Interview mit Markus Oehlen

Projekt/Anlassartemak
Interview mit          Markus Oehlen (MO)
Geführt von       Erich Gantzert-Castrillo (EGC)
 Elisabeth Bushart (EB)
Weitere PersonJutta Rossmann (JR)
OrtMünchen
Datum15.05.2008
TranskriptBirgitta Heid (Lektorat)
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Techniken

Aluminiumguss Batik Digitaldruck Druck Fotokopie Installation Interaktive Kunst Malerei Mischtechnik Siebdruck Skulptur & Plastik Spritzen & Sprühen Textilkunst Unterzeichnung

Materialien

(Balsam)Terpentinöl Abtönfarbe Acrylfarbe Aluminium Aluminiumverbundplatte Autoradio Autoreifen Baryt (Schwerspat) Baumwollkordel Bleistift Bootslack Dachlatte Dispersionsfarbe Eisen Gips Glas, unbestimmt Haushaltslack Holz, unbestimmt Kerze Klarlack Kugelschreiber Kunstharzlack Kunststoff, unbestimmt Lackstift Laserprojektor Lautsprecher Leim, unbestimmt Leinöl Leuchtfarbe Linoleum MDF-Platte (Mitteldichte-Holzfaser-Platte) Montageklebstoff Moosgummi Nebelmaschine Nessel Ölfarbe Pappe, unbestimmt Paraffinwachs Permanentmarker Pigment, unbestimmt PS (Polystyrol) PS-Schaum (Styropor) PU (Polyurethan) PU-Lack PVC (Polyvinylchlorid) PVC-Folie, selbstklebend Radio Schlauch Seil/Schnur/Kordel Sikkativ Silikon Spanplatte Sperrholz Sprühlack Stein Styroporkleber Tapetenkleister Textilfarbe Textilie, unbestimmt Titanweiß Ton Wachs, unbestimmt Weißleim (Ponal) Zierrahmen Zinkweiß

EGC: Gut, Markus, fangen wir mit den Batik-Bildern an. Deine ersten Bilder hast Du in Batik ausgeführt; für einen Maler eine ziemlich ungewöhnliche Technik. Weshalb hast Du Dich für diese Technik entschieden?

MO: Es ging in erster Linie darum, was Originelles zu machen. Es ging darum, dass – es kam ja so ein bisschen aus der Moderne heraus – dass jeder Künstler sein Material hatte: Der eine nagelt, der andere schüttet mit Wasser und der andere malt nur in Rot oder so was. Und das schwingt da ein bisschen mit, dass jeder Künstler sein Material braucht. Und so hab ich damals gedacht, ich mach’ jetzt was ganz Verbotenes, ich nehme jetzt eine so genannte »Ekeltechnik«, wie es später dann auch immer wieder in den Artikeln über mich geschrieben wurde, ja, also, ich nehme was ganz Verbotenes und arbeite damit. Das war so die Grundidee.

EGC: Und, Du sagst jetzt...

MO: Ich muss dazu noch sagen, dass es nicht die ersten Bilder sind. Davor hat es auch noch so leicht konzeptionelle Ansätze gehabt, indem ich halt irgendwas gemalt hab und wo es gar nicht so sehr da drum ging, dass ... Es ging eher so um das gestische Malen. Dann hab ich das zerschnitten und fotokopiert. Das war noch vor den Batiken. Da schwang noch so etwas Konzeptionelles mit. Und auch so verbotene Materialien wie Fotokopien, die sich dann auch damals selbst vernichtet haben. Das waren alles so subversive Elemente im ersten, zweiten Semester an der Kunstakademie. Ja, und dann kam plötzlich die Batik.

EGC: Wann entstanden die ersten Batik-Bilder? 1981 oder 1982? Da steht’s im Katalog, also, ist das der Zeitraum, wo die ersten entstanden.

MO: Das könnte achtzig gewesen sein, also, ich weiß, achtzig bin ich nach Hamburg. Ich hab '79 in Krefeld auch schon die ersten Batiken gemacht. Aber, ja, sagen wir achtzig, achtzig kommt hin.

EGC: Und welche Gewebe hast Du hierfür als Bildträger verwendet? Nessel, Leinen oder Seide? Das sind ja so die klassischen Bildträger bei der Batik.

MO: Wir haben dieses ganze teure Material abgelehnt. Nicht nur, weil wir kein Geld hatten, sondern wir hatten halt damals schon so eine Trash -Idee. Alles, was wir gebraucht haben, oder was ich damals gebraucht habe, kam aus dem Schnäppchenmarkt. Da tauchten die ersten Schnäppchenmärkte auf, und die hatten auch so Nesselballen in der Ecke stehen. Das war sehr günstig, und dazu hab ich mir dann auch die billigen Kerzen gekauft, und dann brauchte ich nur noch ein Tütchen Stofffarbe. Das hat alles sehr wenig gekostet.

EGC: Wie und mit welchen Farben wurden die ersten Bilder hergestellt? Mit speziellen Batikpigmenten?

MO: Ja, es gab so kleine Tütchen, die musste man irgendwie mit heißem Wasser auflösen. Ich glaub, dann kam da noch ein Paket Salz dazu, das war’s. Ich meine, da gab es auch noch Brausetabletten, aber ich bin mir nicht mehr sicher.

EGC: Und wie hast Du das Wachs aufgetragen?

MO: Das Wachs wurde in einer alten Blechdose auf dem Herd, auf einer kleinen Elektroheizplatte, aufgelöst und dann mit dem Pinsel aufgetragen. Vorher hab ich mit Bleistift eine ungefähre Skizze gemacht und dann »gib ihm!«

EGC: Also eine Art Vorzeichnung?

MO: Ja, eine hauchdünne Bleistiftzeichnung, direkt auf dem unbehandelten Nessel. Dann war’s ja auch teilweise wie so eine Blindmalerei, weil mit farblosem Wachs auf ungrundierte Leinwand gearbeitet wurde – ich hab erst gar nicht gesehen, was es wird. Nur durch das Einfärben kam dann...

EGC: ...das Bild zutage.

MO: Ja, der Duktus, Pinselschwung und Tropfen. Das kam alles dann zutage. Solche Sachen haben mich halt auch interessiert. Diese Zufälle...

EGC: Jetzt komme ich zu den zweiteiligen Bildern. In den achtziger, neunziger Jahren kamen dann zweiteilige Querformate auf. Weshalb hast Du diese Formate gewählt?

MO: Das lag an der Stoffbreite.

EGC: An der Stoffbreite? Die hat das Format bedingt?

MO: Genau. Und das war halt einfach zu handeln. Zwei kleinere Formate herzustellen war einfacher als dieses Format im Großen. Dass es im Grunde genommen hässlich ist, das war mir damals egal.

EGC: Das empfinde ich gar nicht so.

MO: Nein, aber es war sehr viel egal. Heute denkt man natürlich als ordentlicher Mensch: »Hätte man besser machen können, aber...«. Auch die Rahmen, das waren teilweise nur Dachlatten. Es war ja kein Geld für Keilrahmen da.

EGC: Würden die Dich heute stören, diese Rahmen, die Du damals verwendet hast? Diese Atelierleisten?

MO: Hm, ist ein bisschen eklig, wenn ich das heute anschaue. Und wackelig (lacht).

EB: Und die Formate würdest Du so auch nicht mehr wählen?

MO: Also, diese Formate basierten immer auf dem gleichen Maß: 150 x 200 cm. Heute hab ich’s auf 160 ein bisschen verbreitert, aber es basiert immer noch auf den gleichen Formaten. Da bin ich mir irgendwie treu geblieben. Also, das war immer so ein Standartformat. Mal zusammengestellt und mal als einzelnes Hochformat. Selten als Querformat. 150 auf zwei Meter quer gab’s hin und wieder, aber eher selten. Doch ich fand, das war auch bisschen ein Stilmittel, dieses Zweigeteilte, weil das ja auch dauerhaft war über längere Zeit. Dazu kamen dann auch noch diese »fünfziger-Jahre-Tischkanten-Umleimer«, die man so von Blumenbänkchen kennt, von Nierentischchen. Die mochte ich sehr gerne und die wurden einfach nur so drumgetackert. Das war alles sehr rotzig damals. Das war eine bestimmte Haltung. Man muss ja auch sehen, dass wir zu der Zeit so ein bisschen Punks waren, also, der Punk-Bewegung nahestanden, und das Ganze auch eine Entsprechung in der Malerei gefunden hat; dass das bis heute so anachronistische, fast neo-expressive Geschichten gewesen sind. Das mutet ein wenig seltsam an, Punk und Neo-Expressionismus, aber das erklärt sich halt durch die Geschichte, also als Reaktion auf Konzeptkunst.

EGC: Diese Art von Materialverweigerung gab’s auch im Expressionismus: Weg von der Leinwand hin zum Rupfen. Und die Rahmen aus Nadelhölzern waren gebeizt.

MO: Es war halt ’ne Antihaltung.

EGC: Bei einigen Gemälden aus dieser Zeit hast Du, zum Beispiel beim Doppelbild »Ohne Titel (MES 185)« von 1983 aus der Sammlung Stoffel, bei einigen Partien Wachs aufgetragen. Wurde das Wachs aufgepinselt oder aufgegossen?

MO: Es wurde immer nur gepinselt.

EGC: Immer nur gepinselt.

MO: Ja, aber bei dem Bild in der Sammlung Stoffel handelt es sich schon um so eine Mischung aus Dispersionsfarben und Wachs. Der nächste Schritt nach der Batik war also zuerst mal die Kombination aus Malerei mit billigster Dispersionsfarbe und...

EGC: Da komm ich dann auch noch drauf, auf die Dispersionsfarbe. E.B.: Entschuldigung, die Kombination, die ist dadurch eine andere Farbpalette, indem Du zur Batik auch zusätzlich Dispersion verwendest?

MO: Genau. Es ging halt immer mehr in Richtung Malerei, weil Batik ja nur die Provokation war. Die Bilder waren teilweise scheußlichst. Es ging teilweise auch eher um das Material und die Provokation. Es gibt einige Bilder, da kann ich vom Motiv her nicht dazu stehen. Auch vom Strich her. Aber vom Material her war’s schon richtig zu der Zeit.

EGC: Ist die Verwendung des Wachses aus Deinen Erfahrungen mit der Batiktechnik abzuleiten? Also, ist das Wachs als Material an Dich rangewachsen? Es ist ja ungewöhnlich, Wachs erst mal als Material zu verwenden.

MO: Ja, das hab ich vorhin schon erklärt. Aus dem Wunsch, was Spezielles zu machen, also dass jeder Künstler sein Material braucht, ist dies entstanden. In dieser Zeit, in dem Alter, in dem man gerne provoziert, lag es halt nahe, Sache aufzugreifen, die man nur aus dem Kunstgewerblichen kannte. Man wollte der hehren Kunst auch ein bisschen ans Bein pinkeln mit diesen Ideen, also mit der Verweigerung. Darum ging’s in erster Linie.

EGC: Ja, okay.

EB: Aber Du hast dann doch die Wachstechnik, wenn ich das recht verstanden habe, auch in anderen, etwas späteren Farbtechniken kombiniert. Du bist formaler geworden, hast aber Wachs weiterhin noch als Material verwendet.

MO: Man muss das in der allgemeinen Entwicklung sehen. Damals, in den frühen achtziger Jahren, entwickelte sich aus diesem anarchischen Provokanten dann doch immer mehr das Neo-Expressive. Bis zum unweigerlichen Untergang der achtziger Jahre, weil das halt zu anachronistisch angelegt war. Da ist mir eben das Wachs so über den Weg gelaufen. Es gab keinen anderen Grund, außer der Provokation, Wachs zu nehmen. Das hatte jetzt nichts mit dem Wunsch zu tun, endlich mit Wachs malen zu dürfen. Man kann damit auch nicht wirklich malen, das ist ja viel zu stumpf, das hakt und man muss wirklich dann so ’ne Mischung aus Schmeißen und...

EB: Ja, es erstarrt dann auch sofort. Das heißt also, es gibt eine Übergangsphase, in der das Wachs immer noch in Bildern auftaucht, die mehr zu gemalten Bildern wurden.

