Project/Occasion | Diploma thesis by Kerstin Budde | |
Interview with | Reiner Ruthenbeck (RR) | |
Conducted by | Barbara Sommermeyer (BS) | |
Kerstin Budde (KB) | ||
Location | Residence and studio of the artist in Ratingen-Hösel | |
Date | December 16th, 2006 | |
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Das Interview wurde von Kerstin Budde und Dipl.-Rest. Barbara Sommermeyer, Hamburger Kunsthalle, im Rahmen der Diplomarbeit von Kerstin Budde an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Stuttgart geführt. Die Diplomarbeit untersucht die Fragestellung, ob ein irreparabel beschädigtes, auf einem Konzept basierendes Kunstwerk als restauratorische Maßnahme neu angefertigt werden kann. Dabei werden die Voraussetzungen und vor allem die Grenzen dieser Maßnahme diskutiert. Konkret wurden die Ergebnisse der theoretischen Auseinandersetzung an Reiner Ruthenbecks Objekt »Plattenbogen für eine Wandöffnung 100/3/SNA« aus der Sammlung der Hamburger Kunsthalle angewendet. Im Interview sollten die Bedeutung der Neuanfertigung – Kopie, Rekonstruktion oder Original – sowie die wesentlichen Charakteristika des »Plattenbogens für eine Wandöffnung 100/3/SNA« als Grundlage für die Neuanfertigung herausgearbeitet werden.
KB: Als ersten Punkt komme ich zur Präsentation der Werke. Es würde uns interessieren, ob Sie die Präsentation Ihrer Werke in Ausstellungen und Sammlungen selbst betreuen und beim Aufbau involviert sind?
RR: Das kommt darauf an. Es ist zeitlich nicht möglich, alle Ausstellungen zu besuchen. Wenn es in der Nähe oder der Aufbau sehr schwierig ist, dann fahre ich hin. Aber ich kann keine langen Reisen machen, jedoch kann ich gut beschreiben, wie die Werke aufzubauen sind. Zum Beispiel sind die Papierhaufen in Krefeld ganz selbständig aufgebaut worden, das war perfekt.
KB: Lassen Sie sich Fotos zur Kontrolle zuschicken?
RR: Ja, wenn es möglich ist.
KB: Segnen Sie bei jeder Ausstellung die Präsentationsweise ab?
RR: Nicht jedes Mal. Das kommt darauf an, um welche Arbeit es sich handelt und ob ich gefragt werde. Manchmal bauen sie es auch ganz selbständig auf. Und es gibt auch Arbeiten wie die Möbel, die einfach hingestellt werden. Es kommen immer wieder Fehler vor, beispielsweise werden Arbeiten zu hoch oder zu niedrig gehängt. Wenn man beispielsweise die Arbeit »Membrane Kreis« zu niedrig hängt, dann sieht es aus, als sollte es ein Bild sein.
BS: Weil Gemälde auch häufig ähnlich hängen.
RR: Ja, aber die Membrane ist natürlich stärker gekippt. Sie soll ziemlich hoch gehängt werden und guckt dann wie ein Lautsprecher o. ä. hinab. Sie besitzt dann eine ganz andere Wirkung.
KB: Sollen Ihre Arbeite immer über der Kopfhöhe der Betrachter hängen?
RR: Nicht alle Arbeiten. Insgesamt habe ich aber eine Tendenz, die Arbeiten hoch zu hängen.
BS: Soll es den Gemälde- bzw. Bildcharakter verlieren?
RR: Ja, das ist wahrscheinlich der Grund. Die Arbeit »Glasplatte in Stofftasche II« von 1971 hängt allerdings auf Augenhöhe.
KB: Mit wem besprechen Sie die Regeln zur Hängung? Haben Sie eine Kontaktperson?
RR: Das wechselt bei jedem Museum, entweder der Direktor oder die Techniker.
BS: Hatten Sie auch schon Erfahrung mit Restauratoren?
RR: Ja. Zum Beispiel bei der Arbeit »Glasplatte in Stofftasche II« handelt es sich um eine 1 qm große Glasplatte in einer Stofftasche. Die Fotografie im Ausstellungskatalog ist sehr ungünstig, der Ausschnitt ist so nah gewählt, als wenn man ein Bild fotografiert. Die Objekte brauchen Platz. So wirkt es, als ob das Wichtigste innen drin stattfindet und das Foto wirkt wie ein Rahmen. Dies ist ein völliger Irrtum. Dies kommt öfter vor, ich muss sehr darauf achten. Da kam jedoch noch etwas Anderes hinzu: Neulich war die »Glasplatte in Stofftasche II« ausgestellt, sehr gut präsentiert, die Nachbarschaft mit Palermo war auch sehr gelungen. Ich kam rein und sehe, dass im oberen Bereich (siehe Pfeil auf Abbildung) ein Knoten war. Vielleicht hing es zu tief, deshalb wurde ein Knoten reingemacht. Ich dachte, ich träume, vielleicht habe ich selbst ein Knoten reingemacht. Wer das war, kam natürlich nicht raus. Dann wurde es abgehängt und ging zu den Restauratoren. Sie haben die Scheibe rausgeholt und man sah, dass eine abgebrochene Ecke der Glasplatte mit Klebstoff wieder angeklebt war. Diese Sache ist sehr makaber, dies ist eine Glasplatte vom Glaser. Wenn irgendwo sonst ein Stück abbricht, klebt man es als Restaurator wieder an. Aber bei einer 08/15-Glasplatte ist dies ein Irrsinn, aber wahrscheinlich weniger Arbeit, als bei einem Glaser anzurufen. Ich halte das für reine Bequemlichkeit.
BS: Stört Sie der Arbeitsaufwand? Sollen die Restauratoren deshalb eine neue Glasplatte kaufen? Oder ist es Ihnen wichtig, dass es keine Klebungen oder Reparaturen an Ihren Arbeiten gibt?
RR: Das sowieso. Es ist kontraproduktiv, da es ja beschädigt ist. Man nimmt eine geschliffene Platte und wechselt sie aus.
BS: Würden Sie eine Verklebung auch ablehnen, wenn die Beschädigung unsichtbar wäre?
RR: Es ist in sich schwachsinnig. Man nimmt eine geschliffene Platte und wechselt sie aus. Ich bin jederzeit bei Fragen erreichbar. Es hat mich auch sehr schockiert, dass das Objekt so lange in den Werkstätten geblieben ist.
KB: Ich glaube, dass es insgesamt mehr Arbeit ist, eine gebrochene Ecke zu kleben als einfach eine Glasscheibe zu bestellen...
RR: Es ist aber eine typische Restauratorenarbeit, etwas zu kleben. Einen Glaser zu suchen ist hingegen sehr fremd... Das macht ein Restaurator normalerweise nicht.
BS: Stört Sie die Tatsache, dass die Scheibe repariert wurde oder dass der Bruchbereich weiterhin sichtbar ist?
RR: Es ist dann keine saubere Platte mehr. Es geht gegen mein Verständnis. Es muss perfekt sein. Und dies kann man besser erreichen, wenn man die Platte austauscht als sie zu kleben. Es ist ja keine Collage.
KB: Stört es Sie bei diesem Beispiel, dass man die Beschädigung noch sieht, gesetzt der Fall, dass eine perfekte, unsichtbare Verklebung möglich wäre?
RR: Ja gut. Wenn gar nichts sichtbar wäre, dann wäre es mir egal. Aber in sich ist der ganze Vorgang für mich dumm.
BS: Widerspricht die Vorgehensweise der Idee Ihrer Arbeit?
RR: Ja, ich habe ja auch nichts angeklebt.
KB: Ist es Ihnen wichtig, dass Arbeiten von Ihnen fotografisch dokumentiert werden?
RR: Da die Arbeiten ja immer fotografiert werden, versuche ich, eine Aufnahme zu bekommen.
BS: Haben Sie eine eigene Dokumentation?
