Interview mit Ekkehard Tischendorf

Projekt/Anlassartemak+X / Erhebung von Informationen zur Verwendung und zum Erhalt von Tagesleuchtfarben im Werk von Ekkehard Tischendorf
Interview mit          Ekkehard Tischendorf (ET)
Geführt von       Sarah Giering (SG)
OrtAtelier des Künstlers in Dresden
Datum

17.06.2019

AnmerkungenAufnahme beginnt im Gespräch
TranskriptSophie Gurjanov (Transkription)
 Sarah Giering (Überarbeitung)
 Ekkehard Tischendorf (Ergänzungen)
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 (Text ?)= Wort nicht ganz verständlich
 [Text]= Ergänzungen
 /= Abbruch eines Satzes
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Techniken

Acrylmalerei Frottage Lithografie Mischtechnik Monotypie Ölmalerei Siebdruck

Materialien

Acrylfarbe Baumwollgewebe Belgisches Leinen Büttenpapier Dammarfirnis Eitempera Firnis, unbestimmt Floatglas Füllspray Grundierung Hautleim Keilrahmen Kreide Leinölfirnis Leinwand Leuchtfarbe Lithopone Magenta Museumsglas Ölfarbe Pigment, unbestimmt Rahmen, unbestimmt Rügener Kreide Schattenfugenrahmen Tagesleuchtfarbe Temperafarbe

 

SG: Mir fiel es schwer in so wenigen Fragen all diese völlig unterschiedlichen Kunstwerke zusammenzufassen.

ET: Es gibt ja Künstler die arbeiten sehr konzentriert an einer Motivorientierung. Also die wurschteln das immer wieder, kauen das immer wieder hoch. Ganz viele Fassungen oder Serien davon. Bei mir ist es ja eigentlich ein ziemlich großes Spektrum. Es gibt also Zeiten, da gibt es das Thema, dann hast du das wieder mit den Ballons hier. Dann hat man sich darüber abgearbeitet, aber auch nicht kohärent und immer nur mit diesem Thema. Es kam dann immer wieder mal. Dann waren die Berge ja ein Thema - genau. 

SG: Ja, auch in Kombination: Die Heißluftballons mit den Bergen.

ET: Und dann kombiniert. Genau. Das sind aber auch manchmal einfach nur bildnerische Intuitionen oder Gefühle, wie man sagt. Das könnte jetzt miteinander funktionieren.

SG: Du wiederholst es ja auch trotzdem immer wieder. Mir ist es gerade bei den Heißluftballons aufgefallen, dass du sie - seit 2010 bis heute - immer wieder einsetzt.

ET: Erstens ist die Form sehr archaisch. Es ist irgendwie eine sehr dankbare Form. Das sieht zwar so einfach aus, aber es ist ja nicht bloß ein Kreis, es muss ja eine Ballonform sein. Beim Malen merkst du erstmal wie schwierig das ist, diese Ballonform da zu lösen und auf der anderen Seite ist es so eine dankbare archaische Form im Bild - und eben auch durch diese organische, runde Situation gegenüber diesen Bergen, die ganz schön funktioniert. Man fragt doch, wenn man sich mit so Gegenständlichem befasst, ob es eine große Emotion, also eine Atmosphäre auslöst.

SG: Ja, gerade die Berge, so von oben herab.

ET: Genau, diese Vogelperspektive. Das zieht dich dann rein. Also zwei Bilder, die mir da jetzt einfallen, die im Teil diese Kraft entwickeln - "Rote Bergschatten" ist das letzte gewesen und das "Blaue Band" - und da hast du echt das Gefühl, dass (pfeift) du da selber irgendwie mit so einem Paraglider über die Berge fliegst und drin bist. Wenn dir dann noch so ein Ballon entgegenkommt, so ein kleiner - ist schon irgendwie ganz originell. Aber, das sind hier im Atelier manchmal einfach so Geistesblitze oder irgendwelche Dinge, die dir da plötzlich sagen: "Jetzt probierst du es mal so." Man kann gewisse künstlerische Prozesse - zumindest würde ich das behaupten - nicht unbedingt steuern. Die auch einfach sehr stark intuitiv gelenkt werden. Dann gibt es auch wiederum - das wollte ich eingangs gerade sagen - Künstler die sehr programmatisch arbeiten. Die ganz stringent Dinge abarbeiten und sehr seriell denken. Dann gehst du in die Ausstellung - Es wirkt irgendwie alles sehr homogen, aber auch irgendwie gleich und vielleicht auch im schlimmsten Fall langweilig. Das ist mir irgendwie tatsächlich nie gelungen.

SG: Wolltest du das denn? 

ET: Naja, ich hab schon versucht ein bisschen aufzuräumen in meinem Werkzyklus. (lacht) Weil man natürlich immer wieder auch an solche Personen geraten ist, die ein bisschen mehr im Kunstmarkt gedacht haben: "Du musst dich mal ein bisschen konzentrieren auf ein paar Themen." Und dann hieß es schon, dass man vielleicht ein bisschen seriell denken sollte. Das hat mich natürlich ein stückweit beschäftigt, aber auf der anderen Seite wollte ich mich auch nicht so einengen lassen und gleich gar nicht für den Kunstmarkt arbeiten. Ich wollte einfach sehr frei in das Atelier gehen und ungezwungen arbeiten. Wenn ich eben heute Lust hab Berge zu malen, mal ich halt Berge und morgen mal ich eben wieder die Leuchter-Figur. Ist doch wurscht, oder? (lacht) Hauptsache das Bild in sich ist irgendwie authentisch. Warum das jetzt in einer fünffachen Fassung oder in einer Serie entstanden ist, ist total egal, oder? Aber für den Markt ist es natürlich einfacher eine Handschrift zu verkaufen, die über, sozusagen, mehrere Länder funktioniert. Als wenn man nur so ein Solitär ist. Ist meine Erfahrung.

SG: Also entwickeln sich die Figuren auch einfach aus der Situation heraus, hör ich da jetzt heraus.

ET: Genau. Früher hab ich mir ja auch - durch Zeitschriften, was man irgendwo aufgeschnappt hat, was man gesehen hat bei anderen Künstlerkollegen, im Katalog -  was rausgeschnappt, geklaut, aber als Impuls genutzt. Also wie der Leuchter jetzt gerade entstanden ist, da überlege ich gerade. Da ist ja eigentlich eine Putte als Vorbild. Eine klassische barocke Puttenfigur. Ob ich die irgendwo mal gesehen hab, dass weiß ich grad nicht mehr. Ich weiß nur, dass sie irgendwann als dieses leuchtende Teil da auf diesen schwarzen Untergrund gelandet ist. Diese Technik, die ich entwickelt habe. Das war ja auch spannend damals in der Zeit. Und dann hab ich versucht da irgendwie mal dran zu bleiben. Weils auch so einen großen Wiedererkennungswert hat.

SG: Ja, du hast es ja dann wiederholt.

ET: Genau. Diese Wiederholung war eigentlich damals, weil ich das so spannend fand. Und weil das auch sehr eigenständig wirkte. Hatte ich vorher so in der Form auch nie gesehen. Da guckst du auch immer "Wie arbeiten die Andern". Du gleichst das einfach ab, ohne die Anderen zu kopieren. Aber gleichzeitig sagst du: „Okay, jetzt ist gerade mal irgendwas entstanden im Atelier, was irgendwie ein bisschen anders aussieht, als das was man sonst so landläufig sieht.“ Weil darum geht es ja letztlich. Dass du da nicht irgendwie so eine Epigone von irgendwelchen Anderen wirst, sondern dass du deine eigene Form findest - und Haltung. Und das hat ich dort irgendwie am stärksten. Deswegen habe ich diese Technik auch so ausgebaut. Deswegen ist die Leuchtfarbe dazugekommen. Das waren alles solche Wege, die man einfach durch das Labor Atelier entdeckt.

SG: Durch das Ausprobieren. 

ET: Probieren. Genau. Und auch durch Zufall. Ich weiß noch gar nicht, wie ich auf das Spray gekommen bin, ehrlich gesagt. Irgendwann landete das halt bei mir. Und ich muss es ja irgendwie scheinbar damals im Großhandel gekauft haben. Nicht jedes Leuchtspray hat so funktioniert, wie ich es brauchte. Die, die du fotografiert hattest - die Spraydose [Sparvar RAL Leuchtfarben] - das habe ich ja dann eigentlich nur noch genommen.

SG: Aber, du hattest vorher ein paar andere Produkte ausgetestet bis du dann zu dieser gekommen bist.

ET: Genau. Über die Jahre hinweg - das sind ja nun 15 Jahren mittlerweile - verschwinden ja auch Produkte vom Markt. Und dann merkst du auch chemisch reagieren sie anders. Früher hat man auch viel mit Acryl gemalt. Mit wässrigem System. Dann hat man da auch reingesprüht und es hat dann auch gewisse Effekte gegeben. Das hab ich jetzt alles nicht weiterverfolgt, aber in der Verwendung mit der Ölfarbe ist dann dieses Produkt am besten. Hat sich am besten bewährt. Ich hab jetzt hier noch ein paar Papierarbeiten für Hamburg. (zeigt auf mehrere gerahmte Arbeiten, die im Raum stehen) Hab ich ganz viel mit gearbeitet.

SG: Also auch auf dem Papier arbeitest du mit dem Spray?

ET: Ist jetzt eine Monotypie, im weitesten Sinne. Der Griff zu dieser Farbe oder zum Leuchtenden im Bild ist sehr automatisch.

SG: Wie kam das? Wieso gerade diese Leuchtfarbe?

ET: Diese jetzt speziell oder insgesamt?

SG: Dieser Effekt. Die Farbigkeit. Gibt es da eine Bedeutung für dich? 

ET: Das habe ich mich tatsächlich auch schon ein paar Mal gefragt. Ich glaube es ist einfach dieses von Natur her in dir angelegte Kolorit. Ich bin zwar eher der gedeckte Typ, aber in Bildern wird es ein bisschen lauter. Warum das so ist, weiß ich nicht. Aber das ist ein totales Bedürfnis, dass ich bunt male.

SG: Du musst das dort rauslassen. (lacht)

ET: (lacht) Ich muss das dort rauslassen. In Echtheit trau ich mich eben nicht magentafarbene Leggings anzuziehen und ein gelbes Top oder so - oder Hemd. Das ginge ja gar nicht mehr.

SG: Also da ist jetzt keine konkrete Bedeutung. Es geht eher um die knallige Farbe.

ET: Da ist kein Konzept dahinter, wenn das vielleicht gemeint ist mit der Farbe. Vielleicht empfinde ich es ja gar nicht als so schreiend. Ich guck ja ständig auf solche Farben. Das ist ja wie beim Raucher, der raucht einfach und der riecht es auch irgendwann [nicht mehr], das ist total normal. Das ist seine Duftkonzentration, die er braucht. Und für jemand der das eben nie sieht in seinem Alltag, der denkt auch "Boah, das ist aber erstmal hier eine ganz schöne Knallbonbon-Nummer.“ Es wird oftmals auch sehr positiv aufgefasst. Scheinbar gibt es eine Sehnsucht bei vielen Leuten nach dieser Farbfrische.

SG: Wobei sie ja auch immer im starken Kontrast zu Dunkelheiten steht. 

ET: Ja, so funktioniert sie halt am besten. Durch die Umgebungstemperatur hast du automatisch dann [eine signifikante Signalwirkung.] Aber selbst wenn du hier ein Magenta auf so einen weißen Bogen sprühst (zeigt auf Partien der Arbeit Untitled (ETP1914)), was ich ja zum ersten Schritt ja auch hier mache. Die Monotypie ist ja eigentlich nur der letzte Vorgang, der drüber gedruckt wird. Das ist der letzte Druckstock. Der Rest ist ja erstmal eingefärbt mit beliebiger Spray[farbe] oder dieses Kreuz wurde mit einer Rakel [aufgebracht]. Alles nur erstmal vorsprühen, was dann von unten vorkommt. Und dadurch das ich aus der Glasplatte etwas rausschabe und rauskratze entstehen diese organischen Formen, die dann eben die Leuchtfarbe von der ersten Lage wieder durchlassen.

SG: Also wird die oberste Farbe dann über eine Glasplatte aufgetragen.

ET: Das was du hier jetzt als Dunkelgrün wahrnimmst, diesen ganzen Pinselduktus, ist alles auf Glas gemalt, horizontal gelegtes Glas. Hier so. (zeigt auf Glasplatten im Hintergrund) Da liegt es auf dem Tisch auf der Platte und dann mal ich hier drauf. Und dann hab ich, in dem Fall zum Beispiel mit einem Spraydosendeckel, so einer runden Spraydosenkappe, diese Form herausgeschabt, fast rausgeschrieben, fast typografisch oder kalligraphisch, teilweise auch Farbverläufe eingebaut, was bei der Arbeit jetzt noch nicht so stark ist, aber bei anderen. Und dadurch, dass du es ja wieder rauskratzt von der Glasscheibe ist dort logischerweise keine Farbe mehr, die dann eben abgedruckt werden kann. Wenn ich das rausschabe hier (zeigt auf eine Stelle auf der Arbeit), hat es natürlich die Chance die Farbe von unten frei beleuchten zu lassen. Ich arbeite praktisch bei der Monotypie nicht auftragend in dem Sinne.

SG: Deswegen frage ich nach, ich hatte schon verschiedene Methoden gefunden.

ET: Genau, es gibt ja Leute, die machen Portraits drauf und modellieren das wie auf einer Leinwand und dann drucken sie es ab. Und bei mir ist es so: Zum Beispiel bei dem ist es nochmal ganz interessant. (sucht aus dem Stapel die Arbeit Untitled (ETP1912) heraus und erklärt anhand dieser Arbeit) Es gibt da praktisch diesen bläulich-grauen Fond, wo ich es dann rausgekratzt hab. Und dann entstehen auch solche Verdichtungen. Also die Farbe die du hier wegträgst, die wird irgendwo wieder fallen gelassen oder abgelagert. Und dann entstehen eben auch solche schönen dichten Momente. Und das ist eben hier sehr transparent angelegt, sodass die ganzen bräunlich, Terra-di-Siena-artigen Sachen dann von unten durchscheinen. Das waren einfach sehr spielerisch angelegte Papierarbeiten jetzt in dem Sinne.