MO: Ja, ich muss dazu noch sagen, teilweise wurden die Bilder auch noch mit dem Bügeleisen bearbeitet – da holt man das Wachs praktisch wieder runter, das hab ich, glaub ich, teilweise auch gemacht. Gebügelt hab ich allerdings auch schon bei den Fotokopien, weil ich damals mit einem thermoempfindlichen, also hitzeempfindlichen Kopierpapier gearbeitet hab. Da hab ich dann in der Schablonentechnik dieses Papier mit dem Bügeleisen bearbeitet. Das wurde dann schwarz. Mich haben solche komischen Techniken immer interessiert. Bei mir war das oft nicht so der direkte Weg. Ich hab dann auch diese reine Malerei irgendwie abgelehnt. Da war mir klar, dass das andere schon gemacht haben. Das sieht man dann auch später in meinen Bildern, dass es nie in erster Linie um Malerei ging, sondern es hatte auch immer was Konstruktives und Konzeptionelles. Die Kombination aus beidem war einfach die notwendige Erweiterung der Möglichkeiten. Das ist bei mir heute noch so, dass immer wieder was dazu kommt. Das ist ein Fluss, der sich immer noch entwickelt, immer wieder über was Technisches und übers Material.

EGC: Um welches Wachs handelte es sich, gebleichtes Bienenwachs oder Stearin?

MO: Ich befürchte, es war giftigstes Paraffin. Ich hoffe, ich hab keine gesundheitlichen Schäden davon getragen (lacht). (Alle lachen) Manchmal wurde es sehr heiß und es qualmte ordentlich.

EB: Du hast vorher gesagt, es war von den Haushaltskerzen?

MO: Ja, oder da standen so dicke bunte Klötze. So life-style, fette, bunte Großkerzen.

EGC: Das leitet zur nächsten Frage über: Hast Du auch eingefärbtes Wachs verwendet?

MO: Ja, ja, das war eine zusätzliche Möglichkeit.

(Alle lachen)

EGC: Und das hast Du so aus ganz normalen Geschäften bezogen?

MO: Das war auf dem Schulterblatt in Hamburg, (Schulterblatt ist eine Straße in den Hamburger Stadtteilen Sternschanze und Eimsbüttel. Anm. d. Red.) da gab’s so diesen Schnäppchenmarkt. Da gab’s Papierblumenkram, aber auch Kerzen und auch Leinwand, also Nessel.

EGC: Jetzt kommen wir zu Dispersion und Wachs auf Leinwand. Bei dem Gemälde »Ohne Titel« von 1983 hast Du neben Wachs Dispersionsfarbe verwendet. Was bewog Dich von den achtziger bis in die neunziger Jahre hinein, Dispersionsfarbe zu verwenden? War es die besondere, matte Oberfläche, die man damit erzielen kann, oder gab es andere Gründe?

MO: In erster Linie war es das Trash -Konzept, also, dass man billige Materialien nimmt. Dass man die Ölfarbe erst mal verweigert. Weil das irgendwo anderes hingehörte: Richtige Maler nehmen richtige Farben! Wir sind Provokateure und wir können das auch mit Dispersion! Ich denke, ein gutes Vorbild für uns war halt doch der Polke, der auch billige Materialien benutzt hat; ob’s jetzt Dispersion oder Kugelschreiber war oder vorgefundene Stoffe. Ein bisschen war das dann auch schon unser Lehrmeister in den siebziger, achtziger Jahren.

EGC: War die Dispersionsfarbe eine Mischung aus Dispersionsbinder und Pigment oder war sie ein Fertigprodukt?

MO: Reine Fertigproduktabtönfarben.

EGC: Die aus der Tube?

MO: Ja. Also aus diesen Literflaschen.

EGC: Die konzentrierten?

MO: Genau.

EGC: Und die hast Du dann einfach mit Wasser vermischt?

MO: Mit Wasser vermischt, und es wurde ja auch viel geschüttet und sehr grob gemalt. Die Pinsel waren auch vom Billigsten. Da hat man auch das genommen, was man kriegen konnte. Also, das war alles egal.

EGC: Man kann ja auch gut damit malen.

MO: Ja, also Dispersion und Heizungspinsel.

EGC: Aha (lacht). Diese Heizkörperpinsel?

MO: Ja, ja, diese Heizkörperpinsel.

EGC: Diese abgeknickten.

MO: Ja, ja, furchtbar (lacht)!

EGC: Also, vom Edlen weg, hin zum Werkzeug.

MO: Genau.

EGC: Nun zu Öl und Lack. Neben Dispersionsfarbe hast Du in den achtziger und neunziger Jahren Öl und Lack auf Leinwand verwendet. Um was für eine Ölfarbe und welche Art von Lack handelt es sich?

MO: Es gab in Hamburg so ein Farbengeschäft, also, eher so ein Laden für Anstreicher, für richtige Anstreicher, und die hatten ein kleines Sortiment an Pigmenten im Angebot. Dann haben wir uns – oder ich hab mir die Farbe angerührt mit Leinöl, Schwerspat, Sikkativ und Pigmenten. Also im großen Eimer. Achtziger Jahre bedeutete auch großzügiger Umgang mit Farbe. Da wurde schon viel geschüttet, deshalb brauchte man große Mengen, und ich hab die dann so aus dem Bauch heraus immer angemischt und gehofft, dass ich die richtige Konsistenz erwische. Meistens hat’s geklappt!

EGC: Den Schwerspat hast Du genommen, um der Farbe einen Körper zu geben?

MO: Genau.

EGC: Und die Sikkative?

MO: Zum Trocknen. Der Lack, das war auch einfacher Haushaltslack, damit hab ich dann diese Linien drüber gesetzt.

EGC: Also schon einen farbigen Lack, keinen transparenten?

MO: Nein, das war ein farbiger Lack. So, wie ich das jetzt sehe, war das entweder Schwarz oder Weiß. Es waren meistens Konturlinien, die ich mit Lack drübergezogen hab, die dann wiederum mit einem Edding-Lackstift in Weiß konturiert wurden. Das waren die Bilder um '86.

EB: Ein weißer Edding?

MO: Ja, ein Lackstift, ein kreideartig wirkender Lackstift, den ich heute noch zum Signieren benutze.

EGC: Damit hast Du schon die nächste Frage mehr oder weniger beantwortet. In welcher Weise wurden die Ölfarbe und der Lack verwendet, zum Beispiel bei Pin-up 1 von 1990? War die Ölfarbe mehr für die deckenden und der Lack mehr für die lasierenden Bildpartien?

MO: Oh, puh, der Lack wurde ja eher für die Flächen benutzt, also für das Schwarz.

EGC: Also, es war schon ein farbiger Lack in gewisser Weise?

MO: Ein Schwarzer, ja. Oder Hellblau, Rosa oder Gelb. Damals bestanden die Bilder aus drei Ebenen, einem eher informellen Untergrund, also der sehr viel geschüttet wurde, und dann da drauf ein Flächiger, oft auch so neo-geo-artig, und einer zusätzlichen Zeichnung, also einem Linienkonstrukt. Wobei, wie gesagt, der Untergrund, das Gematschte, eher auf Ölfarbenbasis war, auch zum Teil sehr stark verdünnte Ölfarben. Dann kam das Flächige mit Lack, wie gesagt meistens konturiert mit diesem Edding-Lackstift, und wenn dann noch Linien drüber sind, waren die meistens auch aus Lack und konturiert mit dem Stift.

EB: Das war jetzt diese feinere Linie?

MO: Das ist mit dem Stift, ja. Damit hab ich auch mal Flächen umrandet oder Konturlinien gezogen.

EB: Da bist Du also schon ganz weg von der Dispersion? Da ist keine Dispersion mehr.

MO: Dispersion gab es dann nur noch für die Grundierung.

EGC: Welche Verdünnungsmittel hast Du benutzt, um die Farben und Lacke zu verdünnen?

MO: Terpentin.

EGC: Ganz normales Terpentin?

MO: Ja.

EGC: Hast Du selbst Ölfarbe angemischt? – Das hast Du schon gesagt, wenn ja, hast Du hierfür Standöle, Trockenmischpigmente, Sikkative verwendet. Das ist schon alles beantwortet. Jetzt noch etwas: Welche Weißpigmente hast Du in der Vergangenheit verwendet? Kannst Du Dich noch erinnern? War das Titanweiß oder Bleiweiß?

MO: Nein, Bleiweiß, glaub ich, eher nicht.

EGC: Nicht?

MO: Nein, nein.

EGC: Zinkweiß?

MO: Zinkweiß – mein ich mich dran zu erinnern. Und Titanweiß.

EGC: Okay, jetzt kommen wir zur »Gefärbten Baumwollkordel auf Holz«. Ab 1990 zeigst Du in diesen Bildern eine originelle Technik. An Stelle von mit Pinsel vermalter Farbe treten zum Beispiel bei »Ohne Titel« von 1991 gefärbte Baumwollkordeln mit Dispersion auf Holz auf.

MO: Die Kordel ist auch eingefärbt mit Dispersionsfarbe, und verarbeitet bzw. ist sie dann mit einer Mischung aus Tapetenkleister und Holzleim, also Weißleim, aufgeklebt. Weißleim für die Stabilität und Tapetenkleister, um das Ganze legen zu können, also, auf das Holz legen zu können, um sie pappend zu machen.

EGC: Und der Holzbildträger, war das eine Tischlerplatte?

MO: Sperrholzplatte. Also Spanholz – das billigste!

EGC: Die Baumwollkordeln, die hast Du selbst eingefärbt?

MO: Die ist selbst eingefärbt, ja. Da gab’s dann auch verschiedene Techniken; es wurden ganze, von den Ballen abgewickelte Kordeln einfarbig eingefärbt, andere wurden abgewickelt und dann mit Farbe bespritzt, so dass die unterschiedlichsten Strukturen kamen. Später war es dann so, dass die Kordel über den Unterarm abgewickelt wurde und dass dann der halbe Radius eingefärbt wurde, um auch optische Effekte beim Wickeln zu erzielen, weil die Farbe sich dann immer wiederholt, aber sich durch den größer werdenden Wickelradius verschiebt, dadurch entstehen dann auch so Batikeffekte.

EB: Aber, wenn das appliziert war, hast Du nicht mehr drüber gemalt?

MO: Das gab’s auch, aber eher selten. Es gibt Bilder, bei denen ich dann schon auch mal Wachs drauf gespritzt hab oder eine Kerze drauf hab abbrennen lassen oder auch mal Dispersion draufgespritzt hab. Aber das war falsch, meiner Meinung nach. Man greift dann da Sachen wieder auf. Aber ich fand das dann falsch, da noch mal drüber zu malen. Ich hab da natürlich auch einiges mit experimentiert. Ich hab dann mal eine zentimeterdicke Silikonschicht über so ein Wickelbild gespachtelt, um zu gucken, wie das wirkt. Also, ich hab da gerne experimentiert.

EGC: Die Stärke der Schnur war immer gleich?

MO: Ja, die variierte zwischen drei und vier Millimetern. Das ist eine Baumwollschnur, Keder genannt, die man in der Möbelherstellung benutzt.

EGC: Eine recht stabile Schnur?

MO: Nein, das ist ein ganz einfaches Baumwollmaterial, was – wie soll man sagen – was umwebt ist. Also, ein dünner Faden ist drum gewebt und hält das Material zusammen.

EB: Wofür wird die verwendet?

MO: Zum Beispiel die Couch, die wir vorhin gesehen haben, die hat ja eine Litze am Rand. Diese Litze – nennt man das Litze? Ja, die ist gefüllt, um ihr Volumen zu geben. Sonst hättest Du ja nur den dünnen Stoff. So wird es erst zu dieser Litze, dadurch, dass da eine Schnur eingenäht ist.

EGC: Das sind die Bilder, die wir in Wien gesehen haben.

EB: Ja.

MO: Echt? Da wart ihr? Beim Pakesch (Galerie Peter Pakesch, Wien, Einzelausstellung, 1983. Anm. d. Red.), damals hoffentlich nicht beim Eröffnungsabend.

EGC: Nein. (lacht) Wieso? War der grausig oder wie?

