Projekt/Anlass | artemak+X / Gewinnen von Informationen zu Materialien und Techniken der Künstlerin Heide Nord | |
Interview mit | Heide Nord (HN) | |
Geführt von | Jonathan Debik (JD) | |
Ort | Galerie B2, Leipzig | |
Datum | 18.12.2019 | |
Anmerkungen | Zur Unterstützung bzw. Führung des Interviews wurde auf einem Laptop eine PowerPoint-Präsentation mit Abbildungen von Werken der Künstlerin gezeigt. | |
Transkript | Jonathan Debik (Transkription) | |
Heide Nord (Korrekturen und leichte inhaltliche Überarbeitung) | ||
Symbole | (…) | = Pause ab 3 Sek. |
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[[Text]] | = Ergänzungen durch [Name] | |
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JD: Ich dachte wir fangen mal mit der aktuellen Ausstellung Kälte ist keine Energie an, wenn wir schon hier mittendrin sitzen. Kannst du mir vielleicht ein bisschen was zu dem Titel erzählen? Wie es dazu kommt?
HN: Der Titel ist von Alexander Kluge aus der Chronik der Gefühle, den ich aber tatsächlich nicht gefragt habe, ob ich den Titel verwenden darf. Ich wollte ihm das eigentlich noch schreiben. Ich glaube, dass er nichts dagegen hat, so wie ich ihn verstehe. Das war einfach ein Titel, der hat mich [[magisch]] angezogen. Ich blättere manchmal ganz gerne in diesem Buch und fand bei dem Titel, dass der richtig gut zu meiner Arbeit passt, ohne dass ich das jetzt bei der dazugehörigen Geschichte fand. Hier in der Ausstellung, gibt's zum einen viele Arbeiten, die ich in Italien während meines Stipendiums in der Casa Baldi gemacht habe, beziehungsweise, die ich dort auf den Weg gebracht habe. Das ist der eine Hintergrund für die Ausstellung und der andere, dass es relativ viele Arbeiten gibt die einen Space-Bezug haben. Und in dem Zusammenhang hat mich dieser Titel angezogen.
JD: Weil es da kalt ist in dem Raum?
HN: Genau. Zum Beispiel. Und auch im Hintergrund bei dieser Arbeit, die ich mache, über die wir bestimmt noch sprechen, die Aussicht auf Unsterblichkeit, wo es um Leute mit dieser Idee von Unsterblichkeit geht, die sich zum Teil in Stickstoff einfrieren, oder [[kryonisch]] konservieren lassen.
JD: Die Werkgruppe umfasst ja verschiedene Arbeiten, also Gemälde, Skulpturen, Drucke. Was ist es noch, dass diese Arbeiten verbindet? Du meinst eben das Einfrieren, diese Kälte, das Konservieren.
HN: Genau, ich habe angefangen diese Arbeit zu machen aus einer Beschäftigung heraus mit eigentlich zwei Büchern. Das eine war von Boris Groys und Michael Hagemeister ein Buch Biopolitische Utopien zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts [Die Neue Menschheit: Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Suhrkamp Verlag, 2005] und da wird diese Bewegung der Kosmisten vorgestellt. Im Prinzip geht es um Wanderprediger und eine Reihe von verschiedensten Menschen – ob sie nun politisch aktiv waren, oder eher wissenschaftlich – die sich damit beschäftigt haben, wie eine ganz gerechte Gesellschaft aussehen könnte. Denn das war alles in dieser Russische-Revolution-Umbruchszeit. Und ein Punkt, den sie festgestellt haben der fehlt, ist die Überwindung des Todes. Die gehörte sozusagen in ihrer Vorstellung von Gerechtigkeit auf jeden Fall dazu, weil solange man den nicht überwindet ist Gerechtigkeit nicht möglich. Und deswegen hatten die angefangen nach Möglichkeiten zu suchen – also das wurde eher sehr technisch rezipiert – und eben gesagt: „es ist eine Frage der Technik, dass man den Tod überwindet.“ Trotzdem gab es dann verschiedene Ansatzpunkte. Es gab Menschen die haben Blutexperimente gemacht, vom Prinzip eine Vampir-Idee, dass man über den Austausch, was weiß ich „junger Mensch kriegt das Blut vom alten Menschen“ dann viel schlauer wird, so eine Richtung. Oder der alte Mensch lebt dann länger. Aber auch ganz pragmatisch, wie: „Wenn wir den Tod überwinden, wird es sehr eng auf der Erde. Wir müssen uns ferne Planeten erobern. Wie kommen wir dahin? Wir müssen irgendwelche Fahrzeuge entwickeln, also Raketen bauen.“ Und was tatsächlich dann – zum Teil – auch ein Anlass für die russische Raumfahrt war. Da gibt es richtige Raumfahrtpioniere, die involviert waren [[ich denke da an Konstantin Ciolkovskij]].
Genau, damit hatte ich mich beschäftigt und eben mit dieser Vorstellung von Unsterblichkeit. Die hatten zum Beispiel auch die Idee aus Sibirien einen Dauerfrost-Friedhof zu machen, um dort wichtige Menschen – weil so gerecht war es dann doch nicht – einzufrieren und, wenn es dann soweit ist [[die Utopie Wirklichkeit geworden ist]], wieder aufzutauen. Und ein bisschen später hat sich in den USA jemand – Robert Ettinger heißt der, der hat immer sehr viel Comics, Science-Fiction Comics, gelesen und dann hatte er ein Kriegserlebnis – auf jeden Fall hat er sich von einer ganz anderen Seite, eher von so einer egozentrierten Seite, mit einem individualistischen Wunsch nach Unsterblichkeit beschäftigt. Er hat dann dort das erste Kryonik-Institut mitgegründet und hat ein Buch geschrieben. Das heißt Aussicht auf Unsterblichkeit, the prospect of immortality und das gibt den Namen für meine Arbeit. Das war der Hintergrund, darüber bin ich dazu gekommen. Und was mich daran interessiert hat, sind verschiedene Dinge. In meiner künstlerischen Beschäftigung gibt es viele Ansatzpunkte. Ich habe mir zum einen vorgestellt: „Wie könnte der Entree-Bereich des Kryonik-Institutes denn aussehen, wenn man ihn betritt?“ Und ich habe versucht diese Idee von dem was dort gemacht wird zu transportieren, durch meine Objekte. Also ich rede jetzt hier zum Beispiel von diesem [zeigt auf Abbildungen der PowerPoint-Präsentation], von dem Regal, nenn ich es jetzt mal der Einfachheit halber, oder von der Treppe.
JD: Das sind Aussicht auf Unsterblichkeit, Welche Nummern sind das?
HN: Das ist glaube ich tatsächlich das Erste. (...) Mit den Nummern, das kann ich nicht so gut auswendig.
JD: Ok, das schau ich selber noch mal nach. Und sind die beiden Objekte quasi so das Interieur, wo du überlegt hast, das könnte dann da rumstehen?
HN: Also das Erste auf jeden Fall. Das find ich ist eine ziemlich gute Interieur-Arbeit und die Treppe doch letztlich auch. Und vielleicht auch das da noch. Diese, mit dieser Lotus-Glühbirne. Genau. Das wäre was ich mir überlegt hatte und dann gibt's auch konkrete Bezüge. Das sieht man jetzt hier nur im Hintergrund, aber da sind Portraits von Doktor James Bedford, das war der erste Mensch, der sich im Zuge dieser Kryonik-Bewegung in den USA hat einfrieren lassen. Wobei das zum Teil seine Familie noch übernommen hat und ihn irgendwie in der Scheune mit Stickstoff über Jahre gekühlt hat. Der liegt auch als eine Art Artefakt noch in dem einen Kryonik-Institut.
JD: Die Formen, also diese Treppe, hier diese hohen filigranen Skulpturen, die manchmal so an Galgen erinnern und auch diese gepolsterten Flächen, die kommen ja immer wieder in deinen Arbeiten vor. Hast du da noch spezielle Verbindungen? Haben die für dich eine besondere Bedeutung?
