Description by Martin Honert's assistant Matthias Roeser on the creation of the installation “Fata Morgana” from 1996

Project/Occasionartemak / Information on the creation of the installation "Fata Morgana", 1996
Interview with         Matthias Roeser (MR)
Conducted by  Erich Gantzert-Castrillo
 Elisabeth Bushart 
LocationMünchen, Düsseldorf
Date2005-2006
NotesInterview conducted via E-Mail
DocumentDownload as PDF

Techniques

installation object oil painting painting photography projection

Materials

adhesive tape aluminum blockboard cardboard, indefinite construction adhesive Epoxy resin negative oil paint PA (polyamide) particle board plywood PS (polystyrene) PS foam sand silicone slide film steel wire wood, indefinite

Matthias Roesers Beschreibung: Die Idee zur skulpturalen Umsetzung dieses Naturphänomens, einer Luftspiegelung, hervorgerufen durch übereinandergelagerte, unterschiedlich heiße Luftschichten, hatte Martin Honert bereits kurz nach seiner Teilnahme an der Biennale in Venedig 1995. Wenig später bekam er die Einladung zur Ausstellung »Zuspiel« in Kooperation mit Stefan Hoderlein und kuratiert von Matthias Winzen, die im Juni 1996 im Württembergischen Kunstverein Stuttgart eröffnen sollte, und die er zum Anlass nahm, das Projekt Fata Morgana zu realisieren. Die entscheidende inhaltliche Frage für Martin Honert, welches Motiv dieses rein physikalische Trugbild der Fata Morgana in seiner Version widerspiegeln sollte, löste er folgendermaßen: Aus einem Familienfoto, das ihn als Jungen am Strand eine Sandburg bauend festhält, isolierte er die mit einer Badehose bekleidete, in den Knien hockende Figur. Verschiedenste Abbildungen und Illustrationen aus Büchern und Magazinen dienten ihm als collageartige Vorlage zur Zeichnung einer von Palmen umgebenen märchenhaften Wüstenstadt. Diese ersetzt in Verbindung mit dem Jungen die Sandburg und zeigt ihn, quasi als kindlichen, riesenhaften Architekten, über einem Luftschloss ähnlichen orientalischen Stadtbild.

Bis zu diesem Zeitpunkt war für Martin Honert allerdings noch völlig unklar, wie er dieses Bild in eine plastische Form transformieren sollte. Die Vorstellung von einem zwischen Decke und Boden schwebenden Gebilde war dagegen bereits fester Bestandteil seiner Idee. Ebenso die räumliche Erweiterung durch eine davor auf dem Boden liegende Form eines Sandhaufens.

Im Frühjahr 1996 malte Martin Honert – in seinem damaligen Düsseldorfer Atelier in der Ronsdorfer Straße – das Motiv in Ölfarbe auf eine circa 120x260cm große, grundierte Tischlerplatte. Anschließend wurde das Bild bei reinem Tageslicht auf einen 13x18 Farb-Negativfilm reproduziert (Fotograf: Christian Konrad). Das Fachlabor Grieger in Düsseldorf fertigte hiervon zwei Groß-Dia-Positive auf Kodak Ektachrom Display Film /klar an, je 320x130cm. Beide sind Vergrößerungen des Negativs, wobei das zweite Dia eine deutlich hellere, horizontal gespiegelte Version desselben Negativs ist.