(Alle lachen)

EB: Der blieb anscheinend in Erinnerung. Haben wir 'was verpasst?

MO: Da habt ihr echt 'was verpasst! Ich war erst später bzw. abends hinüber, aber zuvor waren schon einige am Boden.

EGC: Jetzt komme ich zu Dispersion, Kugelschreiber, Lack auf Leinwand. In der ersten Hälfte der neunziger Jahre verwendest Du neben Lack und Dispersion Kugelschreiber. Weshalb Kugelschreiber?

MO: Anfang der neunziger Jahre lag ja die Achtziger-Jahre-Malerei am Boden und der Ekel war groß vor dieser ganzen Malerei. Und ich bin hingegangen und hab alte Fotokopiertechniken wieder ausgegraben und hab experimentiert mit Fotokopien und Fotokopien auf Folie. Ich hab das übereinander gelegt und da eine Zeit lang experimentiert. Mit keinem besonders guten Ergebnis, – weiß man nicht – hat nie jemand wirklich was dazu gesagt. Irgendwann hab ich, ausgehend von dieser Papiertechnik, das auf Leinwand, auf dünnen Nessel übertragen. Erst mal so ein Crossover, so eine Mischung aus Papier- und Tafelbild. Wieder mit dem Wunsch, etwas ganz Spezielles, was Neues, ja, was zu entwickeln. Dann lag es natürlich nahe, Material zu verwenden, was man normalerweise nur für Papier benutzt, und das dann auf der Leinwand zu machen. Also war es für mich damals etwas, was man normalerweise nicht macht. Das ist jetzt keine wirklich aufregende Geschichte: Ich hab versucht, was Neues zu machen. Also, was zu entwickeln. Das waren Eddingstifte, Bleistifte, Kugelschreiber. Da tauchen zum ersten Mal auch diese engen, gewebeartigen Linien auf, so gekreuzte Bleistiftstriche.

EGC: Und diese Zeichenstifte und Kugelschreiber waren einfach das, was Du so gefunden hast?

MO: Ja, das einfachste Material.

EGC: Bei Gemälden von 1993 liegen im Rapport gelbliche rechteckige transparente Flächen, die zu den Bildern einen gewissen Abstand habe. Sind die mit Lackfarbe hergestellt?

MO: Ja, genau. Dieses Orange?

EGC: Nein, ja, dieser Gelbton. (In Katalog: Markus Oehlen 1981-2008, S. 174/175. Anm. d. Red.)

MO: Beim Gelbton, da ist das Nessel mit Kreppband abgeklebt und dann nur der innere Bereich mit Klarlack bearbeitet. Um dem Ganzen einen Charme zu verleihen und über den Rahmen vielleicht auch noch auf so was wie Papierarbeit hinzuweisen. Ja, so um dieses Cross-over mit Papier und Leinwand zu verstärken.

EGC: Das find ich sehr interessant. Jetzt kommen wir zur Mischtechnik.

MO: Natürlich hat das auch ’ne gewisse Schutzfunktion, weil ich in dem Klarlack auch die Kugelschreiber und Pigmente und Bleistifte binden und fixieren wollte. Also, da war dann auch viel Sicherheitsdenken. Obwohl mich das nie wirklich interessiert hat, hat man dann auch zugunsten des Kunden Kompromisse gemacht.

(Alle lachen)

Wobei ich nicht weiß, ob’s tatsächlich irgend ’ne Schutzfunktion hat (lacht).

EB: War der von vorneherein so eingetönt?

MO: Nein, nein, der ist so. Der wird so gelb.

EGC: Der ist so gelb geworden mit der Zeit?

MO: Nein, der war so gewesen.

EGC: Zu Mischtechnik auf Leinwand. Ab 1995 hast Du zahlreiche Bilder in Mischtechnik auf Leinwand geschaffen, wie zum Beispiel »Ohne Titel (Superman)« von 1995. Was verstehst Du unter Mischtechnik? Welche Techniken und Materialien kamen hier zur Verwendung?

MO: Mischtechnik schreibt man ja, wenn man zu faul ist, alles aufzuzählen, was da drin ist. In dem Fall, würde ich mal sagen, ja, da ist wieder Dispersion drin, da sind die Eddingstifte drin und dann ist da dieser projizierte Linolschnitt, also das Motiv ist Projektionsmalerei. Das Ganze ist ausgeführt in, ja, ich glaube auch in Dispersion.

EGC: Also die schwarze...

MO: Ja, ja.

EGC: ...Farbe hier.

MO: Ich würde sagen, in diesem Bild, »Superman«, ist vorwiegend mit Dispersion gearbeitet worden. Und später dann auch wieder viel lackiert worden.

EGC: Aber mit Schablonen hast Du hier noch nicht gearbeitet?

MO: Nein, da ist nichts mit Schablonen. Die Motive sind vorwiegend aus Linolschnitten gearbeitet.

EB: Linolschnitte, die hast Du...

MO: ...als Motive. Also, ich hab praktisch das vergrößert, ja? Da ist auch wieder so dieser Cross-over-Gedanke oder dieses Transportieren von klein nach groß, das ist da wieder drinnen. Papierarbeit als Gemälde. Gemaltes, was an sich gedruckt gehört, um den Linolschnitt praktisch aufzublasen.

EB: Also Du hast den Linolschnitt auf die Leinwand projiziert?

MO: Gemalt.

EGC: Hier tritt ja auch wieder dieser Passepartout-Rand auf.

MO: Genau. Bei meinen Bildern, da geht immer das eine ins andere über. Das heißt, wenn ich male, entdecke ich in einem Bild ’ne Ecke, die mir ganz gut gefällt, und die wird dann ins nächste Bild transportiert und dominiert da. So entwickelt sich ständig was. Von den Materialien ist auch immer erst mal ein bisschen vom Alten im Neuen vorhanden. Das entwickelt sich so schleichend mit Übergängen.

EB: Und die Linolschnitte, sind das welche, die Du für das Bild gemacht hast, oder hast Du alte gebraucht?

MO: Nein, die sind für die Bilder hergestellt. Die sind oft auch so informelles Gematsche auf Linoleum geschnitten, erst mal vorwiegend abstrakte Motive. Das ist dieses Konstruierte, das in den Bildern auch sehr oft auftaucht. Dass es halt ein Bild ist, wo eine vergrößerte Linolschnittarbeit drüber liegt, und da drüber dann noch mal eine Zeichnung und so. Es ist nie Bauchmalerei. Deshalb hab ich es auch nie nötig gehabt, irgendwelche Ölfarben oder gute Farben zu nutzen, weil’s mir eben nicht um die Malerei geht, sondern um die Konstruktion von Malerei, um Überlagerungen, mehr auch so Zufälle.

EGC: Jetzt noch mal zu diesen Linolschnitten, ja? Hast Du den Linolschnitt, also das Linolmaterial eingefärbt und dann auf die Bilder aufgedrückt, oder hast Du das auf Papier und dann vom Papier abgezeichnet, also wieder abgemalt?

MO: Nein, ich hab den Linolschnitt in DinA4-Größe hergestellt, dann hab ich den abgezogen, das Ergebnis auf Overheadfolie kopiert und diese Folie dann projiziert, abgemalt, abgezeichnet und ausgefüllt, ausgemalt.

EGC: Wann hast Du denn mit dem Projizieren angefangen? Davor schon?

MO: Ich hab in den achtziger Jahren, glaub ich, gar nicht projiziert. Anfang der neunziger Jahre hab ich damit angefangen, so '93 rum. Das war eins der ersten (blättert im Katalog). Ja, '93. Anfang der neunziger Jahre lag, wie gesagt, der Kunstmarkt am Boden und mit farbiger, gestischer, expressiver Malerei war nichts, also musste das neu aufgebaut werden. Das lief bei mir halt über eine Reduzierung von Farbe. Ich glaube, dass das auch so ein Pop Art-Element war; vergrößerte Linolschnitte – das hat mehr mit Pop Art zu tun als mit Bildermalerei.

EGC: Ja.

MO: Aber gleichzeitig sollte es ja auch eine gewisse Bildheit noch transportieren. Das sieht man durch diese Pinselschwünge, die da so ganz locker, luftig, lasierend mit Dispersion im Hintergrund vorhanden sind.

EGC: Zu Lack auf Leinwand. Ab 1999 lautet die Materialbezeichnung nur noch »Lack auf Leinwand«, wie zum Beispiel bei Schraubenwasser von 1999. Bestehen die Lacke aus einem Farblackfertigprodukt, die dann nach Wunsch vermischt werden?

MO: Ja.

EGC: Mit welchen Lackprodukten werden diese Werke ausgeführt?

MO: Mit einfachsten Haushaltslacken aus dem Baumarkt. Nicht die billigsten, aber es sind halt keine Speziallacke. Es sind teilweise schon gute Lacke.

EGC: Welche Verdünnungsmittel hast Du dafür verwendet?

MO: Terpentine.

EGC: Also sind das meistens Öllacke, die Du da genommen hast?

MO: Kunstharz.

EGC: Kunstharzlacke.

EB: Aber keine Acryllacke?

MO: Acryl habe ich von Anfang an nie benutzt.

EGC: Und auch keine Alkydharzlacke?

MO: Nein, auch nicht.

EGC: Also, alles reine Öllacke.

MO: Spezialist!

EGC: Keine Wasser verdünnbare Lacke?

MO: Nein, damit konnte ich nicht arbeiten, da war der Pinsel schon trocken, bevor er an der Leinwand war. Das konnte ich nicht. Und ich kam auch mit der Deckung nicht klar. Die waren mir zudem zu klar, die Farben. Ich hatte immer den Eindruck, dass diese Lacke schneller zu verschmutzen sind, und dass ich da... ja, ich kann’s nicht beschreiben. Acryl war mir zu... – war nicht mein Ding. Kann ich nicht mit. Überhaupt nicht.

EGC: Die Bezeichnung »Lack auf Leinwand« verrät nichts über die vielschichtige Anwendung des Farbauftrages und der Techniken, die hier zur Anwendung kamen. Die teils lasierend ausgeführten Oberflächen lassen den Eindruck entstehen, als ob mehrere transparente Oberflächen übereinanderliegen würden. Welche Techniken kamen neben der Pinselmalerei noch zum Einsatz, um diese Bildwirkungen zu erzielen? Siebdruck? Spray? Projizieren? Hast Du auch gesprayt?

MO: Hin und wieder, ja. Und zwar reden wir jetzt von Bildern um '99 herum.

EGC: (Blättert im Katalog) Ja.

MO: Da wurden Flächen mit Tesa-Krepp abgeklebt und dann einfarbig gesprüht. Danach wurde das Tesa-Krepp versetzt, es wurde mit einer anderen Farbe gesprüht, so dass eine Op-Art-artige Streifigkeit entstand. Das gleiche auch mit Eddingstiften, immer im Blau-Rot oder Rot-Grün Kontrast. Dann wurden diese Eddinglinien, diese Filzstiftlinien, auch wieder mit weißem Sprühlack besprüht. Der Eddingstift hat die Eigenschaft, überall immer wieder durchzuscheinen, und damit hab ich dann natürlich auch wieder experimentiert. Das war mir recht, dass der da durchkam.

EGC: Ja, der wächst so durch die Schichten.

MO: Ja, auch durch den Kunstharzlack. Der kommt immer durch. Es sei denn, man muss ihn vorher versiegeln. Das waren alles willkommene Effekte, die ich benutzt habe.

EGC: Hast Du hier auch schon Schablonen verwendet?

MO: Schablonen? Schablonen hab ich an sich nie verwendet. Nein, ich hab immer alles projiziert.

EGC: Das wirkt manchmal so, als wenn es Schablonen wären. Aber das ist ja eine wahnsinnige Arbeit!

MO: Die waren sehr arbeitsintensiv, die Bilder, ja. Weil auch die Hintergründe meistens zwei Ebenen sind. Wie gesagt: Alles basierte damals auf Linolschnitten. Da hab ich eine Ebene gedruckt und dann hab ich den Linolschnitt wieder mit dem Messer bearbeitet und die zweite Ebene – genauso wie man’s beim Drucken machen würde – hab ich dann auch gemalt. Das heißt, der wurde wieder bearbeitet, wieder abgezogen, wieder auf Folie kopiert, und dann wurde eine zweite Ebene – die zweite Linolschnittebene – auf die schon vorhandene gemalte wieder projiziert und noch mal gemalt. Das war ja so praktisch, das komplette Druckverfahren war aber gemalt mit Farbabläufen.