HN: [Denkt einen Moment nach] Also, zum einen ist es natürlich eine malerische Arbeit, die sind ja wirklich auch mit Öl auf Leinwand gefertigt und sie sind gepolstert. Sie erinnern mich aber auch an diese Türen, die Ärzte manchmal haben, wenn man nicht hören soll, was in den Zimmern gesprochen wird. Gepolsterte Flächen, damit habe ich relativ viel gemacht und ich würde sagen, das kommt eher aus dem medizinischen Kontext. Es gibt auch Panikräume, die so gepolstert sind. Solche Orte hatte ich auf jeden Fall – aber diese Tür vielleicht sogar noch vielmehr – im Kopf.
JD: Und diese bunten Farbabstufungen, die kommen ja auch in mehreren Arbeiten vor. Wie suchst du die aus?
HN: Ähm, manchmal hat das sowas wie beim Regenbogen, was man jetzt dort sieht. Dann ist es relativ naheliegend, wie die ausgesucht werden. Und jetzt zum Beispiel hier, das sind dann auch die Farben von denen, die man hier findet, an diesen Kanten. Die haben auch die gleichen Höhen. Insofern beziehen die sich aufeinander. Das siehst du jetzt vielleicht auf dem Foto so nicht.
JD: Und bei diesem treppenartigen Werk? Ist es eine ästhetische Entscheidung?
HN: Hm (überlegend). Also, wenn, dann ist es vielleicht eher die Idee vom Regenbogen. Also der Regenbogen vielleicht wirklich hier auch als eine Brücke zwischen Welten, wenn man so möchte. Sowas nicht Greifbares. Diese ganzen Spektralfarben und Polarlichter und so, das ist schon was, was mich rein ästhetisch sehr anzieht. (...)
JD: Ich würde nochmal kurz zu deinen früheren Arbeiten springen, die ich gefunden habe, von circa 2008. Da finden sich ja oft figürliche Gemäldethemen und hier kommen ja auch schon Namen von Wissenschaftlern, Ärzten, Physikern, Psychologen gleich in den Titeln vor. Und auch die Porträts dazu. Kannst du mir hier noch mehr erzählen?
HN: Also, zum einen wollte ich halt auch mal Porträts malen. Einfach aus einem malerischen Interesse heraus. Und diese Bezüge, die gibt es viel in meiner Arbeit. Ich lege das jetzt nicht mehr so offen und mache das auf eine andere Art. Aber es gibt immer einen Anteil, dass ich zu irgendwem was lese, oder mich damit beschäftige. Und im Prinzip war das da genauso. Dann habe ich halt diese Porträts gemalt. Es ist nicht unbedingt Ausdruck dieser Beschäftigung, aber es ist Anlass, um es dann zu machen. So würde ich das eher sagen. Also insgesamt gibt's in meiner Arbeit immer einen –theoretisch würde ich es vielleicht nicht nennen –, aber es gibt so einen Teil, wo ich einfach lese, Sachen angucke – mich mit einem Thema beschäftige und dann nach Wegen für mich suche, wie ich das in meine künstlerische Arbeit transformiere. Und, wie gesagt, ich denke, hier stand schon ein malerisches Interesse in meinem Fokus. Weil ich vorher nie Porträts gemalt habe. Und wissenschaftliche Themen interessieren mich grundsätzlich sehr. Ich komme selber auch aus einer Wissenschaftler:innen-Familie. Ich habe dir ja auch was mitgebracht, was ich vorher gemacht habe und was noch ganz anders ist. Eine meiner frühen Installationen.
JD: Wann hast du ungefähr angefangen, Installationen zu machen?
HN: Ich habe relativ schnell bei meinem Kunststudium angefangen, mich dafür zu interessieren. Und hatte gleichzeitig immer den Eindruck, technische Defizite überwinden zu wollen. Weil mich das interessiert hat, mir möglichst viele Techniken anzueignen, um damit umgehen zu können. Ich habe für mich nach Möglichkeiten gesucht, verschiedene Sachen miteinander zu konfrontieren. Ich habe das jetzt auch mitgebracht, weil es so ganz anders ist. Trotzdem gibt's ein paar Ähnlichkeiten vom Aufbau her. [überreicht eine Postkarte mit der abgebildeten Installation ON-OFF]
JD: Und ich sehe auf dem Bild ja auch Leuchtmittel hier, oder?
HN: Nee, das ist gemalt.
JD: Ach, das ist gemalt? Ach super! (…) Und du hast ja auch in relativ vielen Hochschulen studiert. Das ist ja ganz spannend. Wie kam es dazu? Also, hast du das bewusst gemacht, um verschiedene Einflüsse mitzukriegen?
HN: Irgendwann ja. Zuerst habe ich Textile Künste studiert. Und auch das spielt bei den Polstern sicher eine Rolle. Ich habe einen Bezug zum Material, zu vielen Materialien. Ich habe das studiert, und meine Professorin hatte einen schlimmen Unfall und konnte nicht weiter unterrichten. Ich wusste nicht so richtig, wie ich an der Hochschule weitermachen soll und habe mich dann deswegen in Berlin beworben. Weil ich finde, dass Katharina Grosse – sie hat da unterrichtet –, einfach eine tolle Künstlerin ist und ich mich zu dem Zeitpunkt auch immer mehr für Malerei interessiert habe. Genau, ich habe dort angefangen und dann hat sie aber relativ schnell ein sechsjähriges Sabbatical genommen. Weswegen der Grund, warum ich dort hingegangen bin, sich eigentlich erledigt hatte. Dann bin ich mehr oder weniger auch aus privaten Gründen nach Leipzig gegangen und fand es dann aber total spannend, weil – auch wenn ich da nur kurz war – der Ansatz, wie in Berlin unterrichtet wurde, halt so vollkommen konträr zu dem in Leipzig war. Das war für mich interessant zu sehen, wie unterschiedlich man als Hochschule mit so einem Studium umgeht. Da habe ich schon einen starken Clash gespürt.
JD: Kannst du kurz Beispiele geben? Was war da anders?
HN: Leipzig war auf jeden Fall, also, da wo ich war, viel mehr auf Technik ausgerichtet. Das fand ich insofern auch gut, weil ich da, wie gesagt, so ein starkes Defizit gespürt habe. Vorher würde ich sagen hat die künstlerische Haltung eine größere Rolle gespielt. Wir haben uns in der Klasse viel mehr damit auseinandergesetzt und es war viel redeintensiver. Der Theorieteil von Leipzig – ich weiß nicht, wie das jetzt ist – aber der war sehr überschaubar. Und ich war auch am Anfang irritiert davon, wie wenig dort gesprochen wird im Studium. Ich hatte es gerade für mich entdeckt, dass ich es ziemlich gut finde, dass mehr gesprochen wird. Und auf einmal war es wieder weg. Dann habe ich aber gedacht, dass es für mich auch interessant ist, dass ich jetzt diese verschiedenen Orte besucht habe. Und ich versuche einfach möglichst viel davon zu ziehen. Also vom Umgang mit den gleichen Medien. Ich dachte, dann finde ich vielleicht besser zu meinem eigenen Weg, wenn ich mir das alles bewusster angucken kann und nicht so sehr in der Schule von irgendwas drinstecke. Das habe ich zumindest gehofft, dass es so passiert.
JD: Und du warst ja nach dem Diplom noch Meisterschülerin bei Neo Rauch? Inwiefern hat es dich beeinflusst?
HN: Ja, ich habe aber auch gleichzeitig in London studiert und auch dort gelebt.
JD: Was hast du da mitgenommen? Von der London-Zeit?
HN: Das war sehr verschult, das Studium dort. Es gab ein starkes Präsenzstudium. Man musste eigentlich permanent da sein. Was man ja in dem Meisterschülerstudium zum Glück eigentlich überhaupt nicht mehr ist. Und es ist halt nicht so professorenbezogen [[in London am RCA]]. Man hat super viele Tutorinnen und baut sich sein Studium vielleicht eher zusammen. Und dadurch, dass man so viel dort ist, gab es ein anderes Campusgefühl. Das kannte ich bis dahin in der Intensität noch nicht, auch weil wir alle in einer Halle gearbeitet haben. (…)
JD: Wann hast du das Druckwerk für dich entdeckt? Schon immer?