Das Diamaterial in seiner Klarheit und Transparenz war zwar der ideale Bildträger für sein Motiv, das in der Natur aus Licht und Luft erzeugt wird, andererseits nicht objekthaft genug und zu homogen in seiner Erscheinung. Wie sollte man aber das optische Flimmern und Flirren imitieren, mit welchen Mitteln das dünne und sehr empfindliche Filmmaterial schützen und es gleichzeitig plastisch gestalten? Auf Probebögen wurden erste Versuche unternommen, den Film zu beschichten. Zunächst mit transparentem Aquariumsilikon, was sich aber als unbrauchbar erwies, da das Dia getrübt und der Film schwer und instabil wurde. Polyester Laminier- oder Gießharz (zum Beispiel VISSCOVOSS GTS) war durch seine Wärmereaktion und chemische Zusammensetzung für das Diamaterial zu aggressiv. Abgesehen davon würde der Materialschrumpf nach der Aushärtung deutlich sichtbar sein und die Oberfläche ohne Nachbehandlung matt und klebrig werden. Weitere Versuche mit Epoxy-BK und -BN, die noch im Atelier vorhanden waren, scheiterten an zu geringer Viskosität, das Kunstharz floss über den Filmrand hinaus. Eine thixotropere Einstellung hätte die ohnehin schon nicht überzeugende Transparenz erheblich verschlechtert. Schließlich fanden wir im Materialkatalog der Firma VOSSCHEMIE ein Epoxid-Harz für den Hobby- und Kreativbereich, dessen Beschreibung vielversprechend klang: GLOSSCOAT ist eine kalthärtende, lösungsmittelfreie, transparente, selbstverlaufende Beschichtungsmasse. Geeignet für hochglänzende, transparente Beschichtungen verschiedener Materialien, zum Beispiel Holz, Kunststoff, Metall und anderen, mit großer Auftragsstärke. Wir besorgten uns ein kleines Gebinde und schon der erste Test machte klar, dass wir das geeignete Material gefunden hatten. Das Harz verteilte sich auch bei einer Schichtstärke von circa 2 bis 3mm sehr gleichmäßig über die gesamte Fläche. An den Rändern des Films flachte es leicht ab, die Oberflächenspannung verhinderte jedoch ein Darüber-Hinauslaufen. Nach dem Aushärten bildete sich eine glänzende, klebfreie und robuste Oberfläche mit überzeugender Transparenz.

Schon während der Testphase auf kleinen Filmstücken wurde deutlich, dass man den Original-Film nicht als ein zusammenhängendes, großes Stück beschichten könnte. Martin Honert kam auf die Idee, das Dia dem Motiv folgend in ungleichmäßige, horizontale, wellenförmige Streifen zu schneiden, die dann nach beidseitiger Beschichtung wie die Lamellen einer Jalousie an Fäden übereinander aufgereiht würden. Diese Methode stilisierte gleichzeitig den Aufbau einer Fata Morgana mit ihren übereinanderliegenden Luftschichten und ermöglichte bei einer Topfzeit von maximal 40 Minuten eine ansatzlose Beschichtung der Einzelteile. Das benötigte Schnittmuster wurde an einer kleinen Kopie des Films erstellt und dann per Tageslichtprojektor auf eine Pappe übertragen, die der Endgröße entsprach und gleichzeitig als Schneideunterlage diente. Vor dem Schneiden wurde auf die komplette Film-Aufsicht-Seite (nicht die Schichtseite) ein wieder ablösbarer doppelseitiger Klebefilm kaschiert. Er sollte später bei der Beschichtung der ersten Seite ein Verschieben oder Abheben des leichten Filmmaterials verhindern. Zunächst aber wurde ein Dia auf dem Schnittmuster mit Klebestreifen fixiert. Auf der Schichtseite brachten wir alle 20cm, vertikal und im rechten Winkel zur Bildunterkante, 16 circa 150cm lange, transparente Vinylkanülen auf, die zuvor mit einem Montagekleber besprüht wurden. Die Kanülen mit einem Durchmesser von außen 2 mm und innen 1 mm wurden an den Enden auf der Tischplatte zusätzlich festgetackert. Durch diese Kanülen sollten später Drahtseile geführt werden und das Motiv wie einen Vorhang im Raum spannen. Das Schneiden des Films mit einem Skalpell war dann für Martin Honert echte Nervensache. Zum einen war das Dia-Material recht kostspielig, zum anderen gab es bei einem fehlerhaften Schnitt keine Korrekturmöglichkeit. Beide Filme wurden in jeweils 30 Streifen geschnitten und die Kanülen entsprechend dem Linienverlauf getrennt, die reiner Hintergrund und ohne Motiv waren, wurden aus den Streifen herausgeschnitten und entfernt.

Insgesamt hatten wir circa 200 Einzelteile zu beschichten. Die Teile des Films, von nur 1cm breiten Teilchen bis zu 320cm langen Streifen. Das größte Einzelteil bildete die Mittelachse des Motivs, aus der geraden Unterkante des oberen und der Oberkante des gespiegelten Films. Sie sollten als ein zusammenhängender Streifen beschichtet werden. Eine entsprechend große, weiß beschichtete Spanplatte wurde auf Holzböcken mit Wasserwaage exakt nivelliert. Aus dem gleichen Material in 8mm Stärke sägten wir für jedes zu beschichtende Einzelteil dieselbe Form in geringer Verkleinerung. Die Doppelklebefolie wurde aktiviert und die Filmteile auf den weißen Spanstreifen so fixiert, dass der Film rundherum circa 2mm überstand und keinen Kontakt zur Tischplatte hatte. Im Falle, dass Harz über den Filmrand laufen sollte, würde die Flüssigkeit mit der Filmunterseite nicht in Kontakt kommen, sondern direkt auf die Arbeitsplatte tropfen. In den folgenden Tagen beschichteten wir alle Teile der Filmrückseite, auf denen die Kanülen fixiert waren, wobei die Kanülen regelrecht eingegossen wurden, so dass nur noch die zwei Öffnungen des Kanals an den Rändern der Beschichtung freilagen. Nach dem Aushärten wurden die beschichteten Teile vorsichtig von der Doppelklebefolie getrennt, Span- und Filmstreifen gewendet und vorsichtshalber die Oberfläche der nun untenliegenden Harzschicht mit einem Trennmittel besprüht. Da wir bei der Beschichtung der Vorderseite keine Kanülen eingießen mussten, konnte die Epoxy-Schicht hier ein wenig dünner aufgebracht und Gewicht eingespart werden.