EGC: Hast Du diese Bilder an der Wand gemalt?

MO: Ja.

EGC: Waren die schon aufgespannt auf Keilrahmen?

MO: Die waren immer aufgespannt gewesen.

EGC: Aha, ja. Und Siebdruck kommt da noch nicht drin vor?

MO: Da kommt überhaupt kein Siebdruck vor. Auch kein Computer!

EB: Wie kommt es zu solchen Formen? Ist das Malerei, die Du noch mal durch diese Op-Art-artigen Streifen überdeckst? Also diese plastisch wirkenden Formen.

MO: Ja, die sind so nach dem Hell-Dunkel-Kontrast per Hand gezeichnet. Damals hab ich einfach den Gegenstand, den ich malen wollte, aus der Zeitung oder irgendwo her einfach auf Folie kopiert und an die Wand geworfen, und dann praktisch hab ich mir Höhenlinien reingezeichnet. Aus der freien Hand. Ich hab dann Farbabstufungen da rein gemalt und wollte halt was Op-Art-artiges mit einbauen, weil ich halt dachte, damit hab ich was zu tun. Damit bin ich groß geworden, mit Op-Art und Pop Art, und das kann ich verwenden.

EB: Also, Du legst diese Körper wie eine weitere Schicht an, mit Weiß oder mit Schwarz, und Weiß als Höhung und als plastisch wirkende gemalte Kontur und dann werden die wieder überarbeitet, die Streifen?

MO: Nein, nein. Das ist direkt gemalt. Ich muss dazu sagen, es gibt keine Farbüberlagerung in den Bildern. Alles ist direkt auf der Leinwand. Das heißt, Entschuldigung, das stimmt so nicht, also hier bei den Hintergründen, was so gepixelt aussieht, das ist die zweite Ebene, also, wie im Druckverfahren. Aber ansonsten... Also, das hier hat nicht mehr drunter, als das, was als Untergrund erscheint.

EB: Ah ja.

MO: Das heißt, das ist alles... also, das ist projiziert und dann ist das dahinter projiziert, also, ich hab das Malverfahren umgekehrt. Ich mal nicht erst eine ganze Fläche wild und mal dann was drüber, sondern ich fang mit dem Kleinen an und bau das Bild nach hinten auf. Der Hintergrund kommt zum Schluss. Das heißt, alles was man sieht, hat unmittelbaren Leinwandkontakt.

EGC: Dieses Bild hier, Labort von 2000, erinnert mich ein bisschen an Vasarely, so von der Grundstruktur her.

MO: Ja, es hat so eine Beule drin, nicht? Da muss ich zugeben, dass es das erste ist, bei dem ich eine Computerverfremdung benutzt hab. Bei dem ich den Linolschnitt noch mal mit verbeult hab. Es war sehr viel Arbeit, das so zu malen, dafür ist der Effekt leider nicht so... (lacht).

EGC: Welche Schritte zur Bildgestaltung führst Du am Computer aus? Verwendest Du für das Generieren Deiner Bilder Computerprogramme, und wenn ja, welche?

MO: Bis... (blättert im Katalog), da muss man ja jetzt gucken, wann das so anfängt. Also, bei dem Bild »vorwärtsen« von 2001 fängt das an. Also, bis 2000, würde ich sagen, hab ich keinerlei Computer verwandt. 2001 taucht zum ersten Mal eine Figur auf, die im Computer entstanden ist. Mit einem Figurenanimationsprogramm namens »Poser«.

Dann bei »Sohn von Zwielicht« von 2001, da tauchen dann zum ersten Mal die Höhenlinien auf. Die Höhenlinien sind eine Abfolge von Schritten im Photoshop -Programm. So eine Abfolge von Befehlen. Und da geht’s dann darum, dass man das Motiv in Höhenlinien auflöst. Das bedeutet, man löst praktisch eine bestimmte Anzahl von Graustufen auf, und dann hat man die Option, das in diesen Graustufen zu malen oder auch die Fläche abwechselnd Rot-Blau oder – wie meistens – Schwarz-Weiß auszufüllen. So wie hier. (Nimmt den Katalog.) An dem Bild kann man praktisch alles erklären.

EGC: Am »Sohn von Zwielicht«?

MO: Ja. Das ist hier genau das Motiv mit dem Fernseher.

EGC: Rechts unten, ja?

MO: Ist auf diese Art und Weise entstanden. Das rotblaue Motiv...

EGC: Die Figur?

MO: Ja, das Gestreifte: Füße und Hände dieser Hintergrundfigur, ja? Da der Kopf. Aber auch das Schwarz-Weiße im unteren, linken Bildrand. Da ist es einfach mal im Schwarz-Weiß-Kontrast aufgelöst, diese Photoshop-entwickelten Linien. Wobei dann diese Figuren auch noch im Computer entstanden sind. Mit dem Poser -Programm hab ich einen Protagonisten erschaffen, der einfach einen zu großen Kopf, zu große Hände, zu große Füße hat. Also, der taucht so über ein paar Jahre immer wieder auf. Oft macht der ’ne Faust, und oft macht der gleichzeitig so ’n Peace-Zeichen. Also, die sind sehr vielschichtig und sehr arbeitsaufwendig, die Bilder. Aber das war halt nötig, um die neue Behauptung aufzustellen. Damals hab ich mal eine Galeristin gefragt, ob sie das Bild, auf dem weniger drauf ist, für das bessere Bild hält. Da hat sie gesagt: »Ja, unbedingt!« Und da hab ich mir gedacht, da will ich mal die gegenteilige Behauptung aufstellen... und das überladene Bild malen. Das hat was Ähnliches wie die Batik – dass man da so Behauptungen aufstellt und versucht, ja, gegen was zu sein. Ein Feindbild zu haben und daraus die Malerei zu entwickeln.

EGC: Wenn man Deine Bilder betrachtet, speziell ja auch das, also, da ist es ja unglaublich schwierig, eine Ordnung reinzubringen. Das ist für mich wirklich ein Rätsel, beim Malen gehört ja eine unglaubliche Disziplin dazu.

MO: Ja, das sieht jetzt so aus, es ist halt ein Schritt nach dem anderen. Für mich ist es eine klare Sache.

EGC: (Lacht) Ja.

MO: Da oft so Vordergrundmotive auch wieder verbunden sind mit dem Hintergrund, wirkt es auch oft sehr kompliziert und sehr..., es vermischt sich halt auch. Aber es ist tatsächlich so: Die Bilder waren sehr arbeitsaufwendig und auch sehr kompliziert. Es dauerte dann auch Wochen im Atelier.

EB: Aber auch da ist es immer so, dass Du Vordergrund und Hintergrund, maximal zwei Schichten nimmst. Also, Du arbeitest eher nebeneinander, was sich hinterher als Vielschichtigkeit zeigt.

MO: Man kann’s hier genau sehen: Man denke sich alles weg und stellt sich vor, das ist das erste Motiv, das Rot-Blaue.

EB: Ja.

MO: Dann kommt das Rot-Grüne. Mehr ist da erst mal gar nicht. Nein, das stimmt so nicht, dieses Gesprühte war zuerst. Ja, und zum Schluss kommt dann der Hintergrund. Genauso arbeite ich heute auch.

EGC: Auf den Doppelseiten 6/7 und 20/21 des Kataloges »Markus Oehlen 1981–2008« sieht man verschiedene Drahtknäule. Dienten die zum Beispiel bei dem Gemälde »R.T.L. 2« von 2007 als Bildvorlagen. Hier, diese Figuren? (In Katalog: Markus Oehlen 1981-2008, S. 55. Anm. d. Red.)

MO: Ja, das sind die Motive. Also, die sind so nicht im Computer entstanden, sondern die hab ich dann einfach fotografiert. Was früher Informelles, ich nenn es immer informell, also, freies Gepinsel war, das hab ich dann mit Draht praktisch... ja, ein Drahtknäuel erstellt. Das sind dann auch wieder Verweise auf diese gewickelten Bilder oder gewickelten Skulpturen, auf die Linien, die sich schon in den Achtziger-Jahre-Bildern entwickelt haben, das ist halt auch wieder das Konstruierte, worum es da ging. Es soll freie Abstraktion sein, aber es wird hergestellt durch dieses Gebilde aus Lötzinn.

EGC: Ach, das ist Lötzinn?

MO: Ja.

EGC: Das ist »R.T.L. 2«... (blättert im Katalog)

MO: »R.T.L. 2« müsste sehr weit vorne sein...

EGC: Das ist dieses Schwarz-Weiß-Bild oder...

MO: (Alle suchen im Katalog) Hier ist es!

EGC: Genau.

MO: Da taucht auch wieder der Fernseher auf. Es gibt immer wieder so Rückschritte, so Verweise auf die eigene Arbeit. Ich sag immer so: Das ist der Pool, aus dem ich schöpfe.

EB: Und diese Verlötungen, sind das Arbeiten, die Du als solche verwendet hast?

MO: Verlötungen kann man nicht sagen. Also, das ist ein Lötzinnknäuel, den ich fotografiert und als Motiv dafür benutzt hab.

EB: Es ging nicht drum, das als Skulptur zu interpretieren.

MO: Nein, nein, um Gottes Willen, nein! Das existiert dann nicht mehr.

EGC: Was sind das hier für Gegenstände? (auch auf der Abb. S. 6/7 zu sehen. Anm. d. Red.)

MO: Das sind so Plastikbollen. Kindergeschenkartikel aus Wundertüten. Das sagt halt so was wie... das hat was Malerisches halt. So ein Pinselschwung und aber gleichzeitig dreidimensional und Metallic-Effekt. Ich wollte halt so Metallic-Effekte malen oder so glänzendes, gleißendes Chrom. Ich hab mich an Chrommotiven versucht, aber sie sind als solche gar nicht mehr zu erkennen. Da kommt dann auch die Felgenthematik. Da bin ich zu gekommen, nachdem ich Motive aus Metall gesucht hab. Als metallische Form, die innerhalb dieser wilden Malerei auftaucht. Also, es geht mir jetzt gar nicht um das Motiv der Felge, ich will da jetzt nicht irgendwas mit sagen.

EB: (Lacht) Also, es ist keine Kritik an der Konsumgesellschaft oder so etwas.

MO: Nein, es hat nichts mit...

EGC: ...ist nicht inhaltlich beladen.

MO: Nein, es hat nichts mit Gangster-Rappern zu tun. Aber, es hat, nein, das kann man so auch nicht sagen, es hat einfach etwas Zeitgeistiges. Denn Zeitgeist muss man halt auch mitnehmen, es ist keine gültige Malerei, aber ich mal' ja schließlich heute und nicht gestern. Beim Doppel-Elvis sieht man zum Beispiel auch die Nirosta-Spüle im Hintergrund, man kann sie kaum erkennen, aber sie ist irgendwo da. Hier zum Beispiel, die Metallbüchse, so ’ne Blechbüchse, die auch mal gleißen sollte (blättert weiter).

EB: Also, das ist einerseits das Zeitgeistige und andererseits die metallische Oberfläche, die Dich auch gereizt hat in der Wiedergabe?

MO: Ja, weil sie einen Gegensatz bilden sollte zu diesem Malerischen. Und auch zu diesem... ja, es ist halt auch in der Kunst so diese Malerei über Malerei. Das hat schon auch so achtziger Jahre noch drin. Das ist immer wieder das gleiche Thema, also das Konstruierte, Malerische, das Ursprüngliche des Motivs. Auch hier so, die Tür von einer Waschmaschine.

EB: Ach hier, das Auge!

MO: Das Auge der Waschmaschine, das auch sehr gleißend ist.

EGC: Auf welcher Katalogseite ist das?