RR: Ich habe eine Datenbank angelegt. Da ich mal Fotograf war, habe ich auch viel fotografiert.
KB: Gerade in Bezug auf Wandarbeiten wie die »Diskrete Überkreuzung«, die direkt auf die Wand gemalt werden, ist Ihnen da eine Dokumentation besonders wichtig?
RR: Ja, sicher.
KB: Gab es mangelhafte Ausführungen der Dokumentation?
RR: Ja, bei einer Ausstellung wurden die Fotos mal überbelichtet und konnten nicht wiederholt werden.
BS: Die Dokumentation wird durch Fotografien ausgeführt. Benutzen Sie auch Vermessungstechniken?
RR: Überwiegend Fotografien. Aber ich vermesse auch die Höhe und Breite, falls es nötig ist.
BS: Kann man auf die Fotografien und Ihre Datenbank im Falle einer Installation zurückgreifen?
RR: Ja, sicher. Aber falls die Dimensionen der Ausstellungsräume sich verändern, muss auch die Arbeit angepasst werden, wie beispielsweise bei den Überkreuzungen. Der Abstand der Streifen zueinander, die Breite und die Farbe müssen stimmen, dann kann die Arbeit auch in anderen Räumlichkeiten aufgebaut werden.
KB: Haben Sie allgemein Vorgaben für die Präsentation im Raum, wie muss die Wand beschaffen sein, dürfen Wandstrukturen (Kacheln, Backsteine) vorhanden sein?
RR: Bei den Überkreuzungen beispielsweise muss die Wand natürlich sauber sein. Dies war einmal ein Problem, als die Maler nicht sehr kooperativ waren. Die Überkreuzung wurde sehr gut von ihnen ausgeführt, aber die Wand hatte noch Flecken, die vorher nicht aufgefallen sind und die wollten sie nicht mehr wegmachen. Da haben dann Restauratoren die Flecken wegretuschiert.
BS: Gibt es überhaupt allgemeine Kriterien wie zum Beispiel, dass sie niemals eine Hängung auf eine glänzende Wand möchten oder eine einheitliche Farbe an den Wänden bevorzugen?
RR: Das kann man so nicht sagen. Vielleicht benutze ich auch die glänzende Wand, aber für die Arbeiten, die ich bisher gemacht habe, kann ich das natürlich sagen. Die hätte ich niemals auf eine Kachelwand gehängt, da muss eine neutrale, matte Fläche vorhanden sein. Bei den Bodenarbeiten habe ich die Struktur des Raumes einbezogen. Es gibt mehrere Versionen von Bodenrauten aus ausgelegtem Papier, die ich immer nach der Bodenstruktur genannt habe: sandgraue Bodenraute mit Fugen.
BS: Kann man allgemein sagen, dass die Arbeiten viel Raum brauchen, dass Ihre Arbeiten grundsätzlich nicht eng gehängt werden dürfen?
RR: Dies kommt auch auf die Arbeiten an. Aber im Allgemeinen brauchen sie viel Raum, so sind sie konzipiert. Früher in engen Galerien habe ich alles ganz dicht zusammengestellt. Das würde ich heute nicht mehr machen.
KB: Könnten Sie noch ein paar Negativbeispiele zum Thema Präsentationen nennen?
RR: Im Normalfall sollten sie nicht zu dicht neben anderen Werken hängen oder in einem falschen Zusammenhang stehen. Es gibt momentan eine Ausstellung, da steht eine schwarze Metallplatte direkt neben der Bezeichnung »Farbflächen«. Dies ist natürlich missverständlich. Es handelt sich nicht um ein Bild - es ist eine lackierte Platte. Sie soll nur schwarz sein, aber es ist nicht als Farbe gedacht. Es ist abstrahiertes Metall.
BS: Und »Farbflächen« war der Titel des Raumes?
RR: Ja. Die Gruppierung hieß so. Es war irreführend für den Betrachter.
BS: Sie werden 2007 in der Hamburger Kunsthalle einige Ihrer Arbeiten in einem eigenen Raum in Bezug auf Malewitschs Schwarzes Quadrat ausstellen. Was interessiert Sie an der Gegenüberstellung?
RR: Mich interessiert das Quadrat nicht in dem Sinne, wie es ihn interessiert hat. Es ist Geometrie. Das Schwarz gefällt mir, weil es eine Geschlossenheit besitzt.
KB: Stellen Sie für Ihre Werke Zertifikate her?
RR: Ja, wenn die Arbeiten nicht signiert werden können.
KB: Ist dies das einzige Kriterium?
RR: Ja, weil Signaturen insgesamt praktischer sind. Die Leute verlegen immer die Zertifikate und fragen dann nach ein paar Jahren danach. Die Werke in der Hamburger Kunsthalle haben auch Zertifikate, da sie nicht signiert werden können. Sobald die Werke bezahlt sind, schicke ich die Zertifikate.
KB: Nun möchten wir gerne speziell auf die Entstehung des Plattenbogens eingehen. Wie sind Sie denn zu der Serie der Plattenbögen gekommen?
RR: Ich habe mit Metallplatten gearbeitet und habe dann angefangen, einen leichten Bogen einzuarbeiten, um sie in den Raum hinein zu biegen. Dazu habe ich mehrere Variationen gemacht, z.B. »Plattenbogen 100/3/SR«. Zuerst ist die Grundidee da. Sie wird variiert, wie es passt. Bei dem »Plattenbogen für eine Wandöffnung 100/3/SNA« hat es mich sehr gereizt, dass der Plattenbogen in den Raum hineinragt. Es gab keine chronologische Reihenfolge bei den Plattenbögen.
KB: Haben Sie die Plattenbögen einzeln herstellen lassen?
RR: Der »Plattenbogen für eine Wandöffnung 100/3/SNA« ist wohl in Hamburg hergestellt worden, oder?
BS: In der Korrespondenz stand, dass Sie für den Umtausch einen schicken wollten. Zunächst wurde der Plattenbogen 100/3/SR an die Hamburger Kunsthalle verkauft, dann von Ihnen gegen den Plattenbogen für eine Wandöffnung 100/3/SNA ausgetauscht, da der erste nicht in die Ausstellungsraumsituation passte.
RR: Dann hatte ich ihn doch in meinem Atelier, ich weiß gar nicht mehr, wo ich ihn herstellen ließ.
BS: Sie wurden also je nach Konzept an unterschiedlichen Orten hergestellt?
RR: Es kann sein, dass ich mehrere auf einmal herstellen ließ, aber dies weiß ich nicht mehr genau.
KB: Hatten Sie Probleme, dass eine Ausführung nicht zu Ihrer Zufriedenheit ausfiel?
RR: Nicht bei den Bögen, aber bei den geraden Platten, die oft nicht perfekt gerade waren. Diese geraden Bleche sind fast nicht zu bekommen, sie müssen ausgerichtet werden, das ist kolossal schwierig. Dann kommt noch die Lackierung hinzu. Das macht keine Freude. Man muss auch mit diesen Firmen umgehen können, man bekommt natürlich auch Stress, wenn man eine nicht absolut perfekte Lackierung zurückgibt. Bei einem Auto ist das ganz anders, da dürfen keinerlei Mängel vorhanden sein.
BS: Wurden die Plattenbögen erstmals in der Jablonka Galerie gezeigt?
RR: Das kann sein, da waren Plattenbögen ausgestellt.
BS: Sind alle ursprünglichen Plattenbögen im Original erhalten?