HN: Immer, ja. Das sind ja auch Kombination. Die meisten bis auf die dort [zeigt auf eine Abbildung von AUSSICHT AUF UNSTERBLICHKEIT VI in der PowerPoint-Präsentation] sind eine Kombination aus Monotypie und Malerei.
JD: Kannst du mir zu den Druckgrafiken noch mehr erzählen? Also, inhaltlich, da spielen ja auch Statistiken und Diagramme eine große Rolle. Wie kommt's dazu?
HN: Also, erstmal vielleicht mit der Idee: „Was passiert eigentlich, wenn ich aus einer Form, die durch den Inhalt oder durch eine Information definiert wurde, diese Information nehme und sie wieder auf ihre bloße Form reduziere? Wie verhält die sich dann in Bezug auf so eine Arbeit?“ Und dann tue ich ein bisschen so, als würde es noch Orientierungspunkte geben, indem die dieses Raster haben. Aber es gibt keine Verortung, also, von irgendwelchen Größen. Insofern ist es eher ein Spiel oder vielleicht auch ein Witz.
JD: Und auf den Inhalt lässt ja eigentlich nur noch, wenn überhaupt, der Titel schließen. Wie zum Beispiel bei 27 Blaetter zum Haushaltsdefizit der EU. Hast du dir da wirklich das Haushaltsdefizit der EU als Inhalt genommen und das künstlerisch ausgearbeitet?
HN: Ja, doch das mache ich dann tatsächlich. Also, ich spiele das wirklich durch. Ich besuche Quellen, wie das statistische Bundesamt. Hier gibt es ja auch Broschüren zu irgendwelchen Themen, die veröffentlicht werden von Instituten. Und das nehme ich mir dann vor und versuche es auch, also zumindest formal, relativ genau zu übertragen. Wobei bei dieser Arbeit, oder hier [zeigt auf zwei Abbildungen der PowerPoint-Präsentation], da kommt vor, dass ich diese Form dann wie explodieren lasse oder sie zumindest in ein-zwei Teile zerfliegt. Es sind ja die gleichen Diagramme, die dem zugrunde liegen. Aber, tatsächlich sind diese Statistiken immer auch wirklich Statistiken dieser Thematik. Die Frage ist halt: „Welche Rolle spielt das?“ Also, es sind im Prinzip ästhetische Erhebungen, die ich da durchführe. Und es ist auch ein Kreislauf. Es fängt mit einer Annahme an und es wird auch zurückgeführt in den spekulativen Raum.
JD: Nur auf andere Weise dann?
HN: Genau. Aber für mich ist es eine formal interessante Frage. (…)
JD: Kommen wir nochmal zum Licht. Das hast du ja vorher schon erwähnt. Da würde ich mich natürlich freuen, mehr zu hören. Warum benutzt du Licht in deinen Arbeiten? Was bedeutet das für dich?
HN: Aus einem malerischen Interesse heraus. Um einfach mit einem Raum noch anders umgehen zu können. Das vielleicht erstmal als Ansatzpunkt. (...) Es gibt ja verschiedene Lichtobjekte. Es gibt zum Beispiel GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN. Die orientieren sich auch ein Stück weit an dieser Telegrammsprache. An sozusagen überholten Kommunikationssystemen. Da gab es doch diese Masten. Also, wie so ein Alphabet, mit Zeichen, die für Buchstaben stehen. Nur, diese Zeichen gibt's dort nicht. Ich wollte nicht, dass sie irgendwas bedeuten. Deswegen habe ich sie abgewandelt. Genau, das ist auch etwas, was mit reinfließt. Oder überhaupt – wie nennt man das – Stadtmobiliar? Nennt man das so? Weißt du, diese ganzen Masten und Strommasten. Und dass es halt irgendwie zu Stadtarchitektur oder überhaupt Architektur dazugehört, in der man sich bewegt. Das gucke ich mir sehr gerne an und da tauchen bestimmte Formen immer wieder auf.
JD: Also bei EINE DIE SO IST WIE DU, zum Beispiel?
HN: Ja. Dann hat sich das aus solchen Formen ergeben, dass ich das dann irgendwann gezeichnet habe und gesagt: „So passt das jetzt.“
JD: Und wenn wir schon mal bei den Zwei Werken sind, wie ist es bei den Titeln, GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN? Ist ja auch schon so eine Art Kommunikation. So ein höflicher Rausschmiss.
HN: Ja, das ist tatsächlich aus einem Reinhard-Mey-Lied. (...) Aber auch da habe ich diese Titel gewählt, weil ich fand das passt zu dieser Arbeit mit diesem Kommunikationssystem als Background. Und im Prinzip finde ich, dass das Objekt hier, dieses Ich fuehl mich nicht allein, da ziemlich gut anknüpft. Ja, die sehe ich auf jeden Fall im starken Zusammenhang für mich. Und hab dann wirklich auch an Weltraum gedacht.
JD: Und EINE DIE SO IST WIE DU, woher kommt da der Titel?
HN: Das weiß ich nicht mehr (lacht). Da war ich vorhin schon erschrocken (beide lachen). Ich sammle Titel. Oft sind es Lieder, wo das herkommt. Bei dem weiß ich es aber nicht mehr. Ich habe eine Datei und da schreibe ich mir Titel auf. Das ist für mich auch ein wichtiger Aspekt meiner Arbeit. Ich kann mich wirklich sehr viel beschäftigen mit der Frage, wie ich jetzt die Arbeit nenne. Und da habe ich zumindest einen Fundus. Und manchmal passt es dann einfach. Manchmal muss ich trotzdem noch 100.000 Sachen angucken, oder durchlesen. Oft sind es zitierte Sachen. Selten, dass ich das zusammenformuliere. (...)
JD: Dann würde ich gerne noch mal über den Entstehungsprozess deiner Werke reden. Fangen wir bei den Gemälden an. Wie unterscheidet sich hier das Vorgehen von den etwas früheren Arbeiten – also hier von 2008 diese figürlichen – zu den eher abstrakteren oder zumindest unfigürlichen Arbeiten heute. Beschreib mal, wie bist du malerisch vorgegangen?
HN: Also, eigentlich sehr ähnlich. Ich finde, da gibt's gar nicht so einen großen Unterschied.
JD: Machst du dir vorher Skizzen oder fängst du einfach an?
HN: Ich mach mir schon einen Plan. Und ich fang eigentlich immer mit einem Untergrund an, den ich erstmal produziere, wo ich einen Farbklang herstelle, den ich gut finde. Und dann geht es weiter. Also, es ist trotzdem immer klar, was ich da malen werde. Und insofern mache ich erst den Untergrund und dann trage ich die Schichten, je nach Bedarf, auf.
JD: Benutzt du vorgundierte Leinwände?
HN: Nee.
JD: Du machst das alles selber? Was nimmst du da als Grund?
HN: Ich habe so lange kleine Leinwand mehr grundiert, ich muss mal kurz überlegen.
JD: Ungefähr? Also, ich kenne diesen klassischen Kreidegrund, mit Leim und Kreide.
HN: Ja ja, das auf jeden Fall. Zum Teil mache ich noch ein bisschen Firnis mit rein. Genau.
JD: Und du malst dann mit Öl?
HN: Mhm (bejahend).
JD: Mit Malmitteln?
HN: Mit Shellsol als Malmittel. Früher mit Terpentinöl. Aber einfach, weil es einen nicht ganz so angreift. Und ich habe versucht, mit Acryl zu malen. Ich weiß, man kann das auch genauso machen, trotzdem klebe ich noch an der Ölfarbe. Auch bei den Papierarbeiten ist es immer Öl auf Papier.
JD: Woher hast du die Leinwände? Einfach aus dem Künstlerbedarf?
HN: Ja, genau. Ich kaufe mir meistens so eine Rolle Leinwand.
JD: Und firnisst du die Gemälde am Schluss?
HN: Das habe ich mal ausprobiert. Eher nein. (...) Eine Zeit lang habe ich ein bisschen mit Dammarfirnis rumprobiert. Manchmal Mattfirnis, oder so, das könnte ich mir schon eher vorstellen. Ich mag so einen gewissen matten Glanz in der Malerei. Wenn die aber zu glänzend sind, kann ich ästhetisch damit gar nichts anfangen. Deswegen bin ich bei Firnis eher vorsichtig.
