Interview with Mariana Vassileva about light in her works

Project/Occasionartemak+X/Gathering information about three of Mariana Vassileva's works in the Kunstmuseum Wolfsburg collection to develop conservation concepts.
Interview with         Mariana Vassileva (MV)
Conducted by  Jonathan Debik (JD)
LocationBerlin, artist's apartment
Date29.07.2020
NotesTo guide the interview process, a laptop showing a PowerPoint presentation with images of the artist's works was used. A conversation lead into the start of the interview.
TranscriptJonathan Debik (transcription and revision to ensure the text's readability for publication)
 Mariana Vassileva (corrections and additions)
 Sarah Giering (final corrections)
Symbols(…)= pause from 3 seconds
 (text)= description of facial expressions and gestures
 [text]= addition by Jonathan Debik
 [[text]]= addition by Mariana Vassileva
 /= sentence not completed
 //= overlapping speakers
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Techniques

burn digital painting & drawing film & video installation laquering light art object sketch spray painting welding

Materials

acrylic paint barbed wire bronze cable cardboard, indefinite chair copper fabric fluorescent tube foam material glass ice LED light bulb lightbulb metal mirror motor nail plant silicone spotlight table varnish, indefinite wall paint wire wood, indefinite

JD: Ich habe mir ja drei Werke von dir im Kunstmuseum Wolfsburg angeschaut. Das sind die drei hier [zeigt auf Abbildungen der WerkeIn Between, Burned Hands und Break In / Out: Breathing Light in der PowerPoint-Präsentation]. Ich würde heute gern mit dir über das Licht in deiner Arbeit sprechen. Das Licht als Ausdrucksmittel findet sich ja in vielen von den Kunstwerken. Und ich wollte fragen: warum ist das so? Was interessiert dich daran?

MV: Ohne Licht würden wir alle - Menschen, Pflanzen und Tiere - nicht existieren. Vielleicht ist es deswegen die stärkste Metapher für Liebe, Leben, eine Idee progressiv zu entwickeln.

[[Das Licht und das Sehen. Das Licht lässt ein Objekt immer ein wenig anders erscheinen. Es ist fast eine Interpretation des Objekts, wenn man so will. Wenn Licht da ist, dann können wir leben, wir können uns bewegen und je nachdem woher das Licht kommt – ob es stark oder schwach ist – lässt uns unser Umfeld anders erscheinen. Eine Skulptur ist eine Skulptur ist eine Skulptur und noch eine andere, obwohl es dieselbe Skulptur ist, wen wir das Licht oder das Licht oder das Licht haben.]]

JD: Und wie ist das bei speziellen Arbeiten? Es kommt ja immer eine Verbindung vor, hier mal mit Schuhen [zeigt auf Abbildungen des WerksBoat People in der PowerPoint-Präsentation].

MV: Das ist interessant, es kommt immer wieder in einem anderen Layer als Ausdruck vor. Zum Beispiel bei der Installation Puddle von 2011. Man sieht eine Pfütze [[auf einem schwarzen Weg, Spuren von Autoreifen]] und ein Kabel mit einer Lampe, [[die geneigt über der Pfütze hängt,]] als ob sie miteinander das Primitive und das Progressive kommunizieren. Ich muss hier dazu sagen, dass ich in einem Ort aufgewachsen bin, wo ich beobachtet habe, wie das Licht in die Häuser kam [[, also die Petrollampen mit elektrischem Licht ersetzt wurden. Die Lehmstrasse wurde mit den großen Pfützen von einer großen Walze mit heißem dampfendem Asphalt überdeckt.]] Ich arbeite oft mit Licht und Spiegeln. Vielleicht kommen die Ideen auch aus einer alten Zeit, als es noch kein elektrisches Licht gab. Der Spiegel verdoppelt das Kerzenlicht. (...)

JD: Und das elektrische Licht, das gab‘s quasi neu in den Häusern?

MV: Ja, genau. Ich würde gerne zum Sinn des Lichtes in meinen Arbeiten noch eine Geschichte erzählen: Die frühste Erinnerung habe ich aus diesem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, bei meinen Großeltern. [[Dort gab es nur ein Geschäft für Alles. Da gab es auch keinen Kühlschrank und man konnte große Blöcke mit gefrorenem Fisch dort kaufen, neben Nägeln, Käse, Schampus, Stoffen, Petrol, Reis.]] einmal gab es eine lange Warteschlange [[wegen dieses eingefrorenen Fischs, den man nach Zentimeter Eisblock kaufen konnte]]. Im Geschäft, [[auf dem Tresen]] gab es nur eine Kerze. Ich habe mit der Flamme der Kerze gespielt. Die wartenden Menschen sagten immer wieder: „Tu das nicht, wir werden ohne Licht bleiben“. Ich habe immer weiter damit gespielt und in einem Moment war es dunkel. [[Ich habe natürlich weiter damit experimentiert, bis die Prophezeiung wahr wurde.]] Die Menschen wurden sehr unruhig in der Dunkelheit. Ich war bestimmt fünf oder sechs. Ja, es gibt immer das erste Mal, wo man für etwas sensibilisiert wird. Und das ist eine von diesen Erinnerungen.

JD: Und bei der Arbeit Mirror Light zum Beispiel, da hast du das Blenden benutzt, oder?

MV: Das ist schon wieder eine ganz andere Geschichte. [[Als wir, neu in der Stadt, in unser gerade fertiggestelltes Haus mit drei Etagen eingezogen sind, musste man den Putz von außen machen. Wir standen auf dem Balkon mit meinem Vater und schauten gegenüber auf ein heruntergekommenes Haus. Er sagte: „Eigentlich sollte man das Haus, worauf man immer schaut, verputzen, nicht sein eigenes.“ Als ich neu in Berlin war, dachte ich an diese Geschichte und habe es so für mich übersetzt. Die Menschen waren für mich fremd. Ich war in diesem Ort fremd. Ich versuchte mit der Reflexion des Spiegellichtes die Passanten zum Lachen zu bringen.]] Es ist eher ein soziales Experiment [[, wenn man so will, aber vor allem war es eine immense Arbeit für mich. Die ganze Scham und Angst. Dieses Päckchen, dass ich mit mir rumgeschleppt und zu überwinden hatte. Das hat mir vieles abverlangt und mich letztendlich ein Stückchen weit verändert.]] Je nachdem wie man sich fühlt in dem Moment, reagiert man, [[öffnet sich auf meine seltsame Kommunikation.]] In anderen Städten haben die Leute auch eine andere Mentalität. Ich wurde immer wieder von Menschen aus São Paulo oder Afrika angesprochen. Sie sagten: „Also da werden alle Menschen lachen. Die werden sich darauf freuen!“ Aber das weiß man nicht. Es ist immer ein Experiment und das ist das Schöne, Überraschende. Man weiß überhaupt nicht, wie der Mensch reagieren wird. Und ich habe das damals gemacht, weil ich neu in der Stadt war. Und ich hatte totale Angst vor Kommunikation gehabt! Und immer, wenn ich Angst vor etwas habe, versuche ich das zu bekämpfen (lacht). Ich habe wirklich sehr viel Überwindung gebraucht, um überhaupt mit der Kamera rauszugehen. Und dann habe ich festgestellt, wenn ich mit einem Mann als Kameramensch [unterwegs] war, waren die Menschen sehr verschlossen. Also waren wir zwei Frauen (lacht).

JD: Ah, klasse!

MV: Und ich weiß nicht warum dieses System in so einem heterogenen Zustand geschlossen ist. Keine Ahnung warum. Also, es ist Fakt, dass die Leute bei zwei Frauen sehr freundlich kommuniziert haben.

JD: Spannend!

MV: Hm (bejahend). Ja, das ist auch etwas von der Kindheit. Es ist ein „in das Hier und Jetzt kommen“ für Passanten, aber jeder denkt sich: „Das haben wir damals in der Kindheit gemacht“. Und dann wird das Kind im Erwachsenen reanimiert. (lacht).