MO: Das ist Seite 97. Das ist da halt auch so eine Doppelbelichtung. Man erkennt es nicht mehr. Es ist aber eigentlich auch nicht wichtig, oft sind die Materialien, die ich verwende, einfach nur – wie soll ich sagen – einfach nur Materialien. Es kommt dem Bild zugute, aber transportiert keine Bedeutung. Das sagt ja auch nur »Akt«, die Frau macht nichts Spezielles. Das ist nur so ein Verweis auf malerische Themen. Auf klassische Themen, auf die großen Themen der Malerei. Das ist vielleicht nur ein Ding in dieser Komposition. (In Katalog: Markus Oehlen 1981-2008, Gesichtswäsche, S. 97. Anm. d. Red.)

EGC: Ein Zitat?

MO: Ja.

EGC: Markus, jetzt zur Leinwand. Welche Leinwandsorten hast Du bisher in welcher Zeit verwendet? Früher hast Du sehr viel mit Nessel gearbeitet.

MO: Ich verwende fast nur Nessel.

EGC: Auch heute noch?

MO: Auch heute noch, ja.

EGC: Auch bei diesen Großformaten?

MO: Ja. Aber stabilere.

EGC: Also einen starken Nesselstoff?

MO: Starken Nesselstoff. In letzter Zeit ist aber auch dieses Boesner-Zeugs dazu gekommen. Was ist das für ein Material?

JR: Das ist auch Nessel.

EGC: Ist der in irgendeiner Weise vorbehandelt? Also vorgrundiert oder so?

MO: Nein.

EGC: Nicht? Also roher Nessel.

MO: Ich hab immer mal auch was ausprobiert, aber ich bin immer wieder zurück zu diesem Nessel.

EGC: Und jetzt beziehst Du auch von Boesner?

MO: Ja. Ich hab jetzt in letzter Zeit auch besseres Material benutzt. Kann ich Dir aber nicht sagen, was das genau ist. Wie nennt man das denn? Leinwand?

JR: Nein, Leinwand ist das nicht, Leinwand ist das grobe.

MO: Ich hab da keine Ahnung, tut mir leid.

EGC: Cotton duck, hast Du den auch schon verwendet? Dieses grobe Material? Für diese Arbeiten jetzt hier?

MO: Nein.

EGC: Waren die bei der Bärbel Grässlin ausgestellten Bilder auch aus Nessel gewesen? (Einzelausstellung in der Galerie Grässlin, Frankfurt am Main, 2008. Anm. d. Red.)

MO: Ja.

EGC: Ja?

MO: Das kann auch besseres Material sein.

EGC: Ja, okay.

MO: Also, nicht dass Du denkst, ich würde da jetzt unheimlich drauf bestehen.

EGC: Und woher hast Du es bezogen, das Material? Vom Boesner?

MO: Nein, ich hatte bis zum Schluss so einen fetten, fetten Ballen aus einem Stofflager.

EGC: Stofflager? Für ganz normale Stoffe?

MO: Möbelproduktion. Und ich find das Zeug immer noch besser als das von Boesner, weil dieses Nessel, das ist ja eine richtige Köperbindung. Das billige Zeug von Boesner ist einfaches Leinen. Einfaches Niveau, das also auch die Grundierung hinten durchdrückt und da ist mehr Grundierung hinten auf dem Bild als vorne.

EGC: Also, die Köperbindung ist hier dichter?

MO: Genau, die Köperbindung ist eindeutig dichter.

EGC: Somit hast Du auf vorgrundierten Leinwänden nie gemalt?

MO: Doch. Aber nie zweimal. War nicht mein Ding.

(Alle lachen)

EGC: Hast Du jemals eine Grundierung als Fertigprodukt verwendet? Wenn ja, welches Produkt?

MO: Nein.

EGC: Nicht? Also grundierst Du die Bilder gar nicht?

MO: Doch. Mit weißer Wandfarbe.

EGC: Mit weißer Dispersionsfarbe?

MO: Ja. Ist das Dispersion?

JR: Nennt sich Fassadenfarbe.

MO: Wandfarbe, ja.

EB: Und dass rollst Du?

MO: Nein, das streich’ ich.

EGC: Sind die Leinwände vorgeleimt bevor Du die Grundierung aufbringst?

MO: Nein.

EGC: Gut, das hat sich erledigt dann. Jetzt zur Unterzeichnung. Auf der Doppelseite 176/177 des Katalogs sieht man in einer Ateliersituation ein Bild mit Unterzeichnung.

MO: (Blättert) Ja, genau.

EGC: Bringst Du immer eine Unterzeichnung auf Deinen Gemälden an?

MO: Ja.

EGC: Welches Medium verwendest Du dafür?

MO: Das ist ein 400er Edding, der dann wieder versiegelt wird mit einem Kunstharzklarlack. Das ist praktisch so was wie eine zweite Grundierung. Kann man schon so sagen. Und es dient auch der besseren Lauffähigkeit des Pinsels und der Farbe.

EGC: Der Lackfarbe dann?

MO: Die Lackfarbe läuft auf der weißen Dispersion sehr schlecht. Deshalb zeichne ich so viel vor, unterzeichne ich jedes Motiv, also, jedes Motiv ist unterzeichnet. Und wenn ich alle Motive gezeichnet hab, wird das komplette Bild noch mal mit Kunstharzklarlack überzogen, um den Filzstift zu versiegeln und dass der nicht durchscheint. Und ja, dieser Klarlack wird dann zum Schluss noch einmal über das komplette Bild gezogen.

EGC: Wie ein Firnis praktisch?

MO: Wie ein Firnis, das dient erstens dem Schutz, denke ich, und zweitens egalisiert das sämtliche Unregelmäßigkeiten.

EGC: Es gibt da nicht so Matt- und Glanzstellen?

MO: Nein, nein. Das merzt so jede Malspur und Unebenmäßigkeit aus. Die Glätte, die ist dann gewollt.

EGC: Aha. Und was für ein Produkt ist das? Dieser Klarlack?

MO: Kunstharzklarlack.

EB: Kennst Du den Produktnamen?

MO: Nein. Da gibt’s ganz furchtbar schlechte, also, je nach Baumarkt. Praktiker hat ganz unmögliches Zeugs, was auch wirklich noch einen Farbton drin hat und stark nachdunkelt. Obi ist gut und Bauhaus ist am besten.

EB: Also, die Erfahrung hast Du auch schon gemacht, dass das nachdunkelt?

MO: Ja, also, nachdunkeln kann man eigentlich so nicht sagen, es dunkelt einfach, ist einfach dunkler als der andere Klarlack. Der hat eine eigene Tonart, es gibt einen Ton, also, es hat einen Ton, das Zeugs da.

EB: Testest Du die, bevor Du sie aufs Bild aufträgst? So vom Ton her?

MO: Ich freu mich ja immer so über Zufälle und Verfremdungen...

EB: Aha.

MO: ...und Effekte. Es ist einfach so.

EGC: Also die Zufälle sind meistens auch...

MO: Also, das ist keine reine Lehre, im wahrsten Sinne... (JR und EB lachen)... sondern Zufälle sind gewünscht.

EGC: Jetzt noch mal zu den Rahmen. Welche Art von Rahmen bevorzugst Du für Deine Bilder? Gibt’s da eine spezielle Rahmenform? Schattenleisten oder überhaupt keine?

MO: Um die Bilder herum? Lehne ich an sich ab für die derzeitige Malerei. Es gibt allerdings, also, ich würde gerne die Achtziger-Jahre-Bilder teilweise rahmen. Wo es auch so Verweise auf Expressives gibt. Da kann ich mir auch vorstellen, dass man die rahmt. Die Wickelbilder sind gerahmt. Das hat eine Schutzfunktion, sonst würde die Kordel wegfliegen. Dann gibt’s in den späten Achtzigern sehr viele schwarze Rahmen, das hat ein bisschen was mit meiner Gemütsverfassung zu tun gehabt damals, also, das sind mehr so Todesanzeigen (EGC lacht).

EB: Aber die hast Du selber angebracht?

MO: Ja, die hab ich bestellt und ich dachte auch... ja, ich hab mich da hinter dieser fertigen Sache dann auch versteckt. War vielleicht gar nicht so das Richtige, aber... das war ja dann auch vorbei. Also, wenn’s da nicht diesen abrupten Bruch gegeben hätte, also, den Untergang dieser Malerei, dann wüsste ich auch gar nicht, wie sich das entwickelt hätte. Also, dieser Schnitt, noch mal neu anzufangen – das war absolut nötig. Diese Irrtümer, die da drin stecken. Bei den späteren Bildern konnte ich noch mal ganz von vorne ansetzen. Eben gab wieder die Fotokopie auch bisschen Anlass, das neu zu entwickeln. Da steckt auch eine größere Ehrlichkeit dahinter und auch mehr meine eigene Person.

EB: Aber den Schnitt, Du würdest sagen, der Schnitt zwischen den beiden Arbeitsphasen ist der, den die Entwicklung der Malerei vorgegeben hat. Oder ist es persönlicher Art?

MO: Ich glaube, wir waren sehr jung, und die Zeit hat was mit uns gemacht, was wir nicht mehr steuern konnten. Und deshalb war der Bruch nötig, um sich als künstlerische Persönlichkeit noch mal zu konzentrieren und noch mal ganz von vorne, mit einer Portion Konzentration und Ehrlichkeit, das noch mal neu zu entwickeln. Das ist ja leider so, dass viele junge Künstler zu schnell verheizt werden, zu schnell gehypet werden, ohne dass sie sich wirklich entwickeln können. Der Bruch hat mir die Möglichkeit gegeben, mich tatsächlich zu entwickeln, und nicht so diese kleine Achtziger-Jahre-Behauptung, ja, wo sind die ganzen achtziger Jahre Künstler? Die hatten halt nur so diese kleine Behauptung und haben’s nicht bestätigen können. Und ich hatte halt die Möglichkeit, noch mal mir da drüber Gedanken zu machen.

EGC: Zur Skulptur. Parallel zu den Bildern mit gefärbter Baumwollkordel aus dem Anfang der neunziger Jahre entstanden die zwei Skulpturen »Ohne Titel (Paar)« und »Ohne Titel (Vom Tisch gefallener Akt)« (In Katalog: Markus Oehlen 1981-2008, S. 181. Anm. d. Red.). Im Gegensatz zu den Bildern ist bei einer Skulptur des Paares die Baumwollkordel bis auf einen kleineren Bereich nicht gefärbt. Der Kopf- und Fußbereich ist mit schwarzer beziehungsweise roter Farbe gefasst. Die Skulpturen stehen auf aufgeblasenen Gummischläuchen, weitere zum Teil mit Luft gefüllte Gummischläuche liegen als Halsbänder und Gürtel um die Figuren. Hast Du alle Skulpturen aus Styroporblöcken zusammengefügt, so wie es auf der Doppelseite 52/53 des Katalogs zu sehen ist?

MO: Ja. Der Kern ist immer Styropor. Bei den frühen Skulpturen, die auf den Autoreifen stehen, handelt es sich um so quasi Steh-auf-Männchen. Da ist unten ein Schwerpunkt, also ein Gewicht. Das sind teilweise fette Steine aus dem Hafen von Santander, die da den Schwerpunkt bilden, so dass man die Skulpturen ein bisschen hin und her bewegen kann, dass die so noch ein bisschen nachschwingen.

EGC: Hast Du die Skulpturen in Spanien gemacht?

MO: Die sind teilweise in Spanien gemacht worden.

EB: Und wie ist der Styroporkorpus dann auf den Stein gesetzt?

MO: Der Stein ist unten in der Skulptur drin. Also, der ist dann unten verschmiert und zugewickelt und balanciert auf dem Autoreifen. Mit den Schläuchen greife ich diese Linienthematik wieder auf aus den Bildern. Das ist wie so eine Überzeichnung.

EGC: Wie hast Du die einzelnen Styroporblöcke verbunden? Geklebt? Wenn ja, mit welchem Kleber? Also, ich mein’ jetzt die einzelnen Blöcke.

MO: Ich denke, dass ich damals einen handelsüblichen Styroporkleber benutzt habe. Später bin ich dann zu Pattex Montagekleber übergegangen. Hab die aber teilweise auch mit Silikon geklebt.

EGC: Mit Silikonkleber?

