese selber so setzen wie ich wollte. Insofern, wenn Sie nach weiteren Arbeitsplätzen fragen: Früher brauchte ich immer ein Fotolabor. Damit habe ich irgendwann aufgehört, weil ich nie ein eigenes hatte. Wenn ich gerade kein Labor mitbenutzen konnte, musste ich die Schwarz-Weiß-Fotos abziehen lassen. Das habe ich ein paar Mal getan, aber das wurde immer teurer und exotischer und nie richtig gut. Ich hatte selber sehr gute Abzüge gemacht. Inzwischen eröffnet zum Glück die Digitalfotografie ganz neue Möglichkeiten, aber sie wird für mich immer mehr zum reinen Hilfsmittel.
MG: Der Wandtext in der Salzburger Ausstellung zitiert Sie, es sei Ihnen wichtig, dass das Bild der Schnittpunkt zwischen Ihrem Blick und dem Selbstbild der dargestellten Person sei.
AD: Leider hat mich niemand gefragt, ob dieser Text an der Stelle verwendet werden kann. Es war ein völlig aus dem Zusammenhang gerissenes Zitat aus einem Interview und hat mit den Porträtreihen überhaupt nichts zu tun, sondern bezog sich auf die Männerbilder. Ohne den Kontext bekommt es auch zu viel Gewicht. Ich bin fast in Ohnmacht gefallen, als ich es da auf der Wand gelesen habe.
MG: Das jetzt folgende Zitat stammt nicht von Ihnen. Es ist vom Saaltext in Salzburg, aber auf Ihre Bilder bezogen: "Die Profildarstellung allerdings erlaubt einen maximalen Realismus in der Wiedergabe typischer Merkmale des Individuums."
AD: Das ist natürlich Unsinn. Die Profildarstellung wirkt idealisierend, wie man es etwa von Münzen kennt, und genau das wollte ich. Sie hat mit Realismus nichts zu tun – mit Realismus habe ich sowieso nichts zu tun. Die Modelle waren Forscher. Ich wollte sie in der Abgeschiedenheit des Lesens und mit sich alleine malen, und sie sollten mich nicht ansehen. Da sie für ideale Ziele arbeiten, zumindest unterstelle ich dies, denn es waren Geistes- und Sozialwissenschaftler, sollten sie ruhig eine gewisse Idealität besitzen. Sie stehen für das Geistige, und werden hoffentlich ruhmreich in die Geschichte ihrer Fächer eingehen.
MG: Wenn sich ein Modell während der Sitzung bewegt oder seine Haltung ändert, ist das für Sie ein Problem?
AD: Ja klar. Das ist immer ein Problem. Ganz still sitzen geht gar nicht. Gefährlich ist, wenn die Haltung sich ganz schleichend ändert, und zwar so, dass man es nicht mitbekommt. Deswegen ist es mir meistens lieber, die Modelle wissen, wie die richtige Position ist und setzen sich nur ab und zu mal gänzlich ruhig hin. In der Zwischenzeit können sie sich bewegen und brauchen nicht furchtbar still zu halten. Wenn ich den Mund gerade nicht male, dürfen sie reden, und wenn ich die Augen gerade nicht male, können sie diese auf- und zumachen oder woanders hingucken. Ich sage dann: "Ich bin ungefähr da – könnten Sie mal …?" – oder: "Sie haben sich etwas zu weit rumgedreht, könnten Sie mal dorthin gucken?" Aber es ist schwierig, denn gänzlich starre Haltungen bekommt kein Modell richtig hin, und deswegen muss man die unwillkürlichen Bewegungen immer einplanen. Wenn die Leute versteinern und geistesabwesend sind, sehen sie übrigens nicht mehr aus wie sie selber. Dann kann man auch kein Porträt malen. Die Person muss lebendig und präsent sein. Das kriegt man nicht hin, wenn sie halb eingeschlafen ist.
MG: Wie lange dauert solch eine Sitzung?
AD: Eine Sitzung hat früher vier Stunden gedauert, jetzt eher nur drei, einschließlich der Pausen. Es ist schon ein paar Jahre her, dass ich es das letzte Mal in dieser Form gemacht habe. Es muss mehrere Sitzungen geben, je nachdem, wie gut es voran geht. Bei den Forschern war es eine ganze Reihe, und da man mit jedem neuen Bild ein bisschen geübter ist, geht es nach und nach meist etwas schneller. Bei manchen Porträts aber hat man plötzlich große Probleme, ich habe nie ganz herausgefunden, wieso. Es liegt oft an einer komplizierten Haltung, die man einmal und nie wieder findet, deswegen sind einfache Haltungen auch besser. Man arbeitet immer eine halbe Stunde, dann ist Pause. Ich versuche es inzwischen präzise mit einer Uhr zu timen, weil man sich sonst überanstrengt. Sowohl man selber, als auch das Modell, und das ist meistens nicht gut. Ein regelmäßiger Rhythmus funktionierte bislang am besten. Bei der letzten Serie, den Sechzehn Studenten war es allerdings anders – hier haben wir alle notwendigen Sitzungen hintereinander an einem einzigen Tag gemacht.
MG: Ist es richtig, Ihren künstlerischen Schwerpunkt bei den Staffeleigemälden, also bei den Leinwandgemälden zu sehen?
AD: Was mache ich noch für welche?
MG: Sie arbeiten zum Beispiel auf Papier, an der Wand ...
AD: Nicht oft, und auf Papier meist nur ganz kleine Skizzen, richtige größere Zeichnungen mache ich eigentlich keine. Bis auf die Ölmalereien auf Packpapier natürlich, seit 2001. Wandbildprojekte habe ich bis jetzt zwei realisiert. Das würde ich gern weiterverfolgen, hatte aber bislang nicht die Möglichkeit dazu.
MG: Ihr Schwerpunkt liegt bei den Leinwandbildern?
AD: Bis jetzt, ja. Es könnte sich ändern, falls ich in Zukunft mehr Wandbilder male. Die haben natürlich den großen Nachteil, dass man sie nicht herum transportieren kann, um sie auszustellen.
MG: Gibt es außer Leinwand noch andere Bildträger, die Sie für Ihre Staffeleigemälde verwenden?
AD: Für ganz kleine Formate habe ich manchmal auch Malkarton genommen, der mit einer Art Leinwand beklebt ist. Für die kleinen Skizzen 1:10 ist es auch oft grundierte Pappe oder grundiertes Papier. Dies nur für Skizzen, aber auch für Ölskizzen. Und sonst ...?
MG: Aus welchem Grund favorisieren Sie Leinwand?
AD: Welcher Grund … entwicklungsgeschichtlich ist es immer noch derselbe Grund. Es gibt halt nichts, was so großformatig sein kann, ohne dann auch zugleich unglaublich schwer zu sein.
MG: Das Luftige einer Leinwand, das Bewegliche, dass sie schwingt und dass sie unter dem Pinselstrich ein bisschen nachgibt, ist es dieses, ich nenne es mal "haptische" Element, das Sie schätzen?
AD: Nein, das ist mir nicht wichtig.
MG: Also schätzen Sie wirklich nur das geringe Gewicht und die Praktikabilität dadurch?
AD: Ja, und je leichter, desto besser. Früher habe ich auch ganz kleine Sachen auf Holz gemalt. Das fand ich sehr schön, weil es so glatt und kostbar ist. Aber bei größeren Formaten steigt das Gewicht und für eine bestimmte Art von Malerei ist es auch nicht schlecht, ein bisschen Korn zu haben. Das hatte ich früher möglichst nicht haben wollen. Dass die Leinwand nachgibt, ist eher lästig, weil man verhindern muss, dass sich die Keilrahmen durchdrücken. Mit sehr großen Formaten kann man alleine schlechter hantieren. Deswegen nehme ich, wenn ich großformatig arbeite, immer am liebsten die allerdünnsten Keilrahmen, mit möglichst vielen Kreuzen drin. Sie verziehen sich zwar, aber man kann sie mit einem Nagel einfach wieder glatt anlegen. Man kann die Leinwände dann nämlich noch alleine tragen. Ich muss sie oft von einer Ecke in die andere tragen oder zum besseren Licht. Selbst wenn ich Assistenten hätte, wäre es mir sehr unangenehm, zum Schleppen noch Leute zu beschäftigen. Das, was ich nicht allein tragen kann, ist wirklich schwierig.
MG: Was verstehen Sie unter "mit einem Nagel anlegen"?
AD: Ach so! Wenn das Bild hängt und eine Ecke steht ab, dann schlägt man halt einen Nagel drunter, auf dem das Bild leicht aufsitzt. Das ist einer dieser Hänge-Tricks. Das geht bei den dicken Keilrahmen nicht. Wenn die mal verzogen sind, ist nichts mehr zu machen. Also muss man welche nehmen, die sich nicht verziehen, und ist sofort in einer extrem teuren Preisklasse. Aber vor allem ist mir wichtig, dass es möglichst flach bleibt, damit das Bild nicht zum Objekt wird. Das Bild soll optisch zur Wand gehören und sich integrieren, das wäre mein künstlerisches Ideal.
MG: Sie sagten eben, dass Sie gerne manchmal etwas Korn haben. Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Leinwände denn aus? Wie ich an Ihren Bildern beobachten konnte, benutzen Sie verschiedene Leinwände, oder?
AD: Tatsächlich?
MG: Ja, ich sehe nicht, dass Sie ein Standardprodukt verwenden.
AD: Nein? Gut, früher habe ich selber grundiert und ziemlich herumoperiert, um eine wenig saugende Grundierung zu finden. Anfangs habe ich auf Nessel gearbeitet, denn ich fand es sehr schön, dass er so feinkörnig ist. Später musste es dann doch Leinen sein, weil es wesentlich robuster ist. Feinkörnige Leinwand ist sehr teuer, als Studentin konnte ich sie mir nicht leisten. Später, als ich es konnte, und auch viel länger an einem Bild gearbeitet habe, wurde allerdings meine Malerei anders. Auf einmal wollte und brauchte ich ein mittleres Korn, denn darauf wirkt die Malerei lockerer, vor allem gemalte Haut bekommt eine angenehme Struktur.
Jetzt ist es aber oft so, dass ich bei größeren Bildern, die als etwas schnellere Malerei geplant sind, irgendein vorgrundiertes Zeug nehme, allein schon weil es leicht ist. Bei Bildern, an denen ich länger arbeite, wie etwa den Männerbildern, nehme ich Leinwand. Aber als ich zum Beispiel in Salzburg war und spontan schnell große Bilder malen wollte, musste ich nehmen, was man in Salzburg zu kaufen bekam. Ich hatte mir ein bisschen Material mitgenommen, aber nur für kleine Formate und hatte plötzlich die Idee, diese Riesensachen Pleinair zu malen (gemeint ist das vierteilige Gemälde Aussicht, 2000. Später zum Beispiel Tihany, 2006, ebenfalls Pleinair gemalt, Anm. MG). Ich musste vor Ort das Material kaufen, sonst hätte die Zeit nicht gereicht. Und da ich die Tafeln täglich in der Gegend herumtragen musste, sollten sie auch möglichst leicht sein.
MG: Warum sind die Materialien in Frankreich so teuer?