JD: Dann würde ich gerne nochmal auf deine Druckgrafiken eingehen. Die Monotypien nehmen eine große Rolle ein. Also, ich habe zumindest viele Drucke [auf deiner Website] gefunden. Was interessiert dich daran besonders? (…)
HN: Zum einen ist es ein Unikatdruckverfahren, das aber relativ unkompliziert zu handhaben ist. Also, man braucht keine große Druckpresse dafür, man muss nicht tagelang irgendwelches Papier auf die richtige Feuchtigkeit vorbereiten, sondern man kann einfach loslegen. Das finde ich ganz schön da dran. Und so wie ich das mache – es gibt ja verschiedene Wege Monotypien zu machen – ist es halt super nah an der Zeichnung dran. Insofern habe ich nicht so einen technischen Widerstand, den vielleicht eine Druckgrafik mitunter auch haben kann. Also, ich fühle da diese Starre nicht, sondern ich kann mich, ja, frei bewegen.
JD: Ich habe das noch nie gemacht. Wie genau gehst du da vor?
HN: Wie gesagt, es gibt verschiedene Möglichkeiten. So wie ich das mache, walze ich eine Glasplatte mit Farbe ein und lege dann ein Blatt Papier drauf, meistens noch ein zweites. Und dann zeichne ich tatsächlich. Und da wo ich den Druck ausübe, da haftet die Farbe. Und jede Farbe ist eine andere Platte. Man kann aber auch auf der Platte malen und das dann abdrucken. Das geht auch. Aber so mache ich es nicht.
JD: Und was für Farbe ist es dann, die du benutzt?
HN: Ich nehme die gleiche Farbe, die ich zum Malen nehme.
JD: Dann auch Ölfarbe?
HN: Ja. Also, das kann man mit allen möglichen Farben machen.
JD: Und hast du bei den Papieren irgendwelche Vorlieben?
HN: Ja, ich habe tatsächlich eine Papiersorte, mit der ich immer arbeite. Und die haben auch alle das gleiche Format. Die sind immer A4. Ich habe so ein spezielles Hahnemühle-Papier, auf das habe ich mich mal eingeschossen. Es hat so einen ganz leichten Ton. Das mag ich ganz gerne.
JD: Dann gibt's ja noch andere Druckarten, die du ab und zu benutzt. Also, ich habe jetzt zum Beispiel C-Print oder Tintenstrahldruck gefunden. Wie kommt's zu der Auswahl? Also, wann weichst du dann ab?
HN: Wenn das für die Arbeit sinnvoll ist. Also hier denke ich tatsächlich darüber nach, die noch einmal anders umzusetzen [zeigt auf eine Abbildung von AUSSICHT AUF UNSTERBLICHKEIT VI in der PowerPoint-Präsentation]. Das habe ich zuallererst für eine Postkartenserie gemacht. Das ist die Reihe zehn [zeigt auf AUSSICHT AUF UNSTERBLICHKEIT VIII (I only came here to hang out with you.)]. Und bei diesen laminierten Arbeiten ist es so ein ästhetisches Interesse. Das fand ich einfach gut. Es ist ein Bild von der Milchstraße, was ich da genommen habe. Tatsächlich auch ein gefundenes aus dem Internet. Und solche Reflektionen, das interessiert mich so rein künstlerisch. Ich mache öfter auch mal sowas mit einer Beleuchtung von unten. Und bei diesem laminierten, da geht es auch um diese Büroästhetik, weswegen ich auch bei diesen Statistiken zu diesem A4-Papier und auch zu dieser Rahmung gekommen bin. Das hat sowas ganz billiges.
Aber auch darum, was passiert da, wenn da zum Beispiel eine Lampe drauf leuchtet. Und dann versuche ich damit zu arbeiten. Oder hier gibt es so Pins – das sieht man jetzt auf dem Foto nicht –, die verschiedene Farben haben, die da drin sind um es halt festzumachen. Also, das fand ich gut, das für die Arbeit so umzusetzen.
JD: Also, bei einer Ausstellung wäre es dann auch zum Beispiel ganz gut, wenn es direkt angestrahlt wird und man die Reflektion drin hat?
HN: Ja. (…)
JD: Dann würde ich gerne noch mal näher auf die Skulpturen eingehen. Da habe ich jetzt hier mal Bilder von drei Arbeiten mitgebracht, die ich für mein Forschungsprojekt genauer angeguckt habe. Das sind einmal GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN von 2009 und EINE DIE SO IST WIE DU von 2017.
HN: Aber das ist jetzt nochmal aufgebaut, oder?
JD: Das haben wir nochmal im Kunstfonds aufgebaut. Kannst du mir hier einfach mal ein bisschen was zum Herstellungsprozess erzählen? Vielleicht fangen wir bei GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN an. Wie bist du da vorgegangen? Also, gab es da auch Pläne und Skizzen?
HN: Genau, ich mache zuerst eine Skizze, also wirklich eine Zeichnung, wie das ungefähr aussehen könnte. Wenn ich dann denke: „So finde ich es ganz gut“, fange ich an, die genauer zu machen und zeichne es wirklich auf Millimeterpapier und rechne dann aus, wie groß die Teile sein müssen. Und ich baue die ja auch selber. Dann ist der nächste Schritt mit der Zeichnung in die Holzwerkstatt zu gehen und die Teile dafür herzustellen.
JD: Also, du sägst alles selber? Komplett?
HN: Also, da habe ich es auf jeden Fall so gemacht. Mittlerweile kann ich mir auch gut vorstellen, nicht alles selber zu sägen.
JD: Und wo hast du das Holz her?
HN: Aus dem Holzhandel. Also, jetzt nicht aus dem Baumarkt, aber aus dem Holzhandel. Aber es gibt jetzt keine romantische Geschichte zu dem Holz.
JD: Nö, macht ja nichts (lacht). Wie ist das, manche Holzleisten haben so eine Nut im Inneren.
HN: Das hat mit dem Kabel zu tun.
JD: Genau. Aber die hast du auch selber reingesägt? Oder waren die schon davor da?
HN: Ja ja, die wird dann gefräst mit einer Oberfräse. Genau, das habe ich auch selber gemacht.
JD: Und kannst du dich an die Reihenfolge erinnern, wie du die Skulptur zusammengebaut hast? Also, ich habe mir diese Lattenkonstruktion bei dem Sockel angeschaut und habe nicht ganz gesehen, wie die Reihenfolge hier war. Also, hast du die verschraubt, hast du die verklebt? Weißt du das noch?
HN: Bei denen würde ich denken, die sind verschraubt. Hier, denke ich mal, sind Holzdübel drin, bei diesen unteren Teilen. Dass es so gesteckt ist. Aber hier oben sieht man ja eine Schraube. Das habe ich aber später nochmal ohne Schraube gemacht. Da habe ich es auch gedübelt. Ansonsten habe ich zuallererst diese Quadrate gemacht. Dann liegen diese Leisten sozusagen auf einem Rahmen auf und da drüber ist nochmal ein Rahmen gesetzt. Und dann habe ich diese – wie nennt man das jetzt – Beine, vielleicht, gemacht und in dem Zuge auch diese hier [zeigt auf die oberen Streben]. Und dann zum Schluss erst diesen eigentlichen Lichtkörper [zeigt auf den oberen Bereich der Skulptur].
JD: Und weißt du noch, wie diese Verbindung hier gemacht ist [zeigt auf die quadratische Bodenplatte]? Mit diesen Querlatten und diesen Leisten die draufliegen? (…) Ist nicht schlimm, wenn nicht. Ich habe nur nichts gefunden. Ich vermute mal, verklebt.
HN: Ich denke auch, sieht irgendwie verklebt aus. Und dann wahrscheinlich auch nochmal fixiert über diese Schraube am Ende. Ich weiß noch, dass ich unbedingt wollte, dass diese Ritzen da drin sind, damit das Licht halt irgendwie da so ein bisschen durchkommen kann. Daran kann ich mich gut erinnern.
JD: Und was hast du hier als Farbe benutzt? Weißt du das noch?
HN: Die sind besprüht. mit einer selber hergestellten Farbe mit Airbrush.
JD: Ich habe in den Unterlagen vom Museum noch das Stichwort Tafellack gefunden. Ist das eine spezielle Farbe?