MO: Einfach nur mit Silikon. Das hat natürlich den Nachteil, dass da wenig Luft drankommt und das dann halt langsam trocknet. Also, Styropor kleben ist nicht so einfach, man sollte es vor der Weiterverarbeitung lange stehen lassen, sonst gibt’s Ärger.

EGC: Mit welchem Werkzeug hast Du den Styroporkern Deiner Skulpturen bearbeitet?

MO: Mit einem zackigen Brotmesser. Ich habe einiges ausprobiert und das Brotmesser war einfach das Beste. Teilweise rausgerissen und dann Feinarbeiten auch geschnitten. Und dann mit einer selbst gefertigten Raspel geraspelt, die aus einem Stück Blech bestand, wo mit Nägeln lauter Löcher reingeschlagen waren, die auf der anderen Seite dann ausfransten. Das auf ein Stück Holz geschraubte Blech war das beste Werkzeug, um das raus zu raspeln. (Alle lachen)
Ich hab weder mit heißen Drähten gearbeitet, noch mit... Also, bei den Pferden kam schon auch mal ’ne Kettensäge zum Einsatz. Später war das Brotmesser das einzig Wahre. Bei den letzten Skulpturen hab ich einen Elektrofuchsschwanz benutzt, der natürlich wunderbar ist. Aber das Brotmesser ist immer noch das Beste, find’ ich.

EGC: Ja? Na, prima!

(Alle lachen)

MO: Und den Feinschliff machte ich dann mit so einer Holzraspel oder Gipsraspel heißt das, glaub ich. Für so Gipsmodelle. Ganz glatt kriegt man’s, wenn man dann noch mit Schmirgelpapier drüber geht.

EGC: Aber es ist schon eine mühselige Arbeit, oder? Hast Du eine Maske getragen?

MO: Nein. Also, doch auch. Dann beim Raspeln hab ich schon irgendwas gehabt.

EGC: Wurde der Styroporkern vor dem Applizieren der Baumwollkordel mit einer Isolierung eingelassen?

MO: Nein. Teilweise wurden zur Stabilisierung Nesselstreifen aufgeklebt mit Weißleim.

EGC: Mit der Stabilisierung meinst Du die bei den Schnittstellen?

MO: Genau. Bei Schnittstellen oder auch bei anderen Figuren die filigraneren Teile, Arme und Beine.

EGC: Um das zu verstärken?

MO: Ja. Oder bruchsicher zu machen.

EGC: Wie wurde die Baumwollkordel auf dem Styroporkern befestigt? Hast Du die da festgeklebt?

MO: Ja, die ist festgeklebt und genauso wie auf den Wickelbildern mit Tapetenkleister und Ponal.

EGC: Mit was für einer Farbe hast Du den Kopf- und den Fußbereich bemalt? Weißt Du das noch?

MO: Da ist die Kordel tatsächlich mit Dispersion bemalt.

EB: Du hast da die Kordel bemalt, bevor Du sie aufgeklebt hast?

MO: Das sieht so aus, ja, doch, die rote Kordel ist getränkt.

EGC: Die ist getränkt?

MO: Es gibt auch Skulpturen, wie bei diesem Stier, da ist das so, dass das mit Lack, also, dass die schwarzen Köpfe mit Lack bemalt sind. Da ist die dispersionsgetränkte Kordel, und einen krassen Gegensatz bildet dann dieser tiefschwarze Lack, die tiefschwarze Lackbemalung. Das fand ich sehr reizvoll.

EGC: Also, bei den zwei Skulpturen »Ohne Titel (Stiere)« von 1991 hast Du gefärbte Baumwollkordel verwendet. Hast Du hierfür die gleiche Baumwollkordel wie für die Bilder verwendet?

MO: Ja, das ist immer die gleiche.

EGC: In welcher Form hast Du für die Skulpturen »Stiere« Leim und Lack verwendet? Das steht so im Katalog: Leim und Lack.

MO: Ja, das ist, also der Kopf ist, wie gesagt Leim; damit ist die Kordel befestigt. Und der Lack ist oben auf dem Hals und dem Kopf und dem Horn.

EGC: Ja, okay.

MO: Um noch mal eine andere Farbnuance reinzubringen.

EGC: Die Skulptur »Vomp« von 1998 besteht aus Styropor, Pappe und bedrucktem Glas. (Siehe unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen/skulpturen/skulpturengruppe.html)

MO: Ja.

EGC: Wie hast Du das Glas bedruckt? Es wurde doch bedruckt, oder?

MO: Es wurde mit Siebdruck und Lack bedruckt.

EGC: Mit Siebdruck?

MO: Ja.

EGC: Aber es wurde nicht gebrannt?

MO: Nein, nein.

EGC: Wie bei einer Glasmalerei?

MO: Da ist so dieser Haushaltslack mit Siebdruck auf das Glas gedruckt. Quasi zwei Scheiben überlagernd.

EGC: Flucht aus Quadrat-Ichendorf von 1998 besteht aus Styropor, gefärbter Baumwollkordel, Glas, Holz, Stoff, Metall, einer Laserprojektion und einer Nebelmaschine. Wie sieht das aus mit der Laserprojektion und der Nebelmaschine? Wie funktioniert das zusammen? Kannst Du das beschreiben? (Siehe unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen/skulpturen/skulpturengruppe.html)

MO: Unter dem Tisch, hinter dem Vorhang, befindet sich eine handelsübliche Nebelmaschine, also eher so eine Hobbykeller-, Partykeller-Nebelmaschine, also eine kleinere, und da lag der Auslöser, also mit einem Kabel und einem Druckknopf, lag oben auf dem Tisch, und man konnte dann das auslösen, und dann zischte es, und dann kam ein Rauch aus den Löcher, die oben sich in der Platte befinden.

EGC: Auf der Sockelplatte?

MO: Ja, genau. Der Vorhang dient auch dazu, dass der Rauch nicht zu den Seiten rauskommt, sondern oben zur Tischplatte. Das sah schon sehr schön aus. Und der Laser, der kommt auch durch eines dieser Löcher und der Laserstrahl bewegt sich auf der Unterseite einer gewickelten Fläche. Ich glaub, dass das nie wieder so aufgebaut wird, wie ich das mal ursprünglich gedacht hab. (Alle lachen)
Weil die Leute das nicht verstehen.

EGC: Aber, weißt Du, ob das noch so funktioniert?

MO: Sollte es schon. Ja. Könnte man auf jeden Fall jederzeit erneuern, wenn’s mal nicht funktionieren sollte.

EGC: Es befindet sich in der Sammlung der Bundesrepublik Deutschland.

MO: Das sind auch wieder bedruckte Gläser da.

EGC: Ah, ja (blättert im Katalog). Die hast Du auch besiebdruckt, die Gläser?

MO: Ja. Das ist so eine Frau mit einem Pinsel im Mund.

EGC: Wie groß ist denn eigentlich jetzt das?

MO: Mannshoch.

EGC: Wie »Fliegen auf Cola« von 1998, Styropor, gefärbte Baumwollkordel, Radios, Lautsprecher; Sammlung Städtisches Museum Abteiberg, Mönchengladbach. Und Freefidelity-Camp von 2001, Autoradios, Lautsprecher, Holz und Wäscheleine. Bei diesen beiden Skulpturen hast Du automatische Lautsprecher eingebaut. Wie sollte man hier verfahren, falls ein Geräte defekt und ein baugleiches nicht mehr erhältlich ist?

MO: Dann bleibt die Skulptur stumm.

EGC: Bleibt sie stumm?

MO: Ja.

EGC: Okay. Eine klare Aussage, weil das gibt es, es gibt ja viele Kunstwerke, bei denen, also auch bei Videoinstallationen etc., bei denen man das Problem hat: Was macht man, wenn man kein baugleiches Teil mehr hat?

MO: Das bleibt dann stumm.

EGC: Es bleibt dann so stehen?

MO: Ja. Das ist der Verfall und bevor man was übertüncht und im Hintergrund zusätzliche Gerätschaften anbringt, um das zu simulieren, bin ich eher dafür, das dann zur Legende werden zu lassen (lacht).

EGC: Aber die Geräte haben gespielt?

MO: Ja, ja. Die waren alle funktionstüchtig. Aber da sind wieder die Billigmaterialien im Spiel und die taugen halt nicht viel. Aber das ist von mir bewusst so gewählt. Genauso wie die Fotokopie sich auch selber vernichtet hat. Das ist keine Nachlässigkeit, sondern bewusst.

EGC: Der mögliche Verfall oder die Dysfunktion ist also einkalkuliert. Gibt es von Dir Installationen, Skulpturen, in denen Musik von Dir Teil des Werkes sind?

MO: Ja, in dem Freefidelity-Camp ist es so angelegt, dass eine von mir komponierte, kreierte Musik in allen drei Teilen der Installation läuft. Wobei das so abgemischt ist, dass die Figur, der Sound der Figur, eher sprachlastig ist, das Lagerfeuer eher knistert, also hohe Töne beinhaltet, die sehr knistrig sind und diese große, wuchtige Figur, die hat mehr so die tiefen Töne und die Basstöne. Abgemischt, ja? Mittlerweile sind auch so viele Kassetten geklaut worden, die Originale lang nicht mehr auffindbar, dass es wahrscheinlich auch stumm bleiben wird auf Dauer.

EGC: Das wird übers Kassettendeck abgespielt?

MO: Genau. Am Vierspurgerät, mit Kassettengerät, aufgenommene Sounds, die dann dreimal verschieden abgemischt wurden, also eben basslastig, knisterhaft, sprachlastig. Und dann wurden die Kassetten auf die drei Teile der Installation verteilt.

EGC: Als »Lagerfeuer« bezeichnest Du das Teil vor der Figur...

MO: Ja.

EGC: ...in dem das Radio ist, da in dieser Baumgabel?

MO: Ja, das sind tatsächlich Lautsprecher. Die gibt’s als Steine und als Baumscheite.

EGC: Das ist dann gar kein echter Baum?

MO: Nein, nein.

EGC: Keine echten Baumteile?

MO: Nein, das ist Plastik aus dem Türkenladen, ein Außenlautsprecher.

EGC: (Lacht) Verrückt!

MO: (Lacht) Tja.

EB: Gut, jetzt hast Du da auch von Dir selbst zusammengemischte Musik. Ist es trotzdem nicht der Bestandteil Deiner Arbeit?

MO: Nein, das ist halt nicht mehr so, es ist ein Schwund. Also, ich bin dagegen die Radios auszutauschen. Das find ich nicht gut, da hin jetzt irgendwie einen CD-Player einzubauen. Das wäre im wirklichen Leben ja auch kaputt.

EGC: Also, es kann stumm bleiben.

MO: Ja.

EGC: In der Ausstellung »Salon de Musique« im Museum Straßburg, 2001, hast Du der Figur in Freefidelity-Camp ein mit den Worten »no logo« bedrucktes T-Shirt angezogen. (Siehe unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen.html).

MO: Nein, Entschuldigung, »free logo«, »free«! Da, guck mal, was das heißen könnte.

EGC: Ich kann’s nicht entziffern.

EB: Kann schon sein, »free«.

MO: »Free logo«.

EGC: Okay. 

Offensichtlich besteht hier ein Bezug zu dem Bild Deines Bruders, das im unteren Teil typographisch mit den gleichen Worten versehen ist. (Siehe unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen.html).

MO: Ja, das ist eine Art Zusammenarbeit; so ein bisschen von seiner Arbeit in meiner Arbeit. Das Hemdchen wurde dann später wieder ausgezogen.

EGC: Ja (lacht).

(kichern)

In der Ausstellung »Skulpturen«, die in der Kunstsammlung Chemnitz 2002 stattgefunden hat, steht die Figur alleine da, ohne Hemd, gestützt auf einer Stange, ohne die abstrakten Skulpturen-Teile, anders als in der Straßburger Ausstellung 2001. Wie ist diese Figur gedacht? Hier zum Beispiel, in Straßburg, da ist das da mit diesem Teil, und in Chemnitz, da steht sie ganz alleine, nur gestützt auf dieser Stange. (Siehe unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen.html).