AD: Ja, wenn ich das wüsste! Keine Ahnung. Interessant ist, dass man dort noch ein aus dem 19. Jahrhundert überliefertes System der Nomenklatur von Keilrahmen hat, was wahrscheinlich mit einem Normierungssystem für die Bilderrahmung zusammenhängt. Man kann die Keilrahmen nur in Standardgrößen kaufen. Es sind sehr schöne und teilweise ungewöhnliche, interessante Formate. Jedes Format hat eine Ziffer. Es gibt sie in drei Breiten, genannt Landschaft, Marine und Figur. Das hat mich, als ich dort hinkam, so inspiriert, dass ich diese Leinwände oft verwendet habe, und schließlich sogar diese drei Bildgattungen gemalt habe. Ich habe angefangen, Brustbildporträts, Landschaften und Marinebilder zu malen, einfach weil es diese schönen Leinwände dafür gab. Das Problem aber war, dass die größten Formate bei 1,95 m aufhören. 1,95 x 1,30 m ist das größte Format, "120 Figure", da passt dann gerade eben so eine stehende Figur drauf. Größere Formate gibt es nicht. Alles, was größer ist, ist Sonderanfertigung und dauert vor allem lange. Ansonsten hat Frankreich immer schon eine höhere Mehrwertsteuer gehabt, so um die 20 %. Jetzt wird sich das ja angleichen. Alles war damals teurer, sehr viel teurer. Bis auf ein paar Sachen, die dort günstiger sind, zum Beispiel Terpentin. Balsamterpentin bekommt man in jeder Drogerie, das benutzen sie wohl für die Möbelpflege.
MG: Sie haben es eben schon ein bisschen angesprochen. Meine Frage ist: Haben Sie ein Lieblingsformat für Ihre Bilder?
AD: Nein, kein Lieblingsformat, aber es gab Serien, und jede Serie hat ein Format. Jahrelang habe ich nur auf 1,90 x 1,30 m gearbeitet. Dann, bei der nächsten Männer-Serie von 1990 bis heute war mein Standardformat 2,10 x 1,25 m. Ich habe lange daran gearbeitet, um dieses Format festzulegen.
MG: Hochformat?
AD: Ja, für die Männer. Die nächste Serie war dann mit 2 Metern Höhe etwas kleiner. Das genaue Maß hat oft ganz banale Gründe. Es hing damals – ich war noch Studentin – unter anderem damit zusammen, was die marktführenden Großhändler anboten. Mir hätten damals statt 2,10 auch 2,05 Meter gereicht, aber das gab es nicht standardmäßig. Bei 2 Metern hätte man aber wiederum nur ein Kreuz bekommen, denn standardmäßig gab es zwei Kreuze zur Stabilisierung erst ab 2,10 m. Aber ich wollte zwei Kreuze haben, damit die dünnen Keilrahmen stabiler sind. Diese wollte ich verwenden, weil man sie so schön tragen kann. Die neue Serie hat 2 x 1,20 m. Das hängt wiederum damit zusammen, dass ich die kräftigeren Keilrahmen benutzen wollte, die neu im Sortiment waren. Sie sind stabiler, und trotzdem dabei noch relativ flach. Doch eines der Kreuze gab es serienmäßig nicht in 5 cm-Sprüngen. Ich hatte aber keine Lust auf Sonderanfertigungen, denn das ist umständlich, teurer und man muss vor allem zu lange auf die Lieferung warten. Es ist das Format einer Serie, von der es bislang drei Bilder gibt, die ich hier in München gemalt habe (gemeint sind die Bilder Chris, 2004, Juan, 2005 und Bastien, 2006, Anm. MG) Alle erwähnten sind Formate, die sich ähnlich sind. Sie sind ungefähr so groß wie ein Mensch, der oben und unten noch ein bisschen Platz hat. Je nachdem, wie groß die Modelle sind. Bei den 2,10 Meter-Formaten mussten die Modelle mindestens 1,82 Meter messen, bei den kleineren Formaten von 1,95 oder 2,00 Metern 5-10 cm weniger. Mit den 2,10er-Formaten fing ich damals deshalb an, weil ich kleinere Modelle irgendwann nicht mehr gefunden habe, denn die jungen Männer waren plötzlich alle so groß.
Inzwischen male ich auch recht große Bilder. Hier hätte ich manchmal schon gerne größere Formate, aber man muss sich immer auch etwas nach den lieferbaren Breiten der Malgründe richten. Das ist bei den vorgrundierten Geweben sehr beschränkt, im Allgemeinen auf eine Breite von 2 Metern. Wenn man sehr große Breiten will, muss man selber grundieren, und dann wird alles sehr zeitaufwendig. Man kann aber, ohne ihn zusammen zu nähen, auch nicht breiter werden, als der breiteste Stoff liegt.
MG: Wie breit liegt der breiteste Stoff?
AD: Oh, ich weiß es nicht. Möglicherweise bis zu 4 m, wenn man ihn bei Händlern kauft, die auf Theater spezialisiert sind.
MG: Was ist das Maximale, was Sie an Leistenstärke nehmen?
AD: Der dickste Rahmen, den ich verwendet habe, hatte 6,5 cm Breite bei einer Dicke von 2 cm. Bei mir spielt die Dicke der Rahmen nicht die Rolle wie bei vielen abstrakten Malern. Einmal habe ich auf einem ganz dicken Rahmen gemalt, weil der mir versehentlich geliefert worden war – das sind die Brüder (aus dem Jahr 2000, Anm. MG). Doch eigentlich ertrage ich diese dicken klobigen Rahmen nicht. Das wird dann so objektartig.
MG: Wie befestigen Sie Ihre Leinwände auf dem Keilrahmen?
AD: Mit einem Tacker.
MG: Sie haben auch genagelt, oder?
AD: Nein, nie. Es gibt allerdings ein paar Bilder mit Nägeln auf der Seite, das sind meist die französischen vorgefertigten Leinwände mit sehr gutem Leinen – schöne, edle Stücke. Etwa die Serie Zehn Blaumänner. Für diese und auch die andere französische Serie (die Rede ist von der Serie Elf Marseiller, 1993, Anm. MG) in Format 10 F (F steht für figure in der frz. Keilrahmennomenklatur. 10F misst 55 x 46 cm, Anm. MG) habe ich vorgespannte Keilrahmen gekauft mit Nägelchen an der Seite, weil ich sie sehr hübsch fand.
MG: Wann tackern Sie rückseitig und wann seitlich?
AD: Immer rückseitig, nie seitlich. Weil man die Seiten ja sieht, und ich verwende nie Rahmen und finde es hässlich, wenn seitlich Klammern zu sehen sind.
MG: Welche Rolle spielt für Sie die Spannung der Leinwand bzw. das Auftreten von Beulen? Ist das für Sie ein Problem?
AD: Ja, klar, das ist furchtbar. Beulen und Falten sind schrecklich. Nur dass Beulen normalerweise weggehen, wenn man die Leinwand anfeuchtet. Falten dagegen dürfen nicht sein. Das liegt dann am falschen Aufspannen oder daran, dass der Rahmen nicht mehr im Winkel ist, etwa weil er auf eine Ecke gefallen ist. Da muss man abspannen, den Rahmen richten und neu aufspannen.
MG: Wie ist Ihre Technik beim Aufspannen?
AD: Ich lege das Ganze auf den Boden und …
MG: Mit der Grundierung nach unten?
AD: Ja, wenn schon grundiert ist, klar. Ich lege den Rahmen drauf und dann befestige ich die Leinwand wie ich es gelernt habe: In die Mitte der Längsseiten, einander gegenüber liegend, kommen zwei Klammern, und dann mittig in die Schmalseiten. Dabei entstehen Zugfalten, die ein Kreuz ergeben. Danach von der Mitte ausgehend bis zu den Seiten immer jeweils an den zwei sich gegenüberliegenden Stellen. So vermeidet man Falten. Bei vorgrundierter Leinwand sind die Fäden leider oft nicht ganz gerade, aber bei ungrundierter lege ich diese so, dass fadengerade aufgespannt wird.
MG: Keilen Sie aus?
AD: Nur wenn die Leinwand schlapp geworden ist, aber das sollte möglichst nicht vorkommen. Es passiert manchmal nach Transporten, dass ein Bild plötzlich durchhängt. Aber dann ist mit Auskeilen oft schon nichts mehr zu machen.
MG: Wenn Sie selbst grundieren, verwenden Sie dann Dispersionsgrund?
AD: Ja. Wollen Sie jetzt den genauen Aufbau der Grundierung wissen?
MG: Ja, gerne.
AD: In der Akademie war es während meiner Studienzeit eigentlich üblich, mit normaler Wandfarbe zu grundieren. Das habe ich eine Weile gemacht, aber die war nicht sehr stabil und löste sich manchmal auf, wenn man zu lange auf einer Stelle herumkorrigierte. Vor allem saugte sie zu stark. Danach habe ich herumprobiert mit lichtechten Fassadenfarben. Ich habe schließlich Amphibolin Fassadenfarbe (Amphibolin: für Innen- und Außenräume einsetzbare Universalfarbe der Firma Caparol auf 100%iger Acrylatbasis, Anm. MG) genommen, eine sehr gute Qualität, aber leider fast zu wenig saugend. Da hatte ich dann Probleme beim Malen. Die meisten der Bilder, die im MMK (Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, Anm. MG) sind und die Herr Gantzert (Erich Gantzert-Castrillo war von 1988 bis 2000 Chefrestaurator am MMK, Anm. MG) zum Pflegen bekam, sind auf diesem Amphibolingrund. Ein oder zwei davon haben irgendwo ein Craquelé. Vermutlich liegt dies aber an der Isolierung mit Schellack, die zu wenig elastisch war.
MG: Leimen Sie die Leinwand vor?
AD: Ja, immer. Mit Hautleim.
MG: In flüssiger Form oder als Gelee?
AD: Ich habe beides gemacht. Eine Zeitlang habe ich flüssig vorgeleimt mit der halben Dosierung von 20 g auf 1 l, und dann mit fest gewordenem normal dosiertem (mit "normal dosiert" meint Anke Doberauer ein Verhältnis von 40 g Leim auf 1 l Wasser, siehe unten, Anm. MG) Leim als Gelee gespachtelt, weil ich es ganz glatt haben wollte. Das habe ich später nicht mehr gemacht. Ansonsten habe ich mit der normalen Hautleimverdünnung von 40 g auf 1 l flüssig vorgeleimt. Meist hatte ich den Leim mit Alaun feuchtigkeitsunempfindlich gemacht. Der Hautleim strafft natürlich die Leinwand. Darauf kam in vielen, ganz dünnen Schichten die Dispersionsfarbe (Amphibolin und ab 1992 Gesso von verschiedenen Herstellern, Anm. AD). Wirklich sehr verdünnt und ziemlich dünn im Auftrag. Bis es so dicht war, dass man gegen das Licht keine Löcher mehr sah. Das war immer sehr aufwendig und viel Arbeit bei den großen Formaten. Darum ist es mir jetzt angenehmer, vorgrundierte Leinwand zu nehmen. Die ist allerdings manchmal nicht so gut in der Qualität. Das grundierte Leinen, was ich zuletzt gekauft habe, hat sehr viele Löcher. Auf einem der letzten Bilder sah ich plötzlich komische Punkte in einer hellen Farbfläche und dachte es seien Farbspritzer. Aber es waren einfach Miniaturlöcher in der Leinwand, wo die Grundierung nicht geschlossen war. Das ist dann nicht so toll. Das passiert bei diesem Zeug da (Boesner Universalgrund "Henry", Anm. MG) überhaupt nicht, das ist maschinell gefertigt und alles ist dicht gemacht. Die Löcher treten wohl eher bei Leinwand auf, die von Hand grundiert wurde.
MG: Haben Sie die klassische Grundierung nach Doerner auch praktiziert?