JD: Klasse! Und der Mensch, der spielt ja eigentlich in fast allen deiner Arbeiten eine ganz wichtige Rolle. Manchmal sind es mehrere Menschen, manchmal ist es ein Mensch alleine.

MV: Also für mich ist das wichtigste, dass wir den Menschen respektieren. Nicht nur, dass wir ihn verstehen. Ich weiß nicht, ich liebe die Menschen. Alle Menschen. Solange man mir nicht zwei, drei Mal etwas Negatives gemeint hat. Ich würde es gerne so haben, dass man sich zuerst mit einer, ja, positiven Haltung begegnet. Darüber geht es auch in dem 90-minütigen Film Far away and next to us, den ich jetzt mache. Er basiert auch darauf, dass ich den Menschen bewundere. Weil ich das zu Hause gesehen habe, einen Ort ohne Technik, ohne Licht und Wasser. Und dann habe ich gesehen, wie das Fernsehen nach Hause kam. Und die Leute waren so begeistert. Und dann kam auch das Farbfernsehen. Zuerst waren alle Menschen bei uns zu Hause, weil wir einen Schwarz-Weiß-Fernseher hatten. Und dann hatte der Nachbar einen [Farbfernseher]. So fangen auch dieser Konsum und die Gier an, nicht wahr? Der Nachbar hatte also den Farbfernseher und alle sind zu dem Farbfernseher gegangen (lacht). Und mein Großvater war sehr trotzig und sagte: „Nein, mir reicht schon dieser Schwarz-Weiß-Fernseher“. Und er blieb zu Hause. Als ich mit meiner Großmutter nach Hause kam, hatte er vor dem Fernseher so eine transparente Folie mit unterschiedlichen Farben auf dem Monitor geklebt und sagte: „Schaut Mal, wir haben auch einen Farbfernseher!“ (lacht).

JD: Toll, klasse! (lacht)

MV: Aber ja, diese technische Entwicklung – auch wie der Asphalt kam – deswegen habe ich diese Puddle-Geschichte mit den Pfützen auf der Straße [gemacht]. Ich habe gesehen, wie die da Asphalt mit dieser riesengroßen Walze gemacht haben. Und mit dem Geruch von Asphalt hat sie für mich angefangen, die Beschleunigung. Wenn so ein Auto von weitem kam, rannte ich, um zu sehen, wie das Auto – wush (imitiert das Geräusch eines vorbeirasenden Autos) – also, das war ein Happening. Es war so selten, dass da ein Auto vorbeikam. Und bei diesen Skulpturen mit dem Gesicht mit einer Lampe [Treasure is Everywhere], das hat vielleicht auch in meiner Kindheit angefangen. Und ich meine, um auf die Bewunderung des Menschen zurückzukommen: „Wir haben so einen großartigen Fortschritt und ich bewundere den Menschen.“ Aber gleichzeitig: „Wofür nutzen wir diese Technologie und die neue fortschreitende Technik? Ist es fortschreitend oder manchmal auch in Kriegen vernichtend?“ (…)

JD: Und du meintest eben, die Beschleunigung ist ganz wichtig. Wenn ich jetzt aber die Frozen People mal anschaue [zeigt auf eine Abbildung in der PowerPoint-Präsentation], da ist ja wirklich Eis auf dieser Skulptur, oder?

MV: Ja. Und mit dem Eis berühren sie sich. Also das sind Kupferfiguren, die sind ein bisschen entfernt, aber wenn das Eis mehr und mehr wird, dann berühren sie sich. Ich war [damals] in Istanbul und das war so eine ganz merkwürdige Zeit. Man durfte nicht offen miteinander über die Politik reden. In der Zeit habe ich auch dieses Mikrofon mit der Granate [Microfon] gemacht. Ich versuche für mich, wahrhaftig zu sein, mit meinen Kunstwerken. Und das, was mich am meisten drückt – und das ist wirklich so – da entstehen Ideen und das ist so, als wenn es einen Ehrenkodex der Ideen gibt (lacht). Also, die bestehen einfach darauf, gemacht zu werden. Und die kommen immer wieder. Und je öfter die kommen und mich stärker penetrieren, desto mehr muss ich mich damit auseinandersetzten, sonst komme ich nicht weiter. Ich komme nicht zu den anderen Ideen. Und das war in Indien/ Ähm, in Istanbul, Indien war vor 25 Jahren. Ja, und in Istanbul war ich acht Monate wegen einer Residenz in der Kulturakademie Tarabya, ein Stipendium vom Senat hier. (…)

JD: Schön. Dann will ich vielleicht noch einmal auf das Licht zurückkommen in Kombination mit dem Menschen. Gibt es da nochmal eine bestimmte Bedeutung, wo du sagst: „Das ist wichtig“?

MV: Hm (überlegend). Ja (zögernd), hier in dieser Arbeit Treasure Is Everywhere mit der Figur, die wie eine Performance auf einem Stuhl balanciert. Also hier war es mir wichtig, dass der Mensch das Licht gibt. Also, das Gesicht beleuchtet die Lampe. Weil irgendwie haben wir uns manchmal vergessen. Das Menschenleben ist manchmal weniger wichtig als die Dinge und die Materialien. Wir haben das alles geschaffen. Da muss es uns auch bewusst bleiben, dass der Mensch wichtiger ist als alle Techniken. Ich finde, jetzt in der Covid-Situation, dass sie in den demokratischen Ländern behutsam mit den Menschen umgehen. Das ist wirklich etwas, woran sich der Mensch erfreuen kann, dass er so weiter in der Gesellschaft gekommen ist.

JD: Und hier bei der Arbeit Communication ist das Licht ja wirklich so eine Art Verbindung zwischen zwei Menschen//

MV: //Ja (zögernd)

JD: Siehst du das auch so?

MV: Ich weiß es nicht. Hier muss ich sagen, ich mache sehr oft Arbeiten, wo ich auch nicht genau weiß, was mich dazu bringt, das zu tun. Und das sind zwei Figuren, die könnten schon so ähnlich wie eine Walnuss abgerissen und doch eins sein. Ich weiß nicht, ob hier die Kommunikation zwischen zwei Menschen/ Ja, das ist wichtig. Ohne Kommunikation sind wir/ Ich weiß nicht. Zum Beispiel, wenn ein Künstler nur seine Arbeiten macht, die bleiben in dem Studio und haben keine Verbindung zu der Gesellschaft. Die haben keine Funktion. Das war dann nur für eine Person. Man hat sich therapiert. Aber es ist gut, dass man sich austauscht. Das ist gut, ja. Kommunikation ist sehr, sehr wichtig. In unserer Gesellschaft oder zwischen der Geschichte und dem Heute und der Zukunft. Ja.

JD: Weißt du noch, wie es dazu kam, als du deine erste Lampe in der Kunst eingesetzt hast?

MV: Ja, ich glaube, das war doch diese Treasure Is Everywhere. Doch doch, das war die erste Arbeit mit der Figur, die balanciert. Und dann habe ich auch noch ein paar Figuren, die an der Ecke stehen und so Scherben beleuchten. Und die strahlen so. Das sind die Gedanken – dachte ich mir – von einem Menschen (lacht). Auch wenn es in der Ecke ist, haben wir einen riesengroßen Raum in uns: Die Gedanken. Und das Licht, das Beleuchten. Also, das Licht beleuchtet ein Objekt und gibt ihm Sinn. Das Licht erzählt oder lässt es erzählen. Das Licht gibt ihm Plattform, Platz, Raum zu sein. Dass wir sehen, welche Strukturen, welche Form, Materialhaftigkeit es hat. Ja. Licht ist Freiheit. Hier gab es noch eine – ähm, wie hieß die Arbeit – mit dem atmenden Licht?

JD: Break In / Out: Breathing Light.

MV: Ja. Bei dieser Arbeit habe ich gedacht, die muss so groß sein wie ein Mensch, aber doch wie ein Metronom [aussehen]. Und da, wo das Niveau vom Kopf ist, da ist diese alte Lampe (…) Und die atmet. Und wenn sie nicht atmet, dann ist sie gefangen in diesem Netz. Aber wenn sie leuchtet, also wenn sie denkt, und wenn sie kämpft, dann befreit sie sich. Das Break In / Out ist auch wegen diesem Rhythmus vom Atemzug. Genau.