SG: Du führst inzwischen auch genauso viel Papierarbeiten aus, wie Leinwandarbeiten? Kann man das so sagen? 

ET: Es scheint aktuell so.

SG: Was haben die verschiedenen Techniken für Stellenwerte für dich?

ET: Ich bin schon ausschließlicher Leinwandmaler, bisher zumindest gewesen. Aber jetzt war natürlich mit der Galerie hier immer die Überlegung wirklich nur die Papierarbeiten auszustellen. Das hat mich natürlich auch veranlasst mal dem Thema Papier als Bildträger eine wirklich völlig neue Bedeutung zu geben. Dass man den dann auch anders behandelt als Leinwand war irgendwie auch logisch. Und deswegen habe ich auch immer diese starke Neigung mit Monotypie gehabt und hab gedacht: „Da holst du mal mehr raus.“ Das ist hier ein [Ries Alt Meissen von Zerkall], so wie du es ab Werk kriegst, so ein großer Büttenbogen. Ich habe ihn gleich genutzt und den auch nicht zerrissen, sondern gleich versucht ihn in der Größe als Blattabzug zu lösen. Und da war jetzt überhaupt keine Überlegung, da mit einer Figur was zu machen. Rein technisch lag es nicht nahe und dann hab ich das so entdeckt. Ich hab das Sujet der Palme irgendwie versucht zu lösen oder einfach darüber bildnerisch was herzustellen. Und da gab es dann irgendwann eine ganze Serie von Blättern, die jetzt zum Teil in der Galerie hängt, die Palmen zum Beispiel. Und eben auch solche Sachen hier. Aber trotzdem denke ich, die Leinwand wird es als Hauptthema immer geben.

SG: Ist es deine favorisierte Technik?

ET: Ja. Wobei ich grad im kleinformatigen Bereich wirklich gerne Papierarbeiten mache. Weil die viel spielerischer entstehen und irgendwie oft den Kopf erfrischen und eben einfach als Nebengeräusch zur Leinwand, sag ich mal, eine totale Bereicherung sein können. Da lässt sich anders drauf arbeiten, auf Papier. Das ist jetzt in dem Fall auch eine Monotypie dort.

SG: Und arbeitest du auch in anderen Techniken auf Papier?

ET: Ja, auch. Das ist ja eine Drucktechnik, eigentlich, in dem Sinne. Die ich aber trotzdem malerisch behandle indem ich drunter mit einem Pinsel direkt auf den Bogen gehe. (geht zu anderen gerahmten Papierarbeiten im Raum) Und dann wird drauf gedruckt.

SG:  Also „draufgedruckt“ meint welche Technik? Siebdruck?

ET: Nein, alles Monotypie vorrangig. Nur diese Leuchtfarbe in dem Fall hier (zeigt auf eine Papierarbeit), die hab ich tatsächlich auch willkürlich so als Farbfleck aufs Papier gemacht, also direkt aus dem Gebinde, der Verpackung, drauf und dann eben mit der Rakel einfach nochmal drübergezogen. Bei der Arbeit ist eigentlich mit dem Pinsel gar nichts gemacht worden, außer auf Glas gemalt, dann die Dinge hier drunter, die dann aber ins Braune gedruckt wurden. Das ist eine Arbeit die mal bemalt ist. Und das auspacken, oder?

SG: Gerne! Wenn du was zeigen willst.

ET: Genau. (zeigt die Arbeit Untitled (ETP1312)) Schau, das wäre jetzt eine Arbeit von 2013. Hier sieht man es auch ganz schön. Ich habe damals, wenn ich in dem Moment an der Leinwand gearbeitet hab, auch das Papier genutzt - das ist eine alte Lithographie noch aus der Hochschulzeit von meinem Lithographiekurs. Das waren Andrucke, also keine gültigen Blätter. Und die hab ich dann während des Malens genutzt, um sie auf der Leinwand mit abzureiben. Wenn ich Farbe auf der Leinwand hatte, dann habe ich mit einem Papierbogen versucht drüber zu drucken, abzureiben, frottagieren, um da auch gewisse Strukturen zu erzeugen, die sich ja hier auch wieder abgezeichnet haben, auf einem Blatt. Ist eine Win-Win-Situation für die Leinwand und eben auch für den Bogen Papier. Und manchmal, da liegen die Papierarbeiten wirklich - deswegen sage ich ja gerne Nebengeräusch dazu - irgendwie im Augenwinkel im Atelier, oder hängen an der Wand, so als Zwischenstadium. Und dann entdeckst du da drin eine Situation, die du bildnerisch weiter definieren und formulieren könntest. Und manchmal ist es dann bloß was Aufschabloniertes oder was Reingemaltes, wie hier eben. Da hatte ich damals so eine Serie mit so einer organischen, skulpturalen, dreidimensionalen, angelegten Form. Und das sind praktisch noch Relikte aus einem Bildzustand von vorher drunter. Und so entstehen dann manchmal einfach völlig spielerische Arbeiten.

SG: Aber hier arbeitest du doch in einer ganz anderen Technik, also malerisch?

ET: (zustimmend) Oder eben hier gar nicht als Monotypie, sondern wirklich als Malerei auf Papier, wenn man so will. Und das ist eigentlich der größte Luxus, den du dir als Maler ja auch erlauben musst, dass du da über den Prozess arbeitest. Dass die Arbeiten einfach wirklich stehen können, und auf ihren Glücksmoment warten müssen, bis du da irgendwie reinkommst und das Ding einfach dann klärst. Ich hab auch die Frage [im Fragenkatalog] gelesen, ob ich meine Papierarbeiten rahme. Hattest die Frage gestellt?

SG: Die Papierarbeiten? 

ET: Papierarbeiten. Ja. Also, ich hab noch nie eine Papierarbeit gezeigt, die nur über ein Tape oder über irgendeine Heftklammer oder eine Nadel irgendwie dort in der Galerie oder in der Ausstellung hing. Also, sie waren eigentlich alle hängefertig, praktisch. Der Mehrwert der Wirkung wird dadurch total erhöht.

SG: Aber die Leinwände werden auch gerahmt, oder nicht?

ET: Kommt drauf an. Nicht jede Leinwand eignet sich tatsächlich für einen Schattenfugenrahmen. Das ist eigentlich der üblichste oder momentan gängigste Weg, eine Arbeit zu präsentieren. Manche Arbeiten brauchen es tatsächlich sehr. Sie kriegen durch die Schattenfuge eine gute Wahrnehmung. Und es gibt Arbeiten, die brauchen das überhaupt nicht. Die vertragen das auch nicht. Aber meine Beobachtung war, dass gerade die kleineren Formate, so 80 mal 100 und kleiner, sich eigentlich in der Regel immer mit einem Rahmen sehr gut versöhnen und dadurch auch eine bessere Wirkung kriegen. Sonst zerflattern die irgendwie.

SG: Und größere Arbeiten werden eher nicht gerahmt?

ET: Es ist eine ökonomische Frage mittlerweile, weil die Rahmen wirklich gigantisch teuer sind. Das ist einfach auch echt eine Investition. Für so ein Format zahlst du hier locker 400 Euro. Als Künstler gehst du in Vorleistung - Zeit, Material und however. Wann das verkauft wird, weiß man ja nicht. Und wenn du dann sozusagen noch mal so eine Zusatznummer draufsetzt, wenn es die Galerie eben nicht bezahlt, dann muss das der Sammler dann machen. Es sei denn, die Arbeit ist dir so wichtig, und die an einem so repräsentativen Ort ausgestellt wird, wo du sagst: „Okay, dann muss sie nochmal so rund und perfekt wie möglich sein.“ Aber es ist den meisten Kollegen, denke ich mal, einfach schier unmöglich, dass die eine komplette Ausstellung rahmen können. Die Kollegin, mit der ich jetzt in Hamburg ausgestellt habe, die Marion Fink, hat zum Beispiel gar keine Rahmen verwendet. Da hatte sie dann ein Präsentationskonzept entwickelt. Sie verwendet eben diese kleinen Heftklammern für ihre Monotypien.

SG: Auch für die Papierarbeiten?

ET: Sie arbeitet ausschließlich auf Papier. Und auch wirklich große Formate, zwei Meter und 15 und so weiter. Und wenn du natürlich so ein Format noch rahmen lassen musst, klar, dass ist aber echt ein Vermögen letztlich. Jetzt hängt sie den Bogen praktisch ganz locker an die Wand. Geht auch.

SG: Ja, geht auch.

ET: Ja, da spart man sich zumindest das Risiko. Weil die (zeigt auf die gerahmten Monotypien) habe ich auch rahmen lassen, die Kosten da waren ja auch ein kleines Vermögen. Die sind jetzt nicht gezeigt worden. Insofern ist auch die Möglichkeit erstmal nicht gegeben, dass es sich jetzt rechnet. Bei denen jetzt hier. Aber gut, das macht die Arbeit deswegen nicht schlechter. Da ist nur grad einfach Gewinn blockiert. So sehe ich das einfach. Aber wenn du es halt irgendwo anders mit ausstellen willst, habe ich den gleichen Anspruch, egal wo. Papierarbeiten müssen einfach schön gerahmt sein.

SG: Und rahmst du auch nur aus [ästhetischen Gründen]? Oder hat es auch für dich den Grund, dass die Arbeiten nicht berührt werden können, beispielsweise?

ET: Nein, das würde ja keinen Sinn machen, die Überlegung. An der Leinwand kann ja auch jeder dran rumfingern. Das ist tatsächlich eine Präsentationsästhetik. Auf die Distanz gerahmt - also wo auch die Malerei jetzt keinen Kontakt zum Glas von innen hat, da ist eine Distanzleiste drin von sieben Millimetern. Der Bildträger kann sich klimatisch da drin bewegen und frei entfalten. Und trotzdem hat es eben diese aufgeräumte und doch ästhetisch aufgewertete Rahmung. Das ist ja auch schon seit Jahrhunderten eine Funktionsästhetik, die ja nicht abgenommen hat. Dass es jetzt natürlich nicht der opulente Barockrahmen, geschnitzt und vergoldet ist, das ist auch klar. Aber so eine schlichte weiße Rahmung mit einem Museumsglas, das ist was Feines am Ende.

SG: Museumsglas heißt auch UV-geschützt?

ET: UV-geschützt (bejahend). Entspiegelt, UV-geschützt. Es hat an der Stelle einen Schutz natürlich, was man der Malerei auf Leinwand auch gönnen wöllte. Aber natürlich ist das hier für mich gar kein vordergründiger Gedanke, dass ich die Malerei schütze. Weil das geht ja auf Leinwand jetzt auch nicht. Sondern, du vertiefst ja auch optisch die Farbe. Es ist ja wie eine Art Firnis. Wenn es entspiegelt ist. Wenn du jetzt ein normales Floatglas da reinbaust, tänzelst du natürlich ständig davor rum. Da gibt es tausend Neonröhren in der Galerie, dann gibt es ein Fenster im Rücken, dann spiegelt sich ja dann alles im ganz normalen Glas drin. Deswegen ist bei mir von vornherein klar gewesen: Wenn ich es rahme, dann auch entspiegelt. Und dann ist eh die Kombination UV-Schutz mit entspiegeltem Museumsglas einfach alles in einem Paket. Es gibt nur das normale Floatglas und dann gibt es zwei Abstufungen im Bereich Museumsglas. Das 70-Prozentige und das 99-Prozentige. Das Blatt wirkt hier wirklich anders, wenn Glas davor ist. Es kriegt auch - vielleicht auch eine Art Aura.

SG: Eine optische Tiefe, finde ich.

ET: Eine optische Tiefe, genau. Das verstärkt ja auch die Tiefen, aber auch die Lichter.

SG: Ich würde jetzt gerne mal mit der Entstehung des Kunstwerks beginnen. Wo fängst du da an? Wie entwickelt sich die Idee für dich? Welche Hilfsmittel verwendest du vielleicht für die Entwicklung der Idee?

ET: Die inhaltliche Vorbereitung, sozusagen? Die kann tatsächlich sehr unterschiedlich aussehen. Entweder gibt es einen Impuls, der visuell beobachtend irgendwo herkam, zum Beispiel aus einem Katalog. Ich kann das mal erklären, wie es bei vielen figurativen Darstellungen bei mir war. Da gab es immer eine Grundvorstellung, was für eine Art Figur ich machen möchte, mit welcher Erscheinung und Aussage. Aber bis man vielleicht mal irgendwann was findet, brauchst du eine ganze Weile. So bisschen als (Vorbild?). Ich entwickle die nicht aus der Kalten heraus. Zumindest meistens ist das nicht geschehen. Und es gab immer auch Reminiszenzen. Mit dem Hermelin, zum Beispiel. Den hatte ich damals mal versucht umzusetzen - in so eine zeitgenössische Variante. Oder die Marilyn ist so ein Beispiel. Dann entwickelt sich natürlich ganz viel im Prozess. Aber es war zumindest erstmal der Einstiegsimpuls auf die weiße Fläche zu gehen. Indem man vom Handwerk her ganz klassisch über ein Rasterprinzip [überträgt]. Ich habe es nie mit dem Beamer projiziert. Sondern dann über eine Art Fotografie oder Ausgangsvorbild eine Art Raster drübergezogen und entsprechend geguckt, wie ich das vergrößere auf der Leinwand, wie das alles passt von den Ausmaßen her, dass auch das Umfeld zur Figur dann stimmt.

SG: Das entwickelst du alles schon auf der Leinwand oder ist es noch auf einer Skizze?

ET: Nein, den Weg einer Vorskizze habe ich nie genutzt. Bei mir ist es, wie gesagt, sehr direkt im Einstieg und es kann auch sehr schnell verworfen werden, selbst wenn es eine Anlage gibt oder eine Vorlage oder ein Vorbild. Dann muss es aber nicht heißen, dass es mir bis zum Ende dienlich ist. Es kann auch sein, der Malprozess wird immer dichter und da kommt eine eigenständige Überlegung dazu. Und das verselbstständigt sich schon ein Stück weit. Die Vorlage, wenn sie am Anfang noch sehr nah am Bild hängt - räumlich sozusagen, zum Schauen und zum Abmessen - verschwindet dann immer weiter bis ich sie gar nicht mehr brauche und ich modelliere das Bild praktisch so weiter. Dann kannst du dich ja auf deine eigene Handschrift verlassen, auf dein Kolorit. Und dann entwickelt sich was Eigenständiges. Aber der Einstieg kann eben erstmal sehr hilfreich sein, wenn man da so über irgendeine Art Foto oder irgendwas einsteigt. Und das ist ja mittlerweile bei vielen zeitgenössischen Künstlern der ganz übliche Weg, dass sie so arbeiten.