AD: Wir haben das natürlich im Maltechnikkurs an der Akademie gelernt, Kreidegrund und so weiter. Ich habe dann auch ein großes Bild auf Kreidegrund gemalt, fand aber schrecklich, wie sehr er gesaugt hat. Halbölgrund wäre sicher günstig gewesen für mich, aber ich habe zu große Angst vor dem Gilben gehabt. Ich male sehr dünn und der Grund wirkt an vielen Stellen durch. Ich hatte damals Bilder von Gerhard Richter gesehen, diese grauen Städtebilder. Die Grundierung hat durchgeschimmert, und sie war zitronengelb! Ich habe vermutet, dass es Ölgrund gewesen sein müsse. Dass mir das auch passiert, wollte ich nicht. Ich habe mit Ölgrund dann gar nicht erst angefangen.
MG: Seit wann arbeiten Sie mit den vorgrundierten Leinwänden?
AD: Noch nicht so lange, seit ein paar Jahren.
MG: Unterzeichnen Sie Ihre Bilder?
AD: Es kommt darauf an, welche. Bei diesem da (die Rede ist von dem Bild Tihany, 2006, Anm. MG) gibt es gar keine Zeichnung, bis auf die für die Bänke. Für Figuren, die ich nach Fotos male, oder bei Konstruktionen, wie etwa einem Geländer, gibt es dagegen eine präzise Vorzeichnung mit Kohle. Früher habe ich sie auch mit farbigen Kreiden gemacht, weil man das nicht so leicht wegwischen kann. Für das Arbeiten nach Fotos habe ich mir damals ein Raster mit dünnen Kohlestrichen auf die Leinwand gezeichnet; das konnte ich anschließend leicht wegwischen. Wenn ich dabei die Vorzeichnung nicht mit wegwischen wollte, war es praktisch, wenn diese etwas stabiler war. In die Weißtöne hat sich dann aber der Rötel oder Bister mit hineingemischt. Das gefiel mir nicht. Darum habe ich mit den Kreidevorzeichnungen aufgehört und nur noch mit Kohle gezeichnet. Danach habe ich entweder die Vorzeichnung mit dem Pinsel nachgezogen oder aber so weitergearbeitet, dass nicht sofort alle Zeichnung weg war. Später kam die Vorzeichnung mittels Raster auf ein großes dünnes Papier. Sie wurde auf die Leinwand durchgepaust, indem ich hinten aufs Papier Kohlestaub oder Pigment aufgebracht habe und die Zeichnung von vorne mit einer härteren Kohle oder Kreide nachzog.
MG: Also eine 1:1 Vorzeichnung.
AD: Genau. Dann konnte ich sie auch auf die Leinwand setzen, wohin ich sie haben wollte, und hatte eben das blöde Raster nicht auf der Leinwand. Was zwar normalerweise kein Problem war, aber in ganz hellen Stellen, etwa im Weiß oder im Himmel, kam es doch manchmal durch. Selbst bei Kohle, die man eigentlich gut wegwischen kann – aber eben manchmal nicht so ganz.
MG: Verwenden Sie farbige Untermalungen?
AD: Ja, damit habe ich auch ab und zu herumexperimentiert. Aber so richtig farbige eher selten, weil das bei so einer dünnen Malerei schwer geht. Ich hatte es aber bei einem großen Bild gemacht, was Sie wohl nicht kennen, weil es, sofort nachdem es fertig war, auf der Baseler Messe gezeigt und verkauft worden war (gemeint ist das Bild Juan, 2005, 200 x 120 cm, Anm. MG)
AD: Das ganze Bild war schreiend Kadmiumorange grundiert. Darauf zu malen war selbst mit UV-Farben ein ziemlicher Angang. Das Rotorange hatte aber den Vorteil, dass Schwarzpartien sehr gut darauf stehen. Später gab es noch eine Serie (gemeint sind die Sechzehn Studenten, 2008, 16tlg à 100 x 70 cm, Anm. MG), wo ich alle Leinwände in verschiedenen, von den Modellen selbst ausgewählten und teils recht dunklen oder starken Farben vorgrundierte, und darauf sehr schnell nach dem Modell malte. Die Malerei wird durch die farbige Grundierung zwar abgekürzt, aber leider sind die sehr dunklen Grundierungen durchgeschlagen und nahmen einigen Farben etwas von ihrer ursprünglichen Leuchtkraft. Normalerweise verwende ich als Untermalung lieber ein ganz leichtes Silbergrau, oder ein beiges Grau, worauf Hauttöne gut stehen und auch ein Weiß gut aussieht, welches aber nicht die Leuchtkraft der Farben bricht.
MG: Legen Sie die Untermalungen partiell oder ganzflächig an?
AD: Bei den ganz frühen Bildern partiell. Danach habe ich die ganze Leinwand mit einer Imprimitur versehen. Dies habe ich in den verschiedensten Arten und Weisen versucht. Mal mit Acryl, mal mit Tempera oder verdünnter Ölfarbe. Darüber kam eine kleine Isolierschicht aus extrem stark verdünntem Acryllack, außer bei Öl natürlich. Früher habe ich Dammarfirnis als Zwischenschicht aufgetragen und ihn sofort feucht wieder abgerieben, damit er nicht glänzt. Ich habe es auch mit Schellack versucht, nur bricht der. Daher kommen wahrscheinlich die Craquelés in einigen Bildern. Ich hatte das Rezept dafür aus dem Doerner, aber so richtig toll war das irgendwie nicht. Wahrscheinlich, weil ich Riziniusöl hätte zufügen müssen, welches ich natürlich nicht hatte. Aus Dammar und ein wenig Ölfarbe habe ich auch manchmal eine sehr transparente Imprimitur hergestellt, meist in hellgrau. Ich habe unheimlich viel herumexperimentiert. Bei den einzelnen Bildern wüsste ich es jetzt wahrscheinlich gar nicht mehr genau.
MG: Haben Ihre Untermalungen eher einen transparenten, durchscheinenden Imprimiturcharakter oder können sie auch opak, deckend auf der Grundierung stehen?
AD: Die starkfarbigen Gründe der Studenten und jener mit Kadmiumorange waren ziemlich opak. Sonst sind die Imprimituren meist halbdeckend bis transparent, vor allem die grauen.
MG: Mit welchen Farben arbeiten Sie? Mit welchen Bindemittelsystemen?
AD: Beim Malen? Also richtig Malen?
MG: Ja.
AD: Mit Ölfarbe. Öfters gab es in der untersten Schicht auch Weißhöhungen auf einem leicht getönten Grund – vor allem bei den Männerbildern habe ich ziemlich herumexperimentiert. Diese waren mit verschiedenen Bindemitteln gemalt, etwa mit Tempera. Ich habe es auch mit Acryl versucht, aber das hat sich nicht sehr gut geeignet. Früher habe ich oft Acryl verwendet, um ein Bild in der untersten Schicht dünn farbig anzulegen. Das ist aber schwierig, Acryl trocknet zu schnell an und man kriegt es nicht wieder weg, wenn man korrigieren möchte. Deshalb verwende ich es jetzt kaum noch.
MG: Legen Sie die Inkarnate mit einem weißen Gerüst an? Ich frage deshalb, denn als ich das letzte Mal da war, hatten die beiden Mädchen hier weiße Gesichter, wie Geister. Es ist ja eine gängige Technik, dass man Inkarnate vollkommen in Weiß aufbaut, hier schon die Hell-Dunkelunterschiede anlegt und danach mit den farbigen Lasuren drüber geht, so daß man zum Schluss gar keine oder nur ein paar Lichter setzen muß.
AD: Die genannten Mädchen (Cousinen, 2006, 150 x 100 cm, Anm. MG ) waren ein technisches Experiment. Ich wollte damit wieder zu einer meiner ganz frühen Maltechniken zurückkehren. Diese war ein Versuch gewesen, wie Rubens zu untermalen. Das heißt, mit Weißhöhung untermalen auf einem hellgrauen Grund, also mit Weiß in den Lichtern und lasierendem Ocker in den Schattenpartien, und dann nur noch halbdeckend drüberzugehen. Die Schatten nur anzulasieren und die Farben nicht viel zu mischen, sondern möglichst optische Mischungen zu verwenden. Das habe ich früher oft so gemacht. Aber natürlich ist eineAlla-prima-Malerei (bei dieser Maltechnik wird auf Untermalungen und Lasuren verzichtet, Anm. MG) viel unaufwendiger, unkomplizierter und spontaner. Der aufwendige Schichtenaufbau war übrigens auch ein Grund, warum das Malen mancher Bilder so furchtbar lange gedauert hat.
MG: Mit welchen Bindemittelsystemen arbeiten Sie in der Untermalung?
AD: Ich habe es mit allem möglichen versucht. Mit Acryl kam ich nicht weiter, denn es verliert an Volumen beim Trocknen. Dann habe ich Tempera verwendet, weil die Farbe besser steht. Die habe ich mit käuflichen Zusatzstoffen versetzt. So gibt es ein Alkydharzmalmittel von Lukas, durch dessen Verwendung die Farbe wasserunlöslich wird. Denn es wäre ja blöd, falls ein mit Tempera untermaltes Bild feucht würde, wenn sich die ganze Untermalung auflöste. Deshalb habe ich Temperafarben mit Alkydmalmittel versetzt, so dass sie wie Harzfarben wurden. Oder ich habe Ölfarben verwendet, die mittels eines anderen Malmittels, das war ein französisches Produkt, an dessen Namen ich nicht mehr erinnere, wasservermalbar gemacht worden waren. Oft weiß ich nicht mehr so genau, was genau ich bei einem bestimmten Bild verwendet habe. Früher hatte ich es mit Eitempera versucht, nur haben sich die Farbtöne immer stark verändert beim Auftrocknen. Jetzt verwende ich einen aufwendigen Schichtenaufbau nur noch hin und wieder, aber probiere dabei immer verschiedene Materialien aus.
Die obere Schicht ist natürlich Ölfarbe. Was die Malmittel hierbei betrifft, habe ich sehr viel herumexperimentiert. Eigentlich verwende ich keine käuflichen Malmittel, erst in der letzten Zeit habe ich manchmal schnell trocknende Malmittel benutzt. Früher habe ich versucht, die Farbe langsam trocknend zu bekommen und habe das nach Doerner mit Mohnöl gemacht. Das war von der Verarbeitung ganz toll, und man konnte sehr schöne Transparenzeffekte erzielen. Aber die Bilder sind unglaublich empfindlich. Immer noch. Die Farbe wird nie richtig hart, und wenn man an einer Stelle zu viel Malmittel genommen hatte, bleibt es dort immer leicht klebrig. Mit dem Mohnöl habe ich irgendwann wieder aufgehört, weil man diese an gewissen Stellen wahnsinnig empfindlichen Bilder kaum transportieren und kaum lagern konnte. An sich aber war es sehr angenehm, mit langsam trocknenden Farben zu malen. Jetzt nehme ich stattdessen schnell trocknendes Malmittel, dann kann man am nächsten Tag eine neue Schicht draufsetzen, wenn man bei etwas nicht durchgekommen ist. An sich muss man einen Abschnitt aber besser ganz fertig bekommen. Früher habe ich oft Dammar ins Malmittel gemischt, um einen transparenteren Farbauftrag zu bekommen, also um eine Art Harzölfarbe herzustellen. Eine Zeit lang sogar Mastix. Aber als mein Vorrat alle war, habe ich keines mehr nachgekauft, weil es unverhältnismässig teuer geworden war. Ich bin dann auf venezianisches Terpentin umgestiegen. Normales Leinöl benutze ich als Malmittel nie, weil das Öl, was in den Tubenfarben ist, schon mehr als ausreicht. Früher allerdings habe ich hin und wieder Standöl verwendet. Lediglich jetzt, wenn ich mir mit speziellen Pigmenten die Farben selber anmische, zum Beispiel mit diesen Leuchtpigmenten (Tagesleuchtfarbe von Dr. Kremer, Anm. MG), nehme ich als Bindemittel Leinöl.