JD: Wir kommen vielleicht gleich nochmal zu den drei Arbeiten. Ich wollte vorher nochmal kurz fragen: Das Feuer spielt ja auch noch eine Rolle in vielen von deinen Werken. Oder zumindest das, was dann übrigbleibt. Diese verbrannten Skulpturen. Was hat es damit auf sich?

MV: Ja, das ist auch so ein Ritual, das wir in unserer Familie hatten. Mit so einem Feuerball im Frühling – es war auch noch Schnee, glaube ich – oder Ende vom Winter. Ich habe immer gedacht, dass es ein Ritual in dem Land ist. Aber es ist unser Ritual gewesen. [Da wurden] alte Klamotten und Papier mit Spiritus durchzogen und dann mit einem Metalldraht – drei Meter lang – haben entweder mein Großvater und dann mein Vater es so über den Kopf gedreht. Ja, das ist der Anfang von dieser Arbeit für mich.

JD: Da hast du auch eine Videoarbeit zu gemacht, oder?

MV: Ja.

JD: Ich weiß leider den Titel gerade nicht.

MV: Turnovo. Weil die Stadt, aus der ich komme, heißt auch so. Aber es ist auch „turn ovo“. Und es ist auch eine Metapher vom Menschen, der sein Licht und Schatten macht. Und das hat auch eine Endlichkeit, wie das Licht immer weniger und weniger wird. Vielleicht wird es weniger in dem Leben als Energie und physisch. Aber ich glaube, die Gedanken werden beleuchten. Also sie leuchten stärker. Ich würde das so gerne sehen. Ja.

JD: Und hier [zeigt auf Abbildungen von There is a Place for Everybody und Matches in der PowerPoint-Präsentation] ist es immer so ein Gegensatz zwischen dem Licht und dem, was dann übrigbleibt, dem Verbrannten? Oder zwischen dem Material, was dann da ist und das Verbrannte daneben?

MV: Das ist hier für mich eher das Erlebte. Und wie dich das formt. Also, diese drei Meter hohen Streichhölzer, die sind schon wie Menschen. Da gibt es die Verliebten, die sich streiten und die Frau, die sich aufgegeben hat. Die hängt an dem Kopf von ihrem Mann (lacht). Ja, wie wir leben, so verbrennen wir. Aber die andere Arbeit, There is place for everybody, ist ein Tisch, der zur Hälfte verbrannt ist. So verbrannt, dass er schon wie ein Lamm aussieht, ein kniendes Lamm. Und auf der anderen Seite ist eine kleine Pflanze. Da ist das Holz nicht verbrannt. Und ich habe hier an die Politik gedacht. Weil die meisten Entscheidungen werden am Tisch getroffen. Und manchmal sind sie sehr regressiv. Sodass der Mensch, die Menschen daran verbrennen. Um Regression geht es für mich. Ja. (...)

JD: Und dann habe ich auch noch das Material gefunden, was du auch unter anderem bei dem Break In / Out: Breathing Light benutzt hast: der Draht. Der kommt ja auch in verschiedenen Formen vor, einmal als Stacheldraht oder auch als Gitter oder als Zaun. Hat er für dich auch eine besondere Bedeutung?

MV: Ja, die Abgrenzungen. Das ist was Negatives, was dich bremst. Aber so sammelt man bestimmt auch umso mehr Ehrgeiz, um sie zu überwinden. Bei Accelorator [zeigt auf eine Abbildung in der PowerPoint-Präsentation] – 2011 war das, oh mein Gott – das ist der schnellste Motor von Bugatti Veyron, den wir damals hatten, als technische Entwicklung bei den Automobilen. Und über diesem Motor [hängen] Neons [Leuchtstoffröhren] mit Stacheldraht. Und den Sound von dem Motor konnte man bei der Installation hören. Und je lauter der Sound war, desto stärker war das Licht. Deswegen konnte man kaum diesen negativen Part sehen, den Stacheldraht. Ja, das ist so ein Dualismus, das Positive und das Negative. Und man sieht das, was man sehen möchte. Einmal haben die mich eingeladen zu einer Spritztour mit einem Bugatti Veyron. Und am Ende habe ich gesagt: „Wirklich, man hat so ein verrücktes Gefühl von dieser Beschleunigung und Entschleunigung!“ Und dann sagte ich: „Ja die Reichsten und die Ärmsten sind Junkies“ (lacht). Da haben die gelacht, ja.

JD: Was ist das Negative, was du mit der Energie oder der Geschwindigkeit verbindest?

MV: Ja, man könnte auch an dieser Geschwindigkeit sterben und andere Menschen verletzen. Also ich verstehe das auch, ich liebe Träume vom Fliegen und das ist sowas Ähnliches, diese schnelle Geschwindigkeit. Und das verstehe ich schon. (...)

JD: Dann kommen wir jetzt nochmal zu den drei Werken, die ich mir genauer angeschaut habe in Wolfsburg. Das Break In / Out. Breathing Light, da hast du ja schon eben angefangen, zu erzählen, da geht‘s um das atmende Licht. Kannst du mir hier noch mehr zu dem Titel erzählen?

MV: Ah, ja! Ja, da gibt es auch unten einen Abdruck von einem Fuß von einem Erwachsenen. Leider sieht man das hier nicht [zeigt auf eine Abbildung in der PowerPoint-Präsentation].

JD: Hm, hier so auf dem Bild? [geht zur nächsten Folie in der Präsentation über]

MV: Ja, genau. Und von einem Kind. Ja, das Kind/ Wenn wir das Kind nicht so stark einschüchtern, dann könnten wir auch viel schneller aus dem Käfig ausbrechen. Ich glaube, dass wir gefangen geboren sind. Und lebenslang versuchen wir, uns zu befreien. Um das zu tun, muss man mutig sein und das tun, was man tun möchte. Aber es ist immer mit viel Erfahrung und Planung verbunden und/ hm (überlegend). Ja, ich habe meinen Mut jetzt vor drei Jahren gesammelt, meinen Film zu machen. Und heute denke ich: „War das wirklich eine gute Entscheidung?“ (lacht). Weil es so schwierig ist! Aber man muss es zumindest versuchen. #00:23:50-9#

JD: Also ist für dich eigentlich die Kunst immer wieder dieser Ausbruch aus etwas.

MV: Hm (überlegend) Ich weiß nicht, ich glaube schon, dass wir/ Oder, man denkt sich, dass man wie ein Ritter immer wieder kämpfen muss für seine Ideen. Weil keiner hat sie gedacht und keiner wird sie vermissen, wenn sie nicht gemacht sind. Und für mich ist es sowas Ethisches. Weil ich glaube, dass wir Menschen was transformieren. Wir Künstler, ne? Und wenn eine Idee zu dir gekommen ist und dich irgendwie sehr stark penetriert, dann ist es meine Verantwortung, die zu machen. In der besten Form. Dann ist auch eine wichtige Entscheidung in welchem Medium. Weil ich diese Verrücktheit hatte, mich in meiner Kunst nicht auf ein Medium festzulegen, habe ich ja dieses riesengroße Labyrinth zu durchgehen. Das Vergnügen oder die Verrücktheit, wirklich. Weil, wenn man nur ein Medium hat, hat man [schon] so viele Fragen, so viele Entscheidungen. Und wenn man noch mehr Medien hat, (seufzt) ja, da habe ich keine Worte (lacht). Aber das ist die Freiheit! Je mehr man frei ist, desto mehr muss man dafür tun.

JD: Und ich habe gesehen, dass du ja auch Skizzen zu deinen Werken machst, die dann oft sogar eigene Arbeiten werden. Wie war das bei denen [zeigt auf Abbildungen von In Between, Burned Hands und Break In / Out: Breathing Light], hast du da auch Skizzen gemacht?