SG: Ja, ich kenne das bei manchen, dass sie so ein ganzes Konvolut an irgendwelchen Zeitungsschnipseln haben.

ET: Das ist ja durch Gerhard Richters Atlas bekannt geworden. Der hat ganz viel damit gearbeitet. Der hat sich einen Riesen-Atlas zugelegt. Tagespresse, Zeitungen und so weiter, Bilder rausgeschnitten, auch seine Raster darübergelegt, die er eigentlich genauso dann übertragen hat. Natürlich mit einem ganz anderen, diesem super-realistischen Ansatz. Er hat es ganz anders dann übertragen und malerisch umgesetzt. Aber der Einstieg, der war tatsächlich genauso. Immer mit dem Gedanken natürlich, es muss ein gutes Bild werden. Das ist ein interessantes Motiv, das mich künstlerisch interessieren würde, auf das ich jetzt selber irgendwie auch gerade abfahre. Also, ich fange jetzt nicht an hier irgendwelche freien Farbflecken aufzuschütteln und irgendwelche organischen Strukturen zu entwickeln und irgendwas entsteht dann irgendwie. Die Versuche hat es gegeben, die haben mich aber nie zum Ziel geführt. Ich habe zwar so mal Malerei begonnen, gegenstandsfrei, also völlig rein über die Bewegung von Farbe, rein die Abstraktion. So hab ich mein Diplom gemacht. So bin ich eigentlich dann zur Malerei gekommen. Obwohl ich ja immer sehr realistisch und gegenständlich gedacht habe – komischerweise - habe ich es aber im bildnerischen Vorgang unterbrochen, oder irgendwie nicht zugelassen. Und dann kam der Schnitt mit dem Diplom und dann hab ich gedacht: „Okay. Probier das doch mal aus, ja? Probier doch mal ein Porträt und probier doch eine Figur und guck doch mal, wohin es dich da bringt.“ Und da bin ich erstmal über einen doch sehr realistischen und auch handwerklich sehr anderen Weg gegangen.

SG: So sind dann ja auch die ersten Ausstellungskataloge, die man dann so findet.

ET: Ja, genau. Du hast es natürlich gemerkt. Sobald du in diese Realismusebene kommst, bist du erstmal in der Wahrnehmung viel repräsentativer. Da springen erstmal viel mehr Leute drauf an. Das ist klar. Die Erfahrung macht jeder. Dort bleiben dann auch viele hängen. Ist ja auch kein Hehl. Wer sich realistisch wohlfühlt, ist da auch gut aufgehoben. Klar, da hast du auch ein viel größeres Publikum, weil die Lesbarkeit viel klarer ist, für die meisten. Und trotzdem gab es bei mir immer wieder diesen Weg oder die Suche und die Sehnsucht nach bildnerischer Freiheit. Also auch frei von Narration, im Sinne von Figur macht irgendwas und es steht im Dialog mit irgendwas. Was mich auch durch Leipzig sehr geprägt hat, in gewisser Weise. Die Bildästhetik ist ja dort grundsätzlich als Philosophie überall repräsentativ. Insofern bist du um solche Bildwelten nie drum rumgekommen. Und die ganzen Erfolgsgeschichten, die es damals gab, haben das natürlich auch mitbedient, zum Teil stärker, zum Teil weniger stark. Also, gibt es bis heute nach wie vor Positionen, wo ich sage: „Das ist ein super interessanter Weg, den da Leipzig vorgegeben hat." Auch durch die Vielfältigkeit. Und ich bin da auch sehr dankbar, dass ich in dieser Zeit dort auch studiert habe. Das hat auch sehr viel mit dem eigenen künstlerischen Weg dann gemacht. Aber es ist auch eine Last. Es ist ja auch für deinen eigenen Weg ins Atelier tagtäglich auch eine Last, die du irgendwie bestenfalls an der Tür abstellen musst und hier ein bisschen beschwingter reingehen kannst. Und da war dann eben das Plettenberg-Stipendium super - die Frage hattest du ja formuliert, warum und wieso ich da war. Klar, weil man das Stipendium bekommen hat, aber zum anderen war es auch geographisch erstmal eine totale Entfernung von Leipzig. Unmittelbar nach Studium gleich, war es eine echte Befreiung. Und da hab ich die Figur auch mal zugelassen. Ich war zwar auch weg von Leipzig, habe trotzdem aber dieses Thema Figur wieder dann ganz bewusst in meine Arbeit reingeholt und habe dann dort auch eine ganz persönliche Bildform gefunden mit einer Figur, die mich dann über viele, viele Jahre begleitet hat. Und dass ich mal bei solchen Papierarbeiten gelandet bin, ist für mich selbst eine Überraschung. Wo ich auch gar nicht sagen kann, wie das weitergeht und ob das in der Malerei jetzt auf Leinwand auch einen Widerhall findet, keine Ahnung.

SG: Bei den aktuellen Arbeiten sind ja schon einige deutlich abstraktere Sachen dabei. Jetzt ganz gegenstandslos.

ET: Ich glaube, es hat was mit dem Alter zu tun. Das ist auch meine einzige Erklärung, hinter der ich stehen könnte. Vielleicht mit 32, vor zehn Jahren oder so, hätte ich gesagt, „Ne, also, da bist du noch nicht reif dafür. Das geht einfach noch nicht.“ Ich habe bis letztes Jahr noch große Figuren-Bilder gemacht. Nach wie vor ist es immer noch vorstellbar. Grad in Hamburg war das, da gab es auch die Gegenüberstellung mit Arno Rink. War ja damals mein Professor in Leipzig. Da gab es diese Vis-a-vis-Ausstellung, die durch meine Hamburg-Galerie initiiert wurde. Vis-a-vis, also Gegenüberstellung der Galerie-Künstler mit ihrem Professor. Das war die Idee daran. Und da gab es in der Barlach Halle eben diese Präsentation. Und da hatte ich mit Arno Rink dann auch wirklich zwei [ähnliche Bildsujets]. Er – Figur. Und Ich - Figur. Traditionell sind wir uns da begegnet. Dort habe ich gemerkt: Mit einer Figur, nein, das ist mir irgendwie künstlerisch grad nicht ganz so geheuer. Aber das ist auch manchmal nur eine Stimmung. Das kann der außenstehende Betrachter, der Besucher der Ausstellung, gar nicht so nachvollziehen. Die sagen: „Ahja, klar, tolle Figur, tolle Malerei“ oder wie auch immer. Das sind ja eher innere Befragungen, die man macht. „Brauche ich die Figur im Bild? Ist es eine Zukunft? Will ich mir immer wieder vor jedem Gemälde Gedanken machen, was für eine Figur und was macht die Figur.“ Oder wie realistisch, wie groß ist der Grad des Realismus im Bild oder an der Figur. Du kriegst auch eine spezielle Art von Psyche ins Bild mit so einer Figur, die sich ja oftmals auch ein bisschen vor die eigentliche Malerei drängelt. Ich habe, manchmal einen anderen Zugang zur Malerei. Malerei ist für mich einfach auch ein sehr handwerklicher Prozess, der auch handwerklich sehr ablesbar sein sollte, aber eben auch sehr dynamisch sein sollte. Bloß, weil Farbe irgendwo auf einem Bildträger ist, heißt es noch lange nicht Malerei. Die Geste des Künstlers, verwoben mit Farbe, das macht für mich Malerei aus. Der Kooning hat wirklich sehr massiv mit Farbe gerungen. Er hat sich zwar natürlich auch an der Figur abgearbeitet, aber die ist dann so in den Hintergrund getreten, dass im Vordergrund wirklich die Malerei und der Künstler stand. Der Malereigedanke des Künstlers, der ist eigentlich repräsentativ im Bild bei solchen Leuten. Sechziger Jahre - also die klassische Moderne zum einen - auch Picasso und so, das sind ganz spannende Positionen, auch wenn es natürlich sehr inflationär alles mittlerweile hoch- und runterfährt. Aber da sind natürlich auch Handschriften über die letzten Jahrzehnte hervorgebracht worden. Befreite Handschriften, also befreit vom Sujet des Wiedererkennbaren, des Höfischen in der Malerei oder der Auftragskunst. Nach deren Befreiung, da ist ja alles möglich in der Malerei. Und das ist ja das spannende, was aus meiner Sicht das Zeitgenössische auch wirklich total interessant macht.

SG: Würdest du sagen, du testest dich da so ein bisschen durch, durch all die verschiedenen Möglichkeiten?

ET: (bejahend) Ich würde das sogar jetzt noch sagen. Ich hab mich bis heute nicht festgelegt. Möglicherweise hab ich mich tatsächlich auch in der Farbigkeit am weitesten festgelegt. Aber nicht vom Inhalt her. Die Farbigkeit ist tatsächlich - und das ist ja ein bisschen unser Thema hier - ist tatsächlich das Stabilste über die ganzen letzten Jahre. Also das Magenta zum Beispiel.

SG: Ja, das ist sehr markant.

ET: Genau, das ist eigentlich so der rote Faden, der das alles ein bisschen zusammenklammert bei mir. Und das ist auch das, wo die meisten Leute mir das Feedback geben: „Ja, da ist eine Wiedererkennung. Ja, klar das ist ein Tischendorf, habe ich sofort gesehen.“ Obwohl es keine Figur gibt und es eben völlig gegenstandsfreie Abstraktion oder irgendwas ist. Oder eine erfundene Form.

SG: Und durch die Farbigkeit geht es aber trotzdem alles zusammen.

ET: Die Farbe macht eigentlich dann die Wiedererkennung aus. So ist es, denke ich mal, am deutlichsten. Und das Magenta nutze ich ja nun wirklich seit mindestens zehn Jahren. Würde ich behaupten. 2009.

SG: Inzwischen auch in fast allen Arbeiten, oder?

ET: Irgendwie ja. Die Dose steht natürlich auf der Palette ganz weit vorne. Da am Maltisch gibt es ja so ein Konvolut an den Dosen. Zum Beispiel auch das Weiß, was ich viel benutze, was da aus der Automobilbranche kommt und eigentlich als Füllspray, als Füller dient. Mit dem ich gewisse strukturelle Effekte erziele. Das und das Magenta, das sind eigentlich die Büchsen, die immer schüttelbereit dastehen und immer wieder mal zur Anwendung kommen.

SG: Wir hatten ja jetzt schon, wie du auf die Idee kommst und wie du es auf die Leinwand überträgst. Du arbeitest an der Leinwand, entwickelst das Motiv immer weiter. Hast du da auch einen roten Faden, was die Maltechnik angeht? Einen bestimmten Schichtaufbau? Oder ist das ganz intuitiv?

ET: Gar nicht verkopft, gar nicht. Sehr intuitiv tatsächlich. Aber man hat natürlich, wie beim Fremdsprache-Lernen ein paar Vokabeln gelernt, die man auch immer wieder abrufen kann. Das merkt man spätestens dann, wenn du die Vokabeln eben eine Weile nicht benutzt und gesprochen hast, dass das erstmal ein bisschen holpert. Ich will damit sagen, wenn man zum Beispiel ein halbes Jahr echt nichts gemacht hat - das kann ja mal vorkommen, wenn man an irgendwelchen anderen Projekten was zu tun hatte. Ein halbes Jahr ist natürlich schon sehr viel. Da ist die Palette nicht warm, das ist also nicht so im Fluss und im Flow. Da muss man erstmal so wieder reinkommen. Und da merkt man aber, dass man auch sehr verkopft über das Reinkommen rangeht und sagt: „Okay, auf was kannst du dich am meisten verlassen? Das ist die Farbigkeit. Das ist die Farbe. Das ist jene Farbe und das ist der Vorgang, so aufzutragen.“ Und so fängt man eigentlich an. Und dann kommt man automatisch wieder, wie bei der Fremdsprache, in den Redefluss, und dann sind Vokabeln wieder präsent und dann geht es gleich automatisch. Das ist so die Beobachtung, die ich ganz oft gemacht habe.

SG: Und der Schichtenaufbau?

ET: Ach genau, die Schichtenüberlegung. Ja gut, das ist ja ein bisschen das technische Wissen, was ich vielleicht aus meiner Restaurierungszeit mitgenommen habe. Klar, das kann man auch in der Praxis ganz einfach ausprobieren. Kannst kein wässriges System auf ein öliges auftragen. Geht ja einfach nicht. Perlt ja ab, funktioniert nicht. Insofern gibt es natürlich einfach Untermalungen, möglicherweise, sofern sie wichtig sind, in Acryl, also im wässrigen System. Und dann arbeite ich da vielleicht dann eben mit Öl weiter. Ich hab auch mal eine Zeit lang mit Eitempera gearbeitet. Das habe ich auch mal ausprobiert, eine ganze Weile.

SG: In einigen Arbeiten, oder?

ET: Ja, so 2010 bis 2012 kam das immer wieder vor. Die Ballons zum Beispiel.

SG: Aber immer in Kombination mit Öl und Acryl, oder?

ET: Eigentlich eine Mischtechnik aus drei Systemen sozusagen. Die Eitempera auch ganz klassisch selbst angerührt. [Emulsion aus Wasser, Ei und Dammarfirnis zu gleichen Raumteilen.]

SG: Und hast du die dann für bestimmte Bildbereiche verwendet?

ET: Eigentlich ja für die Hintergründe vor allem dann.

SG: Die Eitempera?

ET: Genau. Dann habe ich das mit der Frottage hier, mit dieser Abrieb-Geschichte gemacht. Da habe ich also die Eitempera ganz oft dann auch so abgerieben. Als Hintergrundfonds benutzt, die durch das Abreiben eine gewisse strukturelle Aufreißung kriegen sollten. Dafür habe ich Eitempera eigentlich ganz gern genommen. Aber nie um es wirklich im Detail auszumodellieren. Es gab mal ein Portrait, „Perücke" heißt das. Da habe ich mich mal wirklich durchgezwungen mit Eitempera und Pigment. Immer schön zusammenmischen, zack, und realistisches Gesicht modellieren und so. Ist auch ein gutes Bild geworden. Aber ich muss frei arbeiten. Das hat mich zu sehr eingeengt. Malerei ist für mich nicht Disziplin, in dem Sinne. Es ist eine Art Antidisziplin. Weißt du, wie ich es meine?