HN: Mir war wichtig, dass sie super matt sind. Und hier habe ich tatsächlich mit einem Firnis gearbeitet, weil ich wollte, dass sie nicht glänzen.
JD: Mit was für einem Firnis?
HN: Mattfirnis. Irgend so ein Holzmattfirnis, den ich dann gekauft habe. Genau, aber den Lack, den habe ich angerührt, mit dem Firnis als Basis. Also der ist auf jeden Fall lösemittelhaltig gewesen.
JD: Und dann mit Airbrush aufgesprüht.
HN: Genau.
JD: Weißt du noch, ob du das vor oder nach dem Zusammenbauen besprüht hast?
HN: Das ist eine gute Frage. (...) Ich denke, beides. Ich denke, es hat sich einfach ergeben, dass man dann nach dem Zusammenbauen nochmal drüber musste. Wenn man das jetzt restauriert, dann vermutlich auch nicht unbedingt auf diese Art, sondern dann nimmt man vielleicht eher eine Rolle oder einen Pinsel und muss den Lackton treffen. (…)
JD: Was ich noch fragen wollte: Bei einem Objekt waren noch so kleine Metallklammern dabei. Und es waren ein paar Löcher in einem der Beine, da wo das Kabel langgelaufen ist. Hattest du die Kabel irgendwie fixiert? Weil, das hängt sonst in der Mitte hier runter.
HN: Ja, das hatte ich fixiert.
JD: An den Beinen selber?
HN: Genau.
JD: Dann war die Vermutung richtig [geht zu einer weiteren Folie in der Präsentation über].
HN: Das sind die Leuchtmittel.
JD: Genau. Wie hast du dir Leuchtmittel für das Kunstwerk ausgewählt?
HN: Auf jeden Fall nach Formen und nach Farben. Die Sockel haben zum Teil ganz praktische Gründe, weil ich habe die Werke in Großbritannien gebaut. Und dort – zumindest zu der Zeit – ist der Bayonettsockel einfach der Standardsockel. ich finde den auch ganz gut, weil man ihn wirklich nur so reindrückt und dann einmal dreht. Und dann finde ich den – also für mich – ästhetisch ansprechender, als so einen Schraubsockel. Aber wenn ich die nicht anders kriege, dann natürlich auch so.
JD: Und hattest du bei GUTE NACHT FREUNDE auch Bayonettsockel verwendet? Weil hier sind ja so Schraubgewinde, oder?
HN: Da gibt's in Frankfurt einen kleinen – oder den gab's, ich weiß nicht, ob es den noch gibt – ganz tollen Elektroladen und da habe ich die Glühbirnen gekauft. Da habe ich wirklich nach einer speziellen Form gesucht, die das fortführt. Die Sockel hatte ich schon vorher und dann wollte ich, dass es schlüssig aussieht.
JD: Aber sind die beide in London entstanden, die Werke?
HN: Ja.
JD: Also, hier hattest du ja den Bayonettsockel verwendet bei ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN. Und bei GUTE NACHT FREUNDE waren es ja diese Schraubsockel.
HN: Wahrscheinlich habe ich die Glühbirnen nicht so gefunden, wie ich das wollte. Und ich war zu der Zeit auch öfter in Frankfurt und dort in dem Laden. Das gibt's ja nicht mehr so viel, aber wenn ich sowas sehe, gehe ich da gerne rein. Weil es ja auch immer Leute sind [[die dort arbeiten]], die sich auskennen. Hier in Leipzig gibt‘s zum Beispiel auch einen super guten Elektroladen. Manchmal mache ich installative Lichtinterventionen und dann lasse ich mir da auch mal den Schaltkreis aufzeichnen. Oder wir sprechen drüber, was es so [[an Materialien]] gibt. Und bei dieser einen Arbeit Ich fuehl mich nicht allein, da wollte ich halt wirklich ganz bestimmte Neonröhren haben. Und wusste nicht: wo ich die kriege, oder ob’s die überhaupt so zu kaufen gibt. Und mit so kleinen Läden, die sind dann manchmal ganz toll und wälzen mit einem Kataloge und gucken, wo man die noch herkriegen kann. Und da hatten wir dann tatsächlich in Italien irgendwo was gefunden, wo man die bestellen konnte. Ist vermutlich ganz schrecklich die nachzukaufen (lacht).
JD: Also, du hast erst die Idee und dann guckst du, wie du da rankommst?
HN: Hm (bejahend). Ja, dann muss ich es natürlich manchmal transformieren. Wenn ich merke, da habe ich mir jetzt was ausgedacht, das funktioniert nicht. Dann muss ich gucken: „Wie kann ich das abändern? Was gibt es? Womit komme ich dann am besten zurecht?“ (...)
JD: Bei den Lampen hier im Sockel drin, da hattest du bei GUTE NACHT FREUNDE nochmal eine rote Folie in diesen Lampensockel mit eingeschoben. Wie kam es dazu?
HN: Da hat mir die Farbe nicht gefallen. Dann habe ich gemerkt: „Ich will das anders haben.“ Und manchmal ist es dann durchaus auch pragmatisch. Mir ist es jetzt nicht unbedingt wichtig, dass da immer eine rote Folie drüber ist. Es ging mir vermutlich in dem Moment mehr darum, dass es rot ist.
JD: Und ich fand auch ganz spannend, hier hatte ich noch so Klebespuren oder Klebstoffrückstände auf diesen glänzenden Folien und auf dem Lampensockel gesehen. War das die Markierung, wo die früher mal angebracht war?
HN: Ja, ja. Genau. Da gibt's auf jeden Fall so Stellen, weil ich will nicht, dass man die Lampen durchsieht, sondern ich will nur, dass man das Licht sieht. Also dürfen die immer nur da sein, wo die Leisten sind. Und dann habe ich nach den Stellen gesucht, wo sich das vielleicht auf so eine gute Art verteilt. Und dann klebe ich das natürlich auch fest, damit es nicht immer verrutscht, sobald man es draufstellt. (...)
JD: Dann würde ich gerne noch mal auf die Kunststoffe eingehen. Und zwar bei den GUTE NACHT FREUNDE sind ja diese drei kleinen Kunststoffwürfel an der Spitze. Wie kommt's dazu? Nutzt du öfter Kunststoffplatten als Material?
HN: Hatte ich jetzt lange nicht benutzt, aber jetzt gerade aktuell wieder öfter. Hier [zeigt auf GUTE NACHT FREUNDE] sind es ja diese blau-weiß-roten. Da ging's mir in dem Moment vor allem da drum. Und ich wollte dem Holz einfach noch so ein Kunststoffelement hinzufügen, wie die Folie untendrunter. Deswegen habe ich es nicht mit Holzölfilm gemacht. Weil ich das für mich ästhetisch uninteressant fand.
JD: Und weißt du noch, was du da als Material verwendet hast?
HN: Acrylglas.
JD: Und auch selber gesägt und verklebt?
HN: Nee, das hat mir jemand zusammengebaut. (...) In einer Modellbaufirma. (…)
JD: Dann würde ich gerne nochmal genauer auf das Werk EINE DIE SO IST WIE DU eingehen. Kannst du hier beschreiben, wie der Aufbau und das Vorgehen waren? Oder was hier abgewichen ist von dem eben Beschriebenen?
HN: Also, zuerst gab es diese Arbeit ohne Sockel. Da war sie als Teil in eine Bodeninstallation eingebaut. Das sieht man auf meiner Internetseite, da ist auf jeden Fall ein Foto davon. Insofern ist der nachträglich entstanden, als ich gesagt habe: „Ich klammere das jetzt aus und mache ein einzelnes Objekt draus.“ Und da habe ich nämlich auch diese Treppenform nochmal aufgegriffen, die es ja öfter in meiner Arbeit gibt. Und wo es auch eine formale Überschneidung zu den Arbeiten auf Papier gibt.
JD: Wie ist es mit den Farben, die du hier verwendet hast?
HN: Also, das ist jetzt so richtiger Sprühlack. Damit habe ich das gesprüht und vorher grundiert.
JD: Diesen Mittelteil jetzt? Oder auch den Sockel?