MV: Ja, ich glaube. Ja, ja, doch. Das mache ich, aber nicht immer, muss ich sagen. Manchmal ist es schnell da, sodass die Umsetzung auch ziemlich schnell ist. Und dann habe ich keine Geduld, um das zu zeichnen. Ja, zum Beispiel zwei Nägel [zeigt auf eine Abbildung der Arbeit will they be friends one day?], einer ist golden und der andere ist rostig. Und die stehen nebeneinander und unten steht: „will they be friends one day?“. Und da gab‘s keine Skizze, die war einfach da, die Arbeit.

JD: Und weißt du noch, wie du da [zeigt wieder auf Break In / Out. Breathing Light] bei der Herstellung vorgegangen bist?

MV: Ähm. Ja, das war ähm (überlegt) (…)

JD: Hast du vorher erst alles geplant und dann gebaut?

MV: Gott sei Dank habe ich seit 14 Jahren meinen Assistenten Marco. Der kann das sehr gut, mir sagen, wie ich das ausführe und in welchem Material. Und ja, das haben wir geplant und wenn es einmal gemacht ist, dann wissen wir ja schon, wie es geht. Das sind drei plus zwei, glaube ich, in der Edition. Bei der ersten war ich dabei, bei den anderen wussten sie [die Assistenten] schon, wie es geht. Und da war mir wichtig, dass es eine alte Lampe ist. Ja, das ist der Ursprung, das ist der Anfang. Jetzt gibt‘s so alle möglichen [Lampen]. Ja, aber zum Beispiel bei der Arbeit mit der balancierenden Figur [Treasure is Everywhere], da muss ich doch auf die ursprüngliche Lampe verzichten, weil die sehr heiß wird. Da muss ich jetzt eine LED einbauen. Also, ich behalte die Form von außen, aber von innen werde ich schon mit LEDs oder Licht arbeiten, das kalt ist, nicht warm. (...)

JD: Und weißt du noch, wie das mit dem Draht hier hergestellt war [zeigt auf eine Detailabbildung von Break In / Out. Breathing Light]? Ist das alles selber gebogen, oder habt ihr einen fertigen Draht gekauft?

MV: Das ist einerseits fertig, aber die Enden, die sind wirklich ganz genau [zugeschnitten] und die sind geschweißt. Also jede einzelne. Das ist dann schon sehr viel Handarbeit. Ich weiß nicht, ob du von diesem Museum in Lidice weißt. René Block hat diese Sammlung [Pro Lidice] initiiert. Da sind im zweiten Weltkrieg sehr viele alte Menschen und Kinder umgebracht worden und das ist so eine Art Memorial. Und sehr viele Kunstwerke von deutschen oder Künstlern, die in Deutschland leben, wurden da als Schenkung gemacht.

JD: Und das Werk, ist das auch von da?

MV: Ja, das hat René Block kuratiert. Er kuratiert die Arbeiten, die da ausgewählt wurden.

JD: Und weißt du noch, aus was diese Deckenplatte und diese Bodenplatte sind? Also ich konnte Holz erkennenund ich glaube auch Pappe, die bemalt war. Kannst du dich erinnern?

MV: Das ist Holz und Pappe von oben, damit es leicht ist, genau. Und dann ist es schwarz bemalt.

JD: Weißt du noch, was du da benutzt hast für Farbe?

MV: Acryl.

JD: Acrylfarbe?

MV: Aber, nee, warte.

JD: Das könnte auch so ein Lack sein auf dem Metall, oder?

MV: Hm (bejahend). Aber das ist auf Wasserbasis, das weiß ich. Und das ist besprüht. //

JD: //Das hier oben [zeigt auf eine Abbildung der Deckenplatte des Werkes]?

MV: Das ist besprüht, ist nicht mit Pinsel. Damit es überall reinkommt. (...)

JD: Und wie hast du die Lampe ausgesucht? Du meintest, die soll alt sein. Also eine Glühbirne dann, so eine normale?

MV: Ja, so eine klassische Form. Und ursprünglich, ne? Sodass sie sich auch nicht so wichtigmacht. Das basiert einfach auf der Idee von Licht. Weil, man könnte diese Lampe auch schon irgendwie in einer anderen Form gestalten. Aber Reduktion ist so wichtig. Dass man auf Sachen verzichtet, die das Element, was am stärksten ist, einbetten. Also, die anderen Elementen müssen doch still sein.

JD: Und wie war es bei den technischen Teilen. Hier ist ja diese Technik, die das aufblinken lässt, in so einem Atmungsrhythmus.//

MV: // Ja, das hat Johannes Thaten gemacht, der arbeitet in einer Technischen Universität. Und da hat er mir mit der Elektronik da geholfen.

JD: Und er hat das dann auch verlegt und alles angeschraubt?

MV: Ja, ja, hm (bejahend).

JD: Toll! (…) Genau, und man sieht auf dem Boden diese Krümel [zeigt auf eine Detailabbildung der unteren Bodenplatte des Werkes], das sieht ja auch aus wie in eine verbrannte Fläche//

MV: //Die Erde!//

JD: //Ah, Erde!//

MV: Genau, wie Erde, dachte ich. Das ist nicht glossy, sondern so matt.

JD: Und man sieht ja diese Fußabdrücke, die so ein bisschen glänzend sind. Weißt du noch, wie du die gemacht hast?

MV: Ja, das war so: Ich hab Angst gehabt, dass ich zu viel erzähle. Deswegen habe ich die so gemacht, dass sie nur von den Menschen zu sehen sind, die das sehen möchten (lacht).

JD: Also, man muss genauer hingucken.

MV: Ja! Wenn man mehr sucht, kann man das finden. Ich mag schon Arbeiten, die mehrere Layer haben. Und die auch nicht so schnell zu entziffern sind in einigen Ebenen. Heute früh habe ich mit Michael Stoeber gesprochen, ein Kunsthistoriker, den ich sehr schätze. Und er hat über eine Arbeit erzählt von – ähm (überlegt) wie hieß denn der? –, von Rehberger in ähm (überlegt)//

JD: //Tobias Rehberger?//

MV: Ja, Tobias Rehberger im Kunstmuseum Wolfsburg. Und heute, zwei Jahre nach der Ausstellung, sagt er: „Jetzt weiß ich, warum er das so gemacht hat.“ (lacht).

JD: Das ist gut!

MV: Ja, und das ist schön. Es gibt Arbeiten, die wollen ein bisschen mehr Zeit. Sie sind nicht schnell zu entziffern. Und der Sammler kauft sich die Arbeit, um sie besser zu verstehen, der Künstler lässt sie genau so, weil es etwas hat. Er könnte sie auch noch abrunden. Aber es ist immer schön, wenn eine Arbeit so gelassen ist, dass der Mensch, der das Objekt anschaut, seine eigenen Erfahrungen mitbringt. Und dass dann mehrere Interpretationen möglich sind. (…)

JD: Und sag, diese kleinen Krümel da unten [zeigt wieder auf die Detailabbildung der unteren Bodenplatte des Werkes], die sind so ein bisschen lose, habe ich gemerkt, als ich mir die Arbeiten angeguckt hab. Waren die irgendwie fixiert?

MV: Dachte ich schon, dass sie fixiert sind. Wie eine Mondlandschaft (lacht).

JD: Ja. Dann könnte man vielleicht drüber nachdenken, die nochmal zu fixieren?

MV: Ja, die muss man besser fixieren dann, das stimmt. Einfach mit Lack, matt.

JD: Und wie ist es, du hast ja am Anfang schon gesagt – oder vorher, glaub ich, vor dem Gespräch –dass dir die Ausstellungssituation ganz wichtig ist, gerade von dieser Arbeit. Dass es nicht zu hell sein darf, sondern dass es eine bestimmte Dunkelheit braucht.

MV: Ja, ja, ja! Und vielleicht muss ich das immer wirklich erwähnen, wenn ich ein Zertifikat schreibe. Weil, bei dieser Arbeit gibt es ohne die Dunkelheit auch kein Licht. Also, das kann man auch nicht sehen, wenn es zu viel Licht gibt. Deswegen muss der Raum ein bisschen dunkler sein. Auf jeden Fall.