SG: Freiheit?

ET: Genau. Wenn ich mich so diszipliniert hinstelle und das technisch alles so abarbeite und mich durchmiezel von links oben nach rechts unten - das kann ich nicht. Das entspricht einfach nicht meinem Wesen. Muss man so sagen. Und das ist ja das Schöne. Dieser Anteil des Künstlers im Werk, sagt man ja oder davon spricht man ganz oft. Da würde ich behaupten, der ist es jetzt bei mir recht hoch. Weil man ja auch mit Körpereinsatz arbeitet. Auch solche Formate liegen ganz lang am Boden, bis sie überhaupt mal dann zum Hängen kommen und dann dort weiterbearbeitet werden. Also, diese ganzen Dinge hier (zeigt auf die Arbeit Modifikation im Hintergrund), die jetzt hier gerakelt sind. Das ist ja alles im Liegen geschehen. Weil das auch wirklich flüssig und eben mit der Rakel technisch nur so zu lösen ist. Dass die Farbe ja nicht sonst wohin fließt. Und so sind wirklich viele Arbeiten entstanden.

SG: Also zuerst auf dem Boden und dann, wenn die größten Bereiche gerakelt sind, dann an die Wand? Oder malst du auch schon am Boden? Mit Pinseln?

ET: Nein, ich male auch schon am Boden. Aber da hast du dann natürliche eine Verzerrung drinnen in der Wahrnehmung, in der Perspektive. Du hast einfach diesen Abstand nicht. Du hast diese 45 Grad und sonst wieviel Grad Winkel. Aber auch gerade eben diese Proportion jetzt hier, dieser Typ (zeigt auf die Figur in der Mitte der unvollendeten Arbeit „Modifikation“), der geht ja nur im Liegen zu malen. Das ist ja wirklich mit einem sehr flüssigen Weiß, Ölfarbenweiß, aufgetragen als Inseln. Sieht man ja auch, dass hier solche Ausbeulungen entstehen und dann dort als Farbsee auf dem Boden, auf der Leinwand drauf sind. Und das musst du mindestens bis zum nächsten Tag abtrocknen lassen. Erst dann kannst du es aufrichten. Und dann ist da nun die Gefahr, dass es dann auch runterläuft.

SG: Und da hast du ja auch diese spannende Technik mit der Korona entwickelt.

ET: Ja, genau, das ist dieser Leuchtereffekt. Dort habe ich das recht früh entdeckt, dass es gut kommt. Gerade im Verhältnis zu diesem dunklen Hintergrund, der völlig aufgeräumt ist. Wie ein dunkles, schwarzes Passepartout. Und darauf knallt dann diese Figur, die auch wirklich so ideal wie möglich angelegt sein muss. Da mache ich auch keine Vorzeichnung. Nochmal zu diesem Intuitiven: Da stehst du mit dem Glas mit der flüssigen Ölfarbe Weiß und fängst an, irgendwas da drauf zu entwickeln. Irgendwas zu schreiben, eine Figur zu modellieren, und merkst, „Okay, ist es interessant? Gibt es da irgendwas?“. Das merkt man einfach, das spürt man. Und viel Zeit hast du dann nicht. Dann musst du es mit dieser Korona so entwickeln. Ich habe das Magenta als erste Lage eingesetzt, wirklich nur als dünne Magenta-Filme auf dieses ganz flüssige Weiß drüber gesprüht. Das sieht man ja hier auch. (zeigt auf die Figur in der Mitte der unvollendeten Arbeit „Modifikation“) Und dann dieses weiße Spray angewendet als wirklich abschließenden Effekt. Dadurch entsteht auch die leichte Korona, die jetzt hier zum Teil auch wieder weggenommen wurde, indem ich hier abgeklebt oder abgerakelt oder mit dem Hintergrund das abgetragen habe. Aber bei dem "Leuchter" ist es ja eindeutig. Da gibt es diese weiße Korona, die dann so drin ist.

SG: War der "Leuchter" das erste Gemälde, an dem du das angewendet hast?

ET: Ja, der Leuchter. Und dann gab es noch einmal Einen: "Neuer Leuchter" hieß dann die zweite Fassung. Aber das war eigentlich tatsächlich das erste Bild, was in der Form vor allem mit der Gültigkeit so entstanden ist. Ich glaube, 2011 ist das Bild entstanden. 2011 war dahingehend ein wichtiges Jahr, künstlerisch gesehen. Bildnerisch sind da ganz viele Porträts entstanden, wo ich auch dann diesen Effekt mitgenutzt habe. Wo es dann in der Ausformulierung von Gesicht und Wiedererkennbarkeit auch bewusst gestört wurde, indem ich Dinge abgeklebt habe und dann das Spray und die Magenta-Korona als Kontrast daneben gesetzt habe, neben dem sehr Realistischen im Porträt. Und das fand dann auch irgendwann bis zur Übertreibung seinen Weg, indem es nur noch Fratzen waren, die wie Gespenster und Monster da rumspukten. Wo man auch merkte: „Das ist zu viel des Guten.“

SG: Diese Sinusfiguren-Reihe dann auch?

ET: Ja, die, und auch Bilder, die dir wahrscheinlich gar nicht bekannt sind, weil ich sie nicht veröffentlicht habe. Wo ich auch gemerkt habe: „Das ist jetzt nicht mehr der Weg, der eigentlich öffentlich werden darf.“ Da habe ich es dann auch wirklich wieder gelassen. Aber ich bin nie wieder an diesen Punkt von 2011 so zurückgekehrt. Das war wieder so ein Punkt, wo ich gesagt habe, da muss ich mich wieder disziplinieren. Gut, die Köpfe waren zwar eh in der Regel frei erfunden, aber sie haben eine andere Disziplin am Bild abverlangt. Die aber nicht unbedingt meiner Natur entsprechen. Ich bin froh, dass es die Bilder gibt, dass sie da sind und dass ich mich da auch mal zusammengerissen habe, und bewiesen habe, aber es ist grundsätzlich anders gedacht von mir. Da habe ich vielleicht bewiesen: „Der kann vielleicht malen und der kann vielleicht auch realistisch malen“, so gesehen. Aber das war nicht das, was mich künstlerisch wirklich interessiert. Wenn du es dann weiter betreibst, dann bist du zwar vielleicht der Galerie dienlich oder bist dem Markt dienlich. Aber vielleicht ist es nicht unbedingt das, was dich im Atelier auf Dauer glücklich macht. Ich wollte nie in diesen Zustand geraten, dass man sich ständig selbst kopiert.

SG: Nur um dem Markt dann zu entsprechen?

ET: Es gibt dann auch sicher Erwartungen seitens des Marktes, dass man dann die größtmögliche Wiedererkennbarkeit [besitzt]. Ist ja auch alles nachvollziehbar, warum das Sammler gern so wöllten, weil natürlich dadurch auch der unikate Code klar ist. Ja. Muss ja nicht sein, oder? (lacht) Aber natürlich kann man trotzdem eingrenzen, welche Sujets immer wiederkehren.

SG: Auch Techniken sind ja ein Wiedererkennungswert.

ET: Und auch Techniken, genau. Bei vielen Künstlern - und auch guten Künstlern - war es letztlich nur die Technik und wie sie verwendet wurde. Natürlich in welcher Form sie am Ende auch verwendet wurde. Aber möglicherweise war die Technik tatsächlich dort im Vordergrund. Ich wüsste jetzt gar kein konkretes Beispiel, ehrlich gesagt, aber, wenn man das mal genauer untersuchen würde, würde man bestimmt einige finden, die dafür in Frage kämen, dass so darzustellen.

SG: Und wenn wir jetzt wieder bei Techniken wären: Hast du auch noch andere Techniken, die du für dich als sehr markant wahrnimmst?

ET: Neben der Verwendung von diesem Magenta und Weiß? Ja, also viel später ist zum Beispiel auch diese Rakelästhetik dazugekommen. Das hier ist ein Anfangsbild aus dieser Phase. (zeigt auf die Arbeit Modifikation) Da gibt es also auch viel Gelungeneres. Und da war dann eben das Instrument Pinsel gar nicht mehr so wichtig. Sondern, dass durch das Liegen des Bildes und auch die Farbmenge, die auch recht frisch dann auf dem Bild sich da rumtummelte, dass man da dachte: „Jetzt kannst du mit dem Pinsel gar nicht mehr viel ausrichten, aber möglicherweise kriegst du eine gewisse Formulierung hin, die man eben auch ohne Pinsel lösen könnte.“ Und da ist die Rakel dann zufällig dort zum Einsatz gekommen. Die Malerei versteht man gern auch als Fläche. Die Malerei kann natürlich aber auch sehr graphisch verstanden werden. Und das sind so graphische Elemente, wenn dann plötzlich die Malerei oder die Fläche zur Linie wird. Ich konnte plötzlich die Farbe so steuernd bewegen, verschieben und auftragen oder wegnehmen. Ist eigentlich auch eine Wegnehm-Geschichte vor allem. Pinsel ist ja was Auftragendes, Rakel ist ja eher wieder was Abtragendes. Und durch solche Sachen konnte ich ganz interessante graphische Elemente einbauen. Ich hatte mich seiner Zeit auch sehr stark mit Gerhard Altenbourg beschäftigt, der ausschließlich graphisch, natürlich auch Aquarell und Gouache mit eingebaut, aber nie in Öl gearbeitet hat. Aber diese Bildwirkung fand ich hochspannend. Und diesen Anteil von Miniaturstruktur. Das hat mich sehr fasziniert. Deswegen gibt es hier auch so gewisse Dinge drin, die ich auch möglicherweise ein bisschen adaptiert habe. Auch diese Altenbourg'schen Bildwelten, die fand ich sehr interessant und habe versucht das zu verstehen, indem ich es auch selbst mal versucht habe, es in meine Form in die Malerei als eine Art Impuls mit einfließen zu lassen. Du kommst ja als Künstler trotzdem immer wieder an Leute ran, die dich einfach beeinflussen, aufgrund ihrer Bildwelten, die so eine gewisse Aura auslösen, die auch mit dir was machen. Und wo du dir auch handwerklich echt was abgucken kannst. Die dich einfach sehr ansprechen. Und irgendwie kommst du automatisch in die Versuchung - die gefährliche Versuchung - da dich auch mal daran abzuarbeiten. Oder, bestenfalls nicht eins-zu-eins zu adaptieren, sondern wirklich nur als eine Art Einstiegsimpuls zu nutzen, der dann anders aussehen könnte bei dir im Bild. Es gibt ja auch die Formulierung: „Bei dem und dem raucht es ganz schön im Bild. Der hat eben ein bisschen viel beim Neo Rauch da mal draufgeschaut.“ Daher kommen solche Formulierungen. Aber das ist ja auch legitim. Man ist ja nicht alleine unterwegs auf dem Terrain. Und man kann die Welt auch nicht neu erfinden. Das ist auch allen klar.

SG: Man sucht ja einfach neue Einflüsse und bindet die ein.

ET: Man bindet die ein und versucht, sie trotzdem wieder auszubremsen, wenn es dann möglicherweise dem Impulsgeber zu nahekommt. Hat auch wieder was mit dem Alter zu tun. Wenn du jünger bist, ist die Gefahr natürlich deutlich größer. Wenn du älter bist, bist du viel mehr bei dir, ruhst viel mehr in dir. Und das hat ja was mit dem ganzen Dasein in der Welt zu tun. Da ist dann die Reflektion einfach eine andere. Dann kippst du so auch schnell wieder im Bild, weißt auch: „Okay, das führt sowieso wieder zu dem Ziel und zu dem Ende.“ Das ist ganz fatal. Das muss sowieso erstmal gleich wieder (pfeift) weg. Tabula rasa machen. Aber man hat sich ja trotzdem aktiv damit beschäftigt und allein der Vorgang ist schon ganz wichtig. Das ist ja eben auch Prozess. Auch Zerstörung und Vernichtung im Atelier ist Prozess. Weil es trotzdem Erkenntnisse liefert. Und irgendwann ist die Erkenntnis dann auch als gültiges Bild mal da. Auch wenn man diese tausend Erkenntnisschritte nicht sieht. Die sind ja trotzdem irgendwo im Bild dokumentiert. Aber für dich als Endverbraucher des fertigen Bildes ist es alles nicht so eindeutig ablesbar.

SG: Das stimmt, da sieht man diese ganzen Arbeitsschritte eben nicht.

ET: Gibt ja keine Kamera, die ständig mitläuft.

SG: (lacht) Könnte man auch machen, aber will man vielleicht auch nicht unbedingt.

ET: Ja gut, das wüsste man als Künstler aber auch, dass das dritte Auge da ist und man kann dann aber nicht frei arbeiten. Diese Möglichkeit des Eintauchens und Abtauchens im Atelier gelingt wirklich nur, wenn du dich höchst unbeobachtet fühlst. Dann musst du auch das Handy weglegen und die Mobilität und die Uhr. Alles muss ausgeschaltet werden. Und dann kannst du das. Dann brauchst du irgendwie eine gute Musik und bist einfach dabei. Dann ist eben auch das instinktive Arbeiten möglich. Und dort kommen auch wirklich die größten Ergebnisse zustande. Aber meine Erfahrung ist trotzdem, um auch das Thema nochmal [aufzugreifen]: “Wie gehst du ran? Brauchst du eine Vorlage? Brauchst du eine Vorskizze?“ - je besser ein Bild vorbereitet ist, umso besser komm ich auch wirklich mitunter zum Ergebnis. Die Vorbereitung ist insofern wichtig, dass die Idee eine Gestalt kriegt. Mit der Gestalt im Kopf gehst du sozusagen auch ran und das formuliert auch das Ziel. Wie das Ziel am Ende aussieht, weiß ich natürlich am Anfang auch nicht. Die Vorlage wird auch immer weiter weggedrückt. Aber sie ist ja im Kopf abgespeichert und ist auch angelegt auf der Leinwand. Und dann kann man eben das Vokabular, Kolorit, Technik und so weiter viel besser verwenden, weil eigentlich das Inhaltliche schon mal geklärt ist. Und dann kannst du das ganz gut dort einfließen lassen.

SG: Also mit Vorbereitung meinst du die Bildanlage, sozusagen die Figur.