HN: Auch den Sockel. Also erst grundiert und dann nochmal drüber.
JD: Ich hätte fast gedacht, das wäre eine Walze gewesen, weil es auch so eine Struktur hat. Aber vielleicht liegt es dann an dem Holz.
HN: Nee, das ist zuerst auf jeden Fall gewalzt und nochmal drüber gesprüht. So erinnere ich mich auf jeden Fall dran.
JD: Und bei dem Mittelteil? Wie war da das Vorgehen?
HN: Du meinst wegen dem Verlauf?
JD: Ja, genau.
HN: Über einen Mittelton. Ich habe auf jeden Fall mit verschiedenen Blautönen gearbeitet. Das ist dann im Prinzip wie Graffiti malen. Wenn man einen Verlauf hingekommen möchte, lässt man das so ausfaden.
JD: Weißt du noch, wie viel verschiedene Töne das sind? Also, ich dachte, ich hätte zwei erkannt, aber vielleicht sind es auch mehr.
HN: Zwei verschiedene Blautöne jetzt? Auf jeden Fall zwei, eventuell drei.
JD: Und bei dem oberen Teil der Skulptur, da habe ich gesehen, da war untendrunter noch eine schwarze Schicht.
HN: Ja, die waren am Anfang mal schwarz.
JD: Hast du dich umentschieden?
HN: Ja, genau.
JD: Also, es ging nicht darum, dass der Schwarzton darunter die Wirkung beeinflusst hatte, sondern es war wirklich eine Umentscheidung.
HN: Es war wirklich eine Umentscheidung, dass ich es einfach nicht mehr gut fand. Das Schwarz ist sehr hartnäckig.
JD: Das heißt, du hast viele Schichten darübergesprüht?
HN: Hm (bejahend). Und auch abgeschliffen. Aber das habe ich über einen superlangen Zeitraum gebaut, dieses Objekt. Da habe ich tatsächlich schon 2008 angefangen Teile davon herzustellen.
JD: Verstehe. Und man sieht ja auch einen ganz leichten Farbunterschied von dem mittleren zu diesem - ich nenn's mal galgenähnlichem Teil.
HN: Das sind dann verschiedene Weißtöne. (...)
JD: Und hier hast du ja auch vier verschiedene Leuchtmittel benutzt. Und vor allem so eine UV-Lampe. Wie kam es dazu? Was hat dich da interessiert?
HN: Daran hat mich auf jeden Fall auch interessiert, dass sie diesen Effekt hat. Dass dann Weiß ein bisschen anders leuchtet, wenn es nah genug drankommt. Das sieht man natürlich, wenn es jetzt hier in so einem Raum steht, kaum. Da müsste man alles [Licht] ausmachen. Deswegen muss man meiner Meinung nach bei diesem Objekt [bei der Präsentation] auch einen Mittelweg gehen. Weil auch wichtig ist, wie das Objekt aussieht und nicht nur, wie die Lampen aussehen. Das war auf jeden Fall das eine, was mich daran interessiert hat. Und dann habe ich an schlechte Disko oder so gedacht. Und wollte das irgendwie in das Objekt reinholen. (...)
JD: Ist das Vorgehen von den drei Fallbeispielen übertragbar auf andere Skulpturen? Also, jetzt zum Beispiel die aktuellen die hier stehen [zeigt auf die Installation Hey have a nice life!#1 der Ausstaellung], die haben ja auch diesen Sockel.
HN: Den habe ich aber tatsächlich jetzt ein bisschen tortenmäßiger gemacht. Aber auch hier habe ich die vorher gezeichnet. Wobei es bei dem noch eine Korrespondenz gibt zu dem Video. Hast du es gesehen? Dass da läuft [zeigt auf den Eingangsbereich der Ausstellung].
JD: Kurz beim Vorbeigehen, ja.
HN: Genau, dass musst du dir eigentlich nochmal genauer angucken, weil es ein Video über farbige Schatten ist. Das war in dem Stipendium, also in Olevano, da gab es einen Tanzplatz mit Wimpelketten. Und immer, wenn zu bestimmten Uhrzeiten die Sonne im richtigen Winkel draufgeschienen hat, dann hat es so farbige Schatten auf den Boden geworfen. Das fand ich interessant. diese Formen von diesen Wimpeln habe ich dann mit reingeholt in die Objekte. Insofern gibt's da eine Korrespondenz. Die Vorgehensweise an sich ist sehr ähnlich. Ich habe die Zeichnungen gemacht und dann habe ich sie gebaut. Nur, dass ich mich hier entschlossen habe, keine Leuchtmittel zu verwenden.
JD: Gibt es Farben, die du immer wieder benutzt bei deinen Skulpturen?
HN: Ja, ich arbeite bei den Objekten relativ oft mit Sprühlack und dort habe ich auf jeden Fall Farben mit denen ich gerne arbeite.
JD: Was sind das für welche?
HN: Jetzt die Marke?
JD: Wenn du dich erinnerst. Sind es alles Sprühlacke?
HN: Ja, ja, genau. Und da habe ich am liebsten Belton genommen, aber das gibt's nur noch ganz schlecht zu kaufen. Und da gibt es sowas, das heißt zum Beispiel Signalblau. Das ist ein Blauton, mit dem ich sehr gut kann. Der ist da auch wieder drin.
JD: Ist es der, den du bei EINE DIE SO IST WIE DU auch mitbenutzt hast?
HN: Hm (bejahend). Genau.
JD: Und kannst du mir noch was zu diesen gepolsterten Leinwänden von dir erzählen? Wie stellst du die her?
HN: Jetzt so rein technisch? Also, ich baue einen Rahmen, da mache ich eine dünne Holzplatte drauf. Dann schleife ich das alles sehr rund. An den oberen Kanten auf jeden Fall und an den Kanten des Rahmens. Und dann nehme ich speziellen Schaumstoff, den ich mir von einer Schaumstofffirma bestelle – ich weiß jetzt aber aus dem Kopf nicht welcher – und den befestige ich dann meistens tatsächlich so über Tackern auf der Holzplatte und auf dem Rahmen gleichzeitig mit. Dann ziehe ich die Leinwand drüber, grundiere sie und bemale sie anschließend wie eine normale Leinwand. (...)
JD: Wie lange brauchst du, bis so ein Kunstwerk fertig ist? Kannst du das sagen, oder ist es immer unterschiedlich?
HN: Das ist total verschieden. Aber grundsätzlich bin ich nicht besonders schnell. Das liegt vielleicht auch mehr in meiner Natur, als dass es jetzt immer so lang dauern müsste.
JD: Und wie merkst du, dass ein Kunstwerk fertig ist?
HN: (...) Das ist irgendwie schwer zu beantworten (lacht).
JD: Okay (lacht). Du spürst es einfach?
HN: (…) Wenn ich so einen Plan habe, dann halte ich mich tatsächlich an ihn, aber nicht bis zum Umfallen. Und dann gibt's aber Arbeiten, für die habe ich nicht so einen festen Plan. Dann ist es natürlich noch viel schwieriger, das zu beschreiben, wann das fertig ist. Also, jetzt auch bei diesen Papierarbeiten, gerade bei diesen beiden Serien, bei denen wir jetzt hier sitzen. Da habe ich manche Blätter drei oder vier Mal gemacht. Und ich weiß nicht, ob du den Unterschied gleich sehen würdest. Du vielleicht schon, als jemand, der sich auch mit Details so beschäftigt. Aber andere vielleicht nicht. Irgendwann kam dann der Punkt, wo ich halt so dachte: „Ach jetzt finde ich es gut. So sind sie irgendwie fertig.“ Oder auch die habe ich zwei Mal gemalt [zeigt auf die ausgestellte Werkserie Going Places]. Sowas passiert auf jeden Fall auch. (…) Und natürlich verändert sich auch mein Blick mit der Zeit. Es gibt manchmal so reine Restaurierungsarbeiten, die ich natürlich auch machen muss, wenn ich eine Arbeit öfter ausstelle. Dann braucht die einfach einen neuen Lackanstrich, wenn da Kratzer dran sind, oder so. Das passiert.
JD: Was stört dich denn da so? Also, bei Kratzern, Abnutzungsspuren, ab wann würde dich das stören? (...) Oder was würdest du noch akzeptieren und wo, sagst du: „Jetzt muss ich das mal überarbeiten“?
