Project/Occasion | artemak / Information on the artist`s paintings | |
Interview with | Thomas Kratz (TK) | |
Conducted by | Erich Gantzert-Castrillo, | |
Elisabeth Bushart (both: artemak) | ||
Location | Munich, London | |
Date | 2005/06 | |
Notes | Interview conducted via E-Mail | |
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artemak: Thomas, neben den Arbeiten auf Papier gibt es von Dir zahlreiche Gemälde. Hast Du Gemälde auch in Installationen eingebunden gezeigt?
TK: »Ein Gemälde ist ein auf einen Träger (Papier, Leinwand o. ä.) aufgebrachtes Bild (...) Nach heutiger Definition grenzt sich ein Gemälde von einer Zeichnung dadurch ab, dass die Farben vor dem Auftragen auf den Bildträger gemischt werden« (Wikipedia, die freie Enzyklopädie). Ich habe noch nie ein Gemälde in eine Installation eingebunden. Ich habe des Öfteren darüber nachgedacht, mich aber bis heute immer dagegen entschieden. In meiner bisherigen Arbeit gibt es »gemischte Farbe« auf Cotton duck, Sperrholz, Leinwand und auf einer PVC Spiegelfolie.
artemak: Seit wann malst Du und welchen Stellenwert nimmt die Malerei in Deinem Gesamtwerk ein?
TK: Ich habe immer schon gemalt, aber das ist natürlich keine Antwort. Wenn ich versuche, eine Einteilung zu finden, dann beginnt meine erste Epoche darin, der eigenen Mutter und den Nachbarn zu gefallen. Die zweite und vielleicht ernsthaftere Auseinandersetzung mit Malerei folgte mit meinem Wunsch, an eine Kunstakademie zu gehen. Ich habe für meine Bewerbungsmappe viel gemalt und gezeichnet. Der dritte Haltepunkt beginnt mit dem Anfang meines Kunststudium 1995 und wurde 1996 durch einen »Schock« unterbrochen. Ich hatte mich daraufhin entschlossen, mit der »gemischten Farbe« auf einem Bildträger aufzuhören. Das bewegte Bild und der dreidimensionale Raum waren für mich attraktivere Lösungen in der Auseinandersetzung mit »Malerei«. Mein vierter Haltepunkt war ein »Rückgriff« auf meine Malerei. Ich hatte mich 2003 entschieden, meinen Lebensmittelpunkt nach London zu verlegen. Ich wollte aus einer Distanz zu Deutschland und Berlin heraus für mich noch einmal überprüfen, wie es um meine Arbeit und der »gemischten Farbe« auf einem Bildträger steht – das schien mir damals attraktiv: Der »einfache« Bildträger schien vielleicht doch der beste Ort, um über seine Ideen zu stolpern. Da er der kleinste gemeinsame Nenner zwischen Idee und Ökonomie (Umsetzung) ist. In einer Zeit, in der wieder viel gemalt wird, ist es immer noch der Ort, an dem man sich wieder blamieren kann – das interessiert mich. Seit ich in London lebe, male und zeichne ich wieder sehr viel.
artemak: Hast Du von Anfang an die mit organischen Pigmenten gebundenen Bilder in Alkydharz gemalt?
TK: Nein, aber doch sehr früh. Erst habe ich nur mit reiner »fertig angeriebener« Ölfarbe gemalt, dann habe ich das Alkydharz mit der »Ölfarbe« gemischt. Ich suchte nach harten, nicht wieder anlösbaren Farbschichten. Ich wollte in meinen Bildern einen »harten« Tiefenraum, der weniger »weich« ist, wie man ihn über die Ölmalerei findet. Am Ende habe ich mir die Farben selbst angerieben. Ich benutzte organische Pigmente (Kremer), Shellsol Terpentin und Alkydharz GG (Kremer).
artemak: Hast Du in der Vergangenheit auch andere Farben als zum Beispiel Acryl - oder Ölfarben für die Bilder verwendet?
TK: Ölfarbe: ja, wie oben beschrieben. Acrylfarbe: nicht wirklich. Die Verwendung von Acrylfarbe hat mich nie wirklich begeistert. Meine erzielten Ergebnisse blieben mir oft zu grafisch. Es ist die Eigenschaft der Acrylfarbe, an der Oberfläche zu bleiben – was einem hilft »modern« zu sein, aber am Ende hat mich der Bewegungsspielraum in die Bildtiefe mehr interessiert. Ich finde das Medium der Acrylfarbe sehr schwierig und bewundere daher deren Verwendung in der Arbeit von Günther Förg.
artemak: Kannst Du bitte beschreiben wie Du die Mischungen hergestellt hast bzw. wie hoch der Anteil des Harzes und der Pigmente war?