ET: Inhaltich. Bildinhaltlich sozusagen. Bildanlage, genau. Dass man da einen klaren Plan hat, ungefähr, wohin da die Reise geht.

SG: Machst du da unter Umständen noch tiefere Veränderungen in der Komposition?

ET: Im Prozess dann?

SG: Im Prozess dann. Oder ist die Komposition am Anfang klar und dann geht es eher um die Bearbeitung der Flächen? Wenn ich mir jetzt dieses Bild hier angucke (zeigt auf die Arbeit Modifikation), ist da die Figur in der Mitte. Die steht vielleicht von Anfang an. Und die ganzen verschiedenen Ebenen, die sich drum rumbewegen, entwickeln sie sich dann mit der Zeit weiter?

ET: Es ist so ein gegenseitiges Hochschaukeln. Das kann natürlich auch sehr unterschiedlich sein. (schaut auf die Arbeit Modifikation) Die Arbeit ist nun auch schon über vier, fünf Jahre alt. Die ist auch aus der Sammlung gerade zurückgekommen. Ich weiß es noch, es gab von dem Buch ein Cover. Und da gab es eine Figuration vorne drauf, die ich total spannend fand. Das war auch so eine Art Künstlerperson mit Hut, die da so in die Ferne schaute oder irgendwas geschrieben hat. Und von daher ist es irgendwie abgeleitet, adaptiert. Gut, natürlich fallen da auch solche Motive ein, von Peter Doig. Der malte oder zeichnete Künstler. Der thematisierte diese Rückendarstellung öfter bildnerisch. Wo du mit dem Künstler und trotzdem hinter ihm stehend, in die Ferne schaust, ihm über die Schulter schaust, was er so zeichnet und in diese Landschaft reinblickst, die er letztlich skizzenhaft auch einfängt. Also das hat Peter Doig auch schon sehr sehr schön gelöst, bildnerisch. Und hat damit auch sehr schöne Bilder gemacht. Irgendwie kommt man daran nicht vorbei. Das war mit diesem Buchtitel so ein Impuls und da ist es eingeflossen. Die „Abstraktion des Umlandes“, das war eines dieser frühen - ich sag mal - dieser Bullaugenbilder. Das war so eine Serie. So eine Idee, mit diesen runden Formen im Rechteck eingefasst zu entwickeln oder zu probieren, ob das klappt. Das war eines der Ersten. Jetzt hab ich natürlich schon wieder das Bedürfnis dran weiter zu arbeiten. Aber die Figur finde ich nach wie vor super. Kann man so lassen.

SG: Ja, da könnte man eigentlich gleich zu dem Punkt übergehen: Wann ist denn dann ein Kunstwerk für dich fertig?

ET: Das weiß nur das Gefühl oder der liebe Gott (lacht). Der dann mal für einen Moment in mir wohnt. Wann ist ein Kunstwerk fertig? Die Bemessungsgrundlage kann ja nur ich definieren. Nur ich kann entscheiden, wann das Kunstwerk für mich fertig ist. Wo jeder vielleicht sagen würde. „Du hättest ja eher aufhören können, dann wär es schon fertig gewesen.“ Wo andere sagen: „Du müsstest da eigentlich noch weiterarbeiten.“ Das gibt es immer. Aber die Rückversicherung für dich selbst kann eigentlich nur aus dir selbst herauskommen, indem du ein Gespür entwickelst. Und das ist offensichtlich auch bei den Künstlern sehr unterschiedlich ausgeprägt. Viele sagen: „Das Bild ist jetzt fertig. Aber möglicherweise, in drei Monaten, gehe ich nochmal ran, und mache weiter.“ Bei mir ist es eigentlich relativ klar. Ich arbeite eigentlich sehr konzentriert an einem Bild. Lasse es nicht lange irgendwo stehen, sondern versuche das in einem Guss zu lösen. Und dann kommt irgendwann dieser Moment, wo du merkst, es hat diesen Zustand erreicht. Man nähert sich auch schon diesem Endzustand an, indem man merkt: „Du musst noch ein paar Lichter setzen, oder ein paar Endformulierungen oder nur noch ein paar letzte Pinselstriche und du bist eigentlich am Ziel. Das spürt man dann schon. Aber dann, was das eigentliche Ziel ist, das ist ein Phänomen für sich. Wo du heute sagst: „Super, jetzt lass ich es stehen. Ich kann den Pinsel in die Palette legen. Alles fertig. Hände waschen. Erledigt.“ Dann brauchst du trotzdem nochmal die berühmte Nacht, die man drüber schlafen muss. Nächsten Tag nochmal draufgucken. Und wenn du dir da immernoch sicher bist - gut. Wenn du dir unsicher bist - auch gut. Aber am Ende braucht es einfach den Abstand mit der Zeit. Bilder reifen wie ein guter Wein. Wo man sagt: „Das Bild ist jetzt fünf Jahre alt und es wird eigentlich immer besser, je mehr ich draufgucke.“ Oder es gibt auch Bilder, wo du sagst: „Die sind total gelungen, klasse.“ Und in einem halben Jahr sagst du: „Wird schon schwierig langsam. Eigentlich muss es jetzt mal langsam weg.“ (lacht) Das gibt es auch. Aber das zum Beispiel (zeigt auf die Arbeit OUT), die Papierarbeit, ist eines meiner Favoriten auf Papier, die ich habe. Was mir aber in dem Moment des Entstehens gar nicht bewusst war. Es ist entstanden und, ich habe auch gemerkt: Ein interessantes Bild! Aber eröffnet auch ein völlig neues Bildthema für mich, mit dem ich erstmal sehr ungewohnt mich selbst konfrontiert habe. Da kam auch ein guter Freund zu mir ins Atelier und sagte, „Was ist denn das für ein geiles Bild? Das erinnert mich ja an Fear and Loathing in Las Vegas.“ Oder wie der Film heißt. Kennst du den? Da diese Typen, die so verstrahlt rumrennen und so. Und ich dachte: „Ich kenn den Film gar nicht, was soll das sein?“ Das sind natürlich wieder seine Betrachtungen, was er darin sieht. Aber er hat es so ganz interessant auseinandergenommen. Und so ein Feedback hilft dir dann plötzlich trotzdem auch zu sagen: „Vielleicht hat er recht. Es gibt interessante Dinge da.“ Mittlerweise ist es ein Bild, da fehlt es eigentlich an nichts mehr für mich. Das ist dann so ein Zustand, so ein Idealzustand, wo man sagt: „Die Nabelschnur kann ich trennen, und das Ding funktioniert. Kann seinen Weg gehen und braucht mich nicht mehr.“

SG: Aber selbst da hat es eine Weile gedauert, bis du an dem Punkt warst?

ET: Da hat es eine ganz lange Weile gedauert, bis man an so einem Punkt war, wo man gesagt hat: „Genau, der hat recht. Und ich habe auch recht mit dem Bild.“ Das ist manchmal so eine Schizophrenie, die man da auch im Kopf hat. Das mal als Beispiel, deswegen habe ich es auch mal her gehangen. Weil das einfach so ein Prozess dokumentiert, den man einfach wirklich nur über die Zeit rückversichern kann. Und manchmal ist es sogar gefährlich. Wenn ein Bild im ersten Moment total gelungen wirkt und erscheint, kann es natürlich heißen, es ist eigentlich viel zu gefällig, es ist viel zu schnell schön oder viel zu schnell ideal fertig geworden. Wobei die Arbeit war eine meiner ersten aus diesen organischen Drucken und hing jetzt. (zeigt auf die Arbeit Untitled (ETP1912)) Und, wie ich finde, auch nach wie vor eine der Besten aus der Serie. Und da habe ich sofort gespürt, als ich den Bogen abgezogen habe: Klasse. Das sitzt. Genau das macht mich an. Das funktioniert. So genau will ich das. Und das hat sich auch bewahrheitet, bis jetzt. Da ist für mich das Kolorit, das Silbrig-Bläuliche und mit dem Magenta wieder zusammen und dieser Siena-Ton da drin. Das hat irgendwie ein ganz interessantes Zusammenspiel.

SG: Aber bei dem hier hattest du gerade eben noch gesagt, dass es dir wieder in den Fingern juckt, nochmal ranzugehen? (zeigt auf die Arbeit Modifikation)

ET: Ja. Das ist gar nicht viel. Ich weiß auch gar nicht, wie ich es gerade lösen könnte. Deswegen hängt es einfach noch hier. Ich bin ja sowieso eher grad nicht hier am Arbeiten, sondern eher in Wien. Deswegen ist auch die warme Palette ja grad nicht hier. Sonst würde das vielleicht einfacher gelingen. Aber ich kann jetzt nicht hierherkommen und sagen „Ich drücke diese paar Farben auf das Tablett und leg los.“ Es muss eben dann aus dem Fluss kommen. Indem man natürlich eben grad auch die Vokabeln wieder ein bisschen aufgefrischt hat. Hier ist einfach diese Fläche, (zeigt auf die Arbeit Modifikation) mit der komme ich nicht klar. Also das Bullauge ist mir einfach nicht ideal gelöst. Und auch dieses gelbe kackbraune Beige oder was auch immer das hier ist. Grünliches Zeug. Das muss ich hier anders machen. Wie das Innenleben. Das ist ja alles eine ganz schöne Lösung geworden, damals schon. Da wüsste ich jetzt auch erstmal nicht, wie ich da eingreifen könnte. Aber ich glaube, weil wir es vorhin auch gesagt hatten, das Weiß und das Leuchtende braucht auch mal eine dunkle Umgebung. Ich vermisse irgendwie diesen Kontrast zur Dunkelheit im Bild. Ich glaube, wenn jetzt hier eine entsprechende Abdunkelung käme, wäre das plötzlich ein ganz anderes Bild. Aber ich will es ja nicht bloß einfach anstreichen, das wäre ja einfach. Da würde ich es mir jetzt zu einfach machen. Also, da bleibt es hängen, es eilt nicht. Und es wird dieser Tag X kommen, wo ich eine Lösung habe (lacht). Und die Zeit muss man sich auch nehmen. Die habe ich mir früher nicht genommen. In den jüngeren Jahren hast du irgendwie produziert. Und dann gab es auch die Ausstellung mit diesen Erwartungen. Und dann hast du es irgendwie auch so runtergerissen, aber am Ende hatten manche Bilder einfach nicht die Gelegenheit mal abzuhängen wie ein guter Schinken. Weißt du wie ich meine? Dass du da mal einfach das reifen lässt und nicht einfach rausdonnerst.

SG: Dass man einfach mal eine Chance hat, immer mal wieder vorzutreten und zu schauen.

ET: Genau. Auch wenn das bei dir in der Umgebung steht - das Bild im Atelier - und du im Augenwinkel auch dran vorbeigehst. Und wenn du jetzt bewusst nicht daran arbeiten willst, passiert die Prüfung. Diese Augenwinkelprüfung ist ja trotzdem aktiv. Und irgendwann kommt dieser Tag X, wo du merkst: „Moment, jetzt nervt mich aber grad diese Stelle derart. Und heute hab ich grad diese Palette und diese Farbe da, jetzt (pfeift) fliegt da mal irgendwie was drauf.“ Und da hast du es manchmal ganz schnell gelöst. Das ist total verrückt. Das kannst du vorher gar nicht berechnen. Du musst einfach auf diesen Moment warten. Das habe ich ganz oft so erlebt. Und dann sind es Ikonen geworden, so im eigenen Verständnis. Im eigenen Oeuvre. Dann sind dann so ein paar Bilder entstanden, die hätte ich über so eine klassische Vorplanung und Vorbereitung nie erreicht. Die wären nie zu mir gekommen, die Bilder. Die sind echt einfach nur gewachsen. Das ist ein interessantes Phänomen. Aber das ist Malerei. Ist irgendwie auch gut. Ist auch eine Art Wissenschaft, finde ich immer. Aber diese vielen Stunden alleine im Atelier. Man hat ja keine Kollegen hier, man geht ja nicht ins Büro. Man hat keinen Nine-to-five-Job, wo man sagt: „Da arbeitest du irgendwelche dir auferlegten Themen ab.“ Nein, das ist ja ganz anders. Du gehst ja hierher und brauchst diese Alleinsein-Zeit. Und auch diese Unbedingtheit, Malerei machen zu wollen. Dass alles miteinander gepaart ist, war eigentlich genau das, was auch eine unheimliche Beglückung ist in den Momenten. Es ist ja keine negative Einsamkeit. Du musst es halt aushalten können. Viele sagen: „Ich könnte nicht den ganzen Tag im Atelier stehen und alleine malen. Du bist ja krank im Kopf.“ Gab es ja alles schon. Musst dich immer rechtfertigen, warum man das macht. Aber man macht es halt, weil es eben auch guttut. Ist ja trotzdem eine Beschäftigung. Also eine ganz unmittelbar direkte Beschäftigung mit mir selbst.

SG: Ich frag mich [vor einem Werk stehend] öfter mal: Wie funktioniert das eigentlich maltechnisch?

ET: Die analytische Seite ist sehr interessant. Aber Farbe besteht aus Farbmittel, aus Bindemittel und natürlich gewissen Gesetzmäßigkeiten, was Haltbarkeit angeht. Und das studierst du ja auch fünf Jahre. Ich meine, das kriegst du im Grundstudium schon mal grundsätzlich vermittelt. Dann hast du ganz viele Praxiserlebnisse im Studium. Den Professor habe ich einmal in der Woche gesehen und den Assistenten auch. Der Rest war deine Zeit, in der du das alles ausprobieren, entwickeln konntest. Und da kommst du irgendwann auch dahinter. Es ist ja wie mit dem Instrument lernen. Du musst einfach üben, arbeiten. Merkst, was geht, was geht nicht. Und was liegt dir und welche Technik entspricht auch deinem Inhalt, den du dort formulieren und darstellen willst. Deswegen ist auch die Vielfalt der Technik so wunderbar groß. Ich liebe das ja immer wieder zu schauen. Ich bin auch einer, der ganz nah an die Malerei im Museum oder in der Galerie rangeht, weil ich wissen will, wie hat es der Kollege gemacht. Es gibt Dinge, die kann man natürlich ganz schnell feststellen. Das ist ja nicht sonderlich komplex entstanden, kann man schon so sagen. Aber es gibt auch ganz fantastische Oberflächen, wo ich sage: “Mein Gott, wie hat er das gelöst?“ Das ist einfach nicht entschlüsselbar für mich. Wo ich so nah an der Materie dran bin, finde ich es manchmal sowas von beeindruckend, was es da für eine Möglichkeitspalette gibt, mit eben nur Bindemittel, Farbmittel was zu machen. Das war ja bei den alten Meistern - vor der klassischen Moderne grob gesagt - ja alles nicht so groß gefächert. Da war es die Ölmalerei. Dann waren es die Höhungen, Lasurtechnik und dann kam der Firnis drauf. Fertig die Laube. Dann war die Ähnlichkeit grundsätzlich erstmal über die Technik ja schon mal gegeben. Aber heute ist das Spektrum gigantisch groß. Inhaltlich sowieso, aber eben auch der Oberfläche. Und viele gehen auch über die Oberfläche. Auch Sammler gehen über die Oberfläche. Sagen: „Ah, diese Haptik hier. Ich finde es total toll. Diese Mattheit und vielleicht diese Patina oder diese aufgerissene Oberfläche.“ Oder manche mögen auch die ganz glatte und glänzende Sache. Da ist ja für jeden was übrig.