JD: Und gibt‘s sonst noch was, was bei der Ausstellung für dich perfekt wäre?

MV: Also, wenn da andere Arbeiten sind, dann soll wenigstens eine Seite so sein, dass die Schatten wie so ein Netz an der Wand zu sehen sind. Aber die Dunkelheit, die ist speziell für diese Arbeit, Break In / Out: Breathing Light, wichtig. Und auch noch für die In Between, diese Neonröhren, die wie ein Blitz aussehen.

JD: Da kommen wir ja auch gleich nochmal zu. Wie ist es mit dem Kabel? Das ist ja hier relativ gerade nach hinten gelegt. Hattest du da auch bestimmte Vorstellungen?

MV: Ja, eigentlich passt es schon/ (überlegt) Es passt vielleicht mehr, wenn es so ein bisschen locker ist. Aber ich glaube wirklich, wenn ein Kunstwerk substantiell als Form gut gemacht ist, kann es auch so und so und so und so präsentiert werden. Es wird schon/ (überlegt) Ja, ich widerspreche mir jetzt. Doch nicht. (lacht) Also ja, es schwächt die Arbeit schon, wenn es nicht so adäquat präsentiert ist.

JD: Also, du hättest es lieber ganz gerade und fertig?

MV: Nein, nein. Das ist egal. Nein, nein. Ich meine überhaupt ein Kunstwerk, wenn es nicht so absolut adäquat präsentiert ist. Wenn es stark genug ist, dann wird es das auch ertragen. Das ist nicht so schlimm. Aber wenn es so wackelig, schwach gemacht ist und dann auch noch die Präsentation. Dann ist es wie ein Mensch, der nicht so stark ist und man schubst ihn hin und her. Und dann ist er irgendwie total verunsichert. Aber wenn eine Arbeit gut ausgeführt ist, kann sie schon einiges ertragen.

JD: Und sag, wie ist es, wenn es zum Beispiel diese Glühbirne irgendwann nicht mehr zu kaufen gibt? Kann man da eine andere Technik dafür einsetzen? Oder auf was muss man da achten, wenn man eine andere Lampe suchen muss?

MV: Ach, dann müssen wir speziell das Glas aufblasen, dass es so ist. (lacht).

JD: Ja? Also, die Form ist wichtig?

MV: Ich glaub schon. Das ist diese erste Lampe. Ja, ich weiß nicht warum. Das ist so eine Symbolik von dem ersten Erlebten vielleicht, das dich immer wieder beeinflusst.

JD: Und wie ist es in dem Fall mit der Helligkeit? Ist es wichtig, wie hell die ist?

MV: Ja, hm (bejahend). Ich weiß nicht, dass ist auch nicht so hell, ne? Das ist ein Gefühl, ich kann das nicht erklären, warum. Aber es ist gut, wie es ist. Wir haben wirklich unterschiedliche Sachen so und so und so ausprobiert. Aber sonst wäre es vielleicht zu arrogant für dieses Objekt (lacht). (...)

JD: Und wie ist es, wenn man jetzt eine LED-Lampe da einbauen würde. Da könnte es sein, dass man die Technik auch tauschen muss, weil diese Steuerung vielleicht anders mit einer LED-Lampe funktioniert//

MV: //Das kann sein, genau.

JD: Wäre das ein Problem für dich?

MV: Das wird einfach nicht funktionieren, glaub ich. Aber da muss man schauen, das weiß ich nicht. Die Techniker wissen das. Ob da bei dieser Uhr – an und aus – ob dieses Signal bei der LED funktionieren wird. Das weiß ich nicht.

JD: Aber im Prinzip wäre das für dich möglich, dass man die Technik einfach austauscht?

MV: Ja, absolut! Hauptsache, die Wirkung ist da. So wie bei dieser anderen Arbeit mit dem Lichtgesicht [Treasure is Everywhere]. Mit der Lampe vom Automobil. Automobil-Lampe nennt man das? Schein/ (zögert)

JD: Scheinwerfer.

MV: Scheinwerfer, genau. Also da werde ich auch mit Sicherheit LEDs einbauen von innen. Damit es nicht so heiß wird, weil die Skulptur aus Metall und Stoff ist. Und ich isoliere die immer sehr stark. Damit diese Hitze nicht so zum Textil kommt. Aber demnächst werde ich das auch ändern. Da werden die zu LEDs.

JD: Die Glühbirne strahlt ja auch Hitze aus. In dem Fall merkt man das aber wirklich kaum, man müsste sehr nah rangehen. Ist dir das auch wichtig bei der Arbeit? Diese Hitze?

MV: Nein, aber das tut gut. Dann denke ich an einen warmen Menschen. Ich weiß nicht, ich personifiziere das. Da ist für mich eine Menschenfigur.

JD: Aber ist dir das wichtig? Also, wenn man das jetzt in eine LED überträgt, dann wäre die Hitze ja nicht mehr da.

MV: Nein, das ist nicht so wichtig, wirklich. Also ich glaube, das wird nur die sehr, sehr sensiblen Menschen berühren. (lacht) (...)

JD: Dann kommen wir zur nächsten Arbeit Burned Hands. Kannst du mir auch hier nochmal mehr zum Titel erzählen?

MV: Es ist interessant, das habe ich eigentlich meiner Mama gewidmet. Weil, wir Kinder nehmen und nehmen und nehmen. Und die müssen alles durchhalten, unsere Eltern. Die Mamas. Und da dachte ich auch an ein Projekt, das sehr, sehr schwierig ist. Und es erdrückt dich. Aber du musst es weitertragen, bis es fertig ist. Also es gibt unterschiedliche Interpretationen.

JD: Also ist es hier auch so eine gebende Geste von den Händen?

MV: Ja, und dann hat die das Licht so lange gehalten. So wie bei Mutter und Kind zum Beispiel. Es ist sehr heiß und schwierig, es zu tragen, sodass die Hände verbrennen. Aber du hältst es immer noch, bis es sich geformt hat. Tja. Weil ich keine Kinder habe, sind das meine Kinder. (lacht) (…)

JD: Und die Arbeit ist ja auch eine Edition, oder? Weißt du, wie viel es davon gibt?

MV: Ich glaube fünf. Oder drei plus zwei, glaub ich. Ja, genau. (…)

JD: Und mir ist hier an dem einen Bild aufgefallen, dass die Hände flach sind. Und bei der Lampe in Wolfsburg passen sie eigentlich nur senkrecht rein. Gibt es da Unterschiede bei den Editionen?

MV: Ja, ja, ja. Auf jeden Fall. Und ich muss dir jetzt zustimmen. Das sind keine Editionen, sondern Variationen. Die sind immer anders.

JD: Also alle sind ein bisschen verschieden?

MV: Ja, das kann man nicht eins zu eins machen. Es gibt keine Matrize, es gibt keine verlorene Form dafür. Sie sind unterschiedlich, wirklich. Und ich sehe das, hm (zustimmend), ja. [schaut die verschiedenen Abbildungen an] Das sind schon unterschiedliche Formen.

JD: Und wie hast du die hergestellt? Das würde mich auch interessieren.

MV: Man nimmt ein Stück Holz und ja, man hört gute Musik und macht Hände. (lacht)

JD: Hast du sie selber geschnitzt?

MV: Ja! Und mit Hilfe von meinem Neffen, der auch Bildhauer ist. Doch, doch. Der hilft mir sehr.

JD: Hast du das auch gelernt? Also, hast du eine handwerkliche Ausbildung, vielleicht bei deinem Studium gehabt?

MV: Ja doch. Ach, Verbrennen, das macht Spaß. Das macht wirklich Spaß, zu sehen, wie die Form sich verändert. Und allein dieser Prozess ist wirklich/ Also ich hab so viele Fotos davon. Es hat schon was, diese Hände, die brennen.

JD: Wie genau hast du das gemacht? Also, hast du das im Atelier gemacht?