MG: Warum müssen Sie die Leuchtpigmente selbst anmischen?
AD: Die gibt es nicht als Ölfarbe. Ich glaube auch nicht, dass sie bereits je jemand als Ölfarbe vermalt hat. Wahrscheinlich ist den Leuten nicht klar, dass man das kann. Sie sind eigentlich kein seriöses Pigment für die Malerei, weil sie so wenig lichtecht sind. Ich habe sie trotzdem eine Zeitlang verarbeitet, aber immer mit Beimischung von traditionellen Pigmenten. So dass, wenn das Leuchtpigment mal weggehen sollte, wenigstens noch etwas übrig ist. Damit habe ich diesen Prozess der eventuellen Veränderung einkalkuliert. Wenn der Hintergrund zum Beispiel heller wird, dann ist das ok. In den Figuren ist von diesen Pigmenten nur ganz wenig, nur in einigen Lichtern.
MG: Das Bild, von dem Sie hier sprechen, heißt Sunset und ist auch das sogenannte Basler Bild?
AD: Genau.
MG: Wenn Sie die Untermalungen abgeschlossen haben, verwenden Sie in den obersten Schichten hauptsächlich Ölfarbe?
AD: Nur Ölfarbe. Nur. Ich habe ein einziges Mal eine Ausnahme gemacht, das war bei dem Bild „Mounir", welches dem MMK gehört. Da ist im Vordergrund ein Frotteehandtuch. Diese Textur mit Ölfarbe hinzubekommen ging nicht. Also habe ich einen Mix aus käuflicher Temperafarbe und irgendwelchen Malmitteln gemacht. Leider weiß ich nicht mehr, ob ich dazu aus der Tempera eine Alkydfarbe gemacht hatte oder ob ich meine Ölfarbe mit Tempera vermischt und mit einem Malmittel zu einer wasserlöslichen Farbe gemacht hatte, die sich temperaartig vermalt. Tempera deshalb, damit man diese trockene Pinselstruktur hinbekommt. Zum Schluss habe ich nur noch eine hauchdünne Lasur in Öl darübergezogen, nur so ein kleines bisschen gelb, aber sonst nicht mehr groß weiter übermalt. Hier gibt es sozusagen keine richtige obere Malschicht. Aber ansonsten ist diese immer in Öl.
MG: Benutzen Sie Ölfarben von verschiedenen Firmen?
AD: Von ganz verschiedenen, ja. Allerdings achte ich sehr darauf, welche Pigmente drin sind. Seitdem die Hersteller es draufschreiben, ist das möglich. Ich bevorzuge Farben, die nicht aus allzu vielen verschiedenen Pigmenten gemischt sind, denn mischen kann ich auch selber. Die Farben sollen möglichst rein sein, aus einem oder höchstens zwei Pigmenten. Ich achte sehr auf die Lichtechtheit, denn bei manchen Tönen ist das unglaublich unterschiedlich. Zum Beispiel ein Ton wie Saftgrün, welcher fast unverzichtbar ist, wenn man Landschaften malt. Ein ganz transparentes, warmes gelbliches Grün. Es ist in einigermaßen guter Lichtbeständigkeit nur schwer zu bekommen. Auch Farben wie Karminrot oder Ultramarinblau, Pigmente die man schon lange kennt, bieten manche Firmen an mit nur sehr mäßiger Lichtechtheit. Ich strebe an, dass alle von mir verwendeten Farben höchste Lichtechtheit besitzen. Bei manchen Farben geht das nicht, Krapplack zum Beispiel bekommt man nie hoch lichtecht. Ich habe die verschiedenen Produzenten verglichen, und wie die Farben dann real aussehen, wozu ich die Tuben aufschrauben musste. Ich habe die genommen, die mir am besten gefallen haben. Von bestimmten Herstellern einen Farbton und von einem anderen den anderen Farbton. Das lässt sich fast nicht vermeiden, wenn man über so einen langen Zeitraum malt und dann auch noch in verschiedenen Ländern, und überall kauft man Farbe dazu. Dabei kommt ohnehin ein Sammelsurium heraus.
MG: Haben Sie denn einen Kernstamm von Herstellern, auf den Sie gerne zurückgreifen?
AD: Ja, das kommt immer ganz darauf an. Als es irgendwann einmal die Norma-Farben (Norma: Künstlerölfarben der Firma Schmincke, Anm. MG) in großen Tuben gab, habe ich wirklich eine ganze Zeit lang fast ausschließlich damit gemalt, weil es auch sehr gute teure Pigmente in riesigen Tuben gab, Kadmium- und Kobaltfarben zum Beispiel. Bei großen Bildern wie meinen mit winzigen Tuben anzufangen ist eben sehr unangenehm. Mit Mussini (Mussini: Künstlerfarben der Firma Schmincke auf Harz-Öl-Basis, Anm. MG) und ähnlichen Farben in Minituben habe ich fast nie gemalt, weil mir einfach meine Bilder immer zu groß waren. Da ist so eine Tube sehr schnell alle. Die Ausnahme ist Kobaltviolett hell, das gibt es einfach nicht in großen Tuben, man muss es so nehmen, wie man es kriegt. Da nehme ich dann auch Mussini. Die sehr teuren Künstlerfarben in den kleinen Tuben sind manchmal übrigens so konzentriert, dass man nur unter Schwierigkeiten damit malen kann, weil sie sich so schwer dosieren lassen. Wenn kräftige Pigmente, wie zum Beispiel Kadmiumrot, ein bisschen mit Füllstoffen verschnitten sind, ist das also meist gar nicht so schlecht, weil die Farbe dann nicht so wahnsinnig reinhaut. Insofern mag ich die normalen Künstlerfarbenqualitäten eigentlich am liebsten.
Ansonsten verwende ich immer die Farben mit guten Pigmenten, die es einigermaßen günstig in großen Tuben gibt. Von Rembrandt gab es da einmal ein paar ausgewählte Farbtöne, die habe ich eine Zeit lang gekauft, aber jetzt hat das Krapplackrot nicht mehr so viel Farbtiefe und ich nehme es nicht mehr. In Marseille gibt es die Firma Pébéo. Sie haben tolle Farbtöne, leuchtender und reiner als die hiesiger Firmen, die lange Zeit nur versucht haben, Töne traditioneller Pigmente mit modernen Mitteln nachzumischen. Die Franzosen aber hatten diese neuen synthetischen Pigmente unverschnitten, rein verkauft. Etwa ein knalliges Magenta und ein ganz helles, transparentes, leicht grünliches Cyanblau. Diese Farben habe ich sehr gern benutzt, obwohl sie ziemlich teuer sind. (Anm.: diese Linie, "Fragonard", gibt es nicht mehr. Die Produktion wurde umgestellt auf extrem stark verschnittene Billigfarben aus China.) Aber inzwischen haben die anderen Hersteller nachgezogen. Diese neuen Farbpigmente, das ist ja eine ganz tolle Entwicklung. Als ich angefangen habe zu studieren, gab es das alles noch nicht, diese Vielfalt leuchtender organischer Pigmente von hoher Qualität. Jetzt gibt es Dioxazinviolett und Cyanblau und die Helio-Blaugrüntöne, mit denen man sogar ein anständiges Türkis mischen kann.
MG: Und da quer Beet? Könnten Sie mir einen Hersteller nennen, den Sie favorisieren?
AD: Das liegt immer am Preis-Leistungs-Verhältnis. Da machen sich die Hersteller Konkurrenz. Mal ist der eine, mal der andere besser. Eine Zeitlang, als es diese riesigen Tuben von Lukas gab, die ziemlich gut waren - schöne leuchtende Pigmente mit im Schnitt guter Lichtechtheit - habe ich gerne damit gemalt. Dann kam Norma in großen Tuben auf den Markt, und das war der Renner. In manchen Sortimenten gibt es keine traditionellen teuren Pigmente wie Kadmium oder Kobalt, da muss man sowieso auf andere Hersteller zurückgreifen. Manche sind wiederum so komisch, dass man damit nicht angenehm malen kann. Das gibt es auch. Mir gefällt Norma sehr gut und viele Farben von Lukas. Nur manche Farbtöne sind weniger schön, irgendwie zu schlapp. Je nach Ton ist es ganz verschieden, welchen Hersteller ich bevorzuge. Mittlerweile bietet etwa Talens seine Van Gogh in größeren Tuben an, auch mit wertvollen Pigmenten, wie etwa Kobaltblau, die Schmincke bei Norma schon wieder aus dem Programm genommen hat. Insofern steige ich gerade um.
Fortsetzung des Gesprächs am 06.12.2006
MG: Wir sind am Ende unseres letzten Gesprächs bei den Farbtönen, die Sie verwenden, stehengeblieben.
AD: Es sind möglichst immer reine Töne. Seitdem es auf den Tuben draufsteht, achte ich darauf, dass es möglichst nur ein Pigment pro Farbe ist. Ich versuche, die extremsten Töne des Spektrums möglich zu machen, also Farben zu nehmen, aus denen man sie mischen kann. Dazu gehören zum Bespiel Farben wie Chinacridonrosa oder Kobaltviolett hell, andere Kobaltviolettsorten auch, aber auch Dioxazinviolett. Es gibt heute tolle neue Pigmente, die unglaublich leuchtend sind. Dazu verwende ich Ultramarinblau, Coelinblau, Kobaltblau, neuerdings Manganblau. Bei Cyanblau mag ich ausschließlich das der Marseiller Firma Pébéo (Serie Fragonard, existiert nicht mehr) weil es heller und türkisener ist, nicht so dunkel und stechend. Die anderen Cyanblaus färben zu stark und Preußischblau hasse ich. Dann natürlich alle nur erdenklichen Kadmiumfarben, also Kadmiumrot in allen Schattierungen und Kadmiumgelb von dunkel bis zitron. Wichtig ist eine Anzahl deckender und lasierender Töne. Die organischen Pigmente sind ja alle ziemlich lasierend. Man braucht natürlich auch Zwischenfarben. An Erdtönen benutze ich lichten Ocker, Sienanatur, Englischrot, Siena gebrannt, Umbra gebrannt und Schwarz. Das ist die Basis. Je nach Bild, wenn es eine Landschaft ist, dann vielleicht noch grüne Erde und Umbra natur. Ohne Erdtöne komme ich nicht aus. Es gibt noch andere Töne, die für mich sehr gut, weil extrem lasierend sind, zum Beispiel Saftgrün, wobei es immer noch schwer ist, es in gescheiter Lichtechtheit zu bekommen. Hier bin ich auch immer am Suchen, und dass der Ton schön ist, möglichst tief. Wenn man irgendwo ein Hooker’s Green findet das gut ist, dann ist das natürlich auch prima. Hier suche ich noch die ideale Firma. Dann gibt es neue Eisenoxidfarben, die extrem lasierend sind, so genannte Lasurocker, in verschiedenen Tönen, bräunlichen, rötlichen und gelblichen. Sie benutze ich vor allem für Porträts gerne.
MG: Sie sprachen davon, dass Sie große Tuben bevorzugen.
AD: Ja, aber zum Beispiel Coelinblau gab es lange nicht in brauchbaren Tubengrößen. Jetzt gibt es das bei Van Gogh, es fragt sich nur wie lange. Oft nehmen die Produzenten die wertvollen Farben wieder aus dem Sortiment für Großverbraucher. Die kleinen Tuben verwende ich nur für Landschaftsmalerei, da habe ich ein komplettes Set. Wenn ich mit der Feldstaffelei raus in die Landschaft gehe, dürfen die Farben nicht zu viel wiegen. Da nehme ich zum Teil auch andere Firmen, aber für die großen Bilder sind die großen Tuben besser.