SG: Worauf achtest du da bei der Oberfläche?

ET: Bei mir soll es eben auch nicht zu sehr glänzen. Die Tendenz ist schon seidenmatt, sag ich mal, wenn man das so mal klassisch eingrenzen wöllte. Firnis kommt bei mir überhaupt nicht ins Spiel, das lehne ich total ab. Ist für mich auch eine künstliche Schicht, die ich drüberlege. Die mit Malerei aber nichts zu tun hat. Ich könnte höchstens entscheiden, ob ich mehr Leinölfirnis in das Bindemittel gebe, oder in die Verdünnung, sodass ich es etwas speckiger mache. Aber, nein, es ist schon so, dass ich die etwas mattere Tendenz bevorzuge. Und jetzt habe ich erst in Venedig im Palazzo Grassi eine wunderbare Ausstellung von Luc Tuymans gesehen, der extrem matt arbeitet und die Diffusheit eigentlich hoch kultiviert, in seinen Bildern, und mit diesen Verneblungseffekten, wo er auch viel Weiß reinmischt, arbeitet. Das ist total spannend, was auch optisch passiert. Aber das ist auch das Konzept bei seiner Malerei. Weil die Sujets mitunter ganz banal sind. Sind auch immer ganz spezielle Perspektiven und auch Köpfe und Portraits dabei, aber gar nicht so im ganz klassischen Verständnissen. Aber eben diese Technik ist dort auch Konzept bei ihm. Das ist irgendwie auch interessant.

SG: Bestimmte Effekte zu erzielen.

ET: Genau. Die gar nicht über die Leuchtfarbe gehen, sondern die total aus einer Entfärbung kommen. Alles mit Weiß gebrochen. Es gibt keine richtigen Tiefen. Es ist eher flau, pastell, wolkig, irgendwas. Und wenn du da vor so manchem Bild stehst, dachte ich: „Krass, das ist schon eigenartig.“ Meine wirken ja nun eher präsent und schreien so ein bisschen raus und packen dich auch gleich ganz anders. Es war echt eine interessante Erfahrung. Den mochte ich eh schon immer. Aber ich könnte nicht so arbeiten. Es ist auch gut, dass man die Gewissheit hat. (lacht)

SG: Da muss ja jeder seinen Weg finden. Ich würde gerne nochmal zur Leuchtfarbe kommen. Wofür verwendest du die in deinen Arbeiten? Wir hatten jetzt schon die Kombination mit der weißen Ölfarbe. Und darüber hinaus findet man die ja noch in anderen Bereichen.

ET: Ich glaube, die Leuchtfarbe, die in der hauptsächlichen Präsenz bei mir dann das Magenta ist, bildet in diesem Koloritspektrum eines Bildes eigentlich immer den Höhepunkt. Sie ist logischerweise auch der Höhepunkt, weil das dort die lauteste Farbe ist. Die ja auch unsere Sehgewohnheit im natürlichen Umfeld nirgendwo wahrnimmt. Sie ist eine Signalfarbe. Und als Signalfarbe wird sie ja auch in der Malerei wahrgenommen. Und indem ich dieses Spektrum eröffne, indem ich sie verwende, ist einfach im Bild jede weitere Verwendung von anderen Farben viel interessanter für mich. Wenn sie fehlen würde, wäre es wieder eine völlig andere Lösung. Das Gegeneinanderstellen oder Gegenüberstellen, Leuchtfarbe und nicht leuchtende Farben oder gebrochene Farben, das finde ich eigentlich auch bei der Papierarbeit ganz schön. (zeigt auf die Arbeit Untitled (ETP1912)) Eben gerade, weil das Magenta ja dort doch recht sparsam benutzt wird. Aber da dieses Blaugraue eher so eine Unfarbe ist, die gar nicht spezifisch im Farbkreis eindeutig zu verorten ist, ist es irgendwie so eine Matsche. Und diese Gegenüberstellung finde ich da gerade auch sehr, sehr harmonisch.

SG: Ja, es leuchtet auch wirklich deutlich heraus.

ET: Ja, das macht es irgendwie mehr. Genau. Also, warum nehme ich das? Das kann ich gar nicht beantworten, ehrlich gesagt. Da würde ich jetzt irgendwas erzählen und es würde dem gar nicht entsprechen. Es wäre eine Lüge. Es ist eine sehr instinktive Handlung. Es ist irgendwann entdeckt worden, dass es diesen Hang gibt zu dieser Farbe. Habe ich irgendwie festgestellt. Und seitdem gab es auch mal so einen Moment, da ist mir hier das Spray ausgegangen. Und da hab ich gedacht: „Ich kann jetzt gar nicht arbeiten! Das Magenta fehlt. Ohne Magenta kann ich überhaupt nicht malen.“ Weil die Option gar nicht da ist, es zu verwenden und dadurch kann es gar kein gutes Bild werden. War auch eine interessante Erfahrung, die man vielleicht heute mit dem Handy macht. Wenn man sagt: „Ich hab das Handy heute zu Hause vergessen. Ich kann gar nicht in den Tag gehen. Ich kann gar nicht auf Arbeit gehen. Was mache ich jetzt? Der Tag wird scheiße, weil das Handy nicht dabei ist!“ (lacht) So ungefähr. Vielleicht kann man das vergleichen.

SG: Aber du verwendest nur das Magenta? Keine anderen Leuchtfarben?

ET: Der Hersteller [Spray-Color GmbH, Produkt Sparvar RAL Leuchtfarben] in dem Fall hatte damals mehrere: Blau, Grün, Orange und Magenta. Die vier sind mir jetzt bekannt. Ich habe alle bestellt, damals zu anfangs, und gemerkt, dass das Magenta in einer viel größeren Menge weggeht und im Bild einfach viel klarer zur Anwendung kommt. Das Blaue verwende ich in der Regel auch kombiniert mit dem Magenta, weil es dann ein sehr schönes Violett ergibt. Sind ja eher auch lasierende Spraytöne, nichts Deckendes. Und da kann man manchmal echt ganz schöne Lösungen finden. Hier gibt es aber gar nichts in der Hinsicht.

SG: Also doch andere Farben. Aber im deutlich geringeren Maße? 

ET: Deutlich geringer. Ja, deutlich geringer.

SG: Auch heute noch oder nur bei den älteren Arbeiten im Anfang?

ET: Das Grün habe ich jetzt gerade mal wiederverwendet, weil ich auch mal denke: „Das muss ja auch mal alle werden.“ (lacht) Da gab es eine Papierarbeit, da habe ich dann mit dem Grün gearbeitet. Die leuchten irgendwie auch, aber gar nicht so. Das ist dann auch nicht ganz so mein Grün. Und Grün ist sowieso problematisch, weil Grün in meiner Palette so nie vorkommt. Das ist mir immer zu nah am Gras und am Wald und allem dran, an der Natur. Das Orange ist mir irgendwie zu Orange und das Blau ist irgendwie okay. Das kannst du gut kombinieren als Film über was drüber, was sich wieder neu mischt während der Malerei. Aber das Magenta hat tatsächlich als einziges bei mir die totale Freiheit und Berechtigung solitär im Bild zu stehen. Das darf alles (lacht). Das ist mir tatsächlich wirklich oft schon passiert, dass auch Kollegen aus Leipzig, die man von früher kennt, sagten: „Mensch, das ist ja ganz schön bunt bei dir im Bild!“ Dort wird vieles auch sehr abgestimmt und sehr abgebrochen gemalt. Die versuchen ja eher unbunt zu werden und ich benehme mich da ganz im Gegenteil. Aber das ist einfach dann das Naturell. Das künstlerische Naturell.

SG: Und du sagtest eben die Farbe ist ja besonders lasierend. Hast du dir da eine bestimmte Arbeitsweise daraus hervorgehend angeeignet? Wirkt sie auf bestimmten Untergründen durch die Lasur auch unterschiedlich? Kannst du da vielleicht noch was dazu erzählen?

ET: Genau. Das Gebinde, was ich jetzt nutze, ist ein Spray. Und dort bei der Papierarbeit - habe ich ja vorhin erzählt - ist es eben ein Acryl als klassisches Acrylgebinde, was man eben aus der Flasche dann auch pastos verwendet. Mit dem arbeite ich aber gar nicht. Aber das Magenta ist eben wirklich nur in diesem Spray so erhältlich und wirkt auch nur so. Und natürlich leuchtet es umso mehr, wenn du Weiß drunter hast. Auf der frischen Leinwand damit zu arbeiten, das ist natürlich der größtmöglichste Leuchteffekt, wenn man den will. Aber selbst als Untermalung ist so ein Magenta fantastisch. Du kannst dann auch mit irgendeinem Zitronengelb oder einem Mohnrot oder was drüber gehen und hast dann ein ganz anderes Feuer drunter. Das ist total interessant und spannend. Wenn es als Untermalung funktionieren soll.

SG: Aber die Grundierung ist dann weiß in dem Fall?

ET: Die Leinwand grundiere ich in der Regel immer Weiß. Die wird weiß grundiert und dann könnte ich gleich dort draufgehen. Oder ich nehme es als eine Art Übermalung, das Spray, also das Magenta. Wenn ich jetzt ein Gelb habe oder auch was Dunkles. Gelb wird natürlich dann zum herrlichen Orange, also das wird ein ganz anderes Orange, als das. Aber was das eigentlich Spannende daran ist, wenn es als Übermalung funktioniert - die frische Ölfarbe eben unter dem Magenta liegt - alles noch nass in nass und frisch ist. Da kann man dann auch mit der Rakel oder mit irgendeinem anderen stumpfen Kratzgegenstand oder mit dem Pinsel selbst, dort ganz wunderbar auf die gesprühte Oberfläche, nochmal draufgehen und das wieder aufreißen und dort auch aus meiner Sicht ganz schöne Oberflächen erzielen. Oder selbst wenn man mit Papier draufgeht, abreibt. Man lässt das Magenta kurz anziehen, es verdunstet dir. Aerosole verflüchtigen sich ja. Man hat ja auch irgendwann ein Zeitgefühl entwickelt, nach wie viel Sekunden es so angezogen ist und nach wie vielen Minuten es dann grifffest ist. Das hat man irgendwie über die Jahre alles verinnerlicht. Und da kann man in solchen Zeitstadien ganz gut eingreifen und dort schöne Oberflächen erzielen, die man irgendwie ganz nützlich empfindet in dem Moment für das Bild. Ich lege das nicht bloß wie eine bunte Folie alles übereinander und irgendwann ist es ein Farbton. Das ist ja eben auch das, was ich vorhin meinte mit Malerei. Dass es eben auch Strukturen sind und Oberflächen, die jetzt nicht klassisch mit Pinsel erzeugt werden, sondern einfach auch durch Prozesse. Durch manuelle und mechanische Prozesse entstehen. Ist das verständlich so wie ich das meine?

SG: Ja, auf jeden Fall! Ich wollte jetzt nur gerade mal kurz zu einem anderen Thema was fragen. Nochmal zur Maltechnik. Gerade wenn du jetzt von malerischen Prozessen sprichst. Du arbeitest auch mit Schablonen an einigen Arbeiten. Wie gestaltet sich das?

ET: Der Impuls kam eigentlich damals zwischen der Gent-Reise nach Flandern. Dort gibt es unheimlich viel Streetart zu beobachten. Wunderschöne Motive. Banksy war damals auch ein großes Thema, so 2007 rum war das. Und da bist du nach Gent gereist, hattest eh einen Blick für sowas entwickelt. Und dann hatte ich dort überall tolle Motive gesehen und dachte. „Okay, In der Malerei, kann man das doch auch irgendwie. Warum nicht? Da kann man doch auch Streetart-Elemente einbauen.“ Es läge auch nahe, wenn man mit Spray arbeitet, dass man da eben selber rumschabloniert. Und da gab es dann auch wirklich ganz schöne Lösungen. Das ist beim Steffen Hildebrand in der G2 Sammlung. Da gibt es diesen Schneemann mit diesem Schafsschädelkopf. [Arbeit Big Player] Eine Lösung die ich total super fand mit so einem Schablonenelement zu arbeiten. Das hat er dann erworben damals. Das ist eine super Arbeit bis heute. Aber du meinst, warum ich das benutzt habe?

SG: Wir hatten die Schablonen einfach noch nicht im Gespräch. Diese Schafsschädel sind unter anderem auch mit Schablonen gemacht. Und bei den Ballons hatte ich da auch so ein bisschen daran gedacht, dass bei den Heißluftballons noch was im Spiel ist?