Nachdem wir die Beschichtung beider Großformat-Dias ohne größere Komplikationen beendet hatten, beschäftigten wir uns mit dem Zusammenfügen und der Aufhängung des Gebildes. Um nicht das Gesamtgewicht der Streifen am unteren Bildrand abfangen zu müssen, wurden an den Kanülen der Mittelachse blanke Lüsterklemmen mit Innensechskantschraube eingelassen. Die Mittelachse war das erste Teil, das auf der Mitte der circa 5m langen Drahtseile fixiert wurde. Bei dem Drahtseil aus dem Anglerbedarf handelt es sich um ein 49-fädiges V4A Stahlseil (FILIGRAN Steel-Line) mit einem Durchmesser von 0,63mm und einer Belastbarkeit von circa 33kg. Auf einer großen Arbeitsplatte fädelten wir dann alle Teile von der Bildmitte ausgehend durch die Kanülen auf die Drahtseile. Kleinteile, die ohne Kanüle zwischen zwei Drahtseilen lagen (zum Beispiel Turmspitzen), wurden entsprechend durchbohrt und mit kurzen Nylonfäden oder Federstahl miteinander verbunden und mit transparentem Silikon verklebt. An der Außenkontur der unteren Bildhälfte wurden an allen 16 Drahtseilen verchromte Stellringe (Modellbau aero-naut) verschraubt, die das zusammengesetzte Motiv auch senkrecht hängend in seinem Gefüge halten. Die gleichen Stellschrauben halten auch ungleichgewichtige Teile (zum Beispiel die Palmenblätter) in der oberen Motivhälfte. Ein Aluminium-Vierkant-Hohlprofil (3200x40x20x2mm) bildet den oberen Abschluss der Arbeit. In die Oberseite sind vier Ringschrauben (Ø 16mm, Gewinde 5mm) im Abstand von 100cm verschraubt und verklebt. An diesen Ringschrauben werden dann die der Raumhöhe angepassten Drahtseile (3mm) mithilfe von Drahtseilschlössern befestigt. Auf der Unterseite des Profils befinden sich entsprechend der Anzahl der Drahtseile des Objekts 16 Ringschrauben (Ø 10mm, Gewinde 3mm), die in der gewünschten Ausrichtung mit Unterlegscheiben in die Innengewinde eingeklebt wurden. Schlüsselringe (Ø 16mm) verbinden die Ringschrauben mit Spannschlössern (Schaftlänge 55mm, Modellbau Graupner), an denen die Drahtseile der Fata Morgana mit blanken Doppel-Lüsterklemmen fixiert werden. Um zu verhindern, dass sich die feinen Drahtseile in den scharfkantigen Ösen der Spannschlösser aufreiben, haben wir die Stellen mit kleinen Nylon-Kanülen geschützt. Die Distanz vom Objekt zum Boden beträgt circa 35cm. Im Boden wird eine genau unter dem Objekt ausgelotete Vollaluminium-Vierkantleiste (3200x20x6mm) verschraubt, gleichfalls bestückt mit 16 Ringschrauben. Hier werden die Drahtseile einfach durchgefädelt, auf Spannung gebracht und mit blanken Lüsterklemmen festgesetzt.