HN: Ähm. Ja auf jeden Fall, wenn sie an sich nicht vorgesehen waren und anfangen, sich aufzudrängen. Dann wäre das auf jeden Fall so ein Punkt. Wenn man sie wahrnimmt und man vielleicht anfängt, sich mehr mit den Kratzern zu beschäftigen, als mit dem Werk, oder anfängt sie als Teil des Werkes wahrzunehmen. Und wenn das so ein ganz offensichtlicher Kratzer ist, der dann einfach zu einem Gestaltungselement wird, dann würde ich was unternehmen, weil irgendwelche Dinge passieren ja immer. Es lagert sich Staub ab oder es gibt Unebenheiten im Holz. Das sind Sachen, die finde ich zum Teil auch gut. Also hier, da ist erstmal viel Lack, wenn man diese Objekte sieht. Aber ich finde es total in Ordnung, wenn man noch sieht, dass da Holz drunter ist. Und dass sich die Materialität bemerkbar macht. Manchmal finde ich es sogar richtig gut. (...)
JD: Du hast ja vorhin schon kurz über die Ausstellungsbedingung gesprochen. Hast du da spezielle Wünsche oder Vorgaben, was deine Werke generell betrifft, zum Beispiel bei den Skulpturen, oder den Drucken? Oder was die Verortung im Raum angeht, oder die Beleuchtung?
HN: Es spielt auf jeden Fall eine Rolle für mich, wie die beleuchtet sind. Ich bin hier, zum Beispiel, nicht 100-prozentig zufrieden mit der Beleuchtung im Raum.
JD: Was würdest du anders machen, wenn du jetzt die freie Wahl jetzt? Oder alle Möglichkeiten?
HN: Hier ist eine sehr diffuse Beleuchtung. Und ich könnte mir vorstellen, dass ich mehr mit der Beleuchtung experimentiert könnte. Und mitunter interessiert mich eine Beleuchtung, die erstmal stört. Das habe ich schon ein paar Mal ausprobiert und vorhin auch schon erwähnt. Wenn man jetzt zum Beispiel bei so Zeichnungen anfangen würde, hier am Boden Licht zu installieren, das erstmal blenden würde. Das ist aber nicht so, dass ich das grundsätzlich wünsche, aber das könnte was sein, was mich im Zusammenhang interessiert. Und hier stört mich, dass das Licht so viele verschiedene Farben macht auf der Wand, die ich nicht kontrollieren kann.
JD: Was wäre dann die optimale Bedingung? Eher so eine Spotbeleuchtung auf die einzelnen Objekte?
HN: Eine Theaterbeleuchtung? Ich glaube, es kommt immer auf die Ausstellung an. Und auch auf die Arbeit. Eine Papierarbeit verlangt eine andere Beleuchtung, als ein Objekt. Ich könnte mir das jetzt für die Objekte total spannend vorstellen, eine Spotbeleuchtung zu machen. Und die mehr als Bühnenelemente zu inszenieren.
JD: Und wie ist es mit der Verortung im Raum? Mich würde interessieren, ob die beiden Objekte GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN, irgendwie zueinander ausgerichtet sein sollen oder irgendwie im Bezug stehen müssen.
HN: Ich finde die tatsächlich gut zusammen.
JD: Passt ja auch. Es ist schon eine Werkgruppe oder? Die sind doch zusammen entstanden?
HN: Ja. Ich kann jetzt nicht wirklich sagen, dass sie total zusammengehören, aber sie passen auf jeden Fall gut zusammen. Und ich finde sie sprechen auch ganz schön miteinander. Mir gefällt es auf jeden Fall da [zeigt auf eine Ausstellungsansicht in der PowerPoint-Präsentation], bis auf das mit diesen Kabeln, das gefällt mir dann nicht. Aber das ging einfach nicht anders.
JD: Stören die dich? Also, sollten die versteckt sein oder gehören die eigentlich schon dazu, aber du bist mit dieser Situation jetzt nicht zufrieden gewesen?
HN: Also, ich akzeptiere sie und finde es in Ordnung, dass sie da sind. Aber ich hätte die gerne vielleicht auch mehr in so eine Richtung benutzt [zeigt auf Ausstellungsansicht von EINE DIE SO IST WIE DU]. Das durfte ich dort aber tatsächlich nicht machen. Einfach aus Sicherheitsgründen.
JD: Also, so ein bisschen geschlängelt und teilweise noch zusammengerollt?
HN: Ja, weil ich finde, sie sind da halt so stark zu einem Element geworden. Ich hätte ihnen gern mehr Beiläufigkeit gegeben. Und bei diesem, was wir vorher angeguckt haben, dieses Regal, nenne ich es jetzt mal, von Aussicht auf Unsterblichkeit, das hat auch wieder damit zu tun, dass es an der Wand installiert wird. Da kann man halt auch zur Not das Kabel verstecken. Oder wenn man eine Wand hat, wo man wirklich das Kabel auf die andere Seite legen kann – also, dass es vielleicht eine Gipswand ist, wo dann innen der Strom ist, oder so –dann finde ich das gut. Aber ich versuche auch mitzudenken, wie die Situation im Raum ist. Und wie gesagt, manchmal gibt's so Sicherheitssachen. Und dann ist es auch, wie es ist. Es ist halt ein Stromkabel.
JD: Dann würde ich nochmal kurz zurück auf die Beleuchtung kommen, gerade bei den Skulpturen, wo du selber Leuchtmittel benutzt hast. Hast du da Wünsche oder Richtlinien, wie es mit der Helligkeit sein soll? Also eher hell, dunkel, ist es egal? [zeigt drei verschiedene Beleuchtungssituationen von EINE DIE SO IST WIE DU]
HN: (...) Jetzt zum Beispiel bei EINE DIE SO IST WIE DU, wäre mir bei deinen drei Varianten, die du da hast, das rechte auf jeden Fall zu dunkel, weil ich auch Wert auf diese Lackierung gelegt habe. Und das verschwindet da einfach. Das ist mir schon wichtig, dass man das noch sieht. Ich finde tatsächlich, das ist ein Objekt, was relativ gut mit viel Licht zurechtkommt. Während das jetzt bei dem auf das wir da gucken – auf diese Pyramide [zeigt auf eine Abbildung von Wollen Sie zu uns, ich glaube kaum?!] –, da kommen zum Beispiel Farben zum Tragen, die man so ganz leicht sehen kann. Oder diese Muster, die sich dann bilden. Die sieht man einfach nicht, wenn es so hell ist. Und das finde ich dann schon schade. So, dass das ein Objekt ist, was ich tendenziell mit weniger Licht oder nur indirektem Licht zusätzlich beleuchten würde. Insofern gibt's da kein universales Rezept.
JD: Also ist es von Werk zu Werk anders?
HN: Ja. In der Regel versuche ich sie aber so zu denken, dass sie durchaus mit einem klassischen Galerieraum zurechtkommen. (...)
JD: Machst du generell Manuals für deine Arbeiten, die du auch zum Beispiel an Museen gibst, wo sowas festgehalten ist? Oder würdest du das denn auf Anfrage machen?
HN: Darüber hat tatsächlich noch niemand mit mir gesprochen, in welchen Beleuchtungssituationen ich die gerne zeigen würde. Ansonsten habe ich versucht in den Aufbauanleitungen, die ich jetzt für Museen geschrieben habe, schon möglichst viel reinzuschreiben. Von Dingen, an die ich selbstverständlich gedacht habe, die vielleicht aber für andere nicht selbstverständlich sind. Wobei es dann auch immer mehr darum geht, dass es nicht unbedingt genau so ist, aber dass eine Idee transportiert wird. (...)
JD: Um mal kurz auf die Leuchtmittel zurückkommen, die sind ja generell eher kurzlebig. Also, es gibt ja jetzt schon Schwierigkeiten normale Glühbirnen zu kaufen, die sind in der EU quasi im Handel schon verboten. Und der Wechsel auf eine andere Technologie ist eigentlich irgendwann nicht mehr zu vermeiden. Also, sei es LED oder in 20 Jahren irgendwas ganz Anderes. Und meine Frage wäre jetzt, worauf sollten Restaurator:innen bei deinen Werken achten, wenn Leuchtmittel nicht mehr erhältlich sind und durch andere ersetzt werden müssen?