ET: Bei den Heißluftballons, da gab es mit Sicherheit Abklebungen. Die sind jetzt zwar nicht als Schablone geschnitten. Doch, es gab bei den kleinen Ballons tatsächlich diese Ballonform, die ich als Schablone geschnitten habe und sie liegend auf die Leinwand aufgelegt und fixiert habe - mit Nadeln oder Klebeband oder Gewichten. Nein, mit Nadeln ging ja nicht, mit Gewichten eigentlich auch nicht. Nur mit Klebeband ging. Weil ich dann die Fläche auch mit einer frischen Ölfarbe ausgefüllt, und dann darauf auch wieder gesprüht habe. Also diese Technik, die ich gerade erklärte. Das Weiß-Leuchtend, kombiniert dann auch ganz viel mit dem Weiß und eben diesem Magenta, was ich dann so drüber gesprüht habe. Da entsteht mindestens eine Farbschicht von ein paar Millimetern, auch in der Schablone. Und dann habe ich sie aber mit der Rakel abgezogen - über die Schablone drüber. Dadurch entsteht wieder so ein Farbverriss mit so einer Struktur, der ein paar Mal echt gut gelungen ist. Und dann kannst du die Schablone wegnehmen und hast außen eine ganz andere Situation, weil es auch so ein bisschen ausblutet, oder die Spraysituation sich anders abzeichnet. Und in der Mitte ist die Rakel drüber gerutscht. Und hat dort die frische Ölfarbe drunter wieder aufgerissen, hat die Leuchtschichten abgetragen, die dann nur noch am Rand oder nur noch so streifenhaft da waren. Es gab dadurch eben auch wieder schöne - schön ist ein schwieriges Wort in der Malerei. Es gab also dort wieder sehr interessante Oberflächen, die eben auch nicht mit dem Pinsel erzeugt wurden. Das ist auch wirklich die Beobachtung, die ich bei mir in meiner eigenen Arbeitsweise viele Jahre jetzt schon mache, dass ich gar nicht mehr so heiß auf diese Pinsel bin, um eben Farbe zu transportieren und aufzutragen, sondern, dass es viele andere Gegenstände oder Elemente sind, die die Farbe da drauf bewegen oder draufbringen. Und dann eben auch Stofflichkeiten. Um jetzt mal mit dem Papier zu arbeiten, um Stofflichkeiten zu erzeugen. Aber Stofflichkeit funktioniert wiederum nur, wenn du auch dagegen eine Fläche setzt, die Ruhe erzeugt.

SG: Um da dann einen Kontrast zu schaffen.

ET: Genau. Wenn du alles durchstrukturierst, ist es alles nur noch ein Teppich, sag ich mal. Und so hast du die Gewissheit, dass da dann auch was wirkt.

SG: Bezüglich der Ausstellung, hast du da spezielle Vorgaben, die du den Galerien dann machst? Oder wünschst du dir eine besondere Beleuchtungssituation für die Kunst?

ET: Ich schätze mich da eigentlich als einen sehr pflegeleichten Künstler ein, mit dem man kooperiert. Natürlich hat man einen gewissen Anspruch, oder wünscht sich einen Idealzustand. Aber wenn der eben nicht bereitgestellt werden kann, muss man auch mit anderen Umständen leben. Ich bin jetzt keiner, der da nur Schwarz oder Weiß sieht, und sagt: „Nur die Bedingung, und wenn nicht, dann arbeite ich mit euch nicht zusammen.“ Das ist eigentlich nicht meine Haltung. Wäre auch Quatsch letzten Endes. Ein gutes Werk oder eine Arbeit kann nicht nur von den Rahmenbedingungen funktionieren und leben. Klar hast du in Galerien recht ideale Zustände, weil sie eben sehr störungsarm sind. Da gibt es kein Inventar oder Möbel oder irgendwelche Pflanzen, wie in einem Foyer in einem Unternehmen, die auch ablenken. Das ist ja auch ein völlig anderer Ansatz. Die Galerie ist also auch völlig reduziert, eben nur auf das Wirken der Werke ausgerichtet. Dadurch kommt auch diese White-Cube-Ästhetik. Das ist schon recht interessant, wie das auch wirken kann, wenn man so ein Werk aus diesem aseptischen Umfeld aus den Ateliers rausholt und dort mal in eine Cleanheit reinsteckt. Das ist dann nochmal was ganz Anderes. Klar, Beleuchtung ist natürlich kein uninteressantes Thema. Gerade auch in der Galerie Antonstadt war das ein bisschen heikel. Obwohl das eine neue Beleuchtung war. Diese Kugellampen. Vielleicht erinnerst du dich daran. Die haben irgendwie einen komischen Nebel im Raum verbreitet. Als wäre es eine Nebelmaschine, kam mir das immer vor. Ich habe es vor allem bei den Fotos dann gemerkt, beim Fotografieren. Da hat man das echt gemerkt, dass das Licht nicht günstig für die Bilder arbeitet. Insofern spielt es schon eine Rolle, rein technologisch gesehen. Oder rein, wie sagt man, physikalisch. Aber ist ebenso. Kann ja nicht vom Galeristen verlangen: „Tausch mal deine Beleuchtung für 8000 Euro aus.“ Geht ja nicht. Das ist ja sein Laden und er muss verkaufen.

SG: Aber Vorzüge, zum Beispiel? Hast du das Gefühl: „Unter diesem Licht wirkt das Kunstwerk besonders gut und meine Kunstwerke wirken da gut.“ Hast du da schon Beobachtungen gemacht?

ET: So nah wie möglich am Tageslicht dran zu sein ist mir eigentlich am liebsten. Das ist das Problematische bei Vernissagen, gerade bei der Winterjahreszeit. 19 Uhr oder 18 Uhr, wenn es losgeht, dann ist es immer dunkel. Da musst du mit Kunstlicht arbeiten. Und wenn das nicht tip top ist, ist es einfach schon schwierig.

SG: Also mit Tageslicht meinst du wirklich das richtige Tageslicht?

ET: Fenster und gutes Licht im Raum. Galerien arbeiten ja immer mit Kunstlicht. Meine Galerie in Hamburg: Der eine Raum hat praktisch null Tageslicht. Da haben sie die Fensterseite komplett zugebaut mit einer Wand, einer vorgesetzten Wand. Dort sind gigantisch viele Neonröhren drin, das ist also ein Lux-Wert von - keine Ahnung wie viel - 100, über 100. Aber der andere Raum ist dann ganz angenehm, wiederum. Da ist dann das [Tages-]Licht da und da hast du dieses Mischlicht und es klappt gut. Aber ich finde jetzt sogar diesen Raum ohne Fenster besser, in der Wirkung. (lacht) Jetzt, wo du es fragst.

SG: Ist ein bisschen gezielter vielleicht?

ET: Entschlossener. Die haben ein gutes Licht. Irgendwie ist es auch ein Tageslicht. Also Tageslichtlampen sind es. Gute Neonröhren. Und das wirkt ganz gut! Weil bei diesen Fenstern hast du natürlich wieder Sonneneinstrahlung. Da hast du so auch mal Schatten- und Lichtflächen auf der Wand. Das war jetzt auch bei dem schönen Wetter ein Problem. Ja, aber das klappt schon ganz gut in dem Fall. Man hat ganz unterschiedliche Ausstellungsorte schon bespielt. Aber Tageslicht, denke ich, - ein gedecktes Tageslicht - ist schon gut.

SG: Gut, dann gehen wir jetzt zum Bereich Alterungsschäden / Konservierung. Wie stehst du dazu, wenn deine Kunstwerke altern?

ET: Das ist schon schön, wenn sie so lange wie möglich erhalten bleiben, in gewisser Hinsicht. Wenn man diese Lebenszeit in Werke investiert, ist es doch schön, wenn die Arbeiten so lange wie möglich in dem Zustand, wie sie entstanden sind, auch erhalten bleiben. Es gibt ja kein Konzept bei mir, wo ich sage: „Die sind irgendwie nur auf eine begrenzte Zeit definiert und dann zerfallen sie.“ In der Entscheidung, was das Gewebe angeht, in der Entscheidung, mit welchem Papier ich arbeite, in der Entscheidung, mit welcher Farbe ich arbeite, ist immer die Überlegung, lieber ein paar Euro mehr auszugeben, aber dafür auch eine hochwertige Basis zu schaffen, um sozusagen auch zu gewährleisten, oder dem Sammler fairerweise zu gewährleisten, dass er auch lange etwas davon hat. Oder wenn es museal gelagert wird, ist es auch schön. Sonst haben die Restauratoren die ganze Baustelle auf dem Tisch. Der Polke, der hat wahnsinnig experimentiert mit irgendwelchen Materialien als Bildträger. Es ist irgendwie auch vorprogrammiert, dass da irgendwann diese ganzen Gewebe und Tücher, die da minderwertig aussehen, auch irgendwann zerfallen. Ist auch schade, wenn das Werk verschwindet. Oder nur noch als Foto existiert. Ich glaube, Malerei ist so nicht angelegt. Ich bin da auch recht klassisch und traditionell orientiert oder auch programmiert und finde es manchmal total problematisch, wenn ich in Ausstellungen bin - Galerie, Museum, egal - aber Künstler mit einem doch arrivierten Status immer noch mit einer Baumwolle arbeiten, wo ich sofort weiß, brauche bloß mit einem Finger drandrücken, und dann gibt es da schon erstens Druck und zweitens ist der Riss nicht weit weg. Die werden einfach brüchig und spröde. Das sehe ich dem Material an. Ich habe am Anfang auch viel mit Baumwolle gearbeitet, und merke heute, nach zehn Jahren: Das Material ist totaler Schrott. Dann brauchen wir nicht von 80 Jahren reden. Das ist ja dann alles schon klar, was da passiert. Kannst es nur doublieren oder aufkaschieren oder was auch immer. Und wenn du dann eben von vornherein mit einem guten belgischen Leinen oder sowas arbeitest/

SG: Das verwendest du?

ET: Definitiv, ja. Ausschließlich.

SG: Aber bei früheren Arbeiten hast du Baumwolle verwendet?

ET: Genau, also so vor zehn Jahren kam eigentlich dieser Sinneswandel, wo ich gesagt habe: „Jetzt hast du ein paar Euro eingenommen mit Verkäufen. Jetzt wäre es auch schön, wenn du dich belohnst, auch mit einem guten Werkstoff.“ Es war einfach ein Gefühl. Ein Anspruchsgefühl. Und das hat sich auch bewahrheitet und behauptet, dass das eine gute Entscheidung war. Ich gehe auch mittlerweile technisch nicht sehr zart mit meinen Oberflächen um, sondern, da gibt es durch die Rakel wirklich ganz schön Druck, der da ausgeübt wird. Das kannst du natürlich nur mit einem guten Gewebe wieder korrigieren, indem du es von hinten auch wieder benetzt und feucht machst, dass es sich dann wieder ausrichtet, das Gewebe. Aber der Druck ist auch, weil der kantig funktioniert, über die Rakelkante, der kann ja wie ein Cutter dann teilweise funktionieren. Und wenn das Gewebe spröde ist und diese Cutterkante den Druck dann nicht aushält, ist auch schnell möglicherweise mal ein Riss drin. Oder dass ich zum Beispiel abklebe, mit einem Cutter und das Klebeband auch teilweise beschneide. Musst ja auch ein Gefühl entwickeln, wie tief drückst du den Cutter ins Klebeband rein. Nicht, dass du dann zu schnell mal im Gewebe bist und das Gewebe dann anritzt. Ich arbeite auch mit einem sehr schweren Gewebe - 300 Gramm und mehr. 330 Gramm. Es gibt von Boesner ein sehr schönes Material, was ich eigentlich für mich so entdeckt habe [Belgisches Leinen Nr. 171 und Worpswede] das da in Frage kommt.

SG: Arbeitest du auch mit speziellen Keilrahmen? Sicher auch, oder? Da legst du sicher dann auch Wert drauf.

ET: Mit speziellen in der Hinsicht eigentlich nur, dass ich sie mir selbst gebaut habe damals, mit dem Tischler (lacht).

SG: (lacht) Das ist ja schon sehr speziell!

ET: Das ist sehr speziell. Das hatte mit Sicherheit auch ökonomische Gründe, nach dem Studium oder im Studium noch. Die liegen alle da oben, die Leisten. (schaut in die Raumecke gegenüber) Viel auf Vorrat gebaut. Ja, das ist eigentlich das Einzige. Ansonsten kann es auch der handelsübliche Keilrahmen sein. Die Leiste, die es da so gibt.

SG: Auch die Standardstärken? Oder benutzt du besonders starke Keilrahmen?

ET: Ich mochte schon eine größere Tiefe. Bei den Großformaten war die viereinhalb Zentimeter Tiefe mir irgendwie doch am liebsten. (zeigt auf die Seite des Keilrahmens der unfertigen Arbeit) In der Größe hier, so ein zweieinhalb Zentimeter klassischer [Keilrahmen]. Das wirkt einfach nicht. Das braucht ein bisschen diesen Objektcharakter. Gerade wenn man dann eben auch die Überlegung noch einmal anstellt, da einen Schattenfugenrahmen drum zu machen, ist es einfach schöner, wenn es diese Materialdimension an der Wand hat.

SG: Das sind immer Holzrahmen? Es gibt ja auch Aluminiumrahmen.

ET: Ja, gibt es auch. Aber das ist preislich, erstens, eine gigantische Nummer und zweitens ist Holz für mich ein natürlicher Rohstoff, hinter dem Gewebe. Ich kenne auch einen österreichischen Kollegen. Ein schon älterer, der in Österreich auch sehr anerkannt ist. Der hat das wieder abgelehnt mit dem Aluminium. Der sagt: „Ich will jetzt nur wieder Holz.“ Klar, die Winkel stimmen perfekt, es zieht sich kein Bogen oder irgendwas rein. Holz arbeitet ja anders. Metall ist einfach starr, viel starrer. Aber wenn du dir die richtige Holzstärke nimmst und da einfach ein bisschen überlegst, was könnte da auch den Zug des Gewebes aushalten, ohne dass es da irgendwelche Bögen [gibt] oder dass die Flanken nicht ganz homogen gerade sind. Ich baue das alles selber. Es gibt ja auch Künstler und Kollegen, die bestellen das irgendwo beim Großhandel fertig. Es gibt ja auch Anbieter, die das gleich liefern. Das mache ich nicht.

SG: Gibt es dafür einen bestimmten Grund, dass du das selber machst?

ET: Der Grund ist eigentlich der, dass ich diesen handwerklichen Vorgang sehr schätze. Einfach auch schon als Vorbereitung für das Bild. Dass man da zwar irgendwie gedanklich noch nicht im Bild ist, aber schon am Bild. Mittlerweile hat es sich sogar so entwickelt, dass ich das als Zulieferer für zwei Kollegen mitmache. Die das handwerklich nicht so draufhaben und nicht so mögen. Und da sag ich: „Gut, mach ich das für euch mit.“ Und dort haben wir das wirklich ideal ausgelotet, weil ich das auch technologisch, von der Grundierung her, alles so einstelle, wie sie es brauchen. Was die Saugfähigkeit der Grundierung angeht und so. Das mache ich gleich mit. Mit Vorleimen und Lithopone, Rügener Kreide und so weiter und so fort.