MO: Also, da muss ich jetzt ein bisschen weiter ausholen. Die Skulptur ist in Einzelteilen im Atelier in Krefeld entstanden und das Atelier in Krefeld hatte nur 2,70 m Deckenhöhe, und die Skulptur ist weitaus größer. Die hab ich also erst in Straßburg endgültig zusammensetzen können. Vorher war für mich nicht abzusehen, dass die Skulptur so ein enormes Gewicht zusammenbringen würde, dass die Beine nicht stabil genug waren. Da ist die Skulptur während der Ausstellung nachts zusammengebrochen. Also nach vorne, die Beine sind halt weggebrochen. Dann ließ es sich einfach nicht verhindern, da... Oder: es war nötig, das zu stützen, eine Stütze einzubauen. Das wird jetzt am Hintern gestützt, und die Beinchen sind jetzt so leicht freischwebend, berühren so grade den Boden.

EGC: Die wird jetzt immer so gezeigt, mit dieser Stütze?

MO: Ja, ja. Es geht nicht anders. In Straßburg ist sie an die Skulptur gelehnt. Das hätte ich auch ganz gut gefunden so, aber es war halt nicht möglich. Sie wirkt schon besser ohne Stütze, oder?

EGC: Ja.

MO: Tja, was soll man machen?

EGC: Auf der Abbildung sieht man hier auch diesen Scheinwerfer, für den Du eine Wäscheleine verwendet hast. Wie war dann die Rückseite bemalt, von dieser Scheibe hier?

MO: Die Wäscheleine ist an einer Holzscheibe angebracht, die von hinten mit grüner Leuchtfarbe bestrichen ist. Das wird dann so im Abstand von 10, 20 cm vor der Wand präsentiert, so dass die Fläche auf die Wand abstrahlt und dann grünes Licht zurückstrahlt.

EGC: Geh ich da recht in der Annahme, dass es lose ist, wenn Du das bewegst? Wird das aufgespannt?

MO: Das wird aufgesteckt.

EGC: Ah, das wird aufgesteckt.

MO: Das Ganze ist ein Einzelteil. Da ist auch noch mal eine Scheibe und die wird praktisch gehalten.

EGC: Ach, da ist eine Stange drin!

MO: Da ist ’ne Stange drin, ja.

EGC: Und das heißt, die Stange hält das unter Spannung.

MO: Genau, die hält praktisch zwei Scheiben, die verbindet zwei Scheiben, auf denen die Kordel nach hinten verspannt ist.

EGC: Ist ja auf der Aufnahme sehr schön zu sehen. Die drei Wunderbrot-Skulpturen bestehen aus einem Aluminiumguss. Sie unterscheiden sich in Form und Farbe und in den applizierten Wurstscheiben. Es gibt eine blaue, eine goldene und eine rote Skulptur.

MO: Eine Gelbe. Golden erscheint sie, weil das halt lasierender Polyurethan ist, der so ein bisschen angefärbt ist mit farbigem Polyurethan.

EGC: Also, alle drei hast Du mit...

MO: ...Polyurethan, ja. Da scheint dann immer so ein bisschen, oder sehr sogar, das Aluminium durch.

EGC: So wie gelüstert?

MO: Ja, ist ja auch ein bisschen so eine Anspielung auf diese Jeff Koons -Skulptur, auf diesen Luftballon. Der hat ja auch so metallicblau Lasiertes.

EGC: Weshalb hast Du Aluminium als Gussmaterial gewählt?

MO: Weil Alu ja noch eine gewisse Leichtigkeit ausstrahlt, also nicht nur das leichteste Gussmaterial ist, sondern auch ’ne Leichtigkeit widergibt. Und nicht so dieses Antike der Bronze ausstrahlt. Ich hab mal eine gewickelte Skulptur, »Das Pferd«, in Bronze gegossen, und da stimmte was nicht, weil die Leichtigkeit der Kordel und die des Materials im krassem Widerstand zueinander standen. (Siehe Installationsansicht Kunstsammlungen Chemnitz 2002 unter: www.haah.de/deutsch/markus_oehlen/abbildungen.html). Die Bronze steht im krassen Widerspruch zu dieser Leichtigkeit des textilen Materials. Da find ich, geht nur noch Alu. So ein bisschen ein trashiger Gedanke steht da auch noch.

EGC: In welcher Technik wurden die Gussformen hergestellt?

MO: Das ist eine Silikonabformung.

EGC: Das wurde in...

MO: ...in der Werkstatt gemacht.

EGC: In der Werkstatt?

MO: Ja, das hab ich selber nicht gemacht.

EGC: Welche Gießerei hat das gemacht?

MO: Kaspar in Renchingen-Nöttingen.

EGC: Gibt es noch die Skulpturen, die als Modelle verwendet wurden?

MO: In dem Fall nicht.

EGC: In dem Fall nicht.

MO: Nein, an sich gar nicht mehr. Doch, ein Pferd haben wir mal gerettet, aber es geht schon viel kaputt beim Abformen. So eine einfache Form wie das Pferd konnte man ganz gut erhalten.

EGC: Aber die sind hier von der Form her zu kompliziert?

MO: Ich glaub, da hat sich auch irgendwie Hitze entwickelt vom Abgießen, weil die nun teilweise, weil die sehr porös innen drin ist. Also, Styropor, also, das kann nur durch Hitzeentwicklung passiert sein. Es wird bestimmt keine Säure oder so benutzt worden sein. Das Styropor ist sehr porös geworden, und diese Kordelumwicklung hat sich fast aufgelöst.

EGC: Also, das hat angefangen zu schmelzen oder so?

MO: Ja, ja. Irgendwie so was.

JR: Was ich bei dem so toll finde, ist, dass das nur eine Form ist. Also (zeigt im Katalog) das und das und das ist die gleiche Form.

EB: Ah, ja.

MO: Wirkt enorm unterschiedlich. Also, hat irgendwie eine verrückte Form, die unglaublich viel Ansichten abgibt.

EGC: Hast Du die anders zusammengesetzt?

MO: Nein, nein. Sie wirkt halt immer, also, da wirkt sie sehr massiv und da wirkt sie eher... an sich ’ne eklige Farbe... (alle lachen)

EB: Es gibt ja vom Jean Arp die Arbeit »Three constellation on to the form«? Die ist vom Prinzip her ähnlich.

EGC: Aus welchem Material bestehen die applizierten Wurstscheiben?

MO: Das ist ein Ausdruck auf PVC-Folie. Also, wie sagt man? Digitaldruck auf PVC-Folie, die dann, also selbstklebende Folie, die dann aber mit Bootslack, also mit Bootslack, noch mal überzogen ist, und, ja, so eine garantierte Lichtechtigkeit – wie sagt man? – hat.

EGC: Lichtecht?

MO: Lichtecht ist auf so und so viele Jahre. Weiß jetzt nicht genau, wie viele Jahre.

EGC: Man wird sehen.

MO: Ja, ich hab ja auch Ersatz.

(Alle Lachen)

EGC: Das heißt, das ist dann auf den Guss appliziert worden, an der Stelle?

MO: Ja, ich hab diese Aufklebefläche mitgießen lassen. Die sind so aus Moosgummi ausgeschnitten und da draufgeklebt. Und dann mitgegossen und dann genau so in die Form, in die Passform eingebracht.

EGC: Raffiniert.

MO: Tja.

EGC: Ich hab die damals gesehen in der Galerie Bärbel Grässlin. Die Wände in der Galerie sind tapeziert. Hast Du die Tapete entworfen?

MO: Ja. Das ist eine Jugendtapete. Mit Gitarre, T-Shirt, was zum Saufen, einem Autounfall, CD und einer Person, die irgendwie durch die Luft fliegt.

EGC: Hast Du das öfters gemacht, so bei Ausstellungen?

MO: Nein, nur einmal.

EGC: Nur einmal?

MO: Ja.

EGC: Und hast Du die gedruckt oder hat das eine Tapetenfirma gemacht?

MO: Das hat eine Tapetenfirma gemacht. Das wurde dann auch noch mal von einem Tapetendesigner in Rapport gesetzt.

EGC: Also, Du hast eine kleinere Menge anfertigen lassen?

MO: Ja, leider. Die ist ganz schön.

EB: War das als Hintergrund für diese Ausstellung gedacht?

MO: Genau.

EB: Also, die ist jetzt keine eigene Arbeit?

MO: Doch, ist ’ne eigene Arbeit, erschien da jetzt aber in Kombination. (Blättert) Hier hängen ja noch die älteren Wickelbilder da drauf, das war schon sehr schön. (In Katalog: Markus Oehlen 1981-2008, S. 112 f. Anm. d. Red.)

EB: Aber die Sammler von diesen Skulpturen, die haben jetzt nicht auch ein Stück Tapete mitgenommen?

MO: Nein, nein.

(Alle lachen)

EGC: Projektor von 2008. Aluminiumguss, Acryl, drei Exemplare, verschiedenfarbig. Auf der Doppelseite 100/101 des Katalogs »Markus Oehlen« sieht man den Ausschnitt einer Skulptur mit zwei verschiedenfarbigen Kordeln. Diente diese Skulptur als Modell für Projektor von 2008?

MO: Ach so, ja, ja, ja, auf so einer Zwischenseite? (Blättert im Katalog) Genau, das war das Modell dafür.

EGC: Bei dem Gussformprojekt sieht man in den schwarzen Partien, dass die Kordel fehlt. An Stelle der Kordel ist schwarze Farbe getreten. Wie und weshalb bist Du hier so vorgegangen?

MO: Wenn ich das Modell einfach gegossen hätte, dann wäre die Zeichnung, die durch die farbig getränkte Kordel entstanden ist, völlig weg gewesen. Dann hätte ich nur eine Uni-Skulptur gehabt. Da ich aber diesen Effekt der Wiederholung der Farbe für eine Außenskulptur haben wollte, hab ich mir überlegt, dass ich das nur hinbekomme, wenn ich diese eine Farbe aus dem Modell rausschneide. Das heißt, ich habe in dem Fall Schwarz aus dem Modell komplett entfernt. Ich habe so ein Relief bekommen. So konnte man das dann komplett gießen und auf relativ einfache Weise bemalen, um diesen Effekt für eine Außenskulptur zu erhalten. Man hätte natürlich auch das Modell, ohne das Schwarze zu entfernen, bemalen können, aber das wäre schier unmöglich gewesen, die Stellen auf dem Guss zu finden, wo das Schwarz hingehört.

EGC: Ja, und was jetzt noch hinzukommt, ist auch eine stärkere Reliefwirkung.

MO: Ja. Das ist ja auch schön.

JR: Man kann’s dann ja auch einfach mit der Rolle bemalen.

MO: Ja, man kann’s dann auch relativ einfach bemalen. Das war jetzt ein wenig aufwendig, aber zum größten Teil hat man einfach die hoch stehende, reliefartige Kordel einfach mit der Rolle angemalt. Das hat auch lang gebraucht, bis wir – oder bis ich, die Idee hatte, das so zu machen. Die Leute wollten natürlich für Außenskulpturen den gleichen Effekt haben. Also, stark farbige Skulpturen sind da eher auch nicht möglich. Nur so diese zwei Farben.

EGC: Mit was für einer Farbe wurde die Skulptur bemalt?

MO: Acryl.

EGC: Acryl?

MO: Auf Anraten von Fachleuten.

EGC: Wurde der Guss in der gleichen Gießerei ausgeführt?

MO: Ja.

EGC: Wie bei den anderen auch?

MO: Ja.

EGC: Gibt es noch die Skulptur, die als Modell verwendet wurde?

MO: Nein.

EGC: Nicht mehr?

(JR und EB lachen)

EGC: Oder Teile?

MO: Nein. Haben wir nicht mehr gesehen. Das ist nicht mehr aufgetaucht.

(MO lacht zusammen mit JR)

EGC: Nicht mehr aufgetaucht. Also, die gibt’s nicht mehr?

MO: Nein.

EGC: Projektor erscheint in einer Auflage von drei Exemplaren. In welchen Farben werden die zwei anderen Skulpturen bemalt? Weißt Du das schon?

MO: Ja, hab mir überlegt, dass es entweder in Hellblau und Dunkelrot, oder in Hellrot-Rosa und...

EGC: ... Dunkelblau, oder?

MO: Ich glaub schon. Du stellst Fragen!