Ausgangspunkt war auch hier das Familienfoto: der junge Martin Honert am Strand, eine Sandburg im ersten Bauabschnitt, eine rechteckige Linie im Sand markiert die äußere Grenze, in der Mitte bereits ein Plateau mit zwei Erhebungen. Der Sandhaufen, den er für die Fata Morgana zunächst in Miniatur modellierte, ist quasi die Ruine der vollendeten Sandburg, mit zerfallenen Konturen, aufgeweicht von den ersten Wellen der aufkommenden Flut. Die vergrößerte Umrisslinie (von maximal 228x180cm) übertrugen wir auf eine Sperrholzplatte (6mm) und um einige Zentimeter verkleinert auf eine Tischlerplatte (19mm). Beide wurden ausgesägt und die Tischlerplatte auf der Sperrholzplatte verleimt und von unten verschraubt. So erhielten wir eine stabile Bodenplatte mit einer dünnen Kante, die sich in den folgenden Aufbau komplett einfügte. Aus Styroporplatten unterschiedlicher Dicke (2–4cm) schnitten wir grob die Formteile der einzelnen Schichten. Die erste Schicht verklebten wir mit Styroporkleber auf dem Holz und fixierten zusätzlich lange Spaxschrauben zur Verankerung. Alle weiteren Schichten sind verklebt und wurden frei nach dem kleinen Modell aufgebaut, mit Cutter und Schleifmaschine in Form gebracht. Für das letzte Detail kaufte Martin Honert ein Paar Kindersandalen, tauchte die Sohlen in Aceton und drückte diese an der flach auslaufenden Seite des Haufens schrittversetzt ins Styropor. Die Beschichtung, eine Mischung aus Epoxy-BK, EP-Farbpaste, Pigment und Bausand wurde großzügig mit Pinsel direkt auf dem Styropor verteilt und die ganze Oberfläche vor dem Aushärten erneut mit Sand berieselt. Der überschüssige, ungebundene Sand wurde später vorsichtig von der ausgehärteten Epoxid-Sandschicht entfernt.

Von der Fata Morgana sind zwei Exemplare hergestellt worden. Material und technische Ausführung sind identisch. Aufgrund der Herstellungsweise gibt es jedoch in einigen Details durchaus geringe Unterschiede, zum Beispiel im Formverlauf der einzelnen Streifen und bei der Modellierung des Sandhaufens. Beide Exemplare sind im oben genannten Atelier gefertigt und dann an den Orten ihrer ersten Ausstellung zusammengesetzt worden. Fata Morgana 1/2 wurde beim Abbau der ersten Station »Zuspiel« wieder komplett demontiert, und erst nach der Ausstellung »Young German Artists 2« in der Saatchi Gallery in London, 1997, baute man eine Verpackung, die es ermöglicht, auch die zusammenhängenden Streifen im Verbund zu transportieren und zu lagern.
Die erste Kiste besteht aus einer rahmenverstärkten, stabilen Tischlerplatte und vier Seitenbrettern. Die Längsseiten sind abschraubbar. Das Motiv wird auf die mit Tissue bezogene Platte gelegt, die Drahtseile von den beiden Befestigungsprofilen gelöst und durch verschraubte Leisten auf der Platte fixiert. Fünfschichtige Sperrholzplatten, auf der Unterseite mit Schaumstoff ausgestattet, werden auf das Motiv mit Tissue abgedeckt gelegt und durch metrische Rahmenschrauben mit der Kistenplatte verbunden. Sie drücken die Epoxid-Streifen gegen die Holzplatte, so dass die Kiste auch hochkant transportiert werden kann. Die Aluminiumprofile fixiert man innen an den Seitenbrettern. Die zweite Holzkiste hat einen doppelten, herausnehmbaren Boden, auf dem der Sandhaufen fixiert ist. Vierkanthölzer mit Schaumstoffquadern werden von oben aufgesetzt und unter leichtem Andruck in den Seitenwänden verschraubt.

Fata Morgana 1/2 wurde 2004 von der Emanuel-Hoffmann-Stiftung erworben und befindet sich aktuell im Schaulager in Basel. Das zweite Exemplar (2/2) haben wir für die Ausstellung »Martin Honert, Fata Morgana« im Museu d’Art Contemporani, Barcelona, 1997 produziert. Danach wurde es vom Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main, angekauft. Dort präsentierte man es zum Szenenwechsel XIV im Juni 1998 und seitdem ist es Teil der Sammlung. Eine Installationsanweisung, die angibt, wie Sandhaufen und Foto zueinander zu positionieren sind, existiert meines Wissens nicht, da entweder Martin Honert oder ich den Aufbau geleitet haben.

Alle handwerklichen Leistungen wurden von uns im Atelier ausgeführt. Die Groß-Dia-Positive wurden von der Firma Grieger Düsseldorf, Färberstraße 94, 40223 Düsseldorf, hergestellt. Alle chemischen Materiale bezogen wir von VOSSCHEMIE, Niederlassung 40878 Ratingen, Sandstraße 61. der Firma.

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