HN: Tatsächlich auf die Form. Weil ich jetzt mal irgendwie hoffe, dass es Leuchtmittel an sich, jetzt so wie ich es mir vorstelle, vielleicht auch weiter geben wird, mit irgendwelchen technischen Veränderungen. Genau, die Form und wenn das jetzt nun explizit unterschiedliche Farben sind, dann spielt natürlich auch das eine Rolle. Wobei (...) die Form wichtiger ist, als die Farbe. Aber das kommt zusammen. Es ist jetzt so, wenn man merkt, das eine ist eine, sag ich mal, ein bisschen funzelige Glühbirne, und das andere ist ein sehr grelles Licht, dann geht's natürlich auch darum, dass man sagt: „Da steht vielleicht mehr im Vordergrund, dass das eine ein bisschen blendet, und das andere nicht.“ Insofern muss man sich das auch genau angucken. Zum Beispiel bei dem hier [zeigt auf ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN], sind die Formen super wichtig und dass man die erhält. Sonst würde das ganze Objekt total verändert werden. (…) Während, ich glaube, zum Beispiel hier [zeigt auf EINE DIE SO IST WIE DU], ist es – ich möchte nicht sagen egal –, aber da spielt es einfach nicht diese Riesenrolle. Was sich erkennen lässt, ist: „Okay, es gibt vier verschiedene Formen und die leuchten auf eine unterschiedliche Art und Weise.“ Und dann würde ich sagen, so muss da auch rangegangen werden. Und wenn ich die eine Form nicht kriege, tut es vielleicht auch eine andere die der Form ähnelt. Weißt du?
JD: Ja, ja. Also, würdest du für die Form auch leichte Abweichungen in Kauf nehmen, was die Farbe betrifft, oder die Helligkeit? Oder kommt es immer auf das Leuchtmittel an, was du gerade ersetzt?
HN: Auf das Objekt an sich. Hier [zeigt auf ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN], wie gesagt, finde ich es wichtig. Also, zumindest muss hier eine Röhrenform hin und die muss dann ungefähr dieser Leistenstärke entsprechen. Und es ist ein eher kaltes Licht. Also versuche ich das zu transportieren. Während bei dem [zeigt auf EINE DIE SO IST WIE DU], kann man gucken: „Okay, es sind vier verschiedene Arten von Leuchtmitteln und jedes hat eine andere Form.“ Dann ist das auch erstmal wichtig, dass man das erhält. Und das eine leuchtet ein bisschen mehr, und das andere leuchtet ein bisschen weniger. Dann würde ich da meine Priorität setzten.
JD: Wie wäre das jetzt zum Beispiel bei den Leuchtmitteln im Sockel von GUTE NACHT FREUNDE und ZEIT FUER EUCH ZU GEHEN?
HN: Die versteckten, meinst du?
JD: Die versteckten, genau.
HN: Ähm, das wäre mir tatsächlich total egal.
JD: Da geht's dann um die Lichtfarbe und die Helligkeit, die da rauskommt?
HN: Weil das soll man ja eh nicht sehen. Insofern geht's wirklich nur darum: „Da muss also was sein, was irgendwie in dieser Farbe leuchtet.“ (...)
JD: Dann würde ich abschließend vielleicht noch auf zwei Werke eingehen, wo jeweils zwei Entstehungsdaten oder zwei Daten angegeben sind.
HN: (lacht) Ist ja lustig!
JD: Einmal Wollen Sie zu uns, ich glaube kaum?!, da ist es 2011 und 2016. Und AUSSICHT AUF UNSTERBLICHKEIT VII, da ist es 2013 und 16. Hast du die Werke da selber nochmal überarbeitet?
HN: Ja.
JD: Und was hast du da gemacht?
HN: Ähm... Da muss ich jetzt kurz nachdenken, was ich da gemacht habe. Ich glaube, bei dem habe ich tatsächlich zum einen die Leuchtmittel verändert. (…) Auf jeden Fall habe ich die Leuchtmittel verändert.
JD: Und warum?
HN: Weil es mir nicht mehr gefallen hat. Hier weiß ich, habe ich nach einer Lösung gesucht, dass das da nicht passiert [zeigt auf eine Abbildung von Wollen Sie zu uns, ich glaube kaum?!, bei dem das Leuchtmittel in einem Zwischenraum der Skulptur direkt zu sehen ist].
JD: Dass das so rausblitzt, das Leuchtmittel?
HN: Genau! Und deswegen sind die dann versteckt da reingebaut, in der neueren Variante. Also habe ich das Licht nochmal komplett überarbeitet. Ähm [schaut sich die zweite Abbildung an] Ich meine, das ist jetzt einfach nur eine Ausstellungsansicht, insofern steht da dieses Datum [2016]. Es hat jetzt nichts mit der Erstellung zu tun. Und 2013 bezieht sich hier auf die Porträts.
JD: Und das 2016?
HN: Da habe ich Wollen Sie zu uns, ich glaube kaum?! überarbeitet.
JD: Ah, okay. Gut. Verstehe.
HN: Ist auch immer schwierig, sowas, in solchen Zahlen zum Ausdruck zu bringen.
JD: Ja, deshalb frage ich ja nach (beide lachen). Dann vielleicht noch ganz generell eine Frage: Bei welchen Entscheidungen zu Erhaltung deiner Werke würdest du gerne mit einbezogen werden?
HN: Was sind das denn für Entscheidungen, die da getroffen werden?
JD: Wenn jetzt, zum Beispiel, Leuchtmittel ersetzt werden müssen, weil es sie nicht mehr gibt.
HN: Also ich sage erstmal so: „Solange man die Möglichkeit hat, mich zu fragen, finde ich es gut, wenn es passiert.“ Dann kann ich, wenn es für mich nicht so wichtig ist, autorisieren. Und ja, ich glaube zum Beispiel, wenn jetzt die Arbeit EINE DIE SO IST WIE DU neu lackiert werden muss, weil halt irgendwas passiert, da fände ich es zumindest gut, wenn ich dabei wäre. Ich muss das nicht unbedingt selber machen, aber wenn ich sagen kann: „Aber das hätte ich gerne hier ein bisschen...“.
JD: Ich glaube, das würden wir in der Restaurierung ganz lokal und klein lösen. Neu lackieren ist bei uns eher als letzte Lösung zu wählen.
HN: Ja, da muss auch schon was ziemlich Großes passieren.
JD: Was ist zum Beispiel, wenn ein Schaden an einem Kabel ist? Können die getauscht werden?
HN: Ja, das würde mich nicht interessieren. Also, man kann ja gucken: „Was ist es für ein Kabel?“ Wenn es ein schmales Kabel ist, dann versuchen wir vielleicht auch wieder ein schmales Kabel zu nehmen. Aber ist es jetzt schlimm, weil es einen Millimeter breiter ist? Vielleicht nicht. Wenn es fünf Millimeter breiter ist, dann ist es vielleicht schon zu viel. Aber solange das jetzt auch Sachen sind, die man gar nicht sieht – also, so rein technische Sachen, weil es einen Wackelkontakt irgendwo gibt und ein Kabel festgeschraubt werden muss oder irgendwas gebrochen ist und es muss ersetzt werden – dann sind es Arbeiten, in die muss ich nicht mit einbezogen werden. Könnte nur immer sein, dass sich daraus ein ästhetischer Schaden ergibt. Manchmal sind die sehr fest verbaut. Ich versuche es aber bei den Lichtobjekten – bei den ersten vielleicht noch nicht unbedingt, aber bei dem, was ich jetzt so gemacht habe – so zu bauen, dass es besser möglich ist, die auseinander zu nehmen. Dass es ein bisschen freundlicher ist für alle, damit umzugehen. (…)
JD: Na super! Dann sind eigentlich alle meine Fragen beantwortet. Habe ich noch irgendwas vergessen? Willst du noch irgendwas hinzufügen?
HN: (...) Fällt mir jetzt nichts ein. Im Restaurierungssinn.
JD: Na dann vielen Dank für das Interview!
HN: Sehr gerne!