TK: Das geschieht ganz nach Gefühl. (Einem Klischee entsprechend, koche ich auch nicht nach einem Kochbuch – aber ich koche sehr gerne.)
artemak: Wurden die Farben deckend oder mehr lasierend eingestellt?
TK: Mit dem Alkydharz arbeitete ich immer in sehr dünnen, lasierenden Schichten. Seit einem Jahr arbeite ich nur noch mit Tuschen, die es auch erlauben, in dünnen, lasierenden Schichten zu arbeiten.
artemak: Mit welchen Mal- bzw. Verdünnungsmitteln hast Du die Farben vermischt und aufgemalt?
TK: Für die »Alkydharzmalerei« arbeitete ich oft mit Shellsol (Kremer), wenn ich ein »stumpferes« Ergebnis haben wollte, oder mit »Balsamterpentinöl«, wenn das Ergebnis »lackartiger« sein sollte. Für die Tuschemalerei verwende ich Tuscheverdünner (TU 420 von Kremer) oder Acryl-Dispersion (Primal AC 33 von Kremer).
artemak: Welchen Typ von Alkydharz hast Du dafür verwendet?
TK: Alkydharz GG (Kremer).
artemak: Welche Sorte von Pigmenten hast Du dafür verwendet?
TK: Roter Ocker (Kremer 11584), Brauner Ocker (Kremer 11620), Onyx Schwarz (Kremer 11670), Obsidian (Kremer 11674), Gubbio Rot (Kremer 23493), Hostapermrot (Kremer 23720), Quindo Rosa (Kremer 23402), Nicosiagrün (Kremer 41770), Kupferblau (Kremer 45364), Nickeltitangelb (Kremer 43200), Nickeltitangelb-Grün (Kremer 43210), Prideritgelb (Kremer 43190), Jade (Kremer 11390), Fuchsit (Kremer 11424), Ultramarinrot (Kremer 42600), Praseodymgelb (Kremer 43230), Veroneser Grüne Erde (Kremer 41700), Roter Englischer Grubenocker (Kremer 40351), Titandioxyd Natur (Kremer 46280), Spinellschwarz (Kremer 47150).
artemak: Neuerdings malst Du mit Tusche und Acrylfarben auf ungrundierter Leinwand. Warum der Wechsel?
TK: Mit dem Alkydharz macht man sich zu viele Pinsel kaputt. Ich habe auch Asthma, Neurodermitis und bin Raucher; da ist die Verwendung von Alkydharz und Terpentin nicht gesundheitsfördernd – also entstand das Umdenken zu wasserlöslichen Medien. Die Acrylfarbe kam aus oben beschriebenen Eigenschaften nicht zum Einsatz, und so habe ich die »Tusche« für mich entdeckt. Auch hier verwende ich Produkte aus dem Hause Kremer Pigmente: Farbtuschen (TU 310–375) und Sepia-Schwarz (TU 460). Ich reibe mir weiterhin eigene Farben an: Pigment plus Tuschebindemittel (TU420). Die Tusche, aufgetragen auf ungrundiertem Gewebe, zieht in dieses ein und trocknet Pigmenttrocken auf. Ich kann weiterhin in dünnen, lasierenden Schichten arbeiten. Die aufgetrocknete Tuscheschicht lässt sich mit einem weiteren Auftrag nicht anlösen. Es ist fast wie bei einer Zeichnung – jeder »Fehler« bleibt auf dem Bildträger stehen und bleibt unter mehreren Farbschichten sichtbar – das interessiert mich.
artemak: Malst Du nur auf Leinwand oder gibt es auch andere Bildträger?
TK: Auf die »Tuschemalerei« bezogen arbeite ich gerade auf ungrundiertem Cotton Duck oder auf einem ungrundierten Jute-Gewebe. Bei der »Alkydmalerei« habe ich auf grundiertem Sperrholz, Leinwand, Cotton Duck oder auf einer PVC Spiegelfolie gearbeitet.
artemak: Wie verarbeitest Du Tusche und Acrylfarbe auf der ungrundierten Leinwand?
TK: Das aufgezogene Gewebe wird über einen Zerstäuber mit Wasser benetzt, das erlaubt mir später größere Bewegungsfreiheit mit dem Pinsel. Die Tusche wird extrem mit Wasser und Tuschebinder (oder Primal AC33) verdünnt und im »richtigen« Farbton in Plastikbechern bereitgestellt. Die Pigmente werden entsprechend angerieben. Die Vorbereitung dauert oft länger als der Akt des Malens (oder umgekehrt). Ich arbeite vom Hellen ins Dunkle.
artemak: Wie kombinierst Du Tusche und Acrylfarbe bzw. für welche Partien werden die verschiedenen Farbtypen innerhalb des Bildes verwendet und welche Wirkungen willst Du damit erreichen?
TK: Ich verwende reine Acrylfarbe oder reine Ölfarbe in Verbindung mit der Tusche, wenn ich deckende oder grafische Bereiche brauche.
artemak: Welches Tuscheprodukt hast Du dafür verwendet?
TK: Siehe oben.
artemak: Welches Acrylfarbenprodukt hast Du dafür verwendet?
TK: Pigment in Acryl-Dispersion (Primal AC 33 von Kremer) angerieben.
artemak: Hast Du in der Vergangenheit Firnisse als Überzug auf Deinen Gemälden aufgebracht? Wenn nicht, warum nicht?
TK: Nein. Ich habe bisher in meiner Arbeit noch keine Notwendigkeit dafür gesehen.
artemak: Aus welchen Gründen verwendest Du ungrundierte Leinwände?
TK: Die Farbe kann in das Gewebe einziehen. Es entsteht ein Tiefenraum, der in und nicht auf der Bildfläche liegt – das interessiert mich. Es gibt dabei wenig oder keinen pastosen Farbauftrag. Die Bildfläche bleibt pigmenttrocken und stumpf.
artemak: Welche Webart von Leinwand bevorzugst Du für Deine Malerei? Mehr mit einer feinen oder grobmaschigen Textur?
TK: Ich habe im letzten Jahr auf einem grobmaschigen Jute-Gewebe begonnen und für meine Ausstellung dieses Jahr auf einem dichten, schweren Cotton Duck gearbeitet. Auf dem Jute-Gewebe habe ich mit dunklen und schwarzen Tönen gemalt und später auf dem Cotton Duck mit Farbtuschen. Die Eigenfarbigkeit des Cotton Duck unterstützt die Leuchtkraft der Farben, ohne sie weiß grundiert zu haben. Ich habe mich bisher nicht festgelegt.
artemak: Sind die Leinwände immer über Keilrahmen aufgespannt?
TK: Ja. Das kann sich aber ändern. Der Keilrahmen hatte bisher den Vorteil der Mobilität (abspannen, zusammenrollen, mitnehmen (...) aufspannen).
artemak: Sind die Leinwände mit Nägeln oder Tackerklammern befestigt?
TK: Das Gewebe ist bisher mit Tackerklammern aufgespannt – aber auch das kann sich ändern.
artemak: Bisher hast Du Deine Gemälde nicht gerahmt, warum?
TK: Bildrahmen sind ein schwieriges Thema, wenn man ihn nicht nur in der Schutzfunktion sieht. Ich habe bisher kein Bedürfnis, den Rahmen zu meinem Farbträger mitzudenken. Ich sehe keine Notwendigkeit dafür.
artemak: Noch mal zu den Produkten und Deinen Erfahrungen damit. Hast Du eindeutige Präferenzen für bestimmte Leinwände, Pigmente, Farben und Tuschen und warum?
TK: Erfahrungen, ob gute oder schlechte, helfen einem gezielter zu arbeiten. Es ist eine Frage der Ökonomie, warum ich gerne auf mir bekannte Produkte zurückgreife. Ich probiere aber auch viel Neues.
artemak: Welche besonderen negativen Erfahrungen hast Du bisher mit den von Dir verwendeten Materialien und Techniken gemacht?
TK: Das wird ein langer Roman und am Ende ist alles nur eine Frage von Geld.
artemak: Beziehst Du die Leinwände, Pigmente, Farben, Tuschen und Acrylfarben aus beliebigen Geschäften oder aus dem Künstlerbedarfsgeschäft?
TK: Farben und Pinsel: Kremer Pigmente, Stuttgart oder München http://www.kremer-pigmente.de
Leinwand, Cotton Duck: Russell & Chapple, London http://www.russellandchapple.co.uk
Keilrahmen: CYM Cymbarewicz, Berlin http://www.cym-kunstmalerbedarf.de
Allerlei: A.P. Fitzpatrick, London, 142 Cambridge Heath Road, London, E1 5QJ. https://shop.apfitzpatrick.co.uk/
artemak: Signierst, datierst und betitelst Du Deine Gemälde?
TK: Ja.
artemak: Auf der Vorder- oder Rückseite?
TK: Ich signiere meine »Bilder« auf der Rückseite mit Datum und Titel. Auf der Bildvorderseite steht das Jahr der Entstehung – meist oben rechts.
artemak: Direkt nach der Fertigstellung oder erst nach dem Verkauf?
TK: Ich signiere nach der Fertigstellung – das bezeichnet für mich den Moment, in dem das Bild fertig ist. Nur sehr selten gehe ich noch einmal über ein schon signiertes Bild, und oft stellt es sich später als Fehler heraus.
artemak: Wir als Konservatoren und Restauratoren wissen aus eigener Erfahrung, dass gerade die Unklarheiten über Details der künstlerischen Konzeption und Materialverwendung zu den größten Problemen und Missverständnissen bei der Betreuung in den privaten und öffentlichen Sammlungen und auf Ausstellungen führen können. Zusätzlich zu unserem Fragenkatalog scheinen uns folgende Punkte von großer Wichtigkeit für die zukünftige Betreuung Deiner Werke: Inwieweit akzeptierst Du Alterungsprozesse? Zum Beispiel Verblassen, Vergilben und Verspröden von Farben, Tinten, Tuschen, Farbstiften, Papieren, Pappen und Kartons.
TK: Wir betreten damit das Gebäude einer anderen Interessengemeinschaft!!! Alterungsprozesse interessieren mich nur insofern, dass auch ich akzeptieren muss, dass »Entropie« nicht nur ein theoretisches »Gedankenmodell« der Physik ist. Im Kampf um »Unsterblichkeit« akzeptiere ich am Ende den Alterungsprozess.
artemak: Wie definierst Du einen Schaden?
TK: Schaden, entstanden aus Intoleranz und Ignoranz.
artemak: Wie definierst Du Schmutz?
TK: Weiße Handschuhe – immer! Ich möchte nicht den Ehrgeiz einer Interessengemeinschaft aufhalten, den »original Zustand« wiederzufinden.
artemak: Wie definierst Du Patina?
TK: Das ist Teil der »Entropie« und sollte beibehalten werden.
artemak: Wie weit dürfen für Dich Konservierungsmaßnahmen gehen?
TK: Das ist eine philosophische Frage: Soll alles, was möglich und Stand der Forschung ist, zur Anwendung kommen? Ich habe darauf keine Antwort. Diese Frage ist nicht Teil meiner Arbeit.
artemak: Wie weit dürfen für Dich Restaurierungsmaßnahmen gehen?
TK: Auch diese Frage bzw. Antwort ist Teil der »Entropie« und wird sicherlich über einen unterschiedlichen Zeitraum gesehen von unterschiedlichen Interessengemeinschaften unterschiedlichst beantwortet werden. Ich habe darauf keine Antwort. Diese Frage ist nicht Teil meiner Arbeit.
artemak: Willst Du bei Auftreten eines Schadens informiert werden?
TK: Ja. Dabei geht es doch meist um die Frage der Versicherung – solange ich ein »lebender Künstler« bin, ist es die billigste Lösung, mich zu informieren und zu den anstehenden Restaurierungskonzepten hinzuzuziehen – auch auf die Gefahr hin, den Wiedererkennungswert der Arbeit zu verlieren oder gar die gesamte Arbeit. Eine entgegenlaufende Entscheidung ist Teil einer anderen Interessengemeinschaft und liegt nicht in meinem Interesse.
artemak: Willst Du bei der Erarbeitung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzepts mitarbeiten?
TK: Ja.
artemak: Willst Du Einblick in das Restaurierungskonzept haben?
TK: Ja.
artemak: Willst Du über die durchgeführten konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen informiert werden?
TK: Ja.
artemak: Interessieren Dich generell Fragen zur Konservierung und Restaurierung?
TK: Nein.
artemak: Bist Du interessiert an Informationen zu neuen Materialien und Techniken?
TK: Ja.