RR: Das weiß ich nicht. Aber es ist auch egal. Jeder ist ein bisschen anders, da sie auch in unterschiedlichen Lackierereien hergestellt wurden. Das macht nichts. Die Unterschiede müssen natürlich innerhalb von Toleranzgrenzen liegen. Dies habe ich auch in den Vorgaben für Kopien detaillierter erklärt (Anm.: »Grundsätzliches zur Restaurierung und Erneuerung meiner Skulpturen und Plastiken«, Abschrift in der Diplomarbeit): Sie dürfen nicht glänzen, aber auch nicht zu stumpf-matt sein. Sie müssen etwas Metallisches behalten, aber dürfen nicht spiegeln. Das ist natürlich eine Entscheidungssache, da muss ich darauf vertrauen, dass jemand versteht, was ich will. Das Spiegeln macht die Platte unruhig. Sie ganz matt zu lackieren wäre leichter, aber dann sieht sie nicht mehr nach Metall aus.
KB: Wissen Sie von Fällen, dass Plattenbögen ausgetauscht wurden und Kopien angefertigt wurden?
RR: Nein, es gibt nur wenige Plattenbögen. Viele sind als Konzept vorhanden und noch gar nicht hergestellt worden. Ob sie jemals hergestellt werden, ist eine andere Sache.
KB: Dann kämen wir zur Neuanfertigung des Plattenbogens der Hamburger Kunsthalle. Unsere Aufgabe ist es, herauszubekommen, welche Eigenschaften des Materials Ihr Konzept ausmachen und wo dabei die Toleranzgrenzen liegen.
RR: Sie brauchen ja gar keine Kopie machen, Sie müssen die Platte ja nur neu lackieren.
KB: In jedem Fall ist bei einer Lackierung aber der Glanzgrad von Bedeutung, damit genau Ihr Konzept ausgeführt wird.
RR: Da hätten Sie ja die Platte in Hamburg als Vorgabe für den Glanzgrad.
KB: Schon, aber es gibt aktuelle Forschungsergebnisse von der Tate, London, dass Acryllacke während der Alterung mattieren. Eventuell ist der Plattenbogen in Hamburg matter als bei seiner Entstehung.
RR: Das geht so schnell?
KB: Anscheinend verläuft die Mattierung ziemlich schnell (Anm.: der Plattenbogen stammt aus dem Jahr 1991 und ist zum Zeitpunkt des Interviews 15 Jahre alt).
RR: Das wusste ich nicht.
BS: Mir ist auch nichts aufgefallen, da ich den Plattenbogen nicht von früher kenne. Ist Ihnen etwas aufgefallen?
RR: Nein, aber für mich ist die Aussage »seidenmatt« auch eine klare Vorgabe. Ich musste mir auch jede Platte jedes Mal bei den Lackierern anschauen, ob ich sie akzeptiere. Die nächste Platte bei dem nächsten Lackierer sah dann auch wieder etwas anders aus.
BS: Es ist auch unser Ziel bei dem Interview, diesen Toleranzspielraum zu definieren, denn seidenmatt ist nicht gleich seidenmatt, da gibt es einige Variationen.
RR: Es gibt eine Marke, Relius-Farben, ob es die noch gibt, weiß ich nicht. Die habe ich eine zeitlang benutzt. Dies könne man als Vorgabe nehmen.
KB: War dies ein Acryllack?
RR: Das weiß ich nicht. Aber sind Acryllacke sowohl mit Wasser als auch mit Lösemitteln verdünnbar?
BS: Ja, sowohl als auch. Es gibt beide Sorten.
RR: Dann weiß ich nicht, welches Bindemittel Relius-Farben haben.
KB: Sie haben uns ja schon beschrieben, wie eine Kopie aussehen soll und auch in der Literatur haben wir Angaben gefunden: gleiches Maß, der Farbauftrag soll neutral sein, halb- bis seidenmatter Lack, niemals zu glänzend, keine starken Lichtreflexionen...
RR: Ja, auf gar keinen Fall zu glänzend. Das muss man sich anschauen: ist sie zu unruhig, ist sie unruhiger als die Platte vorher? Dies muss man dann entscheiden. Es soll ein ruhiges Schwarz sein. Kein spiegelndes Schwarz. Man könnte es auch so glänzend wie ein Auto lackieren, aber das trifft es überhaupt nicht und dann würde es auch zu schick werden. Es würde einen ganz anderen Charakter bekommen.
KB: Es sollte aber auf jeden Fall makellos und präzise sein?
RR: Ja, das ist klar.
KB: Wie hoch muss die Exaktheit, die Perfektion sein?
RR: Ein paar Staubpartikel wird man meist haben. Auf Autos wird dies aber nie akzeptiert. Aber Farbpartikel, Flusen oder ungleichmäßigen Glanz, das ist dann zu viel. Nasen oder Tropfen können auf keinen Fall akzeptiert werden. Es ist ein Standard für die Lackiererei, so etwas anzufertigen.
BS: Ich frage mich, wie die Platten beim Lackieren gestellt werden...
RR: Sie haben ja die Aufhängelöcher, daran hängen sie es auf. In diesem Bereich, wo der Draht oder Haken auflag, da müssen sie es nachbessern.
KB: Bei dem Hamburger Plattenbogen ist an der unteren Kante ein 3 cm langer, 1 mm schmaler Bereich, wo die helle Grundierung durchscheint. Dies würden Sie auf gar keinen Fall akzeptieren?
RR: Nein, das ist ja keine wilde Malerei, die ich mache.
KB: Die Materialeigenschaften und Bezeichnungen verändern sich im Laufe der Zeit. Deshalb haben wir vier Probetafeln lackiert, um Ihnen verschiedene Oberflächen zu zeigen. Dies sind handelsübliche, kratzfeste Lacke, die als Bezeichnung »seidenmatt« haben. Da sie insgesamt sehr glänzend waren, haben wir noch einen matten Lack noch dazu genommen.
RR: Manchmal müssen die Lackierer noch Mattpaste hinzufügen, habe ich gehört. Dann wird es schwieriger, da glänzende Flächen einfacher zu spritzen sind als seidenmatte.
KB: Dies ist nun ein handelsüblicher, 2-Komponenten-PU-Lack, der sehr gute Eigenschaften haben soll und als »seidenmatt« bezeichnet wird.
RR: Dies ist ein bisschen zu glänzend nach meinen Vorstellungen. Aber ich könnte es auch akzeptieren, wenn es nicht anders geht. Hier haben Sie auch zwei Stippchen, dies würde man aber auf einer großen Platte in der Höhe gar nicht sehen. Es kommt darauf an, ob man es sieht, sonst ist es egal.
KB: Aber, dass man sich selbst in der Platte spiegelt, das ist zu stark?
RR: Ja, wenn dann noch die Wölbung hinzukommt, dann gibt es noch einen besonderen Effekt, besser wäre eine mattere Oberfläche.
KB: Bei dem Versuch, die Platte zu sandstrahlen oder mit feiner Stahlwolle zu behandeln, hat sich eine Struktur gebildet.
RR: Ja, zudem wird die Platte zu grau. Das geht nur mit Mattpaste...
KB: Dies ist ein Kunstschmiedelack, der unter der Bezeichnung »matt« verkauft wird.
RR: Ja, der ist zu matt.
BS: Er reagiert auch äußerst empfindlich auf Fingerabdrücke. Die Oberfläche darf gar nicht berührt werden.
RR: Ja, die glänzenden Platten sind unempfindlicher.
KB: Die letzte Platte wurde mit einem seidenmatten Alkydharzlack lackiert, der im Glanzgrad zwischen den anderen liegt.
RR: Ja, dieser wäre schön, wenn man es so hinbekommt. Die Frage ist nur, wie hart er ist?
KB: Er soll nur mit Lösemitteln verdünnt sein, so dass er sehr hart trocknet.
RR: Es gibt ja jetzt sehr harte Lacke, beispielsweise für Restaurantbetriebe.
BS: Entspricht dieses letzte Beispiel im Glanzgrad Ihren Vorstellungen?
RR: Ja, der ist gut. Er hat ziemlich genau die Mattigkeit des Plattenbogens, wie er sein sollte.
KB: In einem Artikel schreibt Amine Haase, dass Sie Materialien durch die dunkle Lackierung schwerer machen wollen. Stimmen Sie dieser Aussage zu?