SG: Ja, das wäre meine nächste Frage: Du tackerst die Leinwand auf und dann grundierst du selbst?

ET: Aber nur hinten, nie an der Seite.

SG: Hinten immer?

ET: Also, umgeschlagen, zweimal, zack-zack! Und dann hinten sitzt die Klammer.

SG: Und immer? Oder gibt es da auch eine spezielle Ausnahme, bei kleineren Formaten oder so?

ET: Nee, immer. Ich mag es nicht, wenn die Klammer an der Seite sitzt.

SG: Ja, dann sieht man die.

ET: Ja, genau, dann sieht man die. Und, ja, ist aber auch nicht schön.

SG: Und dann leimst du vor?

ET: Dann leime ich vor, genau.

SG: Mit einem klassischen Hautleim?

ET: Hautleim, ja. Sieben prozentig halt. 70 zu 1000, das ist eigentlich so die - was Doerner auch beschreibt - eigentlich die ideale Straffheit. Damit hast du auch die Möglichkeit: Wenn du dieses Gewebe verdrückst und nachher, wenn du es korrigieren willst. Es arbeitet der Leim ja auch immer mit. Dass du da eigentlich ganz gut wieder den Originalzustand des Gewebes hinkriegst. Die Straffheit und so weiter. Aber nur einseitig, nicht beidseitig leimen, also nicht rückseitig. Das habe ich mal eine Zeit lang probiert, ist aber, fand ich, nicht sinnvoll.

SG: Wo war denn das Problem?

ET: Dass du auf der Rückseite auch diesen Leim draufhast. Und wenn du das eben von hinten benetzen wolltest, bist du nicht so richtig an das Gewebe rangekommen. Es hat gesperrt, wenn du es praktisch wieder stretchen wolltest. Dann war da eine Behinderung. Und indem ich es hinten offengelassen habe, war sozusagen auch die Möglichkeit da warmes Wasser aufzutragen, und dann hat sich das Gewebe korrigiert. Das ging eigentlich dann am besten.

SG: Gut, und darauf dann grundiert?

ET: Darauf eigentlich in zwei Lagen grundiert.

SG: Mit welcher Grundierung?

ET: Mit Lithopone und Rügener Kreide. Ein Teil Lithopone, zwei Teile Rügener Kreide. Und die Acrylemulsion nutze ich in dem Fall. Man hat kein klassisches Bindemittel hier mit Dammarfirnis, sondern ich nutze dieses RH14 [boesner GmbH], so heißt es mittlerweile. Früher hieß es mal RH7, jetzt RH14.

SG: Ja, immer diese Umbenennungen. (lacht)

ET:  Also eine Acrylemulsion, sozusagen. Da steckt auch das Wort Emulsion drin. Das hat sich in all den Jahren für Ölmalerei so gut bewährt. Ich habe nie eine industriell grundierte Leinwand genutzt. Viele benutzen - Daniel Richter und Neo Rauch, glaub ich - solche fertiggrundierten Leinwände. Der Doig hat ja auf das reine Gewebe mit Öl gearbeitet. Und hatte auch diese Fettkorona mitwirken lassen, als eigene Farbe, also vollgesaugtes Gewebe mitgenutzt. Ist auch mal eine interessante Sache, aber natürlich – weißt du ja genau - dass diese Terpentinharze ja auch das Gewebe angreifen über die Jahre hinweg. Da dachte ich mir: "Okay, macht sich ja nicht jeder drüber Gedanken." Hat natürlich einen schönen optischen Effekt. Aber nein, ich grundiere in der Regel immer.

SG: Und mit welchem Werkzeug arbeitest du? 

ET: Mit einem großen Flächenstreicher. Das ist dann kreuzlagig aufgetragen. Und dann zwischengeschliffen und nochmal endgeschliffen, weil die Fasern des Gewebes sich nochmal aufstellen und hart werden.

SG:  Womit schleifst du dann?

ET: Mit einem feinen Schleifpapier und Schleifklotz. Es ist in der Regel schon ein bisschen abgenutzt das Schleifpapier. Gar nicht so ein frisches. 400er oder sowas. 

SG: Und nur die oberste Schicht wird geschliffen? 

ET: Mit unter auch mal zwischendurch - Ja, einmal zwischendurch und dann nochmal dieser End[schliff]. Aber wirklich ohne großen Druck. Einfach nur mal so die Spitzen wegnehmen. 

SG: Sodass du immernoch eine gewisse Leinwandstruktur hast.

ET: Ja, das schon

SG: Die ist dir ja wichtig, sonst würden die schönen Strukturen nicht beim Rakeln entstehen.

ET: Die Grundierung ist schon recht flüssig eingestellt. Es ist jetzt nicht so, dass ich eine richtig pastose Grundierung aufbaue, wo das Gewebe völlig drunter verschwindet. Gut, da müssen wir ja eh zwischenspachteln, wenn man das wöllte. Manche wollen ja genau diese glatte Oberfläche. Sonst würdest du ja solche Effekte gar nicht hinkriegen. (zeigt auf die Arbeit Modifikation) Siehst du ja hier. Mit Schuss und Faden praktisch gewebt. Dass es alles sichtbar ist. Ja, ist jetzt nicht sonderlich repräsentativ das Bild für sowas, aber reicht.

SG: Du hast ja auch einzelne Arbeiten auf Aluminium und Holz gemacht. Da sind wir noch gar nicht dazu gekommen über die zu reden.

ET: Das war auch einfach nur mal eine Serie - ein Versuch. Diese Aluminiumplatten sind eigentlich übriggeblieben. Da hatten wir einen Kunstkalender gedruckt in der Druckerei. Und es war damals eben die Belichtungsplatte für den Offset-Druck. Und da waren so ganz interessante Bilder drauf, in den jeweiligen Farben, wie sie dann auch gedruckt wurden im Offset. Da habe ich dann die Druckerei gefragt, ob ich sie dann mitnehmen könnte. Sind ja auch 2mm-Aluminiumplatten. Die habe ich dann mitbekommen. Dann mussten sie aufkaschiert werden, damit sie stabil bleiben, damit man drauf arbeiten kann. Da habe ich dann MDF genutzt. Und dann auf Aluminium gemalt. Dort konnte ich dann die vorhin angesprochenen realistischeren Portraits mal ganz gut ausprobieren. Da habe ich dann auch mit Abklebungen gearbeitet. Habe dann auch die Strukturen auf der Aluminiumplatte geschützt durch Abkleben und dann nach dem Malprozess wieder rausgezogen. Also einfach diese Brüche. Malerei nicht ganz stoisch begriffen, als nur Auftragen, sondern eben auch assemblagenhaft, collagenhaft - wie auch immer man das bezeichnen wöllte. Also ich hab wirklich sehr vieles experimentell ausprobiert. Das war eben eines dieser Felder, wo ich mich mal ein bisschen getummelt hab. Ist auch keine Hauptstrecke mehr geblieben. Manche Kollegen haben das genutzt, weil sie sehr lasurmäßig gemalt haben und eben auch sehr realistisch in der Regel. Dass sie eben diesen metallischen Untergrund genutzt haben. Also wenn Ölfarbe auf Aluminium kommt hat die ja ein total interessantes Unterscheidungsbild. Aber das hat mich jetzt nicht wirklich nachhaltig beeindruckt, dass ich da drangeblieben bin.

SG: Gleiches gilt dann auch für den Holzbildträger?

ET: Jetzt muss ich mal überlegen - direkt auf Holz habe ich mal so kleine Platten gemalt. Das war in der Bergserie bei diesen alpinen Bildern. Gut, da hat man natürlich gleich die Referenz des Tafelbildes und des Altarbildes, was früher ja nur auf Holz gemalt war. Auf Linde wurde ja ganz viel gemacht. 

SG: Ja, unterschiedlich. 

ET: Unterschiedlich. Und dann mit Kreide grundiert. Nein, ich bin dann einfach immer wieder zum Gewebe zurückgekehrt. Holz wird in der größeren Flächendimension dann einfach total schwer zu transportieren. Dann müsstest du die Gefahr des Reisens [des Bildträgermaterials gut in den Griff bekommen und unterbinden.] Dann müsste es verleimt werden. Also da jetzt einen idealen Bildträger zu finden in dieser Neutralität ist ja auch nicht so einfach. Ich sage immer: Ich bin klassisch als Maler unterwegs mit klassischen Materialien, aber dann wiederum auch nicht klassisch (lacht), was die Farbigkeit angeht oder inhaltlich auch nicht klassisch. Das erklärt es vielleicht am besten.

SG: Das zeigt sich dann im Ausdruck.

ET: Das zeigt sich dann im wirklichen Ausdruck, genau.

SG: Aber auch die Kombination aus Acryl und Öl ist ja jetzt nicht wirklich klassisch.

ET: Nicht so klassisch, aber weit verbreitet. Bloß jeder nutzt es unterschiedlich und wendet es unterschiedlich an. Also viele machen Acryluntermalungen und gehen dann mit Öl drüber. Das habe ich schon recht häufig beobachtet. Ist keine Seltenheit mehr. Bei mir ist der Anteil des Acryls ja noch relativ gering. Und da fällt auch wirklich die Verwendung des Sprays mit rein. Auch wenn es kein klassisches Acrylverständnis hat. Es wird zwar als Acrylspray handelsüblich dargestellt. Aber es ist ja irgendwie eine Art - eine andere Art Chemie als Acryl. Durch die Aerosole auch anders gelöst. 

SG: Ja, könnte auch eine Mischung aus verschiedenen Bindemitteln sein. Das weiß man jetzt erstmal nicht.

ET: Das ist doch keine klassische Acrylbindemittelsituation, oder? Es trocknet zwar ähnlich schnell wie ein Acrylgebinde, aber/

SG: Also im Einzelnen weiß ich das jetzt nicht, was alles bei Sprayfarben so verwendet wird. Ich könnte mir vorstellen, dass es eher eine Lösung ist, als eine Emulsion. 

ET: Aber zumindest stehen ja auch immer Aerosole drauf. Das ist ja giftig auch vom Abdampfen her. Riecht ja auch präsent. Also wenn du Acrylfarbe nimmst, das ist ja nichts dagegen. 

SG: Das ist ja lösemittelfrei in der Regel. 

ET: Genau. Also den Unterschied merkst du schon. Wenn ich sage „Öl/Acryl“ ist im Acrylanteil auch das Spray mit gemeint. Da ist es wirklich weniger die klassische Acrylsache. Und Öl ist aber noch der Hauptanteil der Farbe. Das Magenta beispielsweise, das Spray wird auch wirklich in jeder Bildschicht angewendet. Kann ganz unten als erste Lage kommen, kann aber auch als letzte Lage kommen. Das ist sehr versöhnlich, wie das funktioniert. (lacht) Immer zentral dabei und verträgt sich auch echt gut mit der Ölfarbe. Da gibt es kein Craquelée oder Runzelungen. Klappt eigentlich ganz gut. 

SG: Hast du da wirklich nie irgendwelche Beobachtungen gemacht? Ich kann mir vorstellen, wenn man mit zwei verschiedenen Bindemittelsystemen arbeitet, dass man dann erstmal ein bisschen rumprobieren muss, bis man das gut gemanagt kriegt, dass nicht nachher doch ein Craquelée entsteht. 

ET: Klar musst du rumprobieren. Es gab mal eine Situation, dass nach dem Aufsprühen, weil die ja so scharf sind im frischen Zustand, sich da irgendwas aufgelöst hat. Ich glaube das war immer genau dann, wenn im Untergrund eine dickere Acrylschicht war, die im wässrigen System aufgetragen war. Dann mit Ölfarbe überstrichen und darauf gesprüht. Da kam aber von unten eben sozusagen die abgetrocknete Acrylfarbschicht und blähte sich auf, machte Blasen. Das hatte ich schon. Aber wirklich ganz selten. Es kann sein, dass es eine bestimmte Farbe war oder eine bestimmte Marke. 

SG: Und auch über viele Jahre hinweg hast du da jetzt keine Beobachtungen gemacht, dass es sich nicht vertragen würde.

ET: Wenn es einmal abgedunstet ist, dann passiert nichts mehr. Da ist nie mehr etwas passiert. Das ist immer stabil geblieben. Wenn ich Bilder angucke, die zehn Jahre alt sind, wirken die auf mich unverändert. 

SG: Wenn wir jetzt wieder bei Veränderungen sind. Zurück zur Alterung. Hast du an den Fluoreszenzfarben schon irgendwelche Veränderungen bemerkt? Dass sie vielleicht die Leuchtkraft verloren haben oder ausgeblichen sind oder verdunkelt? Das wären jetzt so die typischen Schäden, die nach einigen Jahren erst auftreten können, aber da du ja schon länger mit den Farben arbeitest/

ET: Na gut, da bin ich vielleicht nicht so ganz die ideale Referenzperson, weil ich ja noch nicht 50 Jahre lang damit arbeite. Aber über 10 Jahre hinweg kann ich es insofern beurteilen, dass ich jetzt tatsächlich keine Abschwächung wahrgenommen habe. 

SG: Das ist ja gut!

ET: Deswegen nutz ich es ja auch so ungeniert weiter.

SG: Und wäre das für dich eine Beeinträchtigung der Aussagekraft?

ET: Wenn ich drauf verzichten müsste?

SG: Wenn die Leuchtkraft mit der Zeit zurückgeht?

ET: Ach so, wenn es verwendet wurde, dann aber abschwächt. Gut dann verändert sich ja wieder das Gesamtkolorit-Klima im Bild. Da müsste man jetzt einfach gucken, ist es dem jetzt dienlich oder nicht. Grundsätzlich bin ich nicht unbedingt dran interessiert, dass es sich abschwächt. (lacht)

SG: Also du möchtest diese starke Leuchtkraft wirklich beibehalten? 

ET: Ja. Man wird ja auch älter als Künstler und sagt sich vielleicht in 20 Jahren: "Was hast du dich da in der Mitte deines Leben getraut?" Kann doch sein, dass man das dann sagt, aus einem ästhetischen und reflektiven Gedanken heraus. Aber das akzeptiert man dann. Man hatte damals eben zu diesen Farben gegriffen, weil sie der Malerei gutgetan haben. Ich mag sie schon recht. Das stimmt.

SG: Damit bin ich mit meinen Fragen am Ende. Das war es schon. Dankeschön für das Interview.

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