MG: Wie bewahren Sie Ihre Farbtuben auf?
AD: Diese Frage verstehe ich nicht.
MG: Als ich letztes Jahr hier bei Ihnen im Atelier war, hatten Sie Farbtuben kopfüber in einer Kiste stecken.
AD: Ach so, ja, teilweise habe ich das immer noch, also ein paar Grundtöne liegen in so kleinen Schränkchen. Viele andere habe ich tatsächlich kopfüber in einem Farbeimer, weil sie immer zuviel Öl enthalten, und dieses sich oben absetzt. Damit man, wenn man die Tube aufmacht, nicht erst das ganze Öl hat. So steigt das Öl in den hinteren Teil der Tube und vorne kommt dickere Farbe heraus.
MG: Magern Sie Ihre Farben aus?
AD: Im Allgemeinen nicht, außer wenn nur Öl aus der Tube kommt. Einige Erdfarben, der Firma Kreul vor allem, haben sich nach einer Weile entmischt und dann war wirklich nur noch Öl da.
MG: Welche Rolle spielt die Farbe Weiß in Ihrer Maltechnik?
AD: Ohne Weiß kann ich nicht malen. Nur es ist natürlich klar, dass manche Farben dann an Leuchtkraft verlieren. Wenn das stört muss man sehen, wie man sich mit Lasuren behilft, oder indem man Töne findet, wo das nicht passiert. Aber wenn man kein Weiß verwendet und viel mit Lasuren arbeitet, sehen die Bilder bei wenig Licht sehr dunkel aus, und das ist auch nicht so toll.
MG: Sehen Sie bei der Farbe Schwarz irgendwelche Einschränkungen?
AD: Nein, für mich ist das eine Farbe wie alle anderen auch, ich habe hier keine Doktrin. Zum Mischen von hellen Tönen verwende ich es eher nicht, da gibt es genügend andere Farben. Um dunkel lasierende Farben wirklich ganz dunkel zu bekommen, bleibt einem meist nichts anderes übrig, als Schwarz zu verwenden, aber man muss etwas vorsichtig damit sein. Oft mische ich gebrannte Umbra mit Ultramarinblau oder Violett, um einen dunkel lasierenden Ton zu bekommen, der eben nicht Schwarz ist. Oder verwende Saftgrün und ähnliche Töne bei den Landschaften. Aber ganz ohne Schwarz geht es natürlich nicht.
MG: Welche Art Pinsel benötigen Sie zum Malen?
AD: Hauptsächlich zwei Sorten. Die einen sind Rundpinsel aus Rindsohrhaaren, ziemlich dicke, die man in Deutschland nicht bekommt. Die kaufe ich immer in Italien. Ich habe normalerweise vier Stück von einer Größe, für jede Helligkeitsstufe einen. Zudem verwende ich flache Borstenpinsel, wobei ich Wert darauflege, dass sie möglichst dünn sind und möglichst lange elastische Borsten haben, die natürlich nicht auseinanderstehen dürfen. Zum Teil nehme ich billige Chinapinsel, weil die einfach viel längere Borsten haben als die normalen Schlusspinsel, und auch etwas weicher sind. Davon auch immer vier in einer Größe. Ich markiere sie mir mit kleinen Ringelchen oberhalb der Zwinge, damit ich sie unterscheiden kann, weil die Farben sich im Pinsel relativ ähnlichsehen. Die Markierung geht natürlich irgendwann ab, das System ist noch nicht perfekt. Je nachdem benutze ich ziemlich viele Pinsel gleichzeitig.
MG: Haben Sie pro Farbton einen Pinsel?
AD: Ja, im Grunde schon. Einen pro Helligkeitsstufe auf jeden Fall. Man kann sie zwar etwas auswaschen zwischendurch beim Malen, aber nicht gründlich. Die Pinsel für dunkle lasierende Farben müssen deshalb getrennt werden von den Pinseln, in denen Weiß ist. Das muss ich durchhalten.
MG: Wie säubern Sie Ihre Pinsel?
AD: Nicht unbedingt jeden Tag. Früher habe ich sie jeden Tag ganz gründlich ausgewaschen, jetzt mache ich das von einem Tag auf den anderen nur mit einem bisschen Terpentinersatz. Alle paar Tage müssen sie dann aber wirklich gründlich gereinigt werden: erst mit Terpentinersatz, dabei immer wieder an einem Lappen auswischen, und zum Schluss mit lauwarmem Wasser und Seife.
MG: Wie alt kann bei Ihnen eine Farbtube werden?
AD: Es kommt darauf an. Wenn es Töne sind, die man nicht mehr bekommen kann und die ich besonders mag, dann lasse ich immer einen kleinen Rest drin. So habe ich wirklich noch Tubenreste von 1985. Ansonsten, bis sie verbraucht sind. Wenn ich Töne nicht mag, dann werden sie auch sehr alt und liegen eben noch rum.
MG: Wozu benutzen Sie die Mallappen?
AD: Zum Pinselauswaschen. Aber natürlich auch teilweise zum Abwischen von irgendwelchen Stellen, die nichts geworden sind. Abkratzen und dann Wischen oder auch zum Verwischen der Farbe. Teilweise in Tampontechnik, wenn man diese lasierend auftragen will.
MG: Arbeiten Sie mit einem Vertreiber?
AD: Nein.
MG: Mischen Sie die Farben auf der Palette?
AD: Ja, ausschließlich.
MG: Nicht auf der Leinwand?
AD: Nein, nie auf der Leinwand.
MG: Wie lange arbeiten Sie an einem Bild?
AD: Das ist extrem unterschiedlich. Die schnellsten brauchen vielleicht zwei bis drei Stunden, zum Beispiel kleinformatige Landschaftsbilder. Größere Bilder dauern Monate und ganz große mehrteilige Arbeiten ein bis mehrere Jahre.
MG: Kommt es vor, dass Sie Ihre alten Bilder überarbeiten?
AD: Eigentlich nicht wirklich.
MG: Was meinen Sie damit?
AD: Ich kann mich jetzt nicht erinnern, aber eigentlich ist das nichts, was ich mache. Meistens sind die ja auch weg. Die stehen ja nicht im Atelier rum, sondern sind längst bei der Galerie, also da gibt es nichts zum Überarbeiten.
MG: Wie signieren Sie?
AD: Hinten drauf mit Kohle. Bei Serien wird nicht jedes Bild signiert, sondern es wird numeriert. Da steht dann 1 von 7 meinetwegen und dann wird nur ein Bild signiert, das erste oder das letzte.
MG: Wann signieren Sie Ihre Bilder?
AD: Meistens erst irgendwann, wenn ich daran denke. Wenn sie ausgestellt werden sollen, zum Beispiel, oder wenn sie weggehen an die Galerie.
MG: Fixieren Sie die Kohle, mit der Sie die Signatur auftragen?
AD: Nein. Es ist mir auch schon passiert, dass irgendetwas nicht gestimmt hat am Titel oder Jahr, weil ich mich verschrieben habe. Das muss man ja auch wieder auswischen können. So ganz bekommt man es aber nie weg.
MG: Datieren Sie die Bilder auch?
AD: Das Jahr.
MG: Warum firnissen Sie Ihre Bilder?
AD: Weil die Malerei in lasierenden und deckenden Partien angelegt ist. Die Tiefe der Bilder kommt eigentlich nur zur Wirkung, wenn sie ganz frisch sind. Danach schlägt die Farbe etwas ein und man muss firnissen, um sie wieder herauszuholen. Deshalb muss ich bei großen Bildern teilweise mit Zwischenfirnissen arbeiten. Das mache ich zwar immer weniger, aber früher habe ich wirklich Teile des Bildes schnell gefirnisst, um zu sehen, wie es aussieht.
MG: Haben Sie schon einmal Probleme gehabt mit dem Firnisauftrag, dass Ihnen zum Beispiel Farbe verschmiert ist?
AD: Das passiert leicht einmal in kleinen Partien, wenn man zu früh firnisst. Aber es war selten schlimm, dann wischt man das Verlaufene halt wieder ab. In extremem Maß ist es mir noch nicht passiert.
MG: Welches Firnismaterial verwenden Sie?
AD: Selbst angesetzten Dammarfirnis. Ich male sehr dünn, deswegen sind die Bilder eigentlich schnell trocken.
MG: Heißt das, wenn Sie mit Zwischenfirnissen arbeiten, dass die Farbe schon sehr gut getrocknet ist?
AD: Nein, das heißt es leider nicht, denn wenn ich firnissen muss, um irgendwas zu sehen, dann ist sie meistens ziemlich frisch. Aber toll ist das nicht, weil man darauf nicht so gut weitermalen kann. Ich bin vom Zwischenfirnis ein bisschen abgekommen. Früher habe ich das öfter gemacht, aber irgendwie geht es jetzt nicht mehr, ich weiß nicht, warum.
MG: Wie tragen Sie den Firnis auf?
AD: Mit einem Pinsel, einem sogenannten Vertreiber.
MG: Wenn das Bild fertig ist, gibt es dann einen Firnis über das gesamte Bild oder arbeiten Sie auch partiell?
AD: Nein, da gibt es über alles einen Firnis. Es ist zwar für den visuellen Eindruck nicht nötig, größere helle Stellen zu firnissen. Aber der Firnis ist auch ein Schutz und ich möchte schon, dass es eine einheitliche Oberfläche gibt. Zum Beispiel dieses eine Bild habe ich nur teilweise gefirnisst, weil Teile eben auch noch nicht ganz trocken waren, und dann wirklich nur die dunklen Sachen gefirnisst, um zu sehen, wie die Wirkung ist. Aber das werde ich dann, wenn es ganz trocken ist, noch mal ganz firnissen.
MG: Kann man davon ausgehen, dass alle Ihre Bilder gefirnisst sind?
AD: Davon kann man ausgehen.
MG: Verwenden Sie Wachsfirnisse?
AD: Nie.
MG: Jetzt habe ich einige Fragen zu Rahmung und Präsentation. Bleiben Ihre Leinwandbilder prinzipiell ungerahmt?
AD: Ja.
MG: Warum?
AD: Sie sind rahmenlos konzipiert.
MG: Möchten Sie bei der Hängung Ihrer Bilder in Museen oder Galerien dabei sein?
AD: Ja, natürlich. In Salzburg war ich das nicht und habe mich hinterher geärgert. Ich war vorher da gewesen und habe den Raum angesehen. Ich hatte ihnen genau gesagt, wie sie es hängen sollen, und habe dann gedacht, das kriegen sie schon alleine hin. Das haben sie auch, nur dass ich vergessen hatte, aufs Licht zu achten. Insofern muss ich schon dabei sein und mich vergewissern, dass wirklich alles gut wird.
MG: Welche Vorgaben haben Sie in Salzburg gegeben?
AD: Bei den großen Bildern ist es wichtig, dass sie sehr tief hängen, sofern der Boden es erlaubt. Wenn er nicht eine zu starke Eigenfarbe hat oder zu dunkel ist, kann man die Bilder wirklich fast stellen. Da sind dann nur 1 oder 2 cm unter dem Bild, manchmal nur ein halber, damit es so aussieht, also würde es auf dem Boden stehen. Das habe ich sehr oft so gemacht. Bei ungünstigen Böden hängen sie um die 10 cm hoch, was ja auch schon tief ist.
MG: Das kommt dann auf das Motiv an, oder? Sie sprechen jetzt von den Männerbildern?
AD: Ja sicher. Die gemalten Menschen müssen im Raum ein Gegenüber für den Betrachter sein. Die Hängung ist eine Installation, mit mehr oder weniger Intervention im Raum, je nachdem. Brustbildporträts müssen logischerweise mehr oder weniger auf Augenhöhe gehängt werden. Dieses Bild dagegen – das große Salzburger Teil (gemeint ist das vierteilige Bild Aussicht, 2001, insgesamt 200 x 560 cm, Anmerkung MG) – muss relativ hoch gehängt werden, weil die untere Hälfte der Figuren fehlt.
AD: Die ganzfigurigen Männerbilder wiederum müssen ganz tief hängen. Das letzte Bild mit großen stehenden Figuren, Sunset, hat optisch sogar auf dem Boden gestanden. In Basel sollte der gemalte Boden mit dem Boden der Messekoje eine Einheit ergeben. Dort habe ich sogar den Boden leicht anmalen müssen, damit er nicht zu dunkel ist und die Illusion des Übergangs wirklich funktioniert.
MG: Legen Sie bei Serien wie zum Beispiel den Forschern in Salzburg den Abstand zwischen den Bildern fest?
AD: Den habe ich in dem Fall nicht festgelegt, denn er richtet sich auch nach dem verfügbaren Raum. Bei den Serien gibt es schon einige, bei denen ein präziser Abstand wichtig ist. Aber bei diesen Porträts muss jedes Bild einzeln wirken können, also darf man sie nicht zu dicht hängen. Man kann sie sogar relativ weit auseinanderziehen, je nachdem wie groß der Raum ist.
MG: Sie malen ja mehrteilige Bilder, die aber ein durchgehendes Motiv zeigen, wie das Bild Aussicht. Das darf man – denke ich mal – gar nicht mit Abstand zwischen den einzelnen Teilen hängen?
AD: Nein, darf man nicht. Es ist mir einmal passiert mit einem solchen Panorama. Es war verkauft und die Galeristin hat es bei dem Käufer – es war eine Bank – aufgehängt. Sie hat riesige Abstände dazwischen gemacht, weil viele Türen in dem Raum waren. Es war eine ziemliche Katastrophe. Aber man kann leider, wenn die Sachen verkauft sind, meist nicht viel machen.
MG: Frau Doberauer, Sie haben so genannte UV-Bilder gemalt. Können Sie Näheres dazu sagen?
AD: Das sind Bilder, die mit Acrylfarben gemalt sind, und zwar mit zwei verschiedenen Weißtönen. Der eine ist eine weiße Tagesleuchtfarbe und der andere ist eine ganz normale weiße Acrylfarbe, vielleicht war es sogar Wandfarbe, das weiß ich nicht mehr so genau. Die sieht dann im Bild schwarz aus, wenn man das Ganze mit UV-Licht beleuchtet. Die Bilder sind nur bei UV-Licht gemalt, mit einer kleinen Leuchtstoffröhre. Eigentlich war der Anstoß ein Bühnenbild für eine Performance (The rest is silence, Festival Theaterformen, Braunschweig 1990), das ich gemacht habe. Der Regisseur, Harald Weiss, wollte, dass wenn man das Licht anschaltet, mit einem Schlag der ganze Zauberspuk verschwunden ist. Darum habe ich mir diese ausgeklügelte technische Lösung überlegt. Denn bei normalem weißen Licht sieht man nur noch weiße Leinwände. Wenn man sehr genau hinsieht, kann man vielleicht ganz leichte Negativbilder sehen in einem leicht gelblicheren Weiß, aber oft ist auch gar nichts zu erkennen. Die UV-Malerei hat mir dann aber so gut gefallen, dass ich die Serie fortgeführt und zu einer eigenständigen Arbeit ausgebaut habe.
MG: Das heißt, als Sie die Bilder gemalt haben, war außer dieser UV-Leuchte keine weitere Beleuchtung im Raum?
AD: Nein.
MG: Haben Sie die unterschiedliche Fluoreszenz der Weißtöne vorher ausprobiert?
AD: Wenn man das UV-Licht anschaltet, sieht man sie ja. Das Schwierige war das Mischen, weil die Abstufungen von Hell nach Dunkel nicht wie bei normalem Mischen proportional sanft eine Reihe von Grautönen ergeben, sondern das Ganze unheimlich schnell umkippt. Entweder die Helligkeit knallt sehr stark heraus – das Weiß leuchtet viel heller, als es zum Beispiel Rembrandt mit seiner Maltechnik hätte erreichen können – oder es wirkt sehr schnell stumpf und undifferenziert dunkel. Zwischentöne zu finden war so eine Art Eiertanz, das war sehr schwierig. Subtile Töne zu ermischen brauchte viel Fingerspitzengefühl, weil es, wie gesagt, sehr schnell umkippt. Die UV-Bilder haben eine sehr merkwürdige Wirkung, denn sie sehen nicht aus wie auf einen materiellen Bildträger gemalt, sondern wirken immateriell, beinahe wie projiziert.
MG: Meine nächsten Fragen betreffen Ihre Papierarbeiten. Nehmen Ihre Papierarbeiten für Sie den Stellenwert eines Kunstwerkes ein?
AD: Ja, wenn sie als solche gedacht sind. Ich habe viele Vorskizzen, farbige oder auch kleine Bleistifthandskizzen, die natürlich nicht, das sind für mich einfach Vorskizzen. Wobei ein Teil dieser farbigen Vorskizzen durchaus einmal gezeigt werden könnte, was ich nicht uninteressant fände, aber sie sind nicht als eigenständige Kunstwerke konzipiert. Ansonsten mache ich ab und zu Serien von Zeichnungen oder Malereien auf Papier. Diese sind dann als eigenständige Arbeiten gedacht.
MG: Und die signieren Sie auch?
AD: Ja, sobald ich sie ausstelle, signiere ich sie.
MG: Auch auf der Rückseite?
AD: Teilweise. Die großen Packpapierarbeiten auf der Rückseite, weil sie eigentlich Bildcharakter haben. Aber sobald so etwas wie ein weißer Rand darum ist, bei den kleinen Skizzen, signiere ich zuweilen auch auf dem Blatt, wie bei einer Druckgrafik. Ins Bild hinein signieren, das mag ich nicht.
MG: Was sind Ihre Auswahlkriterien für die Papiere?
AD: Eigentlich, dass man gut darauf zeichnen oder malen kann. Bei dem Packpapier, das ich für die Ölskizzen genommen habe, war es einfach so, dass ich den Ton des Packpapiers mitbenutzen wollte.
MG: Das war dann braun?
AD: Das war bräunlich. Ich hätte auch gern graues gehabt, das gab es aber irgendwie nicht seinerzeit in Frankreich. Aber das bräunliche war auch gut.
MG: Ich habe bei Ihnen auch rosafarbenes Papier gesehen.
AD: Oh, wo haben Sie denn das gesehen? Hier in dem Atelier, ja?
MG: Ja.
AD: Das konnte man hier in München mal bekommen, und ich fand es sehr schön. Ich hatte gehört, dass Packpapier – das sagte mir zumindest mein Galerist – in konservatorischer Hinsicht sehr gut sei, da relativ säurefrei, weil es Altpapier ist. So dass ich keine Probleme darin sah, auf Packpapier größere Arbeiten zu machen. Für kleine Skizzen ist mir die Papierqualität relativ egal. Bei den Vorskizzen wird das Papier ohnehin grundiert. Bei den Zeichnungen meiner kleinformatigen Zeichnungszyklen ist es inzwischen meistens Papier aus Skizzenbüchern für Künstler. Die haben einen Stempel, dass sie säurearm sind. Aber ich kann nicht sagen, dass ich früher besonders darauf geachtet hätte.
MG: Warum grundieren Sie das Papier für die Vorskizzen?
AD: Wenn ich mit Öl darauf malen will, gibt es ja sonst Fettränder. Die habe ich bei den Arbeiten auf Packpapier willentlich in Kauf genommen und eingebaut, aber wenn ich eine Vorskizze für ein Bild mache, kann ich nicht mit solchen Effekten arbeiten. Sie soll ja zeigen, was später im Bild passiert. Acrylfarben stehen auch besser auf grundiertem Papier, wenn es geht, grundiere ich da auch. Bei Aquarell natürlich nicht. Ich mache auch manchmal Aquarell-Vorskizzen auf Aquarellpapier.
MG: Mit welchen Mal- bzw. Zeichenmaterialien arbeiten Sie auf Papier?
AD: Bleistift, Öl, Acryl und Aquarell. Manchmal auch Kreiden und Kohle, aber das war eher früher.
MG: Bei der Aquarellfarbe haben Sie ein Produkt, das Sie gezielt verwenden? Einen Hersteller?
AD: Eigentlich nicht. Ich habe verschiedene Aquarellkästen. Am häufigsten benutze ich Aquarell, wenn ich unterwegs bin, dafür habe ich den allerkleinsten Kasten den es einmal gab, von Windsor & Newton. Der ist klitzeklein und sehr schön, auch die Farben sind sehr schön, nur bekomme ich sie nicht mehr nach. Denn man kann dort keine Näpfchen auswechseln, sondern muss den losen Farbstein in die festen Blechnäpfchen des Kastens tun. Die sind kleiner als die kleinste Näpfchengröße, so dass man die Farbsteine selber durchsägen muss. Das ist eine ziemliche Fummelei. Wenn ich den Kasten nachfüllen will, muss ich nehmen, was es gibt. Nur Schminke geht nicht, weil man deren gegossene Farben nicht aus den Näpfchen herausnehmen kann.
MG: Verwenden Sie die gleichen Ölfarben, mit denen Sie auch auf den Leinwänden arbeiten?
AD: Ja, klar.
MG: Fixieren Sie Ihre Papierarbeiten?
AD: Eigentlich nicht.
MG: Ich möchte Sie nun zu generellen Erfahrungen befragen, die Sie in Ihrer Mallaufbahn gemacht haben. Haben Sie schon einmal mit Materialien oder Materialkombinationen gearbeitet, die Sie aufgrund schlechter Erfahrungen nicht mehr verwenden würden?
AD: Ja, natürlich. Aber das waren meistens irgendwelche selbst gebastelten, selbst gemixten Sachen. Einmal habe ich versucht, mir selber eine Grundierung anzumischen, eine Dispersion – ich weiß gar nicht mehr, was das war. Ich wollte eine transparente Grundierung herstellen. Das Zeug ist ein fürchterlicher Kleister geworden. Ich musste auf der damit grundierten Leinwand leider malen, denn ich hatte nur die eine. Es war ein großes Porträt, wo jemand Modell stand, und das war ganz schlimm, denn man konnte auf dem Zeug kaum malen. Auch bei der Isolierschicht ging schon öfter mal was schief. Zum Beispiel bremst oder klebt der Pinsel auf der Leinwand. Also, es gab ganz eklige Sachen, bei denen Bilder fast am Material gescheitert wären. Etwa wenn man einmal maltechnisch falsch angefangen hatte. Oder wenn man zum Beispiel in so einem Anfall das Bild einmal in seiner Wirkung hatte sehen wollen und es dazu mit einem klebrigen Firnis überzogen hat, und versuchte dann darauf weiterzumalen. Das war teilweise wirklich eine Tortur, weil es fast quietschte auf der Leinwand, wenn dann die Farbe nicht richtig aus dem Pinsel ging. Schreckliche Sachen. Damit habe ich viele Jahre gekämpft, dass manchmal eine maltechnische Innovation dann doch nicht richtig funktionierte. Jetzt mache ich es so einfach wie möglich, das geht besser. Das Problem ist natürlich, dass die Farben sofort einschlagen und dann erst beim Firnissen heraus kommen. Das nehme ich jetzt einfach in Kauf. Früher habe ich das schlimm gefunden und verhindern wollen, das war das Problem.
MG: Waren Sie schon einmal mit Schäden an Ihren Bildern konfrontiert?
AD: Oh ja. Einmal gab es sogar Vandalismus. Da hatte jemand auf einem Bild, in dessen Zentrum sich ein nackter Pimmel befand, auf eben diesem eine Zigarette ausgedrückt. Das habe ich damals irgendwie selbst restauriert, unter mehr oder weniger fachkundiger Anleitung. Ansonsten hatte ich eine Zeit lang sehr viel Mohnöl verwendet, um die Farben lange feucht zu halten und um damit gut lasieren zu können. Dieses Zeug trocknet irgendwie nie. Die Bilder sind noch Jahre später an den Folien festgeklebt, in denen sie verpackt waren, so dass auch das Lagern ein Problem wurde. Ich musste den Galerien sagen, sie müssen es unverpackt lagern. Oder in ein Tuch gehüllt, dass es atmen kann, was die ja meistens nicht machen, die wickeln das immer in Plastik. Ich glaube, ich hatte auch schon mal Craquelé in Bildern. Das dürfte dann der Herr Gantzert festgestellt haben. Das lag vermutlich an einer zu glatten Grundierung, die ich benutzt hatte. Oder an der Imprimitur mit Schellack, die ich ein paar Jahre lang verwendet habe. Aber es waren keine besonders schlimmen Schäden. Nur einmal hatte ich die geniale Idee gehabt, ein Bild, das beim Firnissen einfach keine homogen glänzende Oberfläche bekommen wollte, komplett mit Standöl einzupinseln. Das ist dann natürlich wahnsinnig gegilbt, es ist eine steinharte Schicht geworden, die man überhaupt nicht mehr abbekommt. Gut, aber daraus lernt man.
MG: Hatten Sie schon an Leinwänden Probleme in Form von Rissen oder Beulen oder was auch immer?
AD: Ja, Beulen hat man oft, die gehen ja meistens wieder raus.
MG: Machen Sie da etwas, damit die rausgehen? Mit Feuchtigkeit?
AD: Ja, da befeuchte ich die Leinwand leicht von hinten mit einem Schwämmchen, so dass sie sich wieder zusammenzieht, das funktioniert meistens. Ich hatte einmal einen Riss in einem Bild, da war mir das Bild umgefallen, in etwas Scharfkantiges hinein. Das war damals noch dünner Nessel. Danach habe ich für die großen Bilder Leinwand verwendet. Den Riss habe ich damals mit Holzleim selbst repariert. Das sieht man aber natürlich noch sehr, es sieht repariert aus. Und irgendwann hatte ich auch mal einen größeren Riss in einem Bild. Das Bild war noch nicht ganz fertig und wurde es auch nie. Ich habe es noch irgendwo, und der Riss ist immer noch drin.
MG: Wie haben Sie den Zigarettenschaden behandelt?
AD: An der runden Stelle im Zigarettendurchmesser war die mit Öl gemalte Schicht weggebrannt. Die Brandstelle habe ich weggeschliffen. Maltuch und Grundierung waren aber noch vorhanden. Ich habe die Stelle dann retuschiert.
MG: Hat Ihnen etwas in Ihrer Ausbildung zur Malerin gefehlt?
AD: Damals als ich studiert habe, hätte ich gerne – wenn es das gegeben hätte – eine richtige sogenannte "akademische" Ausbildung gemacht. So wie es sie eigentlich nicht mehr gibt, wie es sie damals aber noch in der DDR gab und in Russland. Nur waren das Länder, wo man als Westler nicht hin konnte zum Studieren. Gleichzeitig wollte ich natürlich nicht auf den Kontakt zur Gegenwartskunst verzichten. Aber ich hätte sehr gerne eine solche Ausbildung gemacht, und sie hat mir wirklich gefehlt. Ich musste mir alles selber beibringen. Ich verstehe sehr gut, dass eine ganze Generation junger Malwilliger nach Leipzig und Dresden gegangen ist, weil man diese Sachen wirklich lernen kann, und es relativ mühsam ist, sich alles selber beizubringen.
MG: Welche Inhalte sind Ihnen in Ihrer Lehre wichtig?
AD: Ich versuche schon, den Studenten die Möglichkeit zu geben, auch technische Kenntnisse zu erwerben. Das ist hier in München besser als während meines Studiums, weil es zum Beispiel den Aktsaal gibt, wo man so viel Akt zeichnen und malen kann, wie man will. Er ist mir unterstellt, und ich ermutige die Studenten, das Aktzeichnen oder -malen selbständig in die Hand zu nehmen und diese Möglichkeit auch zu nutzen. Teilweise tun sie das. Zu meiner Zeit war es so, dass sich ein Professor zu vornehm war, irgendetwas zu technischen Fragen zu sagen. Ich tue das schon. Wenn ich sehe, dass bei einem Studenten irgendetwas schief gegangen ist, weil er das falsche Material benutzt hat, oder wenn jemand auf ungeeignetem Papier zeichnet oder malt, dann sage ich schon: Nimm doch mal das oder versuch doch mal das. Es gibt auch fortgeschrittenere Studenten, die Tips zu technischen Fragen beitragen. Ich lasse solche Diskussionen durchaus in den Klassenbesprechungen zu, weil ich sie auch wichtig finde. In meiner Studienzeit war es so, dass man diese technischen Probleme mit sich selbst auszumachen hatte. Dazu gab es höchstens den Maltechniklehrer der Akademie, aber sonst sagte einem da niemand etwas.
MG: Wie lagern Sie Ihre Arbeiten?
AD: Das macht eigentlich so gut wie immer die Galerie. Und wenn sie verkauft sind, brauch ich sie ja nicht mehr lagern. Ein paar habe ich seit Neuestem hier im Atelier, damit ich auch mal etwas im Atelier habe. Früher hatte ich das Problem, dass ich sie nicht in Plastik verpackt lagern konnte, da habe ich sie offen ins Regal gestellt. Die Bilder seit den neunziger Jahren sind aber viel robuster, die kann man schon locker mit einer Folie einschlagen.
MG:Warum konnten Sie die nicht verpacken? Wegen des Mohnöls?
AD: Ja, wegen des Mohnöls und vieler klebriger Firnisse. Dammar hatte ich zum Teil auch als Malmittel benutzt, die waren einfach sehr klebrig.
MG: Das heißt, Ihre Arbeiten lagern an verschiedenen Orten? Hier in der Akademie und bei Ihrer Galeristin?
AD: Nun, das ist keine Galeristin, sondern es sind Herren. Die Dame, die gibt es nicht mehr. Es sind ja auch nicht so wahnsinnig viele Arbeiten. Was ich nicht verkaufe, ist in der Galerie in Zürich und seit kurzem auch in Marseille.
MG: Führen Sie ein Archiv Ihrer Arbeiten?
AD: Leider nein. Ich weiß seit meines Studiums, dass man das eigentlich tun sollte. Ich hatte aber immer so wenig Bilder, dass fast die Kataloge als Archiv ausgereicht haben, und ich hatte immer den Überblick. Ich hatte auch ein Standardformat, das heißt, ich wusste die Formate, die ich benutzt habe, schon auswendig. Inzwischen wird es aber langsam unübersichtlich. Als Verzeichnis benutze ich die Kommissionslisten der Galerien. Die haben alles schön aufgelistet, neuerdings sogar mit kleinem Foto, und das dient mir mehr oder weniger als Archiv.
MG: Frau Doberauer, der nun folgende letzte Teil unseres Gesprächs dreht sich um Ihre Wandarbeiten. Wie kam es, dass Sie Wandmalereien angefertigt haben?
AD: Ich hatte großes Interesse, die Freskotechnik zu lernen und habe mir eingebildet, das würde ganz schnell gehen. Das hatte ich hier Sammlern (Anke Doberauer hat im Jahr 2002 für diese Privatsammler zwei Wandgemälde in deren Haus realisiert: im Vestibül ein ganzfiguriges Porträt eines kleinen Jungen Raban und im Treppenhaus das halbfigurige eines grauhaarigen Mannes Massimo, eine Treppe hinabsteigend, Anm. MG) erzählt, die gerade ein Haus bauten. Sie hatten dann erstaunlicherweise die Idee, ich könne ihnen ja gleich ein Fresko in das neue Haus malen.
AD: Das Problem war aber, dass ich das Freskomalen noch gar nicht gelernt hatte, als es soweit war. Ich musste dann sehen, welche andere technische Lösung ich finden konnte, und dachte an Mineralfarben auf Wasserglasbasis. Leider ist das unglücklich gelaufen. Um Zeit zu sparen hatten die Bauherren vor meiner Ankunft, ich wohnte damals in Marseille, jemanden von der Augsburger Firma Keim kommen lassen. Der Berater, der neu bei der Firma war, hatte keine Ahnung und hat zu etwas Falschem geraten. Als ich ankam, hatte er den vormals perfekt geeigneten Putz bereits mit etwas anderem überputzen lassen, worauf man definitiv nicht mehr mit den Keim-Mineralfarben malen konnte. Das heißt, die Wände waren versaut, und man konnte nicht mehr viel machen. Ich bin dann zum Landesdenkmalamt gegangen, um mir Rat zu holen. Der Leiter der Wandmalereiabteilung, Herr Pursche (Jürgen Pursche, leitender Restaurator, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege, Fachbereich Wandmalerei und Architekturfassung, Anm. MG), hat mir dann geraten, mich auf keine Experimente einzulassen, sondern einfach die Technik zu verwenden, die ich gewöhnlich in meinen Bildern verwende. Das ginge auch auf Wänden, da bräuchte ich mir keine Gedanken zu machen. Der Kalkputz sei alt genug und damit genügend neutralisiert. Den habe ich dann mit einer ähnlichen Acrylgrundierung überstrichen wie meine Leinwände. Darauf habe ich zuerst versucht, mit Acryl zu malen, weil ich fand, das sei auf Wänden besser, vor allem für große Flächen. In dem Haus gibt es ein Vestibül, welches ich ganz und gar farbig ausgemalt habe, in einem ganz knalligen Orangeton. Dafür war Acryl sehr geeignet, weil es da extrem leuchtende und reine Farben gibt, die sich gut flächig verarbeiten lassen. Bei den Figuren wurde es schwieriger. Die Figur des kleinen Jungen habe ich mit Acryl angefangen. Das ging ziemlich schlecht, weil die Farbe schon während des Malens antrocknete, so sehr saugte der Grund. Ohnehin male ich nicht gern mit Acryl, und schon gar nicht Gesichter, Porträts, wo es auf Ähnlichkeit ankommt und die Malerei sehr fein sein muss. Das ging so schlecht, dass mir zum Schluss nichts anderes übrig blieb, als mir Ölfarben zu besorgen und das Gesicht in Öl fertig zu malen. Der Junge kam dann und saß Modell, anders hätte ich es nicht hinbekommen. Bei dem zweiten Bild auf der Treppe war ich schon schlauer. Da habe ich wirklich nur das, was mit der Wand zu tun hatte, also das Weiß der Wand und die Schatten der Figur auf der weißen Wand – in diesem Fall war es eine weiße Wand - mit Acryl gemalt und dann die Figur selber ganz und gar in Öl angelegt. Das ging dann sehr gut und auch vergleichsweise schnell.
MG: Wie haben Sie die Zeichnung übertragen?
AD: Ich habe sie auf Papier gezeichnet, auf ein dünnes Papier, und habe sie anschließend, wie ich das früher für die großen Bilder auch oft gemacht habe, einfach rückseitig mit Kohlestaub oder einem Erdpigment fein eingestäubt. Dann habe ich sie durchgepaust, so dass sich eine dünne Linie abdrückte, wie bei den Kohlepapieren für die Schreibmaschine. Mehr brauchte ich nicht. Es war relativ freihand gezeichnet, denn es ging nur um die groben Umrisse.
MG: Gab es mehrere Vorskizzen?
AD: Es gab ziemlich viele Vorskizzen, allerdings hatte ich die alle gemacht, bevor das Gebäude stand. Die musste ich über den Haufen werfen, als ich den realen Raum gesehen habe, weil dieses Vestibül viel zu eng war. Da sollte eigentlich erst eine lebensgroße Figur eines Erwachsenen hinein. Es war dann wirklich Zufall, dass eine Freundin mich mit ihrem bildschönen kleinen Sohn besuchen kam (Anm: der angehende Schauspieler Raban Bieling), und mein Sammler, also der Bauherr und ich, gleichzeitig diesen kleinen Jungen angeguckt haben und gedacht haben, ja, das ist es eigentlich. Das heißt, ich habe eine vorhandene Vorskizze ein bisschen umgestaltet, indem ich den stehenden Mann gegen diesen Jungen ausgetauscht habe. Das Große und Ganze mit der schwarzen Figur vor Orange und Pink hatte schon vorher gestanden. Für das andere Bild auf dem Treppenabsatz gab es weniger ausführliche Vorskizzen, es ist relativ spontan entstanden, nachdem ich mit mehreren Modellen dafür Fotos gemacht und mich für eines dieser Modelle entschieden hatte.
MG: Warum hat das mit der Wasserglastechnik auf dem Putz nicht funktioniert? Was war das Problem?
AD: Wenn ich das wüsste! Wir sind mit dem Bauherrn zur Firma Keim gefahren und haben denen erzählt, was da für ein Putz verwendet worden war. Dort hat man uns gesagt, nein, auf diesen Putz können Sie jetzt nicht mehr mit Mineralfarben malen. Der firmeneigene Berater hatte uns völlig falsch beraten. Der Bauherr hatte nicht abgewartet, bis ich kam, weil er schon alles vorbereitet haben wollte, damit ich gleich anfangen könnte. Auf die Idee, dem Berater zu misstrauen, ist er verständlicherweise nicht gekommen. Es war ein ziemliches Desaster.
MG: Das heißt, die Farben hätten nicht abbinden können?
AD: Ich weiß es nicht. Ich habe vergessen, was die da für einen Putz genommen haben, es war eben irgendetwas, was nicht mehr ging. Definitiv einfach nicht ging.
MG: Wie ist der Bildaufbau bei diesen Wandbildern? Ist er vergleichbar mit dem eines Leinwandgemäldes?
AD: Eigentlich ja. Nur habe ich viel mehr in Acryl gearbeitet als sonst bei den Leinwandbildern. Auch deshalb natürlich, weil die Oberfläche eines solchen Acrylbildes viel robuster ist. Gerade in einem Vestibül, in einem Eingangsbereich, wo die Leute die Malerei möglicherweise anfassen und man leicht auch versehentlich dran kommt. Ich habe das Vestibül bis auf die kleine Stelle des Gesichts ganz in Acryl gemalt und auch matt gefirnisst. Bis auf das Gesicht, für das ich als Firnis auf dem Öl natürlich Dammar nehmen musste. Aber der Rest, der ganze Raum, ist mit einem matten Acrylfirnis gefirnisst, so dass alles eigentlich relativ abwaschbar und robust sein müsste.
MG: Welcher Acrylfirnis ist das?
AD: Ich habe Lascaux (Lascaux, Schweizer Firma für Mal- und Restaurierungsbedarf, Anm. MG) verwendet für alles, auch für die Farben und den Grund.
MG: Wie ist der Firnis aufgetragen?
AD: Oh, wenn ich das noch wüsste. Ich glaube, mit dem Pinsel. Weil ich es immer mit dem Pinsel mache. Es könnte aber auch eine Rolle gewesen sein, das weiß ich nicht mehr. Wahrscheinlich mit dem Pinsel.
MG: Gibt es weitere Wandarbeiten von Ihnen?
AD: Ja. 2006 hat derselbe Herr Pursche vom Denkmalamt uns, mir und meinen Studenten, das Freskomalen beigebracht. Wir haben einen kleinen Freskoworkshop im Sommer hier im Akademiegarten veranstaltet und auf das Gartenhäuschen, was später abgerissen wurde, Fresken gemalt. Das Freskieren hat uns unglaublich gut gefallen. Es ist eine sehr angenehme Technik. Es malt sich viel schöner und flotter in Fresko als in überhaupt irgendeiner anderen Technik. Es ist sogar angenehmer, in Fresko zu malen als in Öl. Das einzige Problem ist, dass die Farbe so wahnsinnig aufhellt beim Trocknen, was für einen Anfänger völlig unkalkulierbar ist. Manche Stellen werden sehr viel heller, andere nicht so, und man sieht es dann auch wirklich erst nach längerer Zeit. Nicht mal nach zwei Wochen ist der Prozess beendet, man muss noch viel länger warten, bis es wirklich richtig trocken und ausgebleicht ist. Aber die Technik ist so reizvoll, dass ich auf jeden Fall weitermachen möchte. Dann kam das Ansinnen, mein größtes Fresko vom Gartenhaus abzunehmen und in eine Wand zu integrieren, wieder im Haus derselben Sammler. Sie hatten noch irgendwo Platz. Das Fresko wurde also abgenommen und von mir etwas retuschiert. Dann wurde es raffiniert in eine Wand integriert, wie bei den pompejianischen Malereien, in eine flache gemauerte Nische hinein, und ich habe noch eine Art Einrahmung dazu freskiert, die wie ein Fenster aussieht.
MG: Wie wurde das Fresko abgenommen?
AD: Das hat ein freiberuflicher Restaurator gemacht, den mir Herr Pursche vermittelt hat. Stefano Cafaggi, ein Italiener, der darin in seiner Heimat viel Erfahrung gesammelt hatte. Er hat es strappiert (Strappo, ital. das Reißen, der Riss: Technik zur Abnahme von Wandmalereien von ihrem ursprünglichen Untergrund, Anm. MG). Weil es gar nicht anders ging. Wir hatten einen Industrieputz als Unterputz genommen, den wir von der Akademie-Baustelle bekommen haben, und der war viel zu hart. Den konnte man nicht in dickerer Schicht abnehmen. Ich habe mir angesehen, wie es gemacht wurde. Es wurden Gazestreifen mit Knochenleim aufgeklebt und das Ganze dann nach dem Trocknen abgeschlagen. Das Fresko blieb an dieser Gaze hängen. Es wurde dadurch nur eine ganz hauchdünne Schicht abgenommen, so dass das Fresko sogar auf der Wand, auf der es gemalt wurde, noch zu sehen war, nur mit ein bisschen weniger präzisen Details. Man hätte davon bestimmt noch zwei, drei Stück strappieren können. Das sie verloren gingen ist ein bisschen schade, aber es ist doch erstaunlich, dass das strappierte Fresko trotzdem so vollständig wirkt. Das hätte ich nie geglaubt. Leider hatte das Fresko ziemlich gelitten, weil es auf der Wetterseite der Wand gemalt war und ein Jahr lang Regen, Sturm und Frost ausgesetzt war. Es gab einige Fehlstellen. Kleine Fresken, die ich auf der geschützteren Wand hatte und die nicht ganz so viel Regen abbekamen, haben das Jahr sehr gut überlebt. Einige davon haben wir noch abgenommen.
MG: Wer hat Ihr Fresko retuschiert?
AD: Ich selbst.
MG: In welcher Technik?
AD: Ich habe den Restaurator gefragt, und er meinte, ich solle ruhig Acryl nehmen, das merke kein Mensch. Ich habe es mit Acryl retuschiert, weil ich das da hatte. Es waren hauptsächlich kleine Fehlstellen, die habe ich teilweise ein bisschen ausgepunktet und teilweise einfach bisschen drüber lasiert, dort wo die Farbe vom Regen ausgewaschen war.
MG: Möchten Sie die Technikkurse mit Herrn Pursche intensivieren?
AD: Man kann sie nicht wirklich intensivieren, denn er hatte sich Urlaub nehmen müssen, um das mit uns zu machen, und konnte von der Akademie auch nicht bezahlt werden. Es war alles ganz inoffiziell. Er hatte leider furchtbar wenig Zeit. Wenn es ein konkretes Projekt von Studenten gäbe, würde er uns vielleicht helfen. Es ist schon so, dass man eigentlich jemanden braucht, der einem den Putz richtig anmischt. Als ich es alleine gemacht habe, ist es ein paar Mal schiefgegangen. Es ist wirklich eine Sache, bei der man viel Erfahrung braucht. Ganz ohne technischen Beistand ist es sehr mühsam und langwierig.
MG: Wurde an dem Gartenhäuschen in klassischer Folge Rauputz, Feinputz und dann eben die Malerei aufgetragen?
AD: Ja, genau. Der Rauhputz war aber nicht klassisch, weil wir ihn von der Baustelle bekommen haben. Er war viel zu weich, weil er für die Spritzpistole gedacht war. Wir haben uns ziemlich anstrengen müssen, um ihn überhaupt auf die Wand zu bringen. Zumal keiner von uns verputzen konnte, das mussten wir alle erst lernen. Und dann kam der Feinputz drauf, immer in Tagwerken, natürlich nicht viele. Bei mir haben zwei gereicht. Das ging relativ schnell.
MG: Wie haben Sie an dem Gartenhäuschen die Vorzeichnung übertragen?
AD: Hm, wie habe ich das gemacht, das war irgendwie anders. Ich hatte für die Figur einen 1:1 Karton, also ein dünnes Papier. Man macht vorher eine Sinopie (Sinopie: Vorzeichnung auf dem Rauputz. Ursprünglich wurde die dafür verwendete Erdfarbe (Sinopia) aus Sinop importiert, Anm. MG), indem man auf den Rauhputz erst mal grob draufmalt, bevor dann der Feinputz kommt, also bevor man die Tagwerke des Feinputzes aufträgt. Diese Sinopie verschwindet unter dem Feinputz wieder. Man macht sie schnell mit der Hand und nur ganz annäherungsweise. Ob ich hierfür irgendwelche Orientierungspunkte durch meine Zeichnungen hatte, weiß ich nicht mehr. Dann, auf den Feinputz, habe ich die Zeichnung wieder so ähnlich übertragen wie sonst immer. Wir hatten kein Locheisen, womit man Löcher in die Zeichnung stechen kann, durch welche man mit einem Farbbeutel die Farbe durchstaubt. Deswegen habe ich es irgendwie anders gemacht. Die Linien für das Geländer habe ich mit einer Leiste gezogen und eingeritzt. Ich habe, soweit ich mich erinnere, eine Ritzzeichnung als Vorzeichnung angefertigt.
MG: Haben Sie weitere Pläne mit Wandmalerei?
AD: Nein, da habe ich momentan keine Pläne. Das hängt von möglichen Aufträgen ab. Ich habe bislang aber weder Zeit noch Lust gehabt, mich für Arbeiten im öffentlichen Raum zu bewerben, weil ich zu viel sonst am Hals hatte. Es gibt ja etliche Ausschreibungen. Vielleicht tu ich es aber irgendwann einmal, ich weiß es noch nicht. Denn man braucht eben eine Wand, um ein Fresko zu malen.
MG: Vielen Dank für das Gespräch!