RR: Das muss von einer Formulierung von mir kommen, aber was habe ich da gemeint? Wenn man eine Platte schwarz lackiert, bekommt sie eine größere Tiefe, genauer genommen eine Abstraktheit. Es geht mehr um das Abstrakte, dass es kein Material ist. Mich interessiert nicht das Metall. Die dunkle Farbe macht es neutral. Es ist eigentlich Nichts, es ist keine Farbfläche. Es interessiert mich nicht als Farbe, sondern als Zustand.
KB: Es interessiert Sie auch gar nicht, dass diese sehr leichte Aluminiumplatte durch die Bemalung schwerer wirkt?
RR: Nein, man könnte auch eine Eisenplatte nehmen. Die wäre dann schwerer, aber das interessiert mich nicht. Es ist Metall, schwarz, seidenmatt, mehr bringe ich da gar nicht rein.
BS: Ist es dann eher eine praktische Überlegung, dass Sie Aluminium nehmen, um es gut hängen zu können?
RR: Ja, aber man sollte auch kein zu leichtes Aluminium nehmen. Es gibt ja sehr unterschiedliche Aluminiumsorten.
KB: Sie haben uns in einer Email mitgeteilt, dass es immer nur ein Exemplar von den Plattenbögen gibt, dass es keine zweite Ausführung gibt.
RR: Ja, das ist klar, sonst würde ich sie als Edition bezeichnen und die Anzahl angeben. Von einer runden Platte hat es damals 70 gegeben, es war eine Jahresgabe für einen Kunstverein (Anm.: eine seidenmatt schwarz lackierte, runde Metallscheibe mit einem Durchmesser von ca. 50 – 60 cm).
KB: Bei dem Plattenbogen in Hamburg würde es sich anbieten, dass die Erstausführung archiviert wird und als Materialvorlage erhalten bleibt. Sonst würde im Falle einer wiederholten Neuanfertigung eine »Kopie« von einer »Kopie« angefertigt werden. Dabei könnten sich auch ein leichter Fehler einschleichen. Die Bezeichnung »seidenmatt« zeigt ja auch eine ziemliche Spannbreite, wie man an den Probetafeln sieht. Darum ist es wichtig, eine von Ihnen autorisierte Platte als Vorgabe zu behalten.
RR: Würde dann nicht auch eine Probetafel und Maßangaben zum Durchmesser der Rundung reichen?
BS: Ja, aber da wir schon die Platte haben, ist sie noch besser als Vorgabe geeignet als eine Probetafel, die wiederum leicht von der anderen Platte abweicht.
RR: Das ist nicht meine Sache, darum müssen Sie sich kümmern.
KB: Nun kämen wir zur Begriffsdefinition: Wie würden Sie die Neuanfertigung nennen, wäre es eine Kopie oder eine Variante?
RR: Nein, das ist die Arbeit. Es gibt ja nur eine. Es gibt nur ein Exemplar. Es ist keine Kopie, ich bin kein Bronzegießer.
KB: Sie würden auch nicht sagen, dass es die Erstanfertigung aus dem Jahr 1991, die Zweitanfertigung aus dem Jahr 2006 ist?
RR: Nein, das sind altmodische Gedanken. Dies ist Konzeptarbeit. Das Konzept ist die Hauptarbeit. Die Platte ist die Ausführung des Konzeptes. Es ist festgelegt, wie oft es sie geben darf und diese hier gibt es nur einmal. Und auch wenn man sie 50-mal herstellt, damit man immer Reserven hat, es ist nur ein Exemplar autorisiert, nicht mehr. Theoretisch könnte auch gar keine Platte da sein, dann würde sie nur als Konzept existieren und irgendwann in einem anderen Jahr ausgeführt werden.
KB: Sie möchten auch auf gar keinen Fall, dass die Arbeit unter Ruthenbeck, Plattenbogen für eine Wandöffnung 100/3/SNA aus dem Jahr 2006 ausgestellt wird? Die Datumsangabe bezieht sich nur auf das Konzept?
RR: Ja, ansonsten wäre es irreführend. Wenn man die Mona Lisa neu malen müsste, weil die alte kaputt ist, dann würde man ja auch nicht schreiben: Mona Lisa von 2006.
BS: Bei Fotografien gibt es Abzüge aus den verschiedenen Zeiten. Weil man aus Erfahrung weiß, dass in den verschiedenen Jahrzehnten unterschiedliche Drucktechniken verwendet werden, schreibt man bei den Abzügen das entsprechende Jahr dazu.
RR: Das sind aber Grafikerüberlegungen, die nichts mit mir zu tun haben. Bestimmte Werke sind in bestimmten Lebensabschnitten entstanden und typisch dafür. Wenn dann an einer Arbeit steht, dass sie 2006 entstanden ist, dann denken die Besucher, dass ich mich in der Zeit damit beschäftigt habe. Das stimmt dann ja gar nicht. Das ist dann eine technische Kopie oder Wiederherstellung.
BS: Und wenn man es so bezeichnet, dass der Betrachter weiß, dass es nicht von Ihnen gemacht wurde?
RR: Es ist ja nie von mir gemacht worden. Alles andere wird zu kompliziert. Es ist wichtig, wann die Idee aufkam. Normalerweise macht man es so, dass das Ausführungsjahr bezeichnet wird, obwohl es besser wäre, wenn das Jahr, in der das Konzept aufkam, benannt würde.
KB: Wir hatten ein Gespräch mit einem Galeristen, bei dem die Aussage gemacht wurde, dass, auch wenn die Kopie mit gleich aussehenden Materialien und vom Künstler autorisiert würde, sie auf dem freien Kunstmarkt einen sehr viel geringeren Wert haben würde, da es eine Neuanfertigung ist.
RR: Das ist für mich nicht akzeptabel. Das ist ein Versuch, den Preis zu drücken. Das Objekt wurde nie von mir selbst hergestellt, das hat immer ein Handwerker gemacht. Dies ist eine sehr altmodische Überlegung. Ich kann mir nur vorstellen, dass jemand daran herummäkeln will, dass es nicht das Original ist, um den Preis zu drücken. Das höre ich zum ersten Mal.
KB: Und das akzeptieren Sie gar nicht.
RR: Für manche Arbeiten schon. Zum Beispiel bei der Gummiseilzeichnung. Dies ist wie – es ist ja eigentlich eine Zeichnung. Wenn diese Arbeit jetzt runterfallen und zusammenfallen würde, dann ist es nicht akzeptabel, dass jemand sagt, es ist ein Konzeptstück und legt es wieder hin. Ich glaube nicht, dass er die spontane Zufälligkeit hinkriegt. Dann ist plötzlich ein Kreis oder eine Figur zu sehen. Das wäre nicht mehr identisch.
BS: Dann bekäme es eine persönliche Note.
RR: Es gibt Arbeiten von mir, wo eine Neuanfertigung nicht möglich ist. Es heißt ja auch »Zeichnung« und bei normalen Zeichnungen wäre es ja auch nicht möglich, sie nachzumachen. Es gibt Arbeiten, bei denen diese alten Prinzipien herrschen, bei den meisten aber nicht.
KB: Der Galerist meinte auch, dass es ihm für den Verkauf sehr wichtig wäre, dass es sich exakt um die gleichen Materialien handelt.
RR: Das ist Fetischismus. Reiner Fetischismus. Die Leute haben gar nicht kapiert, was moderne Kunst, was Concept-Art ist.
KB: Dann gibt es das Problem, dass sich viele Techniken und Materialien sehr schnell verändern, dass man nicht mehr das gleiche Aussehen erhalten kann, beispielsweise bei modernen Drucktechniken. Da könnte man schon nach wenigen Jahren keine annähernd ähnlich aussehende Kopie anfertigen. Da würde ein Restaurator sagen, dass man keine Kopie anfertigen darf, weil wesentliche Eigenschaften des Werkes verloren gehen würden. Würden Sie zustimmen?
RR: Da kenne ich mich nicht gut genug aus. Ich gehe da eher von Fall zu Fall. Ein Künstlerkollege hat ein Werk von mir, einen Vollgummiring an einem Nagel hängend, da hat sich das Gummi fast vollständig aufgelöst, es besteht fast nur noch aus Rußpartikeln, die aneinanderhängen. Da muss man dann in die Gummihandlung gehen, sich genau die Länge zuschneiden lassen, es aneinander befestigen und das ist es. Ich würde es nicht laut herumposaunen. Er hat ja das Zertifikat und das ist ganz in meinem Sinne, er muss es nur genauso machen.
BS: Das Problem ist dann nur, das gleiche Material zu bekommen. Wenn es das dann nicht mehr gibt oder so nicht mehr hergestellt wird.
RR: Ja, das Problem ist da, das stimmt.
KB: Bei jeder Neuanfertigung werden sich auch kleinste Details durch den Zeitgeschmack verändern. Wenn ein Plattenbogen neu angefertigt wird, wird er immer anders aussehen. Vielleicht versteht man unter »seidenmatt« in 20 Jahren etwas ganz Anderes als heutzutage. Es gibt ja jetzt schon eine große Spannbreite.
RR: Dann haben Sie ja die Vorlage in Ihrem Archiv.
KB: Also haben Sie keine Angst, dass es sich im Laufe der Jahre von Ihrer Intention wegbewegt?
RR: Doch, ich habe Albträume! Ich weiß, dass es kolossal schwierig ist, ein Werk über lange Zeit authentisch zu erhalten. Eva Beuys kämpft ja auch sehr darum. Und bei Beuys ist das viel schwieriger, fast unmöglich! Aber dafür sind ja dann die Nachwuchskünstler da, so dass neue Kunstwerke hinzukommen.
KB: Bei anderen Künstlern wie zum Beispiel Anna Oppermann, deren kleinteilige Installationen aus vielen Zetteln zusammengestellt werden, wird überlegt, ob das Objekt entweder ins Depot kommt oder jemand das Werk interpretierend wiederaufbaut. Ein Team, bestehend aus ihrem Mann und zwei Kunsthistorikern, versucht nun, die Installationen in ihrem Sinne wiederaufzubauen. Dies ist natürlich eine Interpretation wie in der Musik, bei der die Noten vorgegeben sind.
RR: Neulich im Fernsehen hat jemand gesagt, dass es für ihn ein Kriterium ist, dass der Komponist das Stück, das man von ihm spiele, wiedererkennt. Das fand ich sehr pfiffig. Das ist es halt. Mehr kann ich nicht erwarten.
BS: Das kann ich aber auch bei einer Pop-Version wiedererkennen!
RR: So ein Mann wie Bach, der würde teufeln, wenn es sehr viel schlechter wäre. Aber der war ja auch ein freier Geist, er hat auch improvisiert, wenn es so aus der Fülle kommt. Es ist ja auch irgendwie öde, wenn man alles in Harz gießen will, damit es auch ja bleibt. Es erstickt die Sache.
BS: Dann liegt es auch an der Toleranzfähigkeit der jeweiligen Autoren.
RR: Wenn zu viel über so was nachgedacht wird, dann zeigt das, dass in dieser Zeit zu wenig lebendige Kunst gemacht wird. Sonst hätte man gar keine Zeit dafür.
KB: Aber Sie könnten es sich bei einer Künstlerin wie Anna Oppermann schon gut vorstellen, dass jemand ihr Werk interpretierend aufbaut?
RR: Wenn man sich vorstellen kann, dass sie das wiedererkennen würde. Es kommt natürlich etwas von ihrer Arbeit rüber, wahrscheinlich nicht 100%, aber vielleicht 70% oder so. Bei Beuys ist das ähnlich, wenn Sie diese Sturheit sehen, mit der seine Installationen wiederaufgebaut werden. Er hat da selber sehr freche Variationen gemacht.
BS: Man kann natürlich auch den Standpunkt vertreten, dass es vorbei ist mit den frechen Variationen, dass der Künstler an dem Werk weiterarbeitet, sobald der Künstler nicht mehr lebt.
RR: Aber es wird ja gar nicht mehr richtig aufgebaut, im ganz anderen Zusammenhang: steif und wirklich gruselig.
BS: Den Eindruck hatte ich zumindest, als bei einem Vortrag über Anna Oppermann selbst die Kunsthistorikerin, die die Installationen zusammen mit einem Kunsthistoriker und Herrn Oppermann wiederaufbaut, gesagt hat, dass es jetzt ordentlicher aussieht. Und genau das ist der Fehler, den man schnell macht, dass es dann ordentlicher wird. Genau hier setzt die Aufgabe der Restauratoren an, diese Note der Ordentlichkeit zu verhindern. Wir würden uns bemühen, so viele authentische Spuren wie möglich zu erkennen, um es dann intentionsgerecht auszuführen. Es gibt ja Dokumentationsmaterial von einer Aufstellung und wir würden versuchen, es so wieder aufzustellen. Es ist für manche unvorstellbar, dass das möglich ist, aber mittlerweile ist vieles möglich geworden. Es ist für viele auch unvorstellbar, dass man sich so viel Zeit nimmt. Mit einfachen Mitteln kann man eine Installation gut beschriften, dokumentieren und dann entsprechend wiederaufbauen. In der zeitgenössischen Kunst ist die Dokumentation deshalb ein sehr großes Thema, weil man vieles festhalten kann. Was aber nicht heißt, dass alles genau so wiederaufgebaut werden muss, sondern, dass man eine Referenz hat, an die man sich dann halten kann, bei der man sagen kann, hier habe ich es anders gemacht, aber ich weiß ganz genau warum.
KB: Dies ist eine Raum-Installation von Joseph Beuys in der Staatsgalerie Stuttgart, die u. a. aus Sand, Gips und Wachs besteht, das direkt auf dem Parkettboden liegt. Da das Museum umstrukturiert werden sollte, wurde ein Plan für den Abbau erstellt. Diese Installation sollte in einen anderen Raum transportiert werden. Hier gab es die Überlegung, ob man diese auf den Parkettboden geschüttete Sand-Gips-Masse in ein flüchtiges Bindemittel eingießt, es vom Boden trennt und es 1:1 in einen anderen Raum transportiert.
RR: Da würde der Beuys wahrscheinlich lachen. Er würde vielleicht sagen, kehr es zusammen und kipp es wieder aus.
BS: Aber, wenn es 1:1 in dem anderen Raum stehen würde, dann würde er sich auch nicht daran stören, oder?
RR: Das glaube ich nicht, wenn es nur geringfügig verändert ist. Es muss das Prinzip zu erkennen sein, das dahinter ist. Man bekommt es sowieso nicht wieder so hin, wie es war.
BS: Ich finde es bei solchen Diskussionen immer schwierig, dass, wenn man anderen Leuten restauratorische Arbeitsprozesse beschreibt, sie es gar nicht nachvollziehen können, so etwas selber zu tun, so dass sie es deshalb eher ablehnen. Sie finden es aber okay, wenn es nur darum geht, wie es hinterher aussieht. Dabei ist nur wichtig, ob es in Ordnung ist, wie es hinterher aussieht. Ich kann mir z.B. nicht vorstellen einen Menschen zu operieren. Aber ich muss ja nicht aus meiner Sichtweise beurteilen, ob ich das auch tun würde, sondern nur ob das Ergebnis in Ordnung ist. Ich höre sehr häufig, dass Leute denken, dass der Arbeitsaufwand der Restauratoren den Rahmen sprengt, jedoch eher aus dem Blickwinkel heraus, ob sie dies selber so tun würden. KB: Wenn man also die Möglichkeit hätte, die Installation ohne Veränderungen in einen anderen Raum zu transportieren oder irgendjemand würde es zusammenkehren und ausschütten. Was würde Ihrer Meinung eher Beuys Arbeit entsprechen?
RR: Das kann man erst sagen, wenn es daliegt. Selbst dann kann man es nicht sagen. Es ist für mich auch sehr schwierig zu verstehen. Ich habe zwar bei ihm studiert, aber ich habe ihn nicht wirklich verstanden, weil es mich auch zu wenig interessiert hat. Ich arbeite ja selbst ganz anders. Ich habe dort studiert und meine Arbeiten gemacht. Er ist ein genialer Künstler...
BS: Ging das denn gut mit der Zusammenarbeit oder Betreuung?
RR: Zusammenarbeit kann man da nicht sagen. Und eine Betreuung habe ich auch nicht gewollt. Er hat mal eine technische Bemerkung über das Material gemacht, die hat dann auch sehr geholfen. Das meiste kam von den Mitstudenten, die haben ganz andere Bemerkungen gemacht. Er hat dann geholfen, wenn jemand nicht weiterkam. Dann hat er da zwischen rein gehauen, da wurde er auch sehr rabiat.
KB: Nun würden wir Ihnen gerne ein paar Fragen zur Originalität stellen. Sie haben in dem Brief über »Grundsätzliches zur Restaurierung oder Erneuerung meiner Plastiken und Skulpturen« geschrieben, dass die Idee, das Konzept die Hauptsache ist. Dort haben sie auch von den Ausnahmen geschrieben. Sie hatten uns die Gummiseilzeichnung genannt.
RR: Ja, Ausnahmen entstehen, sobald es in den Bereich von Handschrift geht. Da ist zum Beispiel dieser verbogene Metallkreis. Wenn jetzt jemand versucht, so einen verbogenen Kreis herzustellen, kriegt er das hin oder nicht. Und wenn er es nicht hinkriegt, dann wäre es schlecht. Deswegen wäre das ein Punkt an dem man sagt, lieber nicht, dass muss dann der originale Kreis sein. Dann müsste man den Kreis erhalten. Bei allem, wo bewegliche Elemente drin sind, die wie eine Zeichnung sind, ist es so. Bei den ganz frühen Arbeiten, wo ich Eisen getrieben habe - das wird ganz anders, wenn das eine andere Person macht. Fast alle frühen Arbeiten gehören dazu, die kann man nicht kopieren, wie z. B. die Löffel.
KB: Da gäbe es auch keine Toleranz, dass man einen ähnlichen Löffel, aber mit der gleichen Größe und den gleichen Maßen nimmt?
RR: Vielleicht, wenn der andere ganz verschwunden ist. Da wird es natürlich schwierig...
BS: Haben diese Arbeiten eher einen Unikatcharakter oder auch den Charakter eines Originals? Liegt bei ihnen kein Konzept dafür vor, dass etwas auf eine bestimmte Weise ausgeführt werden kann?
RR: Ja, dies trifft auf fast alle frühen Arbeiten zu. Dann kommen die Aschehaufen. Das sind eigentlich schon Konzeptarbeiten, wenn man die richtigen Materialien hat. Wobei es auch reine Zufallssache ist, was man für Asche gefunden hat. Ich wollte eigentlich schwarze Schlacke, wie sie im Straßenbau benutzt wird. Ich habe die Asche von Müllverbrennungsfirmen oder von Hochöfen bekommen. Sie war immer sehr grob, mit richtigen Stücken drin und in Berlin haben sie schwarz lackierten Steinsplitt benutzt. Der sieht natürlich sehr schön schwarz und glänzend aus. Aber da ist die Frage, ob das Bild zu säuberlich ist, ob da nicht etwas verloren geht. Das könnte durchaus sein.
BS: Das hat nicht so das Erdige...
RR: Das will ich ja gar nicht. Ich nehme Asche, weil ich keine Erde nehmen will.
BS: Erdig meine ich in dem Sinne, dass es nicht so real aussieht.
RR: Ja, es sieht ärmer aus. Ich habe die Schlacke in Berlin benutzt und würde sie auch jetzt benutzen, weil es einfach eine saubere Lösung ist. Weil ich ja weiß, was der Ausgangspunkt war, dass ich eine bestimmte Schlacke am Straßenrand gesehen habe und genau die wollte ich, aber das kann ja nur ich wissen. Dann ist es halt nicht mehr das Objekt von früher. Das ist schon so ein Fall. Manchmal sehe ich das auch ein, dass man das etwas Unbeholfene so haben will. Dann kommt mehr von der damaligen Zeit rüber. Es ist schon so.
BS: Wenn die Asche eigentlich schwärzer sein soll und die Asche bei jeder Ausstellung staubiger und dadurch grauer erscheint, ist es dann vorstellbar, dass man sie wässert und so reinigt?
RR: Nein, das Material wird bei jeder Ausstellung neu besorgt. Das haben wir immer so gemacht, danach wird sie dann weggeschüttet.
BS: In der Hamburger Kunsthalle haben wir noch die gleiche Asche bewahrt.
RR: Ja, wenn man sie dann hat, dann ist das ja kein Problem. Aber diese Art von Asche ist auch heller, als ich mir vorgestellt habe. Aber das ist auch der Punkt, es hat sich so ergeben. In Japan kriegt man überhaupt keine Asche, da mussten wir feinteilige Kohle nehmen. Die ist natürlich schön schwarz, aber nicht in meinem Sinne. Ich wollte ja kein Material haben, das man verbrennen kann. Dann gibt es wieder andere Vorstellungen, wie Kohlenpott. Abgesehen davon war sie so teuer, dass es mein ganzes Taschengeld aufbrauchte, 700 Mark. Aber es blieb nichts anders übrig und die Leute sahen, was ich wollte. Das sind dann Grenzbereiche. In Duisburg und Düsseldorf habe ich 2008 eine Doppelausstellung und in Duisburg möchte ich auch einen Aschehaufen ausstellen. Da überlege ich, ob ich von den Leuten die alte Asche hole. Es gibt ein Privathaus, daliegt so ein Aschehaufen in der Wohnung. Aber die Ausleihe ist schon eine ziemliche Zumutung, deshalb versuche ich eher eine Asche zu bekommen, die so in etwa den Anforderungen entspricht. Nur die Metallteile nimmt man, aber selbst die: In Frankfurt habe ich ein Drahtknäuel für das Ausstellungsduplikat eines Aschehaufens neu besorgt. Aber da muss man aufpassen, dass man nichts verfälscht: das ist dann so silbrig, so blank und sieht dann doch anders aus. Das sieht auf dem Foto schwärzer aus als es in Wirklichkeit ist. Zuerst wird das Drahtknäuel hingelegt und dann die Asche drüber gekippt (siehe Abbildung, jedoch korrekt aufgebaut). Ich habe nun gehört, dass das Drahtknäuel einfach oben auf die Asche gelegt wurde. Das geht natürlich gar nicht.
BS: Dies ist der Aschehaufen VI, der nun der Hamburger Kunsthalle gehört. Der Aschehaufen wurde bei der letzten Ausstellung in Hamburg aber etwas spitzer aufgeschüttet.
RR: Ja, dieser Aschehaufen ist mir auch ein bisschen zu stumpf. Ich weiß nicht, ob damals keine Asche mehr da war... Kann schon sein.
BS: In den Randbereichen liegen dann im Laufe der Zeit immer mehr Staub und feinere Partikel. Aber sie legen mehr Wert auf die gröbere Körnung?
RR: Es soll kein Staub vorhanden sein. Meine Grundvorstellung ist die Größe des Splits, das ist das Ausgangsmaterial. Das sollen kleine Körner sein, etwa von einem Zentimeter Länge. Alles andere ist mir eigentlich zu groß, aber es funktioniert trotzdem.
BS: Die groben Körner rollen mit der Zeit gerne herunter.
RR: Aber so ist es halt. Da will ich auch nicht zu viel verändert haben, sonst verliert es den Charme, wenn es zu sauber ist. Das ist ein Problem, das ich noch bewältigen muss, bevor ich in Duisburg ausstelle.
BS: Der Aschehaufen VI wird auch 2007 in Hamburg ausgestellt.
RR: Da muss natürlich einiges beachtet werden, das habe ich während des letzten Aufbaus gemerkt. Da war das untere Rohr zu hoch geraten, weil es nicht auf den Boden gelegt worden war, sondern in Asche gebettet. Man legt alle Rohre hin, dann schüttet man die Asche drüber.
Dies ist die Arbeit »Koffer mit Löchern«. Sie wurde einmal versteigert. Und wie hieß er in der Versteigerung? Vietnamkoffer! Das hat der Sammler selbst so genannt. Das war albern. Aber so ist er verkauft worden. Die Arbeit »Maschendrahtkopf« habe ich auf dem Kunstmarkt gesehen. Er war vollkommen verdutscht, ganz verbeult, aber wurde unentwegt so weiterverkauft. Keiner hat sich das Foto angeschaut und gesagt, der sieht ja gar nicht mehr so aus. Dann bin ich hingegangen und habe ihn ausgebeult, vor lauter Verzweiflung. Das ist auch so ein Punkt: den könnte kaum ein zweiter so wiederherstellen. Ich habe ihn über einen Gipskopf, der damals noch existierte, geformt. Den noch einmal so zu formen, das wäre nicht möglich. Da muss man das Original haben. Das sind die Anfangsarbeiten, bei denen die Handschrift wichtig ist. Das ist noch das alte Prinzip der Bildhauerei.
KB: Wenn nun jemand anderes diesen Drahtkopf ausbeult, dann ist das wieder eine sehr individuelle Interpretation. Sie würden es wahrscheinlich ganz anders ausbeulen.
RR: Es handelt sich eher um eine »Erinnerung« an den Maschendrahtkopf.
KB: Also sollte der Maschendrahtkopf bei einem stark beschädigten Zustand als zerstört angesehen werden und in diesem Zustand nur noch als Annäherung an das frühere Werk ausgestellt werden? Es sollte nicht versucht werden, ihn irgendwie wieder in den Zustand auf dem Foto zurück zu biegen?
RR: Das kann man ja gar nicht. Selbst wenn ich das mache, ich weiß ja auch nicht mehr, wie er genau war. Ich habe versucht, in etwa wieder einen Kopf daraus zu machen.
KB: Ist Ihnen bei manchen Werken auch das Alter wichtig?
RR: Das interessiert mich nicht so sehr, aber ich sehe ein, dass man bei manchen Arbeiten dieses Flair von damals gernhat.
BS: Ich vergleiche das immer gern mit Alexander Calder und seinen Mobilés, deren monochrome Farbfassung oft übermalt wird, wenn sie beschädigt ist. In der Sammlung der Hamburger Kunsthalle befindet sich ein Mobilé in der ursprünglichen Farbigkeit, bei dem Fehlstellen nur mit Retuschen geschlossen wurden. Und an der originalen Farbfassung kann man erkennen, dass sie aus den 60er Jahren stammt, weil kommerzielle Farben von damals eben eine ganz bestimmte Farbigkeit besaßen. Das finde ich sehr spannend, dass es Farbnuancen gibt, bei denen man ein Gefühl dafür bekommt, aus welcher Zeit sie stammen, ohne dass man dies benennen kann. Sie hatten es ja auch angesprochen, dass Sie diesen Aspekt an manchen Ihrer Werke auch sehr schätzen.
RR: Oder auch akzeptieren. Oder dass ich das einsehe, dass es wichtig ist für die Leute.
BS: Würden Sie sagen, dass es sich auf manche Werke bezieht und auf andere gar nicht?
RR: Ja. Der Plattenbogen zum Beispiel ist ein abstraktes, ein Konzeptstück. Da darf es keine Patina geben. Die Plattenbögen sind so abstrakt, so straight gedacht.
BS: Und bei dem Aschehaufen? Gibt es da etwas, was sich auf die Entstehungszeit bezieht?
RR: Ja, bei den Aschehaufen sehe ich das ein, dass die Leute gerade dieses Aussehen nicht missen wollen. Es ist nicht so sehr eine Konzeptarbeit, sondern eine Skulptur. Da kommt natürlich dieses Konzeptuelle stark herein, es ist ein Übergangswerk.
KB: In einem Artikel schreibt Bernhard Holeczek, dass Handschrift in Ihren Objekten weitgehend getilgt ist. Ebenso sehen Sie nichts Ehrenrühriges daran, wenn ein zerstörtes oder beschädigtes Stück im gleichen Material erneuert oder ergänzt wird. Überaus wichtig ist Ihnen jedoch Gediegenheit und Authentizität der Ausführung. Die Konzeption des eigentlichen Werkes steht über deren Materialisierung.
RR: Ja, dies gilt alles für die späteren Arbeiten mit den Ausnahmen, die ich Ihnen genannt habe.
KB: Was bedeuten für Sie die Begriffe Gediegenheit und Authentizität?
RR: Er meint wohl, dass es präzise wieder angefertigt wird - ohne Stippchen im Lack, also nicht geschlampt.
KB: Dann stellt sich natürlich die Frage, wer darüber urteilen soll, ob es gediegen und präzise genug angefertigt wird?
RR: Solange ich da bin, kann ich das machen. Aber sonst... Da kann ich nur hoffen, dass sich einer so tief hineindenken kann, dass er versteht, dass es für die Arbeit wichtig ist, dass sie zum Beispiel keine Kratzer hat. Eine schwarz lackierte Platte, die keine Malerei sein soll, darf keine Kratzer haben. Sie darf auch nicht verstauben, sondern muss gepflegt werden.
KB: Restauratoren müssen mit Kunsthistorikern und Naturwissenschaftlern ihre Aufgaben definieren. Wir arbeiten oft an Objekten, die mehrere Jahre oder Jahrzehnte alt sind, da hat sich die Einstellung des Künstlers im Laufe der Zeit oft geändert. Teilweise so drastisch, dass die frühen Arbeiten gar nicht mehr akzeptiert werden oder ganz anders ausgeführt werden würden. Restauratoren vertreten in der Regel die Meinung, dass man das Objekt so erhalten muss, wie es der Intention des Künstlers in der Entstehungszeit entspricht. Würden Sie da zustimmen?
RR: Das ist natürlich eine schwierige Frage, was jetzt wichtiger ist. Ich kann natürlich als Künstler durchaus etwas verfälschen. Ich denke jetzt anders, ich mache das so. Wie bei den Aschehaufen zum Beispiel, die plötzlich so säuberlich werden. Das sehe ich dann auch selbst. Das kann man nicht eindeutig beantworten. Es ist sicher ein Konflikt, dass der Künstler nicht mehr sein eigenes Werk verändern darf. Aber ich verstehe die Leute: Der Künstler hat das Werk an einem Zeitpunkt gemacht und damals wollte er das so und wenn er jetzt dazwischen fummelt, dann macht er etwas kaputt, dann stört er.
BS: Oder macht ein anderes Werk.
RR: Ja. Dann soll der Künstler vielleicht ein anderes machen, eine andere Interpretation. Das sehe ich alles schon ein. Das kann man nur von Fall zu Fall entscheiden. Aber der Künstler muss eingreifen dürfen, wenn etwas Anderes aus dem Kunstwerk entsteht, als er wollte. Wenn jemand sagt, die Farbe ist so geworden, sie ist hellrosa, dann ist das nicht in Ordnung (Anm.: bezogen auf den dunkelroten Stoff, den Reiner Ruthenbeck für viele seiner Arbeiten verwendet). Ich will ihn nämlich dunkelrot und er sollte auch nie hellrosa werden. Es ist einfach ausgebleicht. Bitte erneuern Sie den Stoff! Mit dem Stoff ist das auch so ein Problem...
BS: Ja, wie beispielsweise bei der Arbeit »Hängematte«, die auch aus rotem Stoff besteht.
RR: Gemeint ist dunkelrot und so soll es auch sein. Das darf kein komisches Rosa sein. Dann muss man den Stoff erneuern.
BS: Sie vertreten bei diesem Fall ja auch den Standpunkt, den Sie damals bei dem Werk gehabt haben. Diesbezüglich gibt es gar keinen Konflikt. Es ist schwieriger bei Künstlern, die dann später sagen, das kann ruhig glänzender sein...
RR: ... das kann auch Blau sein und nicht mehr Rot...
BS: Genau... Mittlerweile befasse ich mich mehr mit Blau als mit Rot.
RR: Genau, das würde ich nicht akzeptieren. Ich meine, jeder Künstler hat die Freiheit, das zu vertreten. Aber vom Standpunkt des Kunsthistorikers aus, der ich ja auch gewissermaßen bin, geht so etwas nicht. Ich finde es sehr wichtig bei meinen Arbeiten, dass der Stoff dieses Dunkelrot, diese Wärme, dieses warme Rot hat. Einmal habe ich eine Arbeit gesehen, da war sie wirklich hellrosa. Das ist nicht mehr meine Arbeit. Ich möchte, dass bei der Hängematte sowohl der Stoff als auch die Bänder die gleiche Farbe haben oder sich wenigstens sehr ähnlich sind. Ich möchte eher ein bläuliches Rot. Helles Rot wirkt als dünnes Band vor einer weißen Wand dunkler. Dann muss man ein helleres Rot nehmen. Bei großen Flächen soll es auf keinen Fall ein gelbliches Rot sein, eher bläulich, aber nicht zu blau. Die Stimmung muss stimmen. Die älteren Objekte haben eher ein bläuliches Rot. Der Stoff, den ich jetzt habe, wurde als Meterware gekauft und der ist ein bisschen zu hell.
KB: Ist es in diesem Zusammenhang auch wichtig, dass die verschiedenen Serien untereinander ähnlich sind? Falls alle Objekte gemeinsam ausgestellt werden, dass sie aus dem gleichen Stoff sind? Oder dass die Plattenbögen ein ähnliches Schwarz haben, sodass man ihre Zusammengehörigkeit erkennt?
RR: Es wäre sinnvoll. Es gibt Objekte, die hatten ein richtiges bräunliches Rot. Da wussten die Leute nicht, wie sie es nennen sollen: Braun-rot-violett. Ich wollte ein dunkles Rot, wenn ein dunkles Rot da ist, dann kann man das nehmen. Ich hatte mal einen Stoff von einem Textilfabrikanten bekommen, der zu violett war. Den hatte ich teilweise doch genommen, sehe das aber nun als Fehler an. Deshalb gibt es nun einige Objekte, die zu violett sind. Ich möchte lieber ein dunkles Rot - nicht zu blau und vor allem nicht zu gelb!
BS: Gelb ist noch störender?
RR: Ja, es ist nicht ruhig genug. Ich arbeite mit dem Blau und Rot, damit das eine von dem anderen was hat.
KB: Ist Ihnen die Farbigkeit der Stoffe so wichtig, dass Sie Objekte deswegen für eine gemeinsame Ausstellung aus dem gleichen Stoff einheitlich erneuern würden?
RR: Nein, das ginge dann zu weit. Dann hätte man den Fall wie mit den Aschehaufen, wenn man diesen Splitt für alle verwenden würde, würden sie alle ganz gleichmäßig aussehen und bestimmt nicht gut sein. Dann wäre die Ausstellung ein bisschen zu stereotyp. Dieser geschichtliche Aspekt kommt da auch mit rein, das ist klar. Die sind ja nicht von heute. Und mit dem Stoff ist das ähnlich. Meistens bleichen die Stoffe mit der Zeit aus, so dass man sie ersetzen muss. Es ist einfach nicht mehr, was es vorher war. Auch nicht in dem Sinne, wie früher gedacht. Die Objekte hängen dann ja auch mit anderen Elementen zusammen, so dass es eher kein Problem wird. Außerdem werden die Ausstellungsobjekte meist so zusammengestellt, dass es optisch passt.
KB: Wir wären dann soweit durch mit unseren Fragen. Haben Sie noch etwas, was Sie sagen oder fragen möchten?
RR: Ich habe noch eine Geschichte zur Arbeit »Tisch mit gelber Kugel« von 1985: Eine Gipskugel, die knallig gelb mit einer matten Abtönfarbe gestrichen ist. Als ich die Arbeit irgendwann sah, war die Farbe verschmutzt, hatte glänzende Stellen. Da habe ich ganz naiv gesagt, dass sie es neu anstreichen sollen. Das hat der Restaurator fast als Beleidigung angesehen. Das wurde zunächst nicht angestrichen, sondern es wurde versucht, mit einem Wattebäuschchen diese Verschmutzungen abzunehmen. Das war für mich auch so ein absurder Vorgang. Da kommt man nicht zum richtigen Ergebnis, das bleibt immer fleckig. Man möchte als Restaurator ja kein Anstreicher sein, aber die richtige Art, es zu restaurieren wäre das Anstreichen. Da ist ein Loch in der Kugel, darauf kann man sie drehen und hält den Pinsel dran, so dass es ganz gleichmäßig wird. Das wäre es wieder. Das war auch so eine Sache, die ich erlebt habe und die zeigt, dass es ein schwieriges Thema ist mit der Restaurierung – genau wie bei der Glasscheibe im Tuch.
KB: Verstehe ich Sie da richtig, dass Sie nur das Ergebnis nicht befriedigend finden? Wenn eine Restaurierung so gut ausgeführt würde, dass kein Fleckchen, kein Schmutzpunkt mehr zu sehen ist und man weiterhin das von Ihnen zuerst ausgewählte Gelb hätte, das wäre dann der Idealfall?
RR: Ja, gut, aber kriegen Sie das erstmal hin. Und außerdem geht mir das so gegen den Strich, das Ding kommt nie mehr in eine Ausstellung, weil es Jahre in der Restaurierungswerkstatt verschwunden ist, weil es nie ganz fertig wird. In anderen Museen hatte ich das auch erlebt, da war ein Metallrahmen, an dem ein bisschen Schaumstoff kleben geblieben ist. Das Ding war dann für Ewigkeiten verschwunden, weil der Fleck dann Millimeter für Millimeter mit verschiedenen Lösungen behandelt wurde. Ich hatte auch gesagt, dass er neu lackiert werden muss, aber das wurde nicht gemacht. Dass das Original erhalten bleiben muss, ist in diesem Fall völlig stumpfsinnig und absurd. Und ich glaube auch nicht, dass das so ganz in Ordnung ist. Da habe ich gemerkt, dass es darum geht, die Macht des Restaurators aufrechtzuerhalten. Wenn man es einfach lackieren lässt, wird einem das sozusagen aus der Hand genommen. Und man hat nichts mehr vorzuweisen, wozu man auf der Welt ist. Das war deutlich zu merken. Und was leidet dann darunter? Der Künstler oder das Werk, das dann nicht mehr ausgestellt wird, weil es in den Werkstätten verschwindet. Da habe ich nicht so gute Erfahrungen gemacht.
BS: Wäre es dann insgesamt besser, Ihnen von dem Arbeitsprozess gar nichts zu sagen, um Sie nicht aufzuregen? Weil ich den Eindruck habe, dass Ihnen unsere Arbeitsweise mit einem Wattestäbchen nicht zusagt...
RR: Ja, die passt auf Gemälde. Aber Sie kriegen die gelbe Kugel mit der Methode nicht perfekt hin.
BS: Sie glauben nicht, was Restauratoren dann doch alles hinkriegen...
RR: Aber Sie haben ja gar keine Grundlage. Die ganze Kugel war so verschmutzt, dass Sie die Farbe unterschiedlich retuschieren. Soviel verstehe ich auch von Farbe. Das geht gar nicht.