(Alle lachen)

EGC: Dann kommen wir zu den Multiples. Aus dem Jahr 1990 gibt es von Dir ein Multiple in einer Auflage von neun Exemplaren, aus Gips in Gefäßform mit einem im rechten Winkel abstehenden Deckel. Die Skulptur steht auf einem dreibeinigen Sockel aus Eisenstangen, die oben und unten mit runden Standflächen aus MDF -Platten verbunden sind. Auf den Gips hast Du mit Bleistift gezeichnet und mit Farbe gemalt. Wie hast Du die Form hierfür hergestellt, oder wurde das in der Gießerei gemacht? Ist ja immer die gleiche Form, nicht?

MO: Ja, es gab einmal einen zu kleinen Topf mit zu großem Deckel und eine andere Version halt umgekehrt: zu großer Topf mit zu kleinem Deckel. Es handelt sich da um Formen, die schon mal, die vorher, Mitte der Achtziger in Bildern aufgetaucht sind. Da gab’s mal eine Serie mit Bildern von so Suppentöpfen. Das hab ich dann als Skulptur aufgegriffen, und das wurde dann von einem Stuckateur gegossen.

EGC: Also, der hat das Ganze gemacht? Der hat die Form gemacht und...

MO: ...ich hab ihm die Töpfe gebracht und die Deckel, und der hat’s dann abgeformt und gegossen.

EGC: (Lacht) Ah ja.

MO: Das ist dann auch wieder so Crossover: Skulptur, Zeichnung, Malerei. Das hat mich immer interessiert.

EGC: Ja, ist auch interessant.

MO: Ich weiß.

EGC: Wie ist der Deckel mit der Vase verbunden?

MO: Ich glaub mit einem Metallstift und einem Kleber.

EGC: Weißt Du noch, mit was für einer Farbe Du den Gips bemalt hast?

MO: Dispersion.

EGC: Dispersionsfarbe?

MO: Ich weiß gar nicht... Ist das auch lackiert? Kann das sein? Ich glaub das ist getaucht, nicht?

EB: Ja, in Dispersion getaucht, auf einer Seite.

MO: Mit der Ecke so in den Eimer getaucht.

EB: Gibt es auch welche mit zu großem Deckel?

MO: Ja, das ist so als Kreisel... also irgendwie bewegt sich das Ding, ja, der Topf steht auf dem zu großen Deckel, und das bewegt sich so gerne. Ich hab irgendwo noch so ein Ding rum fliegen, aber auch lange nicht mehr gesehen.

JR: Hast Du’s hier oder bei Dir gesehen?

EGC: Ich weiß es nicht. Hier auch!

JR: Ich glaub, die sind hier, die Klumpen. Hinter dem Karton oder irgendwie so. Kommt man nicht drauf.

(Alle lachen)

EB: Ich mag dieses Multiple. Dieser Topf mit dem Deckel steht da wie auf einer Töpferscheibe. Das ist der Sockel, den Du wahrscheinlich auch entworfen hast.

MO: Ja, ja (lacht).

EB: Der aber nicht unbedingt mit der Arbeit von einem Stuckateur oder einem Töpfer zu tun hat.

MO: Nein, der Sockel stammt von einem Schreiner.

EB: Ja, gut, aber die Assoziation ist die meinige von der Töpferscheibe. Zu den Materialfragen. Hast Du in der Vergangenheit negative Erfahrungen mit bestimmten Materialien gemacht?

MO: Außer, dass ich mit Acryl nicht umgehen kann, eher wenig. Nein, ich hab auch nicht sehr viel ausprobiert an Material, von da her... Was ich benutze, damit komm ich gut klar.

EGC: Okay (lacht).

MO: Öhm, nee.

EGC: Assistenten. Arbeitest Du mit Assistenten zusammen?

MO: Hin und wieder.

EGC: Sind das auch Studenten, Kunststudenten?

MO: Auch, ja.

EGC: Und mit handwerklichen Betrieben dann eben bei bestimmten Dingen?

MO: Also, ich hab einen Assistenten, der mir beim Drucken hilft, und der ist über Jahre jetzt angelernt und wird auch immer besser. Das heißt, also, was ich mir über Jahrzehnte erarbeitet hab, versteht einer nicht auf die Schnelle. Von daher arbeite ich auch nicht permanent mit Assistenten, sondern nur hin und wieder.

EGC: Jetzt haben wir noch ein paar inhaltliche Fragen.

EB: Darf ich noch eines fragen?

MO: Ja, sicher.

EB: Die Frage mit den Multiples, war die beantwortet? Also, es gibt nur diese eine Serie mit den Töpfen als Multiple oder gibt es noch mehr?

MO: Gibt es noch andere Multiples?

EGC: Ja. Es gibt noch eins mit durchsichtigem Kunstharz und einem kleinen Tonhaufen, wo so ein Ärmchen rausragt...

(JR lacht)

MO: ...auf viereckigem Sockel. Das hab ich mal bei der Gisela Kapitän gezeigt. War ganz witzig.

EGC: Und von welcher Zeit ist das?

MO: So 1988, 1989.

EGC: Und hast Du das alles selber gemacht?

MO: Ich hatte da in Hamburg einen Stuckateur, der sehr viel für mich gemacht hat. Der hat auch die ersten Pferde mit der Motorsäge geschnitten. Das war ein sehr guter Mann, der auch alles konnte, im gusstechnischen Bereich. Aber ich nehme an, nur bis zu einer gewissen Größe und das auch nur in Kunstharz und Gips. Der hätte jetzt kein Metall gießen können.

EGC: Zusätzlich zu unserem Fragenkatalog erscheinen uns folgende Punkte von großer Wichtigkeit für die zukünftige Betreuung Deiner Werke: Inwieweit akzeptierst Du Alterungsprozesse in den Gemälden und Skulpturen?

MO: Lassen sich nicht verhindern, oder?

EGC: Lassen sich nicht verhindern, ja, Du akzeptierst sie ja auch. Hast Du vorhin schon gesagt.

MO: Aber meine Erfahrung sagt, dass sich, was die Lacke angeht und auch die Filzstifte, in den letzten 25 Jahren keine Veränderung gezeigt haben. Und dass ich davon ausgehe, dass das in weiteren 250 Jahren... (Alle lachen)... sich auch nicht ändert. Ich bin da völlig sorglos. Nach mir die Sintflut.

EB: Alterungsprozesse gibt es ja grade bei Deinen Arbeiten, also, dass sie verschrumpeln, dass sie sich zusammenziehen?

MO: Hab ich keine festgestellt. Dass das Kunstharz halt ein Harz ist, das da so glashart wird, dadurch auch, durch Bewegung dann irgendwann Risse bekommt, das kann ich nicht ausschließen, aber ich geh’ davon aus, was für Gartenbänke im öffentlichen Raum gut ist, kann für meine Bilder, die im Raum an der Wand hängen, nicht schlecht sein. Davon geh’ ich erst mal aus.

EB: Ich meine, dass ich für die Sammlung Grässlin mal einen Markus Oehlen restauriert habe, wo es verlangsamte Trocknungsprozesse gab.

MO: Dann war’s aber Öl, kein Lack. Da bin ich schon sehr lässig mit umgegangen. Wie viel Sikkativ ich da reingekippt hab, das weiß ich gar nicht. Dann entsteht ja eine Haut, und da drunter trocknet es halt langsam.

EB: Wird’s nicht richtig trocken, ja.

MO: Ja. Und wenn das dann verletzt wird, die Oberfläche, dann ist es wirklich... hm, das wird auch das Problem bei Alberts Bildern in Spanien gewesen sein. Dass die Oberfläche trocken war, aber im Innersten des Bildes noch...

EB: ...noch gärt.

MO: Aber ich arbeite ja jetzt ausschließlich mit Lackfarben und da hab ich jetzt Erfahrung seit Mitte der achtziger Jahre, und da hat sich noch nichts gerührt.

EGC: Welchen Grad an Veränderung empfindest Du als störend und nicht mehr akzeptabel?

MO: Wenn’s komplett von der Leinwand fällt, wenn’s als Brösel am Boden liegt. (Alle lachen)

EGC: Klare Aussage!

JR: Da hilft auch kein Restaurator!

MO: Was ja zum Beispiel beim Polke erwünscht ist. Er hat mir mal Bilder vorgestellt, wo er Metallspäne in die Farbe gerührt und sich schelmig gefreut hat, dass diese Bilder dann in 20 Jahren, wie er vermutete, als Rostbrösel dann am Boden liegen. Aber so subversiv denke ich nicht. Material als Anarchist.

EGC: Wie definierst Du einen Schaden? In der Weise, wie Du es grad erwähnt hast?

MO: Schaden ist Loch in der Leinwand. Es gibt natürlich auch bei mir das Problem, wenn ich was drucke oder male auf einen fettigen Untergrund, oder es ist schon mal vorgekommen, dass es minimale Ablösungen gab. Da kann ich nur davon ausgehen, dass das Bild vor dem Drucken oder vor der Weiterverarbeitung lange am Boden lag oder zusammengerollt irgendwo lag und entweder aus der Luft oder durch Berührung Fett angenommen hat, wo dann der Lack nicht mehr hielt. Es gibt jetzt auch so ein Bild, also, da hab ich auch vergessen, Endfirnis drüber zu geben; da lösen sich tatsächlich minimale, kleine Farbpartikel ab.

EGC: So wie eine Abfilmung?

MO: Ja, genau. Aber, es gibt den Moment, wo der Lack einfach nicht hält auf dem Material, und da hab ich gerätselt, wo es dran liegen mag, und es sind oft Bilder gewesen, die lange rum lagen. Also, entweder hab ich sie oft angefasst und rum geschleppt oder die lagen einfach rum und haben irgendwelche Ablagerungen, vielleicht auch Staub, man weiß es nicht... Also, wenn ich die dann weiterverarbeite und drucke und zum Beispiel ein Tape draufgebe und das Tape abziehe, dann hab ich da Lack am Tape.

EGC: Auf dem Tape?

MO: Ja, das kommt vielleicht in zehn Jahren einmal vor. Von 50 Bildern hab ich das mal. Also, es ist ganz selten, und da weiß ich mittlerweile dann auch die Ursache.

EGC: Wie definierst Du Schmutz, Markus?

MO: Im Bild?

EGC: Ja, im Kunstwerk.

MO: Weiß nicht, wo soll der Schmutz herkommen?

EGC: Ich sag jetzt so: Was würdest Du am Bild als Schmutz bezeichnen?

MO: Wenn jemand was dranschmiert.

EGC: Fingertapser?

EB: Also, Verstaubung oder Vergilbung?

MO: Dass so Ränder vergilben oder dass der Nesselrand, dass der sich verändert, schmutzig wird, davon gehe ich aus. Das war immer schon so.

EB: Oder auch, dass es Lacke gibt, die unter Umständen Staub anziehen, oder Oberflächen, die Staub anziehen.

MO: Hab ich nie drüber nachgedacht.

EGC: Wie weit dürfen für Dich Konservierungs- und Restaurierungsmaßnahmen gehen?

MO: Also, ich bin gegen zusätzliche Rahmen, gegen Gläser... Was soll’s noch geben? Ich kenn’ mich nicht aus.

EGC: So Überziehen, noch mal mit Firnis?

MO: Da hätte ich nichts dagegen.

EGC: Also, Firnis als Schutzschicht, da hättest Du nichts dagegen, aber Gläser willst Du keine?

MO: Nein, das will ich nicht. Kann ich mir nicht vorstellen.

JR: Finde ich auch schlimm.

EGC: Inwieweit wünscht Du bei anstehenden konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen an Deinen Werken informiert zu werden? Falls da mal irgendwas ansteht, willst Du da informiert werden oder nicht?

MO: Ich gehe davon aus, dass da im Sinne des Künstlers gehandhabt wird und kein neues Bild entsteht.

(JR und EB lachen)

EGC: Ja, Markus, ich glaube wir sind fertig. (Alle lachen) Vielen Dank von uns!

MO: Ich hoffe, euch weiter geholfen zu haben.

EGC: Ja, also wirklich klasse, Markus.

MO: Danke! Jetzt mach das Ding aus.

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