Interview mit Martin Honert zur Arbeit „Fata Morgana“ aus dem Jahr 1996

Projekt/Anlassartemak / Informationen zu Materialien und Techniken der Arbeit "Fata Morgana", 1996
Interview mit          Martin Honert (MH)
Geführt von       Erich Gantzert-Castrillo
 Elisabeth Bushart (beide: artemak)
OrtMünchen, Düsseldorf
Datum01.-04. 2006
AnmerkungenInterview geführt via E-Mail
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Techniken

Film & Video Fräsen Installation Objet trouvé Projektion Skulptur & Plastik

Materialien

Acrylfarbe Aluminium Epoxidharz Farbe, Lack & Überzug Film- & Fotomaterial Holz & Holzwerkstoff Holz, unbestimmt Klebstoff & Kitt Kunststoff Kunststoff, unbestimmt Metall Metall, unbestimmt Mineralisches Material Negativfilm Ölfarbe Papier & Pappe Pergamin Positivfilm PS (Polystyrol) PS-Schaum (Styropor) Sand Stahl Tischlerplatte Wandfarbe

artemak: Martin, unsere Fragen an Dich zu Deinem Werk Fata Morgana gliedern sich in zwei Gruppen: Die erste Gruppe beinhaltet Fragen zur Idee und Bildfindung und zur Verwendung der Materialien und Techniken, die zur Realisierung halfen. Die zweite Gruppe umfasst inhaltliche Fragen zur Konservierung, Restaurierung und zukünftigen Betreuung Deines Werkes.

Wie entwickelten sich Idee und Bildfindung zu Fata Morgana?

MH: Wenn ich mich recht erinnere, war am Anfang die Idee, so etwas wie ein Trugbild, eine Fata Morgana bildhauerisch umzusetzen. Spätestens nach dem Objekt Feuer (1992) hatte es mich sehr interessiert, Erscheinungen dinghaft zu erfassen, die von Natur aus nicht materiell sind. Das Motiv entwickelte sich erst später.

artemak: Welches Collagematerial half Dir, das Motiv so zu entwickeln, um es dann in Ölfarbe auf eine grundierte Tischlerplatte zu malen?

MH: Ich hatte Vorlagen aus zwei wesentlich unterschiedlichen Bereichen. Wichtigste Vorlage, und gleichzeitig das Hauptmotiv, war ein Foto aus dem Familienalbum, wie ich als Kind am Strand eine Sandburg baue (siehe: Martin Honert, Ausstellungskatalog Matthew Marks Gallery, New York, Köln: Walther König, 2004, Appendix Nr. 34). Für die orientalische Stadt hatte ich etwa 15 verschiedene Illustrationen und Fotos aus unterschiedlichen Zeitschriften und Bildbänden. Das endgültige Motiv habe ich als Tusche-Strichzeichnung ausgeführt und dies auf Overheadfolie kopiert. Über die Projektion konnte ich die Größe festlegen und das Motiv auf dem Malgrund übertragen.

artemak:Mit welchem Material wurde die Tischlerplatte grundiert?

MH: Mit einer handelsüblichen Wandfarbe (Caparol).

artemak: Welche Ölfarbenprodukte hast Du für das Motiv verwendet?

MH: Farbige Vorgrundierung mit Acrylfarben (Lukas, Liquitex), Ölfarben von Lukas und Schminke Studioqualität.

artemak: Wurde das gemalte Motiv vor der Reproduktion gefirnisst?

MH: Nein.

artemak: Existiert die Motivvorlage noch? Wenn ja, welchen Stellenwert hat die gemalte Vorlage für Dich?

MH: Diese Motivvorlage existiert noch, tief versteckt im Lager meines Ateliers. Dort bleibt sie auch, nur für den Fall, dass aus welchen Gründen auch immer, eine neue Reproduktion nötig wäre. Auf keinen Fall würde ich es für den Verkauf veröffentlichen. Es ist einfach ein ziemlich schlecht gemaltes Bild, gerade gut genug, um als Vorlage für eine transparente Reproduktion herzuhalten.

artemak: Warum wurden zwei Exemplare ausgeführt? Sind noch weitere Exemplare geplant? Wenn ja, wie hoch wird die Edition sein?

MH: Eine kleine Edition war hier sinnvoll, weil als Hauptbestandteil dieser Arbeit der fotografisch reproduzierte Film verwendet wird. Die Edition ist auf zwei Exemplare festgelegt und da wird sich auch nichts ändern!

artemak: Die Distanz vom Objekt zum Boden ist mit circa 35 cm festgelegt, ist das richtig?

MH: Das ist richtig.

artemak: Ist die Installation von Fata Morgana unabhängig von der jeweiligen Raumhöhe installierbar?

MH: Das Motiv ist vom Boden bis zum Aluprofil für die Aufhängung auf 3,50 m fixiert. Somit ist für die Installation eine Mindesthöhe des Raumes von 3,50 m erforderlich. Darüber hinaus gibt es keine Begrenzung.

artemak: