Project/Occasion | artemak | |
Interview with | André Butzer (AB) | |
Conducted by | Eliza Reichel (ER) | |
Location | Rangsdorf bei Berlin | |
Date | 04.04.2007 | |
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ER: Wie entstehen die Ideen zu deinen Bildern?
AB: Keine Ideen. Ideen in dem Sinne gibt es nicht, weil man nicht illustrieren kann, was man als Idee hat, sondern man muss eine Sache anlegen und machen und wiederholen und verändern und fortschreiten, das geht auch ohne Ideen.
ER: Gut, aber steht da am Anfang nicht ein Einfall oder irgendeine Vorstellung, die du hast?
AB: Nur welche Gattung gemalt werden soll. Ob es jetzt ein monochromes Bild sein soll, ein abstraktes Bild oder ob ich eine Figur malen will, oder ein Portrait.
ER: Steht das dann schon im Zusammenhang mit einer Serie von Bildern, wie jetzt bei den Friedens-Siemensen?
AB: Ja. Genau.
ER: Also, du entscheidest beispielsweise, eine Serie monochromer Bilder zu machen.
AB: Ja, oder ich sage, ich addiere jetzt ein Bild zu dieser Serie: Monochromie. Für die nächsten drei Wochen. Und morgen sage ich, ich mache etwas Anderes. Das sind aber keine Ideen, das sind Entscheidungen. Die Idee für etwas Kreatives. Aber nicht sprachlich, eine Idee ist ja eigentlich etwas, was man formulieren kann, das habe ich nicht.
ER: Aber zu Beginn deiner Arbeit hast du doch beispielsweise die Friedens-Siemense irgendwann entwickelt?
AB: Hmm, nein. Das kann man ja nicht erfinden. Das entsteht nur durch den so genannten Prozess. Also, am Beginn meiner Sache habe ich mich mit Kunst auseinandergesetzt und mit verschiedenen Formen von Abstraktion und Figur-und-Raum-Fragestellungen, und da heraus entwickelt man dann so etwas. Das kommt von keiner Idee, keiner sprachlichen oder literarischen Idee. Sondern es ist Fortsetzung von irgendwo bereits begonnener Geschichte.
ER: Als ich das letzte Mal bei dir im Atelier war, sprachen wir ja schon mal von der Konzeptentwicklung für ein Bild. Wenn du anfängst zu malen, hast du, wie du sagtest, manchmal schon im Kopf, wie du das Bild anlegen willst, und manchmal entwickelt es sich erst bei der Arbeit.
AB: Ja.
ER: Du triffst zum Beispiel die Entscheidung, an einer Serie weiterzuarbeiten, und manchmal hast du dann schon im Kopf, wie es aussehen soll?
AB: Im Ergebnis nicht. Klar, wenn ich mich vorher für ein graues, monochromes Bild entscheide, da hat man wenig rosarote Farben im Kopf, aber sonst...
ER: Ja. Also, wenn ich jetzt an das Bild »Kommando Friedrich Hölderlin« denke, dazu sagtest du mir doch, dass du zu diesem Bild schon eine Vorstellung hattest.
AB: In diesem Fall ja. Ich wusste, dass es eine Figur sein sollte, vor diesem Symbol, vor dem N-Haus.
ER: Arbeitest du mit Entwürfen, zum Beispiel in Form von Zeichnungen?
AB: Fast nie, nein. Ich mache viele Zeichnungen, aber hinterher. Keine Entwürfe vorab.
ER: Und welche Funktion haben diese Zeichnungen für dich?
AB: Erinnerung, Leichtigkeit, Notiz...
ER: Sind die nur für dich oder gehen die auch raus?
AB: Die gehen auch raus, ja.
ER: Das bedeutet, sie können durchaus als eigenständiges Werk gelten.
AB: Ja, ja. Alle Zeichnungen sind eigenständig.
ER: Zum Thema »Maltechnik« hast du mir geschrieben, dass du mit diesem Begriff nichts verbindest, was für deine Kunst von Bedeutung sein könnte, jedenfalls keine klassische Maltechnik. Allerdings kann man ja darunter auch einfach die jeweils spezielle Arbeitsweise verstehen, die ein Künstler einsetzt, wenn er arbeitet, unabhängig davon, ob er sie selbst entwickelt oder traditionell erlernt hat. Wie hat sich denn deine spezielle Art zu malen, deine »Maltechnik«, entwickelt?
AB: Na ja, durch Übung und Wiederholung, und durch Nachmachen, Anknüpfen an historische Methoden. Ich glaube nicht, dass ich eine spezielle Technik habe, sondern ich verwende wahrscheinlich verschiedene Techniken, alle oder gar keine. Ich glaube aber, jeder würde was falsch machen, wenn er über den Begriff der »Technik« nachdenken würde und dann anfangen würde. Man kann nicht über Technik nachdenken und dann etwas malen. Das geht nicht. Dass man mit Technik konfrontiert wird, kann sich nur aus einem ganz anderen Anlass ergeben - unbewusst. Technik beginnt ja dann, wenn man den Pinsel in die Hand nimmt.
ER: Wenn ich darunter jetzt einfach nur das verstehe, was du konkret tust, wie du die Farbe aufträgst zum Beispiel? Wie würdest du deine Art zu malen beschreiben?
AB: Sehr unterschiedlich, glaube ich... Möglichst schön!
ER: Man gewinnt ja leicht den Eindruck, dass du sehr schnell und spontan arbeiten würdest.
AB: Bei manchen Bildern entsteht dieser Eindruck, glaube ich. Bei manchen viel weniger. Es gibt sehr unterschiedliche Bilder, die sehr unterschiedliche Geschwindigkeiten als Eindruck hervorrufen. Beim jeweiligen Bild kann man da sehr falsch liegen, glaube ich. Ein Bild das sehr schnell gemalt aussieht, kann lange gedauert haben. Es gibt schon wahrnehmbare Geschwindigkeiten, aber ich glaube, sehr unterschiedliche.
ER: Viele Leute gewinnen auch den Eindruck von »wilder Malerei«. Aber wie ich von dir und auch Guido Baudach gehört habe, ist dir dieser Begriff gar nicht so recht, weil das nicht das ist, was du vermitteln möchtest.
AB: Nein. Weil ich, glaube ich, besonders zärtlich male, und weil ich wirklich der Meinung bin, dass ich sehr unterschiedliche Bilder hervorbringe, die sehr unterschiedliche Reaktionen hervorrufen können. Es gibt Bilder, wo Leute davorstehen und sagen, wie viele Jahre hast du gebraucht? Es gibt andere Bilder, wo Leute sagen, der malt schnell oder wild. Das ist ein Problem der Leute, die eventuell nur wenige Bilder kennen, wenige Bilder gesehen haben. Daher kommen die verschiedenen Eindrücke. Ich glaube nicht, dass Zeit oder Geschwindigkeit eine Rolle spielen. Komplett unwichtig. »Wildheit« sowieso. Also, »wild«, da weiß ich nicht, was das ist.
ER: Guido Baudach sagte mir auch, dass Eleganz für deine Bilder eine Rolle spielt.
AB: Hmm. Die sind sehr elegant.
ER: Es kommen auch immer wieder Assoziationen zu der Malweise von Kindern. Wie stehst du dazu?
AB: Keine Ahnung. Das ist ungefähr dasselbe wie Malen mit Geschwindigkeit. Da liegen die Leute genauso falsch. Ich glaube, jeder weiß ungefähr, wie Kinder malen. Das hat, glaube ich, so gut wie nichts mit dem zu tun, was ich mache.
ER: Vielleicht liegt es auch daran, dass immer wieder diese Comic-Elemente auftauchen.
AB: Genau. Es gibt in dieser Bildsprache gewisse kindliche oder frühkindliche Formgebungen. Oder. Comic-Strip, oder eine bestimmte Niedlichkeit, oder etwas, das die Leute als so etwas erkennen. Ich glaube, deswegen könnte jemand vor dem Bild stehen und sagen, ja, das hat ein Kind gemalt. Aber wenn wir jetzt sozusagen wieder den Begriff der »Technik« nehmen, sich das technisch vorzustellen, wäre unmöglich. Aber es macht mir durchaus nichts, wenn das jemand so sagt, finde ich okay... Mir ist das ganz egal. Ich muss alle Widersprüche einbauen.
ER: Du schriebst mir im Zusammenhang mit Maltechnik, dass der »fehlende Respekt« vor dem Material für dich »höchsten Respekt gegenüber dem Material« bedeutet. Würdest du mir das noch mal erklären?
AB: Das ist dieselbe Frage wie mit der Technik. Wenn man Technik hundertprozentig nicht beachtet oder das Material nicht respektiert, mit dem man umgeht, dann kann es passieren, dass man dadurch eine hohe Sensibilität entwickelt, für das Material, da man es absichtslos verwendet. Vielleicht beschreibt dieser Satz, wie es mir ergangen ist mit Materialien. Ich bin so vorgegangen. Und habe, glaube ich, durch diesen komplett fehlenden Respekt, oder fehlendes Wissen, sehr viel Sensibilität für die Materialien entwickelt. Und deswegen wandelt sich dann vielleicht fehlender Respekt in hohen Respekt um, aber im Ergebnis.
ER: Du hast mir auch erzählt, dass du Materialien auch bewusst einsetzt, weil sie dir als inhaltlich bedeutungsvoll erscheinen, ohne dabei auf handwerkliche Überlegungen zu achten. Du hast mir erzählt, dass du Ölfarben aller Marken verwendest, die dir erhältlich sind.
AB: Ja genau, alle Marken, alle industriell produzierten. Das meinte ich mit Inhalt. Wenn man fünf Kilo industrielle Farbe verwendet, hat man fünf Kilo Industrie verarbeitet.
ER: Wie wichtig ist diese inhaltliche Bedeutung allgemein für die Bedeutung deiner Bilder?
AB: Na ja... Am Ende sieht man ja sowieso nur das Material auf dem Bild. Strenggenommen. Alles andere ist Vorstellung. Oder Imagination, oder Lernen, oder Erkenntnis, oder Erfahrung. Wenn man das nur gemessen am Material betrachten würde, dann sieht man ja nur das, was verwendet wurde. Um etwas Sinnloses herzustellen. Und das finde ich auch schön, dass es die Möglichkeit gibt, so etwas auch mal so zu betrachten.
ER: Also, der Betrachter weiß ja eigentlich nicht, dass du die Farben auch aus dem Grunde verwendest.
AB: Hmm, ja. Es ist wahrscheinlich schwer, das Bild ohne geistige Sphäre zu betrachten. Wenn man das könnte, dann würde man nur Farbe und Leinwand sehen. Geht aber nicht.
ER: In deinem Katalog zu der Ausstellung »TODALL!« kann man von einem Bild lesen, das du auf dem Boden liegend bemalt hast. Du schriebst mir dazu, dass du es eigentlich nicht vorteilhaft findest, so zu arbeiten.
AB: Es gibt bestimmte Bilder von mir, die auf dem Boden gemacht sind, die sind gemalt wie Aquarelle. Keine neuen Sachen. Liegend, ohne auf einem Keilrahmen aufgespannt zu sein, und die werden dann später aufgespannt. So etwas habe ich eine Zeitlang gemacht, mache ich aber nicht mehr.
ER: Warum werden diese Bilder auf dem Boden liegend gemalt?
AB: Diese bestimmte Sorte Bilder mache ich auf dem Boden liegend, weil sie aussehen sollen wie Aquarelle.
ER: Ach so, damit die Farbe nicht runterfließt?
AB: Ja. Es ist eine sehr leichte Darstellungsform. Ich kann da ja wenig mit Pastosität schaffen, sondern muss das so flächig oder plakativ machen. 2003, 2004 gibt es da ein paar. Habe ich aber nicht mehr gemacht. Also, mache ich manchmal noch bei kleinen Bildern. Die male ich auf dem Boden, manchmal.
ER: Weil sie so flüssig gemalt werden.
AB: Ja, weil sie flüssig gemalt sind, damit keine Tropfen fließen. Man muss nicht immer tropfen! Und zwischen durch mache ich das, bei kleineren Bildern. Sonst jetzt, die großen, neuen, die ich mache, die werden alle im Stehen und aufgespannt bemalt.
ER: Woran merkst du, dass die Arbeit an einem Bild beendet ist?
AB: Irgendwann kommt die Sache zu sich. Man hat das Gefühl, man hat ein ausgewogenes Verhältnis erreicht, oder so etwas... Oder es stellt sich Zufriedenheit ein oder Glück. Dann kann man es, zumindest scheinbar, abschließen. Theoretisch kann man jedes Bild unendlich weitermalen. Ich glaube, dann, wenn das Bild lebendig ist, wenn es etwas zurücklässt, wenn man den Raum verlässt. Wenn man sich dann noch mal umdrehen würde, dann müsste es sein wie ein lebendiges Wesen... Wie eine Katze, oder wie ein kleiner Schmetterling. Das muss unbedingt sein.
ER: Notizen machst du dir ja keine, wie du mir schriebst. Aber gerade erzähltest du, dass du das manchmal in Form von Bildern oder Zeichnungen machst.
AB: Notizen zum Bild? Sprachlich eigentlich nicht, außer die Titel. Oder ich schreibe mir Titel, Maße, Datum, Verbleibort auf. Aber Notizen, sprachlich, will ich sonst nicht. In Form von Zeichnungen ja. Aber es gibt nicht zu jedem Bild auch Zeichnungen.
ER: Auch zu Arbeitsweisen machst du dir keine Notizen.
AB: Es ist wichtig für künstlerisches Schaffen, dass man viel zwischenzeitlich vergisst, glaube ich. Also, mit gutem Gedächtnis sollte man da nicht vorgehen. Um bestimmte Dinge dann auch zu wiederholen, muss man ein schlechtes Gedächtnis haben. Also man muss wach sein und so weiter, aber es würde verhindern, bestimmte Schritte zu machen, wenn man sich an andere, vorangegangene Schritte genau erinnert.
ER: Als wir in deinem Atelier vor dem Bild standen, »Ahnenbild 2004«, hast du das mit der Digitalkamera fotografiert. Du hast mir erzählt, dass du dir die Digitalfotos auf dem Computer noch mal verkleinert anguckst, um ihre Wirkung in unterschiedlichen Größen zu kontrollieren.
AB: Ja. Das ist eine Form von Notiz. Ich gucke sie mir dann in komprimierter Form an und lerne. Über die Wirkung, über gewisse Dinge. Da kann ich in Ruhe nachdenken, wenn ich am Computer sitze und die mir da angucke. Oder sehr verkleinert angucke. Als Briefmarkengröße. Das ist sehr wichtig.
ER: Mich interessiert auch, was neben der Malerei selbst passiert. Du schreibst ja auch Gedichte, die im Stil deinen Bildtiteln ähneln.
AB: Ganz wenig. Gedichte schreibe ich ungefähr eins im Jahr. Leider.
ER: Aber immerhin haben deine Bildtitel ja auch etwas Poetisches.
AB: Die Bildtitel haben eine gewisse poetische Ebene, aber ich glaube, alle Bildtitel haben poetische Bezüge, weil es sonst keine Bildtitel wären. Einem Bild einen Titel zu geben, ist per se schon poetisch. Sonst kann man es lassen. Aber meine Titel sind manchmal noch mal darüber hinaus vielleicht ein bisschen überpoetisch. Die Bildtitel müssen aber wirklich etwas wiedergeben, was das Bild einlösen soll, oder muss, oder kann. Also, Witze mache ich zum Beispiel, glaube ich, nie mit einem Bildtitel, sondern der Bezug zum Bild ist durchaus da. Sonst würde ich den Titel nicht geben. Es gibt auch mal Bilder, die haben keine Titel. Und zwar viele.
ER: Außerdem gab es Projekte, wie die fiktive Firma »Friedens-Siemense & Co.«. Kannst du darüber 'was erzählen?
AB: Ja. Die gibt's noch. Lebenslänglich. Das sind nur geistige Konstrukte, die nur punktuell mit Leben oder mit Personen aufgefüllt werden. Es gibt verschiedene Institutionen in meinem Kopf. Eine zum Beispiel ist das »Institut für SDI – Traumforschung«, das ist zusammen mit meinem Kumpel Björn Dahlem. Und dann gibt es die Firma »Friedens-Siemense & Co.«, die bin zuallererst einfach nur ich. Und eventuell manchmal andere Leute, die gehören da dazu. Thomas Winkler, der ist der Direktor, aber er hat keine Aufgaben. Thomas Groetz ist jetzt zum Direktor ernannt worden, mal sehen... Und dann gibt's den Verlag, Verlag Heckler und Koch.
ER: Der auch deine Kataloge verlegt.
AB: Nicht nur meine, auch alle möglichen... Es gibt auch andere Verlage, die meine Kataloge machen (lacht). Aber der Verlag ist etwas sehr Spezielles. Es ist ein kleiner Verlag, der nur spezielle Sachen rausbringt. Zum Beispiel die »Meise«. Personell besetzt ist der Verlag im Grunde auch nicht, und wenn, dann nur von Thomas Winkler. Den gibt's genauso wenig wie das »Institut für SDI- Traumforschung«.
ER: Aus welcher Motivation heraus entsteht so etwas?
AB: Das sind Hilfskonstrukte. Vorstellungen von Aufträgen übergeordneter Art, die man sich selbst erteilt. Ich will sozusagen in höherer Mission unterwegs sein. Dafür brauche ich Hilfsorganisationen. Die werden geschaffen und eventuell auch mit Leuten besetzt, und gehören dann zu einer gewissen Welt, die Träger dieser höheren Mission ist, wobei die Bilder Zeugnis ablegen. Von dieser himmlischen Mission. Das ist ein und dasselbe wie abstrakte Kunst. Kosmische Darstellungsformen... Unendlichkeit im Weltall. Leben und Tod... Planeten...
ER: In der Ausstellung, die jetzt bei Max Hetzler läuft, habe ich eine Art Installation von dir gefunden, nämlich die »Hölderlin-Vitrine«.
AB: Ja. Das ist keine Installation von mir, sondern eine Vitrine, die mir die Galerie gestellt hat. Ich habe die nicht gebaut.
ER: Das wollte ich fragen.
AB: Nein, um Gottes Willen. Ich bin in der dritten Dimension nicht tätig. Nur in Dimension eins, zwei, vier, fünf, sechs, sieben, bis nach oben, aber nicht in der dritten.
ER: Was passiert denn mit dieser Vitrine, wenn die Ausstellung vorbei ist?
AB: Entweder es findet sich irgendein Trottel, der sie kauft, oder sie wird abgebaut, die Bücher gehen wieder in meine Bibliothek. Oder ich schenke sie dem Max Hetzler. Dann muss er mir aber alle Bücher, die da drin sind, noch mal kaufen.
ER: Wenn sie jetzt in den Verkauf geht oder verschenkt wird, würdest du sie dann auch als ein Kunstwerk von dir betrachten, das auf den Kunstmarkt kommt?
AB: Hmm, nein. Das müsste man dann mal sehen. Es ist auch nicht schlimm, weil es keine Skulptur ist. Ich glaube, das ist es nicht. Man kann sagen, der Künstler hat seine Bücher da reingelegt. Das ist ja nicht viel, nicht? Aber ist auch schon ziemlich viel. Man könnte es sozusagen dulden, dass jemand es als kunstmarktfähiges Objekt betrachtet. Als Kunstobjekt.
ER: Wenn diese Vitrine nach einer gewissen Zeit beginnen würde, sichtbar und stark zu altern, beispielsweise die Comicseiten ausbleichen würden, wäre es für dich akzeptabel, dass Teile davon ersetzt würden?
AB: Ich glaube, gerade bei diesen offenen Comicseiten müsste man akzeptieren, dass sie irgendwann halt zerfallen. Man könnte sie schlecht ersetzen, oder? Das kriegt dann halt Patina. Mehr als ein Ölgemälde, vielleicht. Das ist aber bei Zeichnungen genauso. Die sind gerahmt, und hier, in diesem Fall, haben wir eine Glasvitrine. Also, die Comicseiten könnte man wahrscheinlich schlecht ersetzen.
ER: Man könnte versuchen, dieses spezielle Comic aufzutreiben. Das könnte ich mir, hypothetisch, vorstellen, wenn man das machen wollte.
AB: Vielleicht könnte man es dann ersetzen, durch ein entsprechendes. Aber das ist nur ein Spezialfall. Solche Dinge gibt es von mir fast nicht, und das gibt es jetzt, und ich finde das okay, und was dann später damit passiert, kann man sich jetzt noch nicht richtig vorstellen, nicht? Ob das dann jemandem so wichtig ist, dieses Ding. Ich hoffe! Ich finde es ja gut, dass du es gesehen hast, weil ich finde, es spielt eine schöne Rolle in der Show.
ER: Es besteht doch auch eine Verbindung zu der Ausstellung?
AB: Ja. So war's gedacht. Und ich wollte mir auch durchaus mal so etwas herausnehmen, punktuell, etwas machen, womit man nicht rechnet, weil es nicht Ölfarbe auf Leinwand ist. Es ist auch keine Skulptur von mir. Aber es ist etwas Angewandtes, das der Sache zuträgt. Und da habe ich ein paar Sachen unterstrichen, von Hölderlin. Das kann man sich dann später vielleicht herauslesen, was ich für wichtig gehalten habe, was der Typ zu melden hatte.
ER: Wenn ich jetzt wieder zu den Gemälden komme, möchte ich dem Aufbau folgend bei dem Bildträger beginnen. Ich habe ja von deinen Keilrahmen schon einige gesehen, die sehr stabil sind, eben der Größe entsprechend, und vom Schreiner angefertigt werden. Du hast dich dazu ja auch von einem Restaurator beraten lassen.
AB: Es gibt auch billige. Es gibt sehr unterschiedliche. Die sind sehr teuer, von denen du da sprichst. Die benutze ich nicht immer. Nur für größere Bilder, wahrscheinlich schon, immer. Für die ganz Großen. Die sind sehr gut.
ER: Du malst ja schon seit einiger Zeit sehr großformatig...
AB: Schon lange, relativ lange, '99 habe ich begonnen mit kontinuierlicher Malerei auf Keilrahmen, und da waren auch schon Bilder dabei, die über 2,50 m groß waren. Und seither eigentlich relativ konstant, aber es gibt auch viele kleine Bilder oder auch sogenannte Mittelformate. Weil ich insgesamt nicht an diese Größen glaube, in der Form als physische Größe, sondern es geht eher um die Bilddimension. Ein sehr kleines Bild kann eine sehr große Bilddimension haben oder andersrum.
ER: Ich wollte eigentlich darauf hinaus, ob du diese sehr stabilen Rahmen, die ja auch sehr teuer sind, schon von Anfang an verwendet hast?
AB: Nein.
ER: Das heißt, es gibt auch Bilder von dir in großen Formaten, die normale Keilrahmen haben.
AB: Ja, oder schlechtere. Das gibt es schon. Muss man sagen.
ER: Wo hast du Rahmen gekauft?
AB: Damals? Früher, in Hamburg, im Künstlerbedarf.
ER: Bei einem Großhandel?
AB: Nein, nein, beim Künstlerbedarf. Ein kleinerer, aber der war okay, ich weiß nicht mehr, wie der heißt. Und später in Berlin auch beim Künstlerbedarf, und hier und dort.
ER: Kaufst du heute auch noch beim Künstlerbedarf?
AB: Heute auch, zwischendurch. Alles, wahllos.
ER: Und wer fertigt deine Rahmen an?
AB: Diese speziellen? Edgar Reinke.
ER: Das ist ein Schreiner?
AB: Ja, ja.
ER: Und nach wessen Entwürfen werden sie angefertigt?
AB: Peter Most.
ER: Du achtest darauf, dass deine Bilder keilbar sind, wie du mir schriebst.
AB: Ja.
ER: Ich habe schon öfter erlebt, dass Rahmen, die man zum Beispiel bei Boesner oder im Künstlerbedarf kauft, zwar diese Keillöcher haben, aber oftmals so fehlkonstruiert sind, dass die Keile da gar nicht hineinpassen. Ist dir das auch schon mal passiert?
AB: Keine Ahnung. Ich mache nie selbst Keile rein.
ER: Wer macht das?
AB: Galeristen, Händler, Lagerverwalter oder Sammler. Ich selbst bemühe mich selten um die Details. Gut, wenn es jetzt während des Malens schon ein bisschen arg durchhängt, dann würde ich schon danach gucken, dass da was passiert. Aber da lasse ich dann manchmal auch den Peter Most kommen, der macht das. Der macht das besser als ich, weil der die Spannung ganz gut so einstellt, dass es nicht zu viel ist, nicht zu wenig, von den richtigen Seiten her und so weiter. Weil es da ein paar Details gibt, die ich nicht unbedingt beachte.
ER: Ich fragte dich ja in dem Schreiben schon nach deiner Vorliebe für aufgespannte textile Bildträger. Du hast mir da geschrieben, dass einmal das geringere Gewicht eine Rolle spielt, im Vergleich zu einer Platte, das ist bei den Großformaten sicherlich wichtig. Aber auch die »Tradition« sei wichtig.
AB: Ja, wobei das sicherlich falsch ist. Es gibt ja eine viel ältere Tradition auf Holz. Ich mein halt wahrscheinlich die andere Tradition (lacht). Obwohl, es gibt von mir Bilder auf Holz, aber ganz frühe. So von 1994. Die Dinger werden natürlich wahnsinnig schwer in der Größe.
ER: Diese frühen Bilder auf Holz, sind die dann auch kleiner?
AB: Klein bis sehr klein.
ER: Was heißt sehr klein?
AB: So (zeigt ca. 30 cm).
ER: Sind die noch bei dir? Oder hast du die verkauft?
AB: Die sind zum Teil zerstört oder noch bei mir. Aber nicht viele. Verkauft sind die nicht. Nein, nein, die verkaufe ich nicht. Manche habe ich später zerstört. Mit Absicht. Ich wollte eine gewisse Reinheit schaffen.
ER: Guido Baudach hat mir von einer Arbeit erzählt, bei der Leinwand auf Holz geklebt ist.
AB: Leinwand auf Holz? Das kann sein, dass das so ein Stück Nessel ist... Das ist eher der Rahmen und das haben die auf eine Holzplatte montiert. Hinter Glas. Das kann es sein. Aber es gibt nichts von mir, wo ich selbst ein Stück Stoff auf einem festen Träger montiert hätte. Habe ich nicht gemacht. Er hat, glaube ich, beim Rahmenbauer ein Stück Nessel auf dem Hintergrund drapieren lassen, und das hinter Glas gerahmt.
ER: »Drapieren« bedeutet aber nicht verkleben, oder? Also ist es so fixiert, dass man es wieder runternehmen kann?
AB: Ja, ich glaube, nur punktuell fixiert, wie man eine Zeichnung fixiert. Das Stück müsste es sein, was er da meint.
ER: Du hattest mir geschrieben, dass du in Zukunft auf einer starren, festen Platte nicht mehr malen möchtest.
AB: Nein...
ER: Auch nicht für Kleinformate?
AB: Das wäre per Zufall, nicht geplant. Also, habe ich nicht vor. Ich bin sehr zufrieden mit Keilrahmen und Leinwand.
ER: Wie du mir schriebst, liegt das auch an dem speziellen federnden Widerstand beim Malen.
AB: Der ist sicher auch nicht schlecht. Ich habe so ewig nicht mehr auf dem festen Hintergrund gemalt, ich weiß nicht mehr, wie das ist. Aber, ich finde dieser federnde Nachlass, den die Leinwand liefert, der hat natürlich was. Es schwingt ja was nach. Vielleicht kann man da jetzt noch etwas Schönes Geistiges erfinden! Wenn man da nämlich etwas macht, eine Geste... Nachher heißt es wieder, ich würde gestisch malen, das mache ich nicht. Wenn man eine Geste hinterlässt oder irgendeine Markierung, dann schwingt die ja in dem Moment auch zeitlich nach. Vielleicht hat das ja auch eine geistige Komponente, die wichtig ist. Dass man etwas hinterlässt, das einen Nachhall findet. Das ist etwas Anderes, glaube ich, als wenn man irgendwo draufmalt, und man merkt... (klopft auf die Tischplatte). Mein Kumpel, der Hofer, malt auf Holz. Viel und gern... Hoffentlich kommt der Holzwurm!
ER: (lacht) Gehört für dich zu diesem Nachhall, diesem Federn, auch eine spezielle optische Wirkung, die später der Betrachter erfährt?
AB: Durch dieses Aufgespanntsein? Der Betrachter nimmt das sicher unbewusst wahr, dass es nicht auf Holz ist. Sondern erst einmal, dass es auf einem Stoff ist. Man hat es sozusagen mit einem textilen Gegenstand zu tun. Man guckt eigentlich auf eine Textilie. Die durch verschiedene Schichten Malgrund vorbereitet wurde, und dann bemalt wird. Also nimmt man sicher unbewusst eine gewisse Dimension von Wärme, Stoff, Webstruktur wahr... Man nimmt ein gewisses Gewicht wahr, wenn man das sieht, das hat ja mit der wahrgenommenen Schwere des Bildes zu tun. Die Dimension und das Gewicht des Bildes nimmt man ja wahr, wenn man es betrachtet. Also gibt es bestimmte Komponenten, warum dieses Auf-Leinwand-Malen so sinnvoll ist, weil es eine gewisse Leichtigkeit mitbringt oder kleine Abweichungen im Gewicht der verschiedenen Stoffe erzielt werden können und man dadurch ganz andere Eindrücke erzielt. Das ist mit Holz sicher ein ganz anderer Eindruck. Weil man immer das Holz wahrnimmt... Wohl eher wie ein Stück Wand, oder wie ein Möbel oder sonst etwas. Also nichts gegen Leute, die auf Holz malen, aber es hat sicher heutzutage einen gewissen rustikalen Sound, der da mittransportiert wird, durch Holz. Und auf Leinwand löst sich das zumindest scheinbar völlig auf, das ist unglaublich neutral. Unglaublich neutral und leicht. Unbestimmt dann auch, in der Deutung. Es ist vielleicht ein medialer Träger, der total unbefleckt sein kann. Unbestimmt. Das heißt, jemand, der heute, 2007, prinzipiell auf Holz malt, will damit etwas sagen. Jemand, der generell auf Leinwand malt, sagt damit erst mal nicht so viel.
ER: Du verwendest ja, wie du mir schriebst, qualitätsvolle Leinwand, die du in großen Mengen vom Großhändler beziehst.
AB: Das mache ich, ja. Da kaufe ich es jetzt, aber das habe ich früher nicht, das ist klar. Ich habe früher auch auf Nessel gemalt.
ER: Und bis wann? Kannst du das noch sagen?
AB: So ungefähr bis 2001, glaube ich... Es gibt immer wieder auch Bilder, die mit Nessel gemalt sind. Wobei das für mich, wie immer, eigentlich vollkommen egal war. Das habe ich einfach so akzeptiert. Es ist auch kein schlechter Stoff, nicht unbedingt. Aber dann habe ich mehr dieses braune Zeug da gekauft.
ER: Welchen Vorteil siehst du darin?
AB: Es hat eine andere Dimension. Hat ein anderes Feeling. Oder? Es unterscheidet sich schon ziemlich, würde ich sagen. Wahrscheinlich ist es doch schwerer... Aber nicht alle... Ich weiß auch nicht. Mir erschien das damals als ein Schritt. Das andere Material, das ja offensichtlich billiger ist, zumindest im Künstlerbedarfshandel, hinter mir zu lassen. Um vielleicht auch diese Neutralität zu erreichen. Wenn man irgendwo hinschreibt, irgendjemand hat das und das auf Nessel gemalt, klingt das immer anders, als wenn man sagt, auf Leinwand (lacht).
ER: Du meinst, es klingt mehr nach einer gewollten Bedeutung?
AB: Nein, auch nicht, das klingt immer so, als ob man halt billiges Material nimmt! Ich glaube, es ist einfach so, dass in unserer Kunstwelt der Begriff »Öl auf Leinwand« ein feststehender Begriff ist. Während der Begriff » Öl auf Nessel« ein Nebenbegriff ist. Jetzt kann man natürlich zu jedem Bild, das in Öl auf Nessel gemalt ist, auch sagen »Öl auf Leinwand«. Kategorisch. Stört keinen. Kommt ganz viel vor. Weil es da um eine künstlerische Kategorie geht. Und nicht um die stoffliche Bezeichnung von dem, was man wirklich verwendet. Aber das hat mir irgendwie mehr zugesagt, auch wie der sich anfühlt, und auf den Kanten rundherum hat man das Braune. Das Bräunliche. Das fand ich das Beste.
ER: Also, rein optisch, ästhetisch.
AB: Rein anschaulich, ja. Dann hat mir wahrscheinlich irgendjemand erzählt, das sei auch beständiger. Was vielleicht nicht stimmt, keine Ahnung.
ER: Gibt es bei der Leinwand bestimmte Produkte, die du bevorzugst, und die du vielleicht auch namentlich kennst?
AB: Es gibt nur wenige, die in diesen Größen erhältlich sind. Im normalen Künstlerbedarf. Da hat man nicht viel Auswahl. Es sind zwei, drei, die kann man nehmen. Wie die heißen, weiß ich nicht.
ER: Gibt es außerdem bestimmte Merkmale, auf die du achtest, wenn du Leinwand kaufst? Sicher ist die Auswahl von vorneherein beschränkt.
AB: Ja, eben. Ich kann nur zwei oder drei nehmen, und die nehme ich auch. Die wechsle ich auch. Eines ist ein bisschen gröber, eines ist ein bisschen feiner.
ER: Gehst du dafür zum Großhandel?
AB: Boesner.
ER: Du spannst die Bilder mit dem Tacker auf und lässt dir dabei auch von Assistenten, Freunden von dir, helfen.
AB: Ja. Und dann wird das angemalt, mit Grundierweiß. Fertig gemischt, so gekauft.
ER: Wäschst du die Leinwand vor dem Aufspannen?
AB: Nein.
ER: Achtest du auf fadengerades Aufspannen, wird die Webrichtung an den Rahmenleisten ausgerichtet?
AB: Nein.
ER: Verwendest du immer Tacker?
AB: Tacker, ja.
ER: Das heißt, es gibt auch keine Bilder, wo Nägel verwendet wurden.
AB: Nein. Tacker.
ER: Du hast mir ja schon von dem industriellen Produkt erzählt, dass du zum Grundieren benutzt.
AB: Das kann man so kaufen, Grundierweiß. Was da drin ist, weiß ich nicht.
ER: Benutzt du immer das gleiche? Da gibt es doch bestimmt viele verschiedene Sorten.
AB: Nein, es gibt viele, aber in den meisten Fällen habe ich, glaube ich, immer dasselbe genommen.
ER: Du grundierst deine Leinwände immer, aber unterschiedlich oft, wie du mir schriebst.
AB: Aha, ja. Wenn ich das andere Leute machen lasse, grundieren die zweimal. Wenn ich mir selbst auf die Schnelle manchmal Leinwand grundieren will, eine kleine oder so, und will damit was machen, dann mache ich es manchmal nur einmal. Weil mir das dann egal ist. Das saugt dann mehr die Farbe weg und hat aber auch einen schönen Effekt. Das kann man durchaus mal machen, aber sonst habe ich keine großen variablen Vorstellungen. Eigentlich, wenn das andere Leute machen, dann geht das zweimal.
ER: Ich hatte dich nach den Funktionen der Grundierung gefragt, die deiner Ansicht nach wichtig sind. Das waren der Schutz der Leinwand, das Einstellen des Glanzgrades, wie du es ja eben auch gesagt hast. Du schriebst mir aber auch von der »Vergleichbarkeit der Werke«. Kannst du mir das erläutern?
AB: Ja. Ich glaube, wenn die so standardmäßig grundiert sind, zweimal, dann sind die ja relativ weiß. Und relativ saugresistent, oder? Da saugt die Leinwand nicht mehr so stark ein, habe ich den Eindruck. Dadurch lenkt man nicht ab. Ja, da gibt es Leute, die malen auf ungrundierten Spezialstoffen oder was weiß ich, oder, wie ich manchmal, so vielleicht einmal grundiert, wo es dann so reinsickert. Dann finde ich, dass das dann schon eine gewisse Vorgabe ist, die man dann sieht. Da denkt man ja, das hat der sich so überlegt. Während, wenn man das wie ich machen lässt, meistens zweimal, entfällt diese Fragestellung. Komplett. Das ist dann einfach so. Es sieht dann so aus, wie's ungefähr aussehen soll. Und die Farbe steht in dem Maße auf der Grundierung drauf, so wie es einigermaßen normal ist.
ER: Isolierst du deine Grundierung oder gibst du Zusätze hinein?
AB: Nein.
ER: Ich hatte bei der Ausstellung den Eindruck, dass zwischen Grundierung und Malerei eine durchgehende farbige Schicht liegt. Als wäre das Bild einmal komplett eingetönt.
AB: Bei den neuen Friedens-Siemens-Bildern? Ja, ja, doch. Das hat jemand gemacht.
ER: Das heißt, es kommt auch vor, dass du vor dem Malen eine erste durchgängige Eintönung unterlegst?
AB: Ja, bei dieser Bildergattung der neueren Friedens-Siemens-Bilder hat jemand die Bilder erst zweimal grundiert, weiß, und dann mit Ölfarbe grau angemalt.
ER: Ist das das erste Mal, dass du so etwas machst?
AB: Nein. Man kann ja jedes Bild einfach mal anmalen! Habe ich aber nicht selbst gemacht. Das ist wahnsinnig anstrengend. Erst mal alle sechs grau anmalen! Da vergeht ja eine Woche! Nein, aber ich habe das durchaus selbst gemacht, früher. Auch bei früheren Friedens-Siemens-Bildern, die sieben Jahre alt sind, die habe ich auch grau angemalt. Nach der weißen Grundierung. Es gibt aber auch Bilder von mir, die habe ich mal schwarz grundiert. Früher, ich kann mich vage erinnern, vielleicht '99, da habe ich ein Bild gar nicht erst weiß grundiert, sondern mit schwarzer Acrylfarbe oder mit irgendwas - mit einer Dispersionsfarbe angemalt. Und dann darauf gemalt. In dem Fall von diesen Friedens-Siemens-Bildern war es aber Teil des Konzepts, dass ich wusste, ich will auf so einer grauen Fläche mit Weiß draufmalen. Also hab ich diese graue Ölschicht draufmachen und trocknen lassen. Ich habe erst dann draufgemalt, als die schon recht trocken war. Damit das Weiß da draufsteht, ohne sich mit dem Grau zu verbinden. Das sieht man gleich bei diesen Bildern. Das wirkt, glaube ich, ganz cool.
ER: Woher beziehst du das Grundiermaterial?
AB: Dieses Weiß? Auch beim Künstlerbedarf. Boesner. Oder ich lasse es bringen. Ich versuche das alles so einfach wie möglich zu halten. Nur bestimmte, einfache Details. Es gibt ja viele Leute, die unglaublich viele Formeln haben, allein für ihr Rüstzeug, bevor sie künstlerisch tätig werden. Ich versuche, den Bereich, der vor der eigentlichen künstlerischen Welt steht, so einfach wie möglich zu halten. Aber gut, aus einfachen, guten Materialien. So dass diese Fragen im Vorfeld kaum eine Rolle spielen. Die sind immer ähnlich, und sozusagen zu vernachlässigen. Und irgendjemand hat mir irgendwann mal gesagt, das ist okay so, und dann habe ich darauf vertraut.
ER: Wie wird die Grundierung aufgetragen?
AB: Mit dem Pinsel.
ER: Nur mit dem Pinsel, nie mit Rollen?
AB: Nein, nein. Solche Heizkörperpinsel oder was auch immer, aus dem Baumarkt. Ich male ja sowieso nur mit Baumarktpinseln. Ich nehme keine Künstlerpinsel. Ich brauche das nicht. Ich sehe da keinen großen Sinn. Ich wasche Pinsel aber auch nie. Ich schmeiße die immer nur alle weg. Oder ich kann sie weiterbenutzen, an anderer Stelle. Meist trocknen sie irgendwann ein, dann schmeiße ich sie einfach weg. Wobei man, glaube ich, manche angetrockneten Pinsel, wenn man sie abwäscht, wieder anlösen kann.
ER: Ich habe im Depot von Guido Baudach kleinere Bilder gesehen, die so aussahen, als hätten sie industriell vorgrundierte Gewebe als Bilderträger. Benutzt du die auch?
AB: Ja. Es gibt solche. Für kleine, aber auch für manche so ein bisschen größere. Die lasse ich bei einem Künstlerbedarf machen. Der macht die nach Größe, haut die Keilrahmen zusammen und bespannt sie. Ich rufe an und der fertigt sie so an, wie ich sie will. Das mache ich manchmal.
ER: Hast du auch schon Rahmen benutzt, die komplett fertig grundiert und aufgespannt im Künstlerbedarfshandel angeboten werden?
AB: Habe ich auch schon benutzt. Jetzt nicht. Kaum mehr.
ER: Du malst ja sehr gerne mit Ölfarbe...
AB: Eigentlich ausschließlich.
ER: Ja, inzwischen, aber früher...
AB: Früher nicht, das stimmt. Wobei, ganz am Anfang habe ich ausschließlich mit Ölfarbe gemalt. Ja, so '94, '95. Dann habe ich viel mit Gouache gemacht, aber auf Papier, und dann mit Acryl, und dann viel Acryl auf Leinwand. Ich habe dann aber bereits damals oft die Bilder mit Öl fertig gemalt. So dass ich manche Bilder in Acryl gemalt habe, bis zu einem bestimmten Punkt, habe dann Ölfarbe genommen und habe das Bild fertig gemalt. Und habe dann eigentlich nie wiederum mit Acryl auf Öl draufgemalt. Immer nur drunter. Aber eigentlich habe ich ganz zu Anfang immer nur mit Öl gemalt. Dann, wie gesagt, bisschen ausprobiert, was es alles gibt. Und mit Acryl habe ich sehr wichtige und sehr gute Bilder gemalt. Also, für meine Sache wichtige Bilder. Und da hat es jetzt, glaube ich, keine Rolle gespielt, ob das jetzt Acryl oder Öl ist.
ER: Das war so '99?
AB: '99, 2000, die Acrylbilder. Ich habe gern mit Acryl gemalt und auch gute Effekte erzielt, weil die Farbe natürlich etwas Gewisses transportiert - dieses Plastikhafte. Heute male ich manche Ölbilder, die auch plastikhaften Sound haben, aber das hat oft doch auch mit meiner Erfahrung aus der Acrylmalerei zu tun. Manchmal benutze ich diese Erfahrung, diese Effekte noch im Kopf. Ich glaube schon, dass die Acrylmalerei meine Ergebnisse der darauffolgenden Jahre beeinflusst hat. Oder gewisse Dinge vorweggenommen hat, die ich mit Öl damals hätte noch nicht machen können. Weil ich zu ungeduldig war. Oder, wie auch immer. Mit dem Acryl lassen sich bestimmte Sachen relativ leicht erzielen, weil sich dieses Medium nicht so gefährlich mischt. Da konnte ich vielleicht bestimmte Klarheiten erzielen. Mit Öl hätte ich schwer gehadert, damals, in dieser ganzen Aufregung. Manchmal benutze ich das noch heute, geistig, weil ich weiß, wie man Farben auf der Leinwand sortiert. Also, die Reinheit der Töne, oder bestimmte, ungemischte Farben nebeneinander zu setzen, und solche Sachen, die kommen aus der Erfahrung Aquarelle, Gouache und Acryl.
ER: Dass Farben oft ungemischt, oder nur wenig gemischt auf die Leinwand kommen, nebeneinandergesetzt werden, meine ich beobachtet zu haben.
AB: Ja, ja. Das kommt oft vor. Im Grunde kann das jeder machen, wenn er will, nur ist es sehr schwer. Also, ich mische schon auch Farben, aber eher auf der Leinwand, und benutze, wie gesagt, sehr gerne die mir vorgegebene Palette der Industrietöne.
ER: Hat das auch was mit der Eleganz zu tun, die vorhin kurz zur Sprache kam?
AB: Na ja, ich male ja auch ziemlich viel übereinander. Also, nicht nur nebeneinander, aber auch nebeneinander. Aber, wenn man etwas nebeneinandersetzt, muss man genau wissen, was. Ich male übereinander, untereinander, nebeneinander, alles. Es gibt ja auch wahnsinnig viele dreckige Farbpassagen oder so, aber die stehen in Kontrast zu anderen, oder bestimmte Töne finden sich in anderen Tönen wieder, so eine Farbreflektion innerhalb der Töne - solche Dinge kann man machen.
ER: Was gefällt dir an dem Medium Ölfarbe, das dich dann auch dazu gebracht hat, wieder darauf zurückzukommen, nachdem du mit Acryl gearbeitet hast?
AB: Die Farbe hat, im Gegensatz zu Acrylfarbe, mehr Gewicht und transportiert stofflich etwas Anderes. Ölfarbe, glaube ich, steht viel mehr für Fleisch und Fett und solche Dinge. Acrylfarbe ist mehr mit Plastik konnotiert, was kein Problem ist, aber in der Ölfarbe kann man diesen Plastikeffekt auch haben, plus Fleisch, Fett, Wasser, Nebel, alles Mögliche. Ich glaube, dass es halt mehr Varianz hat und mehr Möglichkeiten bietet. Und es ist schwieriger. Es hat mehr Widerstand als Acrylfarbe, ich glaube, man hat mit mehr Widerstand zu tun, und das ist förderlich. Und außerdem wollte ich halt das Schwierigste machen. Also, bei dem, was ich mache, ist es, glaube ich, relativ schwierig mit Ölfarbe, dass die Töne dann so sind, wie sie sind. Darauf bin ich vielleicht ein bisschen stolz oder so, oder bestimmte Sachen aus der Kunstgeschichte find ich gerade deswegen gut. Was weiß ich, Munch -Bilder, die in Öl gemalt sind, kurz vor seinem Tod, in einer Klarheit, als ob er Wasserfarben verwendet hätte. Solche Dinge haben mich halt begeistert und ich dachte, das will ich auch. Also war das eine Entscheidung, für die klassischen Medien. Die Acrylbilder haben eine ziemliche Eindimensionalität manchmal, ich glaube, meine Acrylbilder, die ich gemacht habe, nicht (lacht), aber es gibt viele Acrylbilder, die allein durch die Tatsache, dass sie in Acryl gemalt sind, eine gewisse Eindimensionalität haben. Weil sich das etwas beschränkt. Wenn man in Acryl malt, muss man mit der Beschränkung umgehen, glaube ich.
ER: Du schriebst mir auch, ein Vorteil von Ölfarbe sei die Haltbarkeit. Meinst du damit die Stabilität der Malschicht auf dem Bild?
AB: Ja, und zwar habe ich im pastosen Einsatz von Farbtuben bei Acryl gemerkt, da kann das mal brechen. Selbst wenn man die besten hat. Nein, da gibt es so gewisse (unverständlich). Vor allen Dingen, wenn die Bilder vielleicht gerollt werden, oder so. Das passiert bei Öl nicht. Oder kaum. Es gibt sicher auch Probleme, die ich nur alle noch nicht weiß, die ich in den letzten Jahren verursacht habe, aber das ist ein ziemlich elastisches Material.
ER: Ja, Acrylfarben schwinden ganz anders beim Trocknen. Da verlieren sie Wasser...
AB: Ja. Aber ich habe sehr gute damals gehabt. Die habe ich alle geklaut, die sind unglaublich teuer. Die habe ich damals alle immer so mitgenommen. Und die sind wahnsinnig gut auch für pastos. Also, die haben einen richtigen Körper. Aber es ist trotzdem im Vergleich 'was Anderes. Man kann mit Ölfarbe ganz andere Varianzen auch in der Dimension haben, und es ist belastbarer, es kommt einem zumindest so vor. Das hängt wahrscheinlich mit diesem Fett - Feeling zusammen.
ER: Du hast ja gerade schon einmal erwähnt, dass es für dich auch in gewisser Weise ein klassisches Medium ist und dass auch eine gewisse Herausforderung darin liegt...
AB: Ja, das ist eine gewisse Meisterschaft. Warum nicht. Im Umgang mit diesem extrem sensiblen Material, das so schnell sozusagen fahrlässig von der Hand gehen kann, und ich glaube, viele Leute scheitern an dem Material. Man sieht das ja so in 99,5 Prozent der Fälle.
ER: Hat die Ölfarbe allgemein auch eine inhaltliche Bedeutung?
AB: Ja. Vielleicht so, wie ich es vorhin meinte, mit dem Fleisch. Es gibt vielleicht nicht viele, die gleich im ersten Satz sagen, Ölfarbe setzen sie mit Fleisch gleich. Bei mir ist es so. Ich sehe darin ein körperliches Prinzip, und vielleicht schon per se etwas Fleischartiges. Totes Fleisch... oder... vielleicht gibt's da alles. Aber das muss man dann erst machen, erst mal ist es tot. Ich glaube, die Masse in der Tube ist tot, die Masse auf der Leinwand kann lebendig sein. Und tot!
ER: Du schriebst mir, dass du hin und wieder deine Motive auf die Grundierung vorzeichnest, mit Bleistift.
AB: Ja, aber das ist schon länger her - im Moment nicht. Diese flüssigen Bodenbilder... da habe ich oft Bleistiftvorzeichnungen gemacht. Einfach um spielerisch einer Linie folgen zu können, zumindest scheinbar. Also, um ein zeichnerisches Gerüst anzulegen, das optisch auch noch sichtbar bleibt, aber man braucht es nicht unbedingt für die Darstellung. So was hab ich dort öfter probiert, weil man das im Aquarellmalen auch so macht. Da macht man manchmal solche Bleistiftzeichnungen, füllt dann gewisse Flächen mit flüssiger Farbe. So etwas habe ich mal gemacht, aber sonst sieht man auf meinen Bildern keine Bleistifte.
ER: Du hast auch von Sprühlacken geschrieben, mit denen du vorzeichnest.
AB: Habe ich, ja, aber das ist auch länger her. Es gibt Bilder, wo man Sprühdosen sieht. Von '99 bis fast jetzt, aber weniger in den letzten paar Jahren und mehr in den früheren Jahren. Das hängt mit einer gewissen historischen Positionierung zusammen. Also, Sprühlack gibt's, glaub ich, noch nicht so lange, vielleicht seit den 60ern, nicht? Also, es gibt jedenfalls bei Matisse keine Sprühdosen! Oder bei Picasso. Sondern es gibt Sprühdosen vielleicht bei Warhol, Polke, Kippenberger - irgendwelchen amerikanischen Vollidioten - und ich habe das auch oft verwendet. Dadurch, dass ich damals, zu Beginn meiner Sache in einem gewissen Verhältnis stand, Mitte, Ende der neunziger Jahre, zu solchen Dingen, habe ich auch Sprühdosen benutzt. Aber in Zusammenhang mit einer ganz anderen Bildsprache. Also, ich glaube, dass diese Sprühdosensprache bei diesen Positionen, wie ich sie genannt habe, eine gewisse Entmystifizierung der Malerei ist. Indem man sagt, ja, ich darf mal auf meine Leinwand draufsprühen! Ich habe das, glaube ich, andersrum verwendet. Als unterstützendes Mittel, um eine ganz klassische Figur-Raum-Konstellation zu dekorieren. Während bei diesen Leuten die Sprühdose oft so etwas ist wie eine Negation. Bei mir ist es, glaube ich, nicht so gewesen. Aber ich habe dann eigentlich darauf durchgehend verzichtet im weiteren Verlauf. Das braucht man nicht. Man kann jede dieser Linien auch malen, auch mit dem Pinsel. Es ist immer so etwas blödes Freches damit verbunden. Ich glaube aber, dass ich bei mir eine andere Frechheit hatte als bei diesen Leuten. Das heißt also, da denkt dann der Betrachter, Mensch, da war er wieder leger drauf und hat da nen Kringel hin gesprüht. Und dann wirkt das so komisch artifiziell. Oder frech. Bringt aber nichts. Bringt dem Bild nichts. Bin ich ganz sicher. Deswegen konnte ich eigentlich darauf verzichten. Ich habe es aber verwendet, weil ich mit diesem Kanon zu tun habe.
ER: Waren diese Dinge gemeint, als du mir schriebst: »Andere Kandidaten, die zur Verbesserung der Bilder munter über die Ölfarbe sprühen und sich täuschen lassen«?
AB: Ja, täuschen, das habe ich wahrscheinlich gemeint. Es gibt ja Leute, die auf die Ölfarbe draufsprühen. Das ist dann später wahrscheinlich ein Problem. Kann abblättern oder was weiß ich. Ist ja egal, in der Kunst geht es ja nicht darum, ein erhaltbares Resultat zu machen, sondern darum, irgendeine eventuell für den Moment oder für Momente später relevante Aktion zu machen. Wenn jemand das wirklich will, über Ölfarbe zu sprühen, sein Leben lang, soll er das machen, nur, ich glaube nicht, dass es viel bringt. Man lässt sich täuschen, ich glaube, dass solche additiven Medien Täuschungsmanöver sind, weil sie ablenken. Der Betrachter, wie ich's eben meinte, denkt, ach guck, da oben, mal kurz hin gesprüht. Das ist lustig, aber, ich bin ja ein großer Gegner von Sigmar Polke. Daher kommt das auch. Polke ist einer dieser Lügner. Täuschungsmanöver-Lügner.
ER: Nun hattest du ja geschrieben, dass du die Sprühlacke vor allem zum Unterzeichnen genommen hast.
AB: Ja, das habe ich oft benutzt, und zwar, weil man mit dem Sprühlack relativ schnell auf so einer weißen Leinwand Spuren hinterlassen kann. Fast schneller als mit einem Pinsel. Und dann kann man also zum Beispiel, das hab ich ein paar Mal gemacht, man hat eine weiße Leinwand und nimmt ein paar Sprühdosen und macht irgendeinen Quatsch, und malt dann da drauf. Dann hat man sich vielleicht auch so ein bisschen den Anfang genommen. Also, man hat eine andere Schrift hinterlassen. Mit der man ein bisschen rummachen kann.
ER: Du hast ja vorhin schon gesagt, dass du mit den handelsüblichen Baumarktpinseln arbeitest. Gibt es noch andere Hilfsmittel, die du benutzt?
AB: Finger.
ER: Manchmal sieht es ja auch so aus, als hättest du es direkt aus der Tube gedrückt.
AB: Ja, ja. Die Tube, Finger und Pinsel. Und manchmal kaufe ich auch ein paar Künstlerpinsel, aber nicht vorsätzlich.
ER: Wir haben ja vorhin schon von den verschiedenen Farbauftragsmöglichkeiten gesprochen. Welche Bildwirkung verbindest du mit einem sehr dünnen und lasierten Auftrag, also, wenn zum Beispiel die Bilder am Boden liegend bemalt worden sind?
AB: Mit dünner Farbe? Na ja, dünne Farbe wirkt wahrscheinlich flächig... Es entsteht eine gewisse Plakativität, aber auch Tiefe, weil es so eine Tiefenwirkung hat, wie Aquarell. Dann kann es außerdem runterlaufen, tropfen, man kann auch Tropfen draufsetzen, die dann stehen bleiben als Tropfen, oder runterlaufende Tropfen. Wie sagt man dazu... Nasen! Und man kann auch mit dünner Farbe super über dicke Farbe drüber malen. Das ist, finde ich, wichtig. Es wäre schlecht, glaube ich... Es gibt bestimmte Leute, die bauen ihre Bilder immer gleich auf, das heißt, am Ende steht etwas Massenhafteres als am Anfang, also von dünn nach dicker. Das ist sicher eine Methode. Man kann das aber auch immer andersrum machen, und ewig in Zehn-Zentimeter-Schichten malen und dann am Schluss total nass alles anders machen. Also, wie ich, das ist aber dann ein gewisses Glücksspiel. Aber ich habe das auch selbst gern, wenn man so etwas sieht. Wenn zum Beispiel über eine pastose Passage etwas Dünnes drüber geht. Dann denkt man ja, au, Mensch, das war ja da drunter schon trocken, und der hat dann das dünn drüber gemalt. Es muss aber nicht immer schon trocken gewesen sein, man kann das auch so drüber malen, dass es so aussieht. Kommt drauf an, wie sich's bindet. Also, das habe ich gern, wenn man das permanent auch umdrehen kann und unorthodox malt. Dünn auf dick, dick auf dünn, mittel auf mittel.
ER: Die pastosen Bereiche sind ja oft sehr bewegt strukturiert.
AB: Ja. Je nachdem, das kommt drauf an, was diese Farbe beschreibt. Aber manchmal gestalte ich sozusagen dickere Stellen auch von der Oberfläche her. Da müssen die entsprechend aussehen, es gibt da eine gewisse Richtung in diesen Flecken. Nach oben, nach unten, die haben ein Schwergewicht, die haben eine gewisse Ausrichtung. Verhalten sich zu anderen Flecken so oder so, zu anderen dünneren Phasen so. Also, deswegen gibt es Bewegung in diesen Farbflecken. Aber langsame Bewegung. Ausrichtung. Schwergewichte.
ER: Welche Rolle spielen bewegende Elemente wie Spritzer, Laufspuren, Kleckse? Du hattest mir ja schon erzählt, dass du die zum Teil gar nicht so beabsichtigt einsetzt, sondern dass sie oft von selbst passieren.
AB: Manche passieren, manche mache ich mit Absicht. Halbe-halbe. Spritzer... Man kann ja auch dünne Farbe mit Terpentin über dicke Sachen drüber spritzen, oder drüber laufen lassen, dann bilden die einen Film darüber, und so entstehen solche Sachen. So was mache ich manchmal einfach vom Gefühl her, wie man dem Bild Zutaten gibt. Oder so dickere Sachen, die so draufgepfeffert sind. Wie Kaugummis. Das mache ich gern! Das mache ich oft auch sehr bewusst, dass ich mir eine bestimmte Farbe aussuche und dann sage, ich will jetzt da hinten ein paar solche Flecken haben. Da kann man dann welche draufmachen, und ich muss dann überprüfen, ob die okay sind oder nicht, dann kann man sie wieder wegnehmen.
ER: Das heißt, das sind schon auch Dinge, die zum Bildkonzept gehören.
AB: Die gehören da dazu, ja. Nicht immer. Das ist auch wiederum Glück. Es kann auch völlig falsch sitzen. Man kann jetzt irgendwie eine waghalsige Aktion starten und am Schluss bemerken, dass es dem Bild nichts gebracht hat. Dann muss man es wieder wegnehmen. Oder noch eine waghalsige Aktion starten. Dann ist vielleicht das ganze Bild scheiße! Also, es ist auch Glück. Aber, mit ein bisschen Übung weiß manchmal man schon, was es hervorruft. Zum Beispiel mache ich gern mit gelber Farbe gewisse... So, dass man das so hinwirft. Weil, es ist ja auch so, mit Ölfarbe hell auf dunkel malen ist eine gewisse Meisterschaft. Also, wie man helle Töne auf dunklen Farben platziert. Deswegen nehme ich oft manchmal gelb und schmeiß das so einfach aufs Bild. Dann habe ich halt gelbe Sachen auf dem Bild. Gelb auf grün! Oder was weiß ich.
ER: Du hast mir auch erzählt, dass du deiner Farbe Leinöl zusetzt.
AB: Ich tue nur, und zwar um möglichst viele andere Sachen auszuschließen, Balsamterpentin und so einen Schluck Leinöl da rein. Warum auch immer, ich weiß es nicht, ich glaube, dieses Leinöl verlangsamt es ein bisschen, macht es so ein bisschen zäher... Also, die Tropfen gehen nicht so schnell runter, das pure Balsamterpentin ist so ein bisschen schneller, dünner. Keine Ahnung, was das für eine Wirkung hat. Mohnöl hab ich schon mal benutzt. Für Bilder auf dem Boden. Das ist ein bisschen anders. So komisch klar und so klebrig. Es ist nicht schlechter, aber... ich hab es nicht weiter verfolgt. War Zufall.
ER: Setzt du denn das Öl jeder Farbe zu?
AB: Ich habe einen Eimer. Einen Terpentintopf, wo ich immer genug Balsamterpentinöl und genug Schluck Leinöl drin habe. Damit male ich das ganze Bild. Ich habe immer nur einen Becher. Keine verschiedenen Töpfe. Weil ich keine Angst davor habe, dass das Terpentin zu dreckig wird.
ER: Also, du verwendest Balsamterpentinöl und Leinöl als Mischung.
AB: Ja. Es gibt nur diesen einen Topf. Mit so viel Balsamterpentinöl (zeigt ein bestimmtes Volumen an) und so viel Leinöl (zeigt ein sehr viel kleineres Volumen an). Sonst nichts. Nur den einen, aber nicht verschiedene, weil es egal ist, wenn der nach einer Zeit sehr dreckig wird. Dann benutze ich das so lange, bis es leer ist, und dann fülle ich frisches rein.
ER: Bearbeitest du die Bilder manchmal auch nachträglich mechanisch? Kratzen, Schaben oder dergleichen?
AB: Also, Kratzen kommt manchmal vor, entweder mit den Fingern, meistens immer mit dem Fingernagel, also so (kratzt an der Tischdecke), und mit dem Pinsel, von hinten.
ER: Ich habe eine gekratzte Stelle gesehen, bei den Friedens-Siemens-Bildern, die jetzt ausgestellt werden, in einem der großen Augen. Es sieht aus wie ein reflektiertes Fenster, wie man das manchmal bei Comicfiguren sieht.
AB: Ja. Das habe ich öfter. Das mache ich öfter in diese schwarzen Augenfelder rein. So ein Comic, so ein Disneyding. Das kann man gut mit Kratzen machen. Manchmal auch einfach so, mit dem Finger.
ER: Dann gibt es noch eine Sache von der mir erzählt wurde, bei der es sich vielleicht auch um einen Scherz handelt. Es ging um ein lasiertes Bild, das einen sehr harmonischen oder idyllischen Eindruck machte, da waren mehrere Figuren wie eine Art Familie zusammen abgebildet. Da hieß es, du hättest diese Art von Bildern »Sonntagsbilder« genannt, die würden quasi sonntags zum Entspannen gemalt.
AB: Ja, das habe ich mal so genannt. Diese Sorte von Bildern, die man die Sonntagsbilder nennt.
ER: Es gibt also mehrere von dieser Sorte...
AB: Ja, ja. Aber die sind natürlich... montags gemalt. Sage ich jetzt mal. Der Begriff ist ein kleiner Scherz. Darüber, dass das Bild leichter sein soll als ein anderes. Und es transportiert trotzdem die Möglichkeit mit, dass es wirklich leichter ist! Auch, wenn man das jetzt jemandem erzählt, der das Bild kaufen soll, dann findet der das erst mal dubios und fragt sich, ob er damit nur leichte Kost erwirbt oder ob das Bild wirklich gut ist. So habe ich das damals eingesetzt. Derjenige, der das kaufen wollte, war aber gerade deswegen dann besonders angetan.
ER: Eine andere interessante Sache, auf die ich gestoßen bin, sind bemalte oder beschriftete Spannränder. Ich habe das im Depot gesehen, bei zwei Bildern.
AB: Alte Bilder, ja?
ER: Ja, die waren alt.
AB: Die habe ich bemalt, manchmal, ja.
ER: Ja, und auch drauf geschrieben.
AB: Ja, drauf schreiben, das mache ich heute manchmal noch, aber selten. Aber wenn es sein soll, mache ich das. Dann schreibe ich irgendwas drauf. Früher habe ich sie sehr oft auch angemalt. Das war aber nur '99. Dann nie mehr.
ER: Du sprachst ja vorhin schon davon, dass der Leinwandspannrand, dieser dunklere Stoff, für dich eine Bedeutung hat. Ist der Spannrand etwas, was für dich zum Bild gehört?
AB: Hm. Ja und nein. Beides. Es gehört zu dem Bild in dem Moment, wo man davorsteht und zur Seite gehen kann. Dann kann man den mit wahrnehmen. Deswegen kann man ja auch mal was draufschreiben. Es gehört dann aber trotzdem wiederum nicht dazu, wenn man, streng gefasst, nur die Bildfläche betrachten möchte. Oder, wenn man zum Beispiel mal Abbildungen hat, von einem Werk, da gibt es diese Seiten ja nicht. Und das finde ich auch richtig so, übrigens. Selbst wenn ich jetzt da auf den Seiten ein Meisterwerk draufmalen würde und auf dem eigentlichen Bild nur Quatsch, würde nie das, was auf der Seite drauf wäre, abgebildet werden. Finde ich auch richtig. Das hat keine Bedeutung. Trotzdem kann man das wahrnehmen, in der Ausstellung oder wenn man das Bild besitzt.
ER: Wie wäre es, wenn jemand das Bild rahmen würde? Dann wäre das ja nicht mehr zu sehen.
AB: Ja. Das wäre mir, glaube ich, egal.
ER: Firnis, oder generell Überzüge, gibt es bei deinen Bildern nicht, wie du mir schriebst.
AB: Bei den Acrylbildern habe ich manchmal irgendetwas benutzt, irgendeinen Lack oder so etwas.
ER: Du weißt aber nicht mehr, was es war?
AB: Nein, so »Schminke«-mäßig. Klarlack oder so etwas, habe ich draufgesprüht. Dass es manchmal so glänzt... aber nur ein paar Mal.
ER: Hast du das dann über die gesamte Fläche gesprüht?
AB: Nein, nicht unbedingt.
ER: Partiell, um bestimmte Stellen hervorzuheben.
AB: Ja, ja... Eher so per Zufall. Daran kann ich mich erinnern. Das einzige Mal, wo ich sozusagen bewusst etwas Unsichtbares auf das Bild, über bestehende Farben aufgetragen hätte.
ER: Welche Wirkung verbindest du mit dem Einsatz von Firnissen?
AB: Ich verbinde für das, was ich mache, damit gar nichts. Weil ich es nicht mache. Aber ich würde damit nichts Positives verbinden.
ER: Aber etwas Negatives?
AB: Ja. Etwas Erstickendes, etwas Konservierendes, etwas, das die Sache abschließt in einer Form, in der sie nicht abgeschlossen sein soll. Es ist ja auch wieder so ein geistiges Problem. Man kann nicht etwas malen, und dann, sozusagen um es zu schützen, einen Film drüberlegen. Finde ich falsch. Dann sollte man es hinter Glas rahmen. Kann man ja auch machen. Man kann ja mal ein Ölbild hinter Glas rahmen. Von mir aus! Ich mache es nicht, aber wenn es jemand will, kann er das machen. Aber ebenso einen unsichtbaren Film drüberzulegen, das schließt das Bild ab, in einer falschen Form. Ich glaube auch, dass es es sozusagen tötet.
ER: Hat das etwas mit dem Begriff der »Nacktheit« zu tun, von dem du mir geschrieben hast?
AB: Mit der Nacktheit meinte ich eher das Prinzip »Rahmen«. Es gibt viele Künstler, die ihre Werke permanent selbst rahmen. Sozusagen vorinszenieren. Die geben dem Werk eine Inszenierung mit auf den Weg. Das mache ich nicht. Weil keiner weiß, wie das Bild in den nächsten tausend Jahren inszeniert wird. Also, das meinte ich mit diesem Begriff »Nacktheit«. Da habe ich nicht an die Firnisse gedacht. Also, die Firnisse... ich habe schon seit Jahren nicht mehr daran gedacht, was das überhaupt bedeutet, aber, ich glaube, dass das nichts Gutes ist.
ER: Du hast mir geschrieben, dass du die Rückseite immer signierst.
AB: Die sind eigentlich durchweg signiert, ja.
ER: Und die Vorderseite nicht durchweg?
AB: Nicht durchweg, nein.
ER: Gibt es sonstige Bearbeitungen auf der Rückseite?
AB: Gab es, viele, ich habe das früher viel gemacht. Oft habe ich das gemacht, um mir den Bildträger als Objekt anzueignen. Vor dem Malen auf der eigentlichen Bildfläche habe ich hinten draufgezeichnet oder Notizen gemacht. Mache ich aber fast nicht mehr. Schon lange nicht mehr. Habe ich damals gebraucht, um sozusagen die Angst zu verlieren, vor diesem Bildträger. Und das macht auch Spaß, natürlich. Wenn man jetzt zum Beispiel hinten den Keilrahmen beschriftet. Wenn man was zu sagen hat, meine ich, warum nicht. Aber irgendwie mache ich es fast nicht mehr. Zwischendurch male ich hinten was drauf.
ER: Ich habe von einer Aktion gehört, wo du Munch-Postkarten hinten aufgebracht hast.
AB: Postkarten habe ich aufgetackert. Auf die Keilrahmen. Das mache ich manchmal. Also, heute jetzt, da kann ich mich nicht mehr erinnern, aber 2003 oder so, da habe ich es mal gemacht. Von Munch »Der Schrei«. Solche Sachen habe ich gemacht, ja.
ER: Du hattest geschrieben, dass es dir egal wäre, wenn das Bild einen Rückseitenschutz kriegen würde, also jemand beispielsweise eine Platte hinten befestigen würde, so dass diese Sachen abgedeckt wären.
AB: Genau. Das ist einfach so. Das ist nichts, was wirklich vorsätzlich ausgestellt werden soll. Es wäre jetzt aber so, wenn jemand so ein Bild hat und er mag das, was da hinten drauf ist, und er möchte das zeigen oder sehen, und er hängt das Bild an die Wand und von hinten hat er es verglast, dann sollte man demjenigen durchaus dieses Vergnügen lassen, wäre auch möglich. Wenn aber einer sagt, darum geht es ihm nicht, er hat dieses Bild und jeder weiß, es geht nur um dieses Bild, das Bild folgt einer gewissen Definition der Fläche, und eben nicht, was hinten drauf ist, da ist das durchaus das gültige Modell. Weil es mir ja persönlich auch hauptsächlich um dieses Bild, das eigentliche Bild, geht.
ER: Ich fragte dich ja nach positiven oder negativen Erfahrungen mit Materialien. Du antwortetest, du bejahst alle Materialien.
AB: Damit meinte ich, glaube ich, dass ich alles gut finde, was ich kaufe. Dass ich das gleichwertig einsetze. Dass ich mir da nicht groß Gedanken mache, was da die Wertigkeit ist, und diese Materialien gleichberechtigt einsetze. Billige Farben, teure Farben...
ER: Kannst du mir anhand eines Beispiels etwas über Veränderungen deiner Malweise im Laufe der Zeit erzählen? In welcher Weise wäre zum Beispiel der erste Friedens-Siemens von 2000 mit den ganz neuen, die gerade ausgestellt werden, vergleichbar?
AB: Von der normalen Vorgehensweise her sind sie relativ vergleichbar. Nur, dass das eine in Acryl gemalt war und die jetzt in Öl gemalt sind. Aber es wurde genau nach demselben Schichtenmodell vorgegangen. Wie wir es vorhin hatten. Jemand malt das Bild grau an, ich male dann mit Weiß drauf. Und dann kommen die Augen. Und so weiter. Die sind genau gleich aufgebaut. Das habe ich auch mit Absicht so gemacht. Mit dieser grauen angelegten Fläche. Das habe ich die letzten Jahre nicht mehr gemacht. Das heißt, ich male eigentlich immer auf Weiß. Wie heißt das, Primamalerei. Und wenn man das auf das Grau macht, ist das anders. Da malt man ja schon in den Raum hinein. In den grauen Raum, der eine gewisse Dimension hat... Und so habe ich das diesmal extra wieder gemacht. Um genau daran anzuknüpfen, wie ich es damals gemacht habe. Wobei ich die heute eigentlich anders machen könnte, direkt auf Weiß. Die würden nur anders aussehen.
ER: Und worin, würdest du sagen, liegen die Unterschiede zwischen den Sachen, die du am Anfang gemalt hast und denen, die du jetzt malst?
AB: Ja, früher die sind naturgemäß stärker an gewissen Vorbildern orientiert. Auch von der Vorgehensweise. Weil man sich als Anfänger formal eher absichern muss. Durch das Vorgehen, man muss man eine gewisse Sicherheit haben, dass man überhaupt zu einem Ergebnis kommt. Das verliert man automatisch, indem man ein paar Jahre weitermacht und setzt gewisse Dinge anders ein, für die man vorher Umwege gebraucht hätte. So was gibt es durchaus. Aber trotzdem versuche ich immer wieder, das zu malen, was ich nicht kann. Das heißt also, nicht immer nur das zu reproduzieren, was man schon kann. Eine gewisse Handwerklichkeit oder Handfertigkeit zu reproduzieren, ist nicht mein Ziel, ich versuche, das zu malen, was ich noch nicht kann. Ich kann bestimmte Dinge sehr gut und könnte damit vielleicht auch relativ erfolgreich sein. Aber die mache ich nicht. Sagen wir mal, die Friedens-Siemens-Ausstellung wäre eher eine Ausstellung von Bildern, wie ich sie malen kann. Diese Bilder haben innerhalb von meinem kleinen Werk bereits halben Klassikerstatus. Während andere Bilder, die ich male, nun wirklich offensichtlich Probleme sind... Und das sind die Dinge, die ich noch nicht malen kann.
ER: Kannst du mir da ein Beispiel nennen?
AB: Ja. Die Ausstellung bei Max Hetzler, im September 2006, da sind bestimmte Bilder, die ich auch quasi fortsetze, diese Serie. Das ist eine gewisse Bildergattung, in die alle anderen Bilder einfließen, die ich habe, also auch die monochromen und so, die fließen da ein und werden dort zu etwas Universellem verarbeitet. Und das sind Dinge, die ich eigentlich noch nicht kann. Weil man sozusagen erst mal hundert Prozent ins Unbekannte malt. Und diese Bildersorte ist etwas Zukünftiges, da mache ich jetzt weiter, während die Friedens-Siemens-Bilder, die ich jetzt noch mal gemacht habe, noch so etwas wie ein Innehalten waren. Mal kurz durchatmen. Und sich sozusagen auf das Eigentliche besinnen, um das komplett zu verlassen. Also, die Rückversicherung dessen, was man wirklich kann. Um das dann aber von alleine zu lassen. Eigentlich auch ein Kontrollverlust. Das meine ich mit »das malen, was man nicht kann«. Weil Kunst, und das ist wiederum ein Modell für Kunst überhaupt, Kunst ist das, was man nicht kann. Sonst würde man es ja können. Das ist nicht von mir, es ist schon eine alte Erkenntnis, aber viele wissen es nicht. (lacht)
ER: Nicht nur beim Vorbereiten setzt du Assistenten ein, sondern manchmal auch beim Malen, wie du mir erzählt hast.
AB: Selten. Beim eigentlichen künstlerischen Tätigsein gibt es auch manchmal Helfer, aber selten. Es ist keine Methode von mir. Ja, es gibt Maler, die sozusagen methodisch fremde Hände benutzen, um zu ihrem wie auch immer gearteten hybriden Ergebnis zu kommen, das die Hybridität aus diesen fremden Händen erlangt. Bei mir ist das nicht der Fall, ich benutze manchmal welche, aber wirklich nur nach Laune oder wenn das besonders gut gemeint ist. Bei mir geht es nicht darum, dass in dem Bild lesbar wird, dass fremde Hände tätig waren. Das führt ja zu so einer gewissen Diskussion über Autorenschaft. Das gibt es bei mir nicht. Ich glaube, dass diese Diskussion um Autorenschaft bei mir keine Rolle spielt. Es ist ein Über-Autor, der sowieso zugange ist, und der darf durchaus eine Handschrift haben. Das bin aber vielleicht trotzdem nicht ich. Während diese Leute, die verschiedene Hände benutzen, diese verschiedenen Hände thematisieren als verschiedene Autoren. Die sind langweilig. Also gibt es eine gewisse Hilfe bei mir nur so, die bringt das gesamte Ding voran.
ER: Du schriebst auch von »künstlerischer Beratung« und von »Experimenten«.
AB: Dass ich Leute habe, die mich beraten? Ja. Es gibt durchaus Leute, die sich mit mir unterhalten... Aber nur wenige, die mir nahestehen, und denen ich dann auch eventuell glaube.
ER: Die Mehrheit der Bilder aber entstehen, schriebst du, ohne Anwesenheit von anderen.
AB: Ja, ja. Bestimmt 99,9 Prozent.
ER: Die Farbe ist ja oft sehr dick und pastos. Kommt es vor, dass Bilder nach der Fertigstellung schon nach kurzer Zeit aus dem Atelier kommen, auch wenn sie noch nicht getrocknet sind?
AB: Kommt schon mal vor, ja.
ER: Ich habe bei Guido Baudach im Depot diese Transportecken gesehen, mit denen man immer zwei Bilder mit Abstand aneinanderschrauben kann. Wie lange verwendest du die schon?
AB: Ich verwende sie gar nicht. Transportfirmen und Galerien verwenden sie. Ich gebe nur die Vorgabe und die ist dann halt irgendwann bekannt. Dass Bilder bei mir nur abgeholt werden dürfen, wenn die Leute entweder Transportkisten oder Transportecken mitbringen. Alles Weitere ist mir egal. Also, das ist eine gewisse Vorgabe. Man kann keine Bilder einfach so mitnehmen, oder sie verpacken, das geht halt nicht.
ER: Du hast sie auch nie verpackt?
AB: Am liebsten ist es mir, wenn man sie unverpackt transportiert. Nur mit diesem Abstand. Was soll da noch extra Plastik drumherum? Das bisschen Staub, was da hinkommt, macht ja nichts. Finde ich. Also, ich sage immer zu den Leuten: verpacken - forget it, Hauptsache, es berührt nicht.
ER: Ich hatte dich nach einer Äußerung gefragt, die du in einem Interview gemacht hast, zur Präsentation deiner Bilder. Du hattest da scherzhaft gesagt, deine Bilder dürften keinesfalls im Wohnzimmer aufgehängt werden. In diesem Zusammenhang schriebst du mir, dass dir eigentlich alle Umgebungen für deine Bilder passend erscheinen.
AB: Ja. Würde ich schon sagen. Wohnzimmer kann sehr gut sein.
ER: Heißt das, der Raum, in dem das Bild präsentiert wird, spielt eine untergeordnete Rolle?
AB: Ja. Hauptsache, man kann es gut sehen und es kommt cool (lacht). Gut, es sollte nicht im Regen hängen und der Raum sollte einen ausgeglichenen Feuchtigkeitshaushalt haben.
ER: Aber bezogen auf die Präsentation...
AB: ...ist es mir wurscht.
ER: Rahmen, schreibst du mir, findest du eher langweilig.
AB: Ja. Manche Gemälde kriegen so eine Schattenfuge. Das macht der Galerist, wenn er denkt, er hat Lust dazu, aber... (macht eine abwertende Geste). Das kann auch gut aussehen, durchaus. Aber es hat mit mir nichts zu tun.
ER: Bei Zeichnungen ist es ja üblich.
AB: Bei Zeichnungen sowieso. Da werde ich auch gefragt, wie man sie am besten rahmt, aber da habe ich wenig spezielle Wünsche.
ER: Deine Bilder sind ja häufig sehr groß. Würdest du sagen, dass sie eher auf Fernwirkung konzipiert sind oder ist auch die Nähe wichtig?
AB: Sie sind konzipiert auf Nahwirkung und Fernwirkung. Ich gucke sie mir ja auch von nah und von fern an. Und ich kann sie ja auch nur dann weggeben, wenn ich denke, sie sind von fern gut und von nah gut. Es gibt Bilder, die einem von Nahem wahnsinnig gut erscheinen, aber von fern zu schwach sind. Oder andersrum. Also sind sie nicht fertig. Das muss man langsam prüfen.
ER: Wir kommen jetzt zu den Fragen, die Alterung und Schäden behandeln. Die Fragen, die ich hier stelle, werden jetzt oft recht hypothetisch sein. Du schriebst mir, dass du Benutzungsspuren, rückseitige Beschriftungen von anderer Hand oder Verschmutzungen nicht besonders störend findest, Staubentfernung sein allenfalls nötig.
AB: Ja.
ER: Verschmutzungen können ja recht weitreichend sein. Flecken zum Beispiel könnte man ja auch darunter verstehen.
AB: Ja, das ist nicht so gut. Das sollte man durchaus beheben.
ER: Könnte das schon in Richtung eines Schadens gehen?
AB: Wahrscheinlich schon. Kann ich mir vorstellen. Ich habe es jetzt noch nicht so richtig erlebt.
ER: Wie stehst du zu Bohrstellen im Keilrahmen?
AB: Finde ich okay.
ER: Acrylfarbe ist ja unabhängig von der Alterung in Verbindung mit Wärme recht druckempfindlich. Das ist eine Materialeigenschaft. So könnten zum Beispiel Fingerabdrücke entstehen, wenn man mit der richtigen Körpertemperatur und einem gewissen Druck anfasst.
AB: Ja, die Leute sollen nicht unbedingt aufs Bild fassen! Dafür haben wir ja den Rand... Kommt darauf an, wie ich das sehen würde, und wenn es nicht stören würde, wäre es mir dann egal, aber wenn es mich stört, dann würde es mich stören, das muss man von Fall zu Fall sehen. Aber generell sollen die Leute nicht mit den Fingern auf die Bilder fassen. Das ist nicht unbedingt nötig, finde ich.
ER: Auf die Frage, was du als Schaden bezeichnen würdest, schriebst du mir unter anderem »Bild verändert (eigene Beiträge)«. Kannst du mir das noch einmal erklären?
AB: ... (lacht, ratlose Geste) ... Keine Ahnung. Ja, wenn ich vielleicht irgendwo noch was gemacht habe, was ich nicht wollte, oder... vielleicht so. »Eigene Beiträge«, klingt aber gut.
ER: Löcher im Bild oder Fehlstellen in der Farbe zählst du auch als Schäden. Würdest du sagen, dass so etwas ergänzt werden soll?
AB: Ja... Ich finde, das kann man... Das sollte aber am besten ich machen. So lange ich lebe. Also, ich meine, wenn jetzt bei einem pastosen Bild ein Stück Farbe weggeht, ist es vielleicht schon am besten, ich mache es. So lange es geht. Ich würde es schon jedem zutrauen, der Profi ist, der kann so einen Fleck dann nachmachen und man merkt es nicht mehr. Aber so lange es möglich ist oder ich bin in der Nähe, könnte ich es schon selbst machen. Das habe ich schon ein paar Mal, ist schon passiert, also, nicht oft, aber zwei, drei Mal nach einem Transport ist so etwas runtergekommen, ein Stück, wo Farbe ausgefallen ist...Und dann rufen die von der Galerie mich an und sagen, du, da ist ein bisschen was runtergefallen, kannst du es angucken. Dann gucke ich es an, und entweder, ich sage, es ist egal, wir lassen es so, oder ich nehme ein Stück Farbe und tue wieder was drauf. Dann ist es, solange es hier in Berlin ist, schon besser, ich mache es. Aber generell würde ich jedem Profi zutrauen, das zu machen. Und warum auch nicht. Aber es gibt durchaus Fälle, wo ich sage, selbst wenn da jetzt ein Riesenbatzen runterfällt, das Bild ist immer noch gleich gut. Man kann es auch einfach weglassen. Das habe ich auch schon gemacht. Da habe ich gesagt, lassen wir es so. Hat keiner bemerkt.
ER: Kannst du mir beschreiben, wie du das gemacht hast, wenn du Fehlstellen ergänzt hast?
AB: Ich muss da hingehen, gucke nach, wo die Spur ist, die runtergefallen ist...
ER: Ich stelle mir jetzt einen scharfen Bruch vor, wo die Farbe im trockenen Zustand herausgefallen ist.
AB: Nein, nein! Nass, also, pastos, feucht! Getrocknete Farbe bricht ja nicht ab. Ist mir noch nie passiert. Damit habe ich keine Erfahrungen. Nur frisch gemalte Bilder. Ich male ein frisches Bild, das hat eine pastose Stelle, und dieses Bild wird drei Tage später abgeholt. Und auf dem Transport bekommt es Vibrationen, und ein Stück schwere Farbe fällt ab - wie Sahne. Dann liegt die unten im Transportrahmen. Ich gehe dann hin, verfolge die Spur, die der Fleck sogar eventuell übers Bild gezogen hat, der kann ja eine Spur hinterlassen, und ich gucke genau, wo der Fleck hergekommen ist. Dann entscheide ich, ob die Spur okay ist, oder ob der Fleck, so wie er ist, noch okay ist. Und wenn dem nicht so wäre, dann würde ich auf den Fleck noch mal was drauf malen. Das sollte dann schon ich machen. Wenn es so direkt zeitlich beieinanderliegt. Ob getrocknete pastose Farbe runterfällt, weiß ich nicht. Ist noch nie passiert. Ich glaube auch nicht, dass es passiert, habe ich nicht den Eindruck. Also, ich kann mir gut vorstellen, dass das ein Restaurator kann, genauso wie ich. Könnte ich mir gut vorstellen.
ER: Alterungs- oder maltechnisch bedingte Veränderungen findest du, wie du schriebst, akzeptabel.
AB: Ja.
ER: Hast du bei deinen Bildern schon derartige Beobachtungen gemacht?
AB: Wenig. Wenig. Also, ich bemerke manchmal bei Bildern, die ich nach einer gewissen Zeit wiedersehe, dass da gewisse pastose Passagen anders wegtrocknen, als man es vorausahnt. Das habe ich aber bisher immer akzeptiert. Aber ich bin mir natürlich durchaus bewusst, dass es die Chance gibt, dass sich bestimmte Sachen anders entwickeln, als man denkt. Da müsste man dann, falls wirklich etwas Gravierendes passieren würde, von Fall zu Fall entscheiden, ob das okay ist. Aber ich glaube, bisher war das alles okay. Manchmal gibt es so etwas, dass sich etwas zusammenzieht oder dass noch mal etwas anders läuft... Lauter solche Sachen gibt es ja. Die würde ich eigentlich alle okay finden, außer, sie würde ein wichtiges Detail in den Schatten stellen. Das wäre schlecht.
ER: Kannst du dir einen solchen Fall vorstellen, wo die Ausdruckskraft des Bildes in deinen Augen gravierend gestört wäre?
AB: Weiß ich nicht. Ich kann mir schon vorstellen, dass so etwas mal passiert, aber es ist bisher nicht passiert. Ich glaube, die gesamte Ausdruckskraft des Bildes kann im Grunde, nachdem es aus dem Atelier raus ist, nicht mehr verändert werden. Selbst bei irgendwelchen gravierenderen Schäden. Kann ich mir nicht vorstellen. Aber man sollte immer dafür sorgen, dass es nicht weiter Schaden nimmt. Das finde ich das Wichtige. Dass etwas gestoppt wird, was das Bild eventuell wirklich kaputt machen würde. So, jetzt könnte man wieder so lässig sein und sagen, egal, ist doch egal, wenn das Bild kaputtgeht, okay, aber, das muss nicht sein. Ich finde es schon okay, wenn die Bilder erhalten bleiben.
ER: Ich habe mir ein paar Dinge überlegt, bei denen ich mir, hypothetisch gesehen, vorstellen könnte, dass sie bei deinen Bildern durch Alterung eintreten könnten. Dazu würde ich gerne deine Meinung hören.
AB: Ja?
ER: Zum einen könnten Sprungnetze entstehen, verschiedene Krakelees, die sich an verschiedenen Stellen im Bild durch den unterschiedlichen Farbauftrag auch unterschiedlich ausprägen könnten.
AB: Ah, ja, »Krakelees«... Ich glaube, das kenne ich von Bildern, ja. Ich habe es bei mir so gut wie noch nie gesehen.
ER: In der Regel kommt es bei fast allen Ölbildern nach einer gewissen Zeitspanne vor.
AB: Ich glaube, bei mir kommt es nicht (lacht). Aber wenn, dann finde ich das, glaube ich, auch in Ordnung. Solange es nicht abfällt, finde ich das durchaus legitim. Es gehört dann einfach auch ein bisschen dazu und das weg zu retuschieren fände ich dann auch ein bisschen kosmetisch. Ich glaube, man darf nicht kosmetisch sein. Ich will so was natürlich nicht erzeugen, vorsätzlich.
ER: Wir hatten ja von Patina auch schon gesprochen und du hast mir geschrieben, dass du künstlich eingebaute Patina langweilig findest.
AB: Ja, man sollte Patina nicht mit auf den Weg schicken. Patina ist ja sowieso da. Die ist ja bereits da, während man es macht und im weiteren Verlauf. Das heißt, man sollte damit nicht unbedingt umgehen, noch bevor es letztlich soweit ist. Ich inszeniere keine Patina. Was weiß ich, ich könnte ja solche Krakelees schon mit einbauen. Oder einen alten Rahmen drumherum zimmern. Oder Spinnweben draufkleben. Das gibt es ja alles! Ist ja auch okay, und das funktioniert ja auch, für diese Leute. Zumindest für den Moment. Das Problem ist dann nur, wenn man bereits vorsätzlich Patina integriert, hat man in fünfzig Jahren die fünfzigfache Menge von dem, was man schon selbst mit hineinbringt. Das finde ich, glaube ich, sinnlos. Aber es ist, wie gesagt, in der Kunst alles möglich. Ich will auch jedem das lassen, was er für richtig hält. Bei mir soll es da nicht drum gehen. Ich finde das nicht richtig, dass man so einen Zeitfaktor mit inszeniert, genauso wie mit diesen inszenierten Rahmen, so dass man die Sache schon als bereits gesehen etabliert. Das ist ja eigentlich, was mit Patina verbunden ist. Patina sagt ja aus, dass das Bild bereits gesehen wurde, bevor ich es jetzt sehe. Ein zeitlicher Mechanismus... Das finde ich nicht gut.
ER: Farbveränderungen können sich ebenfalls vielfältig und sehr unterschiedlich einstellen. Bei deinen Bildern liegt ja häufig die Grundierung frei. Die kann im Laufe der Zeit leicht vergrauen, dadurch, dass sie Staub besser einbindet als die Ölfarbe.
AB: Ich glaube, das finde ich... Wird so etwas behoben?
ER: Das könnte ich mir eventuell in Fällen, wo der Staub nicht stark eingebunden ist, schon vorstellen.
AB: Es nimmt ein bisschen was von der Leuchtkraft weg, aber vielleicht ist das nicht schlimm (lacht). Also, ich finde es kein Problem und wenn es eine Methode geben soll, wo es sinnvoll erscheint, dass zu beheben, dann soll man es auch beheben. Also, mir wäre es recht, es würde so viel Leuchtkraft wie möglich auf Dauer erhalten.
ER: Es könnten sich Deformationen im Bildträger entwickeln. Zum einen durch die unterschiedlichen Schichtdicken der aufgetragenen Farbe, die unterschiedliche Spannungen im Gefüge hervorrufen können, aber auch durch das Gewicht besonders schwerer pastoser Stellen. Die Leinwand verliert im Alter immer mehr an Elastizität und kann sich dann zu Beulen verformen.
AB: Na ja. Ja, gut, man kann ja mit diesen Dellen, falls sie entstehen, nicht unbedingt lange leben, weil das sonst kaputtgeht, oder? Wenn es Wege gibt, dann soll man das beheben.
ER: Würden die Beulen dich in ästhetischer Hinsicht stören? Abgesehen von konservatorischen Überlegungen?
AB: Ach so. Nein, das würde mich nicht so arg stören.
ER: Seit wann kennst du Peter Most?
AB: Seit 2001. Er hat sich mir damals als Spezialist für Ölmalerei vorgestellt. Für zeitgenössische Kunst und für pastose Ölmalerei speziell. So haben wir uns kennengelernt. Dann habe ich ihn öfter gebraucht, mal so, für kleinere Fragen.
ER: Hast du dich vorher schon beraten lassen?
AB: (Schüttelt den Kopf)
ER: Und bist du sonst schon mit Restauratoren in Kontakt gekommen?
AB: (Schüttelt den Kopf) Das war ein Zufall. Er ist ein Kumpel.
ER: Allerdings schriebst du mir ja, dass du von einem Werk weißt, »Vater mit Mohn«, was in der Bundeskunstsammlung restauriert wurde. Weißt du, worum es da ging?
AB: Ja. Und zwar war da folgendes: Das Bild habe ich auf vorgrundierter Leinwand auf dem Boden gemalt, unaufgespannt. Das heißt, für das Aufspannen auf den Keilrahmen hätte man ein bisschen mehr Seitenstoff benötigt. Dafür hat dann der Peter Most Anknüpfungen gemacht. Also, Stoff angeklebt. Mit einem bestimmten Kleber. Und dann hat er das Bild aufgespannt. So wurde das Bild an diese Fuzzis verkauft und nach einer Weile hat sich der Kleber wieder ein bisschen gelöst. Dann haben die mich gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, dass man das enger aufspannt, ohne diesen Anknüpfungsstoff. Dass sozusagen ein bisschen von dem weißen Rand, also, das Bild ist so weit bemalt und dann kommt ein weißer Rand, und dann geht's erst rum. Ob man den verkleinern könnte. Irgendwie so etwas haben die da machen wollen. Also, ich hatte damit eigentlich im Grunde nichts zu tun. Weder mit dem Kleben, noch mit der Aktion, die die dann in der Sammlung vorgenommen haben.
ER: Haben die das gemacht?
AB: Ich habe irgendeiner Version zugestimmt, glaube ich. Kann mich aber nicht erinnern, welcher. Weil ich es unerheblich fand. Und ich glaube, dass es gut aussieht.
ER: Auf die Frage, wie weit Konservierungsmaßnahmen für dich gehen dürfen, hast du mir geschrieben: »So weit wie jeder will und kann, gute Bedingungen schaden nicht, schlechte können schaden, müssen aber nicht.« Meintest du damit die Klimasituation?
AB: Ja, vielleicht muss das nicht unbedingt dadurch kaputtgehen, nur, weil es nicht ganz so toll gelagert wird oder so... Zum Beispiel, ich habe den ganzen Winter hier in dem Atelier gemalt - bei Kälte, Nässe, Wind und so weiter. Ich glaube, es war nicht so schlimm. Es kann sein, dass ein paar Defizite dabei herauskommen, wenn die dann nachher im Trockenen sind, dass sich das verändert, die Spannung und solche Dinge. Habe ich bisher kaum schlechte Meldungen gehört, ich habe jetzt gerade von einer Meldung gehört, jemandes Leinwand sei irgendwie so schlaff. Die war bei mir im Atelier total straff, wegen der Feuchtigkeit. Also hat sich das da in dem Fall ein bisschen blöd zurückgebildet, jetzt muss derjenige was tun, damit das wieder straff ist. Da hat man durch so eine etwas schlechtere Bedingung durchaus mal so ein Ergebnis. Ich finde das aber für das Kunstwerk selbst relativ unerheblich, Hauptsache, es wird erhalten.
ER: Wir unterhielten uns ja auch schon einmal über Edvard Munch und seine...
AB: ... Rosskur. Wäre nicht mein Ding, ich habe es dieses Jahr fast erlebt. Aber nicht mit Absicht. Ich dachte nur, okay, das geht schon. Es hat auch geklappt, ich glaube, das hat alles gut geklappt.
ER: Wenn man sich nun eines deiner großen Bilder vorstellt, das aber auf einen der eher schlechteren Keilrahmen gespannt ist, wenn der aus irgendwelchen Schadensgründen nicht mehr in der Lage wäre, das Bild stabil zu tragen...
AB: Ja, ob man das neu aufspannt auf einen besseren? Klar. Wenn so was nötig sein sollte, dann könnte ich mir das vorstellen. Man sollte aber trotzdem dann so nah wie möglich an das Maß heran, das war, um da nicht zu sehr einen anderen Ausdruck... Dass es nicht so schwer wird, was weiß ich, keine 20 cm-dicken Rahmen stattdessen.
ER: Kannst du dir vorstellen, was es für eine Wirkung hätte, wenn eines deiner Bilder auf eine neue Leinwand oder eine starre Platte geklebt würden?
AB: Das wäre schon ein Unterschied, ja. Kann ich mir nicht... Man nimmt das schon anders wahr. Oder? Also, bevor man es wegschmeißt, kann man es machen.
ER: Zum Thema Restaurierungsmaßnahmen hattest du mir geschrieben: »So weit es die Professionellen können und es mit sich vereinbaren können. Sie sollen das Werk in seiner Aura erhalten, verstehen, schätzen und so lang wie möglich erhalten, es aber nicht firnissen.« Du schriebst von Professionellen, also wäre es dir schon wichtig, dass es ein professioneller Restaurator macht.
AB: Eine restaurierende Maßnahme? Das sollte schon jemand machen, der es kann. Würde ich schon sagen. Oder ich.
ER: Möchtest du beim Auftreten eines Schadens informiert werden oder Einblick ins Restaurierungskonzept haben?
AB: Nicht unbedingt. Nur, wenn es etwas... ist.
ER: Was könntest du dir da vorstellen?
AB: Na ja, wenn es halt etwas Gravierendes ist. Ich kenne das ja von Peter Most. Der macht bestimmte Bilderpassagen neu, ohne dass die Künstler damit zu tun haben. Weil es ja ein gewisses Grundvertrauen geben muss. Ich kann ihm ja jetzt nicht auf die Finger schauen. Irgendwo von mir hat zum Beispiel mal irgendjemand ein Loch reingemacht. Das hat er geflickt und wieder so gemacht, dass man es nicht sieht. Habe ich nie gesehen.
ER: Und wenn es darum geht, ein Konservierungs- und Restaurierungskonzept zu entwickeln?
AB: Ja, dann kann man mich durchaus hinzuziehen. Wenn derjenige das braucht. Also, ich würde jetzt nicht darauf bestehen. Sobald es aus meinen Händen ist, bin ich ja auch nicht mehr unbedingt Eigentümer. Das ist so eine Frage, da müssen der Eigentümer und der Restaurator wissen, ob sie das brauchen.
ER: Reproduktionen im Falle eines Totalverlusts hast du verneint.
AB: Kann man nicht.
ER: Würdest du sagen, dass eine Serie, wie zum Beispiel »Frau vor dem N-Haus,« auf jeden Fall zusammengehört?
AB: Diese gehört zusammen, ja.
ER: Was, wenn davon ein Blatt verloren ginge?
AB: Dann würde eines fehlen. Mehr nicht. Dann müsste man die anderen deswegen nicht wegschmeißen. Würde ich mal sagen.
ER: Und das wäre auch nicht reproduzierbar.
AB: (Schüttelt den Kopf) Die sind in einem Katalog reproduziert, da hat man sie alle. Wenn welche fehlen, kann man sagen, guck, das und das gehört eigentlich dazu, das war's.
ER: Wir sind am Ende der Fragen zu den Gemälden angelangt. Ich habe jetzt auch noch einen Fragenkatalog zu den Papierarbeiten. Welche Wirkung verbindest du mit Papier als Bildträger im Vergleich zum aufgespannten Gemälde?
AB: Papier benutze ich eigentlich ausschließlich für Wasserfarben, Aquarelle oder Bleistiftzeichnungen. Es ist ein leichteres Medium, für das Medium Zeichnung. Malerei nur im beschränkten Sinne.
ER: Wie entstehen Ideen für Papierarbeiten? Oder ist das ähnlich wie bei den Gemälden?
AB: (Nickt) Wobei, auf Papier ist es notizenhafter. Sporadischer, beiläufiger, schneller, informativer oder solche Dinge.
ER: Gibt es für Drucke im Vorfeld Konzepte?
AB: Für Druckgrafik? Da habe ich durchaus vorher ein Konzept. Druckgraphik ist etwas Serielles, also muss ich vorher eine gewisse Serialität festlegen.
ER: Gibt es dafür auch Entwürfe?
AB: Nein.
ER: Arbeitest du beim Drucken mit Assistenten oder sonstiger Hilfe von außen...
AB: Ja, ja.
ER: ...mit Betrieben vielleicht?
AB: Nein. Bei mir im Atelier, aber mit Hilfe.
ER: Wer hilft dir dabei? Ist das ein Drucker?
AB: Nein. Da hilft mir jemand, der druckt alle. Drucken tue ich so wenig wie möglich. Ich schnitze.
ER: Gibst du da Hinweise oder Anweisungen?
AB: Ja. Und zwar drucken wir immer mit einer Bierflasche. So zum Rollen. Das ist die einzige Anweisung. Und dass es nicht immer ganz gerade sein muss. Bei mir liegen die Drucke immer leicht schief auf dem Papier. Dadurch ergibt sich so ein Spiel. Also, man darf es nicht mit Absicht schief machen, aber man darf es auch nicht mit Absicht gerade machen. Also gibt es durchaus Anweisungen für denjenigen, der mit mir die Drucke macht.
ER: Hast du zum Papier selbst spezielle Vorstellungen, was die Beschaffenheit angeht?
AB: Nein, da benutze ich verschiedene Papiere, aber für so eine Druckserie legt man das vielleicht vorher fest. Sonst, zum Zeichnen, kann man alles nehmen.
ER: Wenn du es festlegst, hast du da bestimmte Kriterien?
AB: Für die Drucke? Ja, eine gewisse Schwere, Gewicht, Farbe... Da muss man schon genau gucken. Ob das ein bisschen gelblicher sein soll, so etwas kann man sich durchaus überlegen, aber es sollte nicht im Vordergrund stehen.
ER: Wählst du auch Papiere aus, die schon verfärbt sind, oder achtest du darauf, dass sie im Gegenteil besonders alterungsstabil sind?
AB: Achte ich nicht drauf, aber ich nehme nicht mit Absicht patinöses Papier. Ergibt sich aus der anderen Sache.
ER: Die Frage woher du das Papier beziehst, beantwortet sich fast von selbst, wenn du sagst, du nimmst zum Zeichnen alles...
AB: Ja, genau. Entweder vom Künstlerbedarf oder Büro oder Kinder...
ER: Zeichnest oder druckst du auch auf Pappe?
AB: Nein. Vielleicht gibt's mal eine Zeichnung, aber kaum.
ER: Mit welchen Farbmaterialien arbeitest du?
AB: Bleistift, Buntstift, Kohle. Früher habe ich Filzstifte und solche Sachen benutzt, nachher aber nicht mehr. Eigentlich zeichne ich hauptsächlich mit Bleistift. Und dann erst mit Buntstiften, und dann vielleicht mal mit Kugelschreiber oder mal mit einem Kohlestift. Aquarell, Gouache, klar. So, das war's. Ich achte auf keine Marken.
ER: Gibt es Auswahlkriterien bezüglich der Stabilität bei den Stiften, die du verwendest?
AB: Hmm, nein.
ER: Verwendest du Fixative oder sonstige Überzüge?
AB: Nein. Das wäre genauso... Würde ich nicht machen, nein.
ER: Welche Druckstöcke verwendest du?
AB: Das ist Linoldruck. Ganz normal.
ER: Kommen auch andere Drucktechniken vor?
AB: Nein, im Moment nicht. Vielleicht will ich ja mal Holzschnitte machen, aber später.
ER: Und bisher gab es auch noch nichts Anderes.
AB: Nein. Farben benutze ich eigentlich mit Vorliebe von Schminke solche wasserlöslichen Linoldruckfarben. Das ist mehr so für den Kindergarten, glaube ich, ja? Die sind gut.
ER: Welchen Eindruck soll ein Druck vermitteln?
AB: So ein Druck ist eher ein Begleitprodukt. Von etwas viel Verheißungsvollerem. Also, es legt eher Zeugnis ab von etwas anderem. Ich glaube, Druckgraphik ist etwas, was nur einen Hinweis gibt. Also, es ist nichts Minderwertiges, aber, ein Druck ist etwas auf eine Ebene Hinabgezogenes. Oder Hinaufgezogenes. Also, es ist etwas Vereinheitlichendes. Bei mir ist das eher so etwas wie ein Zeuge. Ja. Es ist was extrem Flächiges.
ER: In der Ausstellung »Kommando Friedrich Hölderlin« hängt ja ein Druck, wo auch »Kommando Friedrich Hölderlin« draufsteht.
AB: Ja. Ein Unikat. Das ist ein Ausstellungsplakat.
ER: Ist das ein Beispiel, für das was du meinst?
AB: Ja, ja, durchaus. Richtig. Das kann in der Hierarchie durchaus gleichbedeutend sein wie ein Ölgemälde. Aber es übernimmt eine andere Funktion in dieser Mitteilungswelt. Es teilt von Etwas mit.
ER: Bearbeitest du Drucke auch noch hinterher?
AB: (Schüttelt den Kopf).
ER: Wie sollen Papierarbeiten deiner Ansicht nach präsentiert werden?
AB: Papierwerke werden eigentlich gerahmt. Schlicht, aber gut. Bei der Hängung bin ich, wenn es so sein soll, dabei, wenn es meine Ausstellung ist, sonst nicht. Wenn in einer Einzelausstellung von mir Zeichnungen gezeigt werden, dann bin ich dabei, auch wenn die Zeichnungen aufgehängt werden. Aber sonst nicht. Ich bin eigentlich nur bei Einzelausstellungen, sowieso, sonst komme ich gar nicht.
ER: Wie stehst du zu alterungsbedingten Veränderungen bei Papierarbeiten, also beispielsweise Vergilben oder Verfärben des Papiers...
AB: Ist so.
ER: Ausbleichen oder Veränderungen der Farbe...
AB: Da kann man nichts machen. Muss vielleicht, wie auch sonst, dann von Fall zu Fall entschieden werden, ob jemand was machen kann.
ER: Was ist mit Abnutzungsspuren? Die können sich bei Papier ja oftmals viel gravierender auswirken als bei Gemälden.
AB: Aber wenn sie gerahmt sind, nicht. Die, die gezeigt werden sind immer gerahmt. Es gibt sicherlich in irgendwelchen Galerien Archive, wo vielleicht ein paar Blätter in der Schublade liegen, das gibt es. Dann ist derjenige dafür verantwortlich, wenn es kaputt ist.
ER: Was sagst du zu Spuren wie Knicken, Rissen, Fingerabdrücken...
AB: Wenn die von mir sind, ist es okay.
ER: Wenn sie später passieren?
AB: Kann durchaus ein Problem sein.
ER: Hast du schon Fälle erlebt, die du als Schaden bezeichnen würdest?
AB: Nein. Ich habe aber schon erlebt, dass zum Beispiel der Guido irgendeine Zeichnung für schadhaft empfand und ich nicht. War irgendein Loch oder was. Da sagte er, das kann er nicht verkaufen.
ER: Ein Nadelloch, oder...?
AB: Nein, durchgemalt oder so. In der Mitte, ein kleines...
ER: Durch das Malen selbst entstanden?
AB: Ja. Das hielt er für nicht verkäuflich. Da habe ich mich gewundert. (lacht)
ER: So. Also, ich bin jetzt am Ende meiner Fragen angelangt. Ich möchte mich bedanken...
AB: Nein, ich bedanke mich.