MV: Ähm (überlegend), ne, das war in dieser Bildhauerwerkstatt, da habe ich das gemacht. Die sind geformt und dann sind sie verbrannt. Dann verändert sich die Form. Dann wird nochmal gehobelt und noch ein bisschen mehr Form gemacht und nochmal verbrannt. Weil durch das Verbrennen kommt auch dieses glossy/ Wie nennt man das? Es gibt so eine Substanz. Jedes Holz hat das auch. Das riecht nach/ Weißt du?

JD: Kohle?

MV: Ne, ne, das ist so transparent und das sind so wie Tropfen auf dem Baum. Und das wird//

JD: //Ach so, ein Harz!

MV: Ah, genau, genau. Und wenn du das verbrennst, dann kommt es an die Oberfläche und das wird so schwarz und glänzend. Es wird wunderschön. (…)

JD: Und bei der Lampe, wie hast du die gemacht? Oder wo hast du die machen lassen?

MV: Hier gibt‘s einen Neon-Menschen. Seinen Namen habe ich vergessen. Aber ich muss auch die nächsten Tage wieder zu ihm, um eine andere Arbeit zu machen. Ja, hier wurde es gemacht. Und bei ihm habe ich auch die erste In Between gemacht, diese Neon-Arbeit, die im Wolfsburg-Museum ist.

JD: Und hast du da auch Zeichnungen und Skizzen gemacht zu dem Werk?

MV: Oh ja! Er besteht sehr drauf! Ganz genau. Er ist nicht so wie ähm (…) //

JD: Henner Haas in Hannover?

MV: Ja, Herr Haas. Ne, nein, nein, nein. Herr Haas hat so ein Gefühl zu dem Material. Das hab ich gesehen bei ihm. Deswegen habe ich ihm gesagt, dass er die Weiche erzielen muss. Die Weiche von dem Material. Weil, das ist ein hartes Material, das Glas. Und das hat er auch sehr gut gemacht. Aber das müssen wir sehen, wie das [aussieht].

JD: Also hier hast du für die Lampe eine Skizze gemacht. Und dann?

MV: Ja, ja, genau. Das habe ich ihm [dem Neon-Spezialisten in Berlin]gegeben. Er möchte auch wissen, wie hoch es ist. Also: „plan“ sagt er immer, wenn es gerade ist. Von diesem „plan“ musst du immer nach oben plus und minus einzeichnen. Und er ist sehr streng damit. (...)

JD: Und er hat wahrscheinlich auch die Lampen ausgewählt und die Verkabelung gemacht?

MV: Die Lampen und die Farbe habe ich ausgewählt. Das ist meine Sache. Aber ja, die Verkabelung hat er auch gemacht. (...)

JD: Wie ist es bei dem Werk, wenn man das ausstellt? Gibt‘s da bei dir eine perfekte Ausstellungssituation?

MV: Ja, das braucht auch die Dunkelheit, damit sie zu sehen ist. Andererseits nicht so dunkel, damit man auch die Struktur sehen kann von den verbrannten Händen. Man kann nicht sagen, welche Stufe von Licht im Raum sein sollte. Aber nicht so dunkel.

JD: Und mir ist noch aufgefallen, dass bei der Arbeit in Wolfsburg noch keine Befestigung hinten an den Armen dran ist. Weißt du noch, wie du das bei den anderen Werken der Reihe gemacht hast? Wie du die an der Wand angebracht hast?

MV: Das war irgendwie mit Dübeln. Ich glaube die Dübel waren in der Wand und da hat man irgendwie reingedingst. Ah, wenn mein Assistent Marco jetzt hier wäre, der hätte dir viel mehr erzählt, über die technische Seite von den Arbeiten. Aber ja. (…)

JD: Macht ja nichts. Und wie ist es da mit dem Kabel? Das hängt ja hier runter. Also, es gehört ja quasi mit zum Kunstwerk dazu. Verschwindet es dann in der Wand?

MV: Nein, unten ist es irgendwie sehr, ähm (überlegt), so locker [zeigt mit den Händen eine geschlängelte Linie].

JD: Geschlängelt?

MV: Ja, und dann verschwindet es da irgendwo. Aber es ist diese Freiheit da. Ja. Es ist nicht so strammgezogen.

JD: Und wie ist es bei dem Werk jetzt, wenn die Lampe mal zu Bruch geht und man es nochmal neu herstellen müsste?//

MV: //Man muss es neu [herstellen], ja, genau.

JD: Gibt‘s da irgendwas, wo man besonders drauf achten sollte?

MV: Ne. Das ist einfach dieselbe Farbe und dieselbe Festigkeit. Weil das sind, ich weiß nicht, zehn Millimeter.

JD: Die Dicke von diesen Röhren?

MV: Die Dicke, ja. Und dass es hell ist. Nur das.

JD: Wie ist es mit der Form, wie genau sollte die sein?

MV: Ah, ja, das ist ein Ding. Gut, dass du mich fragst. Weil, das gibt mir noch eine Sache, die ich optimieren kann. Und zwar beim Verkaufen der Arbeit müsste ich eigentlich auch eine Zeichnung von dem Neon mitgeben. Ja, damit man weiß, wie man das macht. Aber hier ist auch diese Weiche von dem Material ein sehr wichtiges Prinzip.

JD: Und wie genau? Also, ich meine, das hat jetzt eine sehr leichte Form. Und wenn das jetzt ein paar Millimeter abweicht, ist es für dich nicht so schlimm?

MV: Nein. [Ich möchte] einfach, dass es nicht zackig ist, dass es so fließt. Und das in alle Richtungen. Um das weich zu kriegen, müsste man das schon in alle Richtungen bewegen. Nicht nur nach oben und unten. (...)

JD: Dann kommen wir zur dritten Arbeit die hast du eben auch schon erwähnt In Between. Kannst du mir auch hier mehr über den Titel erzählen?

MV: In Between – Zwei Seiten und der Mensch dazwischen. Ach, es gibt noch so viel Interpretationen. Etwas, was verbindet auf diese Art und Weise. Mit so einer Energie von, ja, was Entstehendem. Aber, ob man dieses Geistige darstellen kann? Das kann man nicht. (…) Ich liebe diese Arbeit, aber ich kann nicht so viel davon erzählen.

JD: (lacht) Das macht gar nichts!

MV: Ich liebe sie. Ich wollte sie so sehr sehen!

JD: Hattest du das Werk damals eigentlich für Wolfsburg entwickelt? Es wurde ja 2015, glaube ich, gezeigt.

MV: Ja. Ja, ja. Ja, ich wurde eingeladen für die Ausstellung. Und ich wollte immer wieder so eine Arbeit machen. Und ich dachte: „Ja, jetzt!“ Und da habe ich ein Modell gemacht, eins zu eins, in einer Bildhauerwerkstatt. Die haben da ganz hohe Räume. Und erstmal war das nur mit so einem Material gemacht, was man/ Schade, dass ich die Fotos nicht habe, aber irgendwann kann ich sie dir schicken. Nur mit so einem Plastikding [[eine beugsame Linie]], dass ich es so biegen könnte, wie ich wollte. Und dann haben wir wirklich sechs Meter hohe Räume aus Rahmen mit schwarzem Stoff gebaut um zu sehen wie das aussieht. Und dann hab ich diese schon modelierten Linien/ Wie viele sind es? Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs, sieben, acht. Und dann habe ich die so und so und so und so gestaltet. Und es sieht von unterschiedlicher Perspektive immer anders aus.

JD: Und ist es eigentlich ein Durchgang, durch den man geht? Oder ist es eine Sackgasse?

MV: Es ist ein Durchgang. Doch, doch. Man denkt da an so viele Sachen. Als ich ein kleines Mädchen war, wollte ich ein Junge sein. Und dann sagte meine Oma: “Da muss man unter einem Regenbogen laufen, und dann wirst du auch ein Junge sein.“ (lacht). Also unmöglich. Aber/ (...) Ja, ich weiß nicht, warum ich das gemacht habe. Einfach so. Damit es da ist, damit es existiert und die Leute sich fragen: „Was wollte sie denn damit sagen?“ (lacht). Aber ich mag das. Und das Komische war, was ich überhaupt nicht vorausgesehen habe: Alle Leute, die rausgegangen sind – das war die letzte Arbeit von der Ausstellung Walk the line – haben diese Linien in die Augen eingebrannt gehabt.

JD: Die von diesen Blitzen da?

MV: Ja! (lacht) Daran habe ich nicht gedacht. Auf jeden Fall ist ein Blitz sehr energetisch.

JD: Und erzähl, wie hast du die Arbeit geplant? Weil, es ist ja wirklich eine sehr komplexe, aufwendige Arbeit. Wie lange hat das gedauert?

MV: Ja, das waren schon zwei oder drei Monate. Das war schon ziemlich lange. Und in der Bildhauerwerkstatt haben die auch gesagt: „Ja was, so lange?“. Ich weiß nicht warum. Ich brauchte die Zeit. Erstmal war es, um das Plastikmaterial in der Dicke vom Neon zu biegen und die Komposition zu finden, genauso, wie es sein soll. Und dann hatte ich jedes Segment noch auf Papier als Schablone gezeichnet – das war nur für mich – und dann musste ich für den Neonmeister auch aufschreiben: „Hier geht es drei Millimeter hoch, hier geht es zwei Millimeter runter.“

JD: Ach, die kleinen Zahlen auf den Skizzen? [zeigt auf Abbildungen der Skizzen in der PowerPoint-Präsentation]

MV: Ja, und dann war ich auch die ganze Zeit bei ihm während wir das gemacht haben. Weil, er war wirklich, das sagte er auch selber, überhaupt nicht so künstlerisch kreativ. Er macht das, was man ihm angibt. Und deswegen war er nicht sicher und ich musste immer dabei sein.

JD: Und hast du hier auch wieder alles selber ausgesucht, also welche Lampen du haben willst?

MV: Ja, es gab wirklich so zwei, drei unterschiedliche weiße Töne. Und das ist eine kalte, weiße Farbe.

JD: Und das war dir auch wichtig, dass es kälter ist?

MV: Ja, es ist einfach klarer. Ich weiß nicht warum. Ja, es funktioniert. Ich mochte diese warme, gelbe, weiße Farbe irgendwie nicht. Ja, war nicht mein Ding.

JD: Und dann in Wolfsburg warst du ja auch bei dem Aufbau mit dabei. Hast es ja alles selber mitgemacht.

MV: Ja, hm (bejahend). Ja, ja, ja, mit sehr viel Stress, ob nicht was kaputtgeht. Aber es ist so wie mit jedem Kunstwerk: Man weiß nicht, welchen Weg man am besten einschlagen kann für dieses Material, für das Kunstwerk. Es ist immer ein Suchen und Finden und ja, und verwerfen. Ich glaube, wenn man diese Neons in der Wand einbaut, dann ist es sehr heikel. Weil, das Material muss so halten, dass diese Neons auch hochstehen können. So stark, aber auch nicht so stark, dass sie kaputtgeht.

JD: Was hast du da benutzt?

MV: Es ist so ein Schaummaterial [[und dann Silikon]], dass diese Neonröhren hält.

JD: Da hab ich noch ein Bild von der Rückseite.

MV: Wow, du hast auch das Foto noch von der ARCO [international contemporary art fair] damals, wo ich das zum ersten Mal gemacht habe.

JD: Das hat mir Andrea aus Wolfsburg geschickt.

MV: Ja, das war bei der ARCO. In Madrid auf der Art Fair. Das war wirklich schön. Und das waren so riesengroße Blöcke von beiden Seiten. Ich vergesse wirklich sogar, woher die Sachen kommen. Ich wollte einfach dieses Positive und Progressive und Starke und das Licht. Und wenn es so klein ist, wird es diese Dunkelheit überwinden, besiegen. Das sind so bestimmt fünf Meter riesengroße schwarze Klötze von beiden Seiten. Und ja, der Glaube in das Progressive, das Humane und das Menschliche.

JD: In Wolfsburg war es ein Gang mit einem Dach drauf, oder? Also es war oben auch dunkel? Man sieht es auf dem Foto nicht ganz.

MV: Ne, das ist frei.

JD: Das ist frei, gut.

MV: Das ist frei, hm (bejahend). Weil es geht noch nach oben. Oder? Doch, doch, das war mit Dach. Doch, du hast recht. Aber so sieht man die Skulptur viel besser.

JD: Und weißt du noch, was ihr da für eine Wandfarbe benutzt habt? Oder was da wichtig war?

MV: Dass es nicht glänzt. Das ist sehr wichtig, ja. Sonst reflektiert das viel zu sehr. Es ist matt. Stimmt, und hier bei der ARCO, als ich noch in Berlin war, hat es ein Assistent lackiert. Er hat mich nicht gefragt, ich hab ihm nichts ganz ausdrücklich gesagt. Selber schuld, hm? Aber als wir kamen, war das erst mit Öl gemacht. Und – oh Gott – das war so schwierig danach! Wir haben das darüber nochmal matt lackiert. Dann ging es. Aber es zerstört einfach die Form von dem Neon. Das ist so eine starke Reflektion.

JD: Und dann, bei der Arbeit in Wolfsburg, da werden also die Lampenenden durch Löcher gesteckt in der Wand?

MV: Ja.

JD: Und dann ist in diesem Loch nochmal ein Schaum, meinst du. Der das so festhält?

MV: Ja, soweit ich weiß, ist es wirklich so. Das war so ein, also wie Stoff und man hat das in dieses Loch reingetan und dann reingesteckt. Aber das Material, das ist nicht gut für die Neons.

JD: In Wolfsburg gab es ja bei dem Abbau dann auch Schäden. Also deshalb wurden ja jetzt auch zwei Lampen nochmal neu hergestellt. Und die Restauratorin meinte, das wäre durch einen Klebstoff passiert. Also, dass der Klebstoff zu fest war. Das haben die dann gar nicht mehr aus diesem Loch rausgekriegt.

MV: Eieiei, wirklich?

JD: Und deshalb hätte mich interessiert, ob du noch weißt, was ihr da verwendet hattet.

MV: Da muss man mit meinem Assistenten reden. Also wir haben darüber gesprochen, aber vielleicht hat er auch was Anderes gemacht.

JD: Vielleicht würden wir da ein neues Konzept ausarbeiten und dir dann vorstellen, wie man die befestigen kann.

MV: Ja, das wäre schon großartig. Ja, das ist nicht easy.

JD: Und gäbe es da irgendwas, auf das wir besonders achten sollen? Wahrscheinlich soll das nicht zu sehen sein, wie man die befestigt?

MV: Ja, das ist diese charmante Geschichte, dass es so wie Magic ist. Einfach, dass man nicht sieht, wo das in der Wand verschwindet. (...) Ja, ich hab das auch hier in einem privaten Haus eingebaut. Und es sah wunderschön aus, wirklich. Und alle Leute waren da irgendwie fasziniert wie: „Das haben wir ja noch nicht gesehen“. Ja und dann hat sich der Sohn vom Sammler entschieden, mal Fußball zu spielen (lacht)

JD: Oh nein (lacht)!

MV: Ja! Und schon wieder haben wir das – es war nach sechs, sieben Monaten – nochmal gemacht. Ja, da gibt‘s so wirklich merkwürdige Sachen mit diesem Material, mit diesem Neonlicht. Dass du manchmal das Licht von beiden Seiten siehst. Bei der Wand und in der Mitte ist sehr wenig Licht von Anfang an. Und manchmal pulsiert das so. Und das ist für mich so interessant, das ist ein bisschen unberechenbar. Aber natürlich ist es auch interessant, wie das so pulsiert, hin und wieder.

JD: Es muss gar nicht so ein perfektes durchgehendes Licht sein?

MV: Ach, das muss nicht sein, das muss nicht sein. Ich hab neulich über einen Test [gelesen], bei einem Mensch der gehirntot ist, ob der noch lebt. Und das ist interessant. Die geben ein Signal „tü-tü-tü-tü“, „tü-tü-tü-tü“ [geht mit der Stimme jeweils beim letzten Signal nach oben]. Und sie merken, dass das Gehirn das registriert.

JD: Die Tonänderung?

MV: Ja! Und so ist es auch in der Kunst oder im Leben. Deswegen habe ich viele Sachen, Objekte, so eine Haltestelle zum Beispiel, so verändert. Weil, wir laufen so oft irgendwo vorbei, oder die Sachen sind so fest, dass man die nicht mehr registriert. Und wenn es so ein bisschen anders ist, dann hinterfragt man dann das ganze System. Und es ist wieder zu sehen.

JD: Und war dir das hier auch wichtig bei der Arbeit, dass man sowas ganz anderes hat?

MV: Nein, deswegen habe ich das akzeptiert.

JD: Ach so, die Änderung.

MV: Ja, das ist die Änderung.

JD: Verstehe. (...) Und als wir jetzt in Hannover waren und du diese zwei Lampen nochmal hast herstellen lassen. Beschreib nochmal, was war dir an dieser Form wichtig? Du hast es vor Ort total schön beschrieben.

MV: Ich hab gesehen, dass es für ihn [Henner Haas] wirklich auch so ein kreativer Prozess ist. Und als wir da waren, hatte ich nicht wirklich geglaubt, dass er totalen Spaß hat, dass wir ihm [andauernd] auf die Finger schauen. Deswegen dachte ich: „Jetzt nehmen wir [nur] mal ein bisschen auf, als Dokumentation“. Da hab ich gesehen, dass er sich schon sehr selbstsicher bewegt und dass er das auch gerne tut. Und deswegen habe ich ihm gesagt, dass es wichtig ist, dass die Form so ist, wie die alte Form und sehr wichtig, dass er aus dem Material was Weiches macht. Die Weichheit rausholt. Und das war auch so, [[die Neonlinien]] hat er auch sehr gut gemacht. Und ich bin sehr gespannt, ob die zusammen miteinander funktionieren. Und die werden jetzt ergänzt, ja? Also die alten Neonröhren sind da, plus die zwei, die werden ergänzt. Und vielleicht werden die auch ein bisschen eine andere Farbe haben. Aber ich glaub nicht, dass es so anders wird, dass es ins Auge fällt.

JD: Und wann würde es dich stören, wenn es eine andere Farbe hat?

MV: Ja, wenn es so gelb ist, zum Beispiel. Total gelb. Aber es wird bestimmt eine kalte [Farbe], ein bisschen mit kleinen Nuancen, anders kalt-weiß sein. Aber es wird sicherlich nicht warm-weiß sein. [[Das haben wir besprochen.]]

JD: Und was wäre jetzt, wenn die zum Beispiel heller wären? Das ist ja manchmal so bei ganz neuen Neon-Röhren. Würde dich das stören?

MV: Nein, das wird ein bisschen malerischer bestimmt. Also, wenn es ein bisschen heller ist, dann würde ich am liebsten auch dabei sein und vielleicht die Komposition umgestalten. Weil, wenn es in der Mitte ist, wird das schöner, wenn es sehr stark ist. Es ist wie eine Zeichnung. Die Linien sind in der Komposition immer am Ende von der Form leichter. Die umkreisenden Linien. Und das wäre schön, wenn es in der Mitte ist. (...)

JD: Gut, dann hätte ich nochmal abschließend ein paar generelle Fragen zu der Erhaltung von deinen Werken. Wie stehst du generell zu der Alterung von deinen Kunstwerken? Also, wenn sich Material verändert.

MV: Hm (überlegt). Ja, das gehört sich so. Sonst hätte ich dieses Material bestimmt nicht gewählt. Wenn ich von Anfang an weiß, dass es sich verändert, so wie zum Beispiel bei Bronze-Skulpturen. Wenn du in der Fasanen-Straße bist, gegenüber vom Literatur-Café ist eine Proppelina. Die war von Anfang an so glänzend, so glossy. Und ein bisschen arrogant. Und jetzt nach einem Jahr, oder zwei Jahren schon, weiß ich nicht mehr, hat sie eine ganz andere Oberfläche. So eine sehr schöne Patina. Das ist schön.

JD: Und das ist was Positives für dich, oder?

MV: Ja, ja. Ja, es ist interessant für mich, das zu beobachten. Aber andere Sammler mit derselben Skulptur, die haben drauf bestanden, dass es so bleibt, wie von Anfang an. Und das haben wir auch so konserviert.

JD: Und gäb‘s Sachen, die dich stören würden? Zum Beispiel Schäden? Also ab wann ist es denn für dich ein Schaden, wenn eine Veränderung eintritt?

MV: Bei Neons auf jeden Fall. Wenn es kaputt ist, dann ist es kaputt. [Zum Beispiel] bei diesen Schuhen mit den Lichtern drinnen. Also, jeder Schuh müsste schon ein Licht haben. Sonst ist das ziemlich leer und tot. (…)

JD: Und wie wäre das so bei Abnutzungsspuren? Bei Kratzern oder bei so kleinen abgeplatzten Lackecken?

MV: Hm. Also wenn das schon sehr sichtbar ist, [[sodass der Ursprung und auch die Idee der Arbeit verändert wird,]] dann ist es unangenehm [[und man muss etwas unternehmen]]. Aber wir sind Menschen und wir müssen auch nicht die Skulpturen als etwas über-über/ (lacht) Es ist schon wichtig, aber. Doch, es ist wichtig, dass es so präsentiert wird, wie es gemacht ist.

JD: Wie ist es zum Beispiel bei den Kabeln von den Lichtarbeiten? Da kann‘s ja mal passieren, dass es einen Kabelbruch gibt, und dass es dann nicht mehr funktioniert. Darf man den dann einfach austauschen?

MV: Ja doch. Das kann man entweder reparieren oder austauschen. Und das ist bestimmt auch gefährlich, wenn es offen ist. Man muss chamäleon-artig arbeiten bei solchen Sachen. Sich anpassen.

JD: Das können wir gut, wir Restauratoren.

MV: (lacht) Ja genau! Das ist irgendwie das wichtigste Prinzip. Ich bin sicher, dass die Restauratoren viel besser zu den Kunstwerken sind als der Künstler selbst. Weil der Künstler mit einer neuen Arbeit beschäftigt ist. Aber das ist fast wie eine Detektivarbeit, dass Restauratoren ganz genau forschen: „Welches Material? Wie ist es gemacht? Was zuerst, was danach?“ (…)

JD: Und so ganz generell, bei welchen Entscheidungen würdest du gerne mit einbezogen werden, wenn‘s jetzt um die Veränderungen an deinen Arbeiten geht? Also wenn wir jetzt das Beispiel haben, dass eine Lampe neu hergestellt wird, oder ein Kabel ausgetauscht wird?

MV: Das überhaupt nicht. Ne, ne, ne, das wissen die Leute besser als ich. Aber bei Veränderungen von Kompositionen zum Beispiel. Wenn Variationen [möglich] sind oder mehrere Elemente aufgebaut sind. Zum Beispiel bei diesem Neon [zeigt auf die Arbeit In Between], vielleicht ist es besser, dass die neuen Lampen in die Mitte getan werden, wenn sie hell sind. Aber das glaube ich nicht. Ich glaube schon, dass diese Reihenfolge, wie die Neons gestaltet sind, für diese Installation, so bleiben muss. Das wird nicht funktionieren. Ich hab das so und so und so und so gedreht und ausprobiert vorher. Das müsste schon so sein. Ich glaub nicht, dass das Licht so anders wird. Ich glaub das nicht. Oder man müsste diese zwei Neons noch für zwei, drei Tage leuchten lassen, dann verändert sich das Licht bestimmt wieder. (…)

JD: Super, dann sind all meine Fragen beantwortet. Hast du noch irgendwas, was du loswerden willst?

MV: Ne. Über das Licht/ (…) Nein.

JD: Nein? Gut. Dann vielen lieben Dank!

MV: Danke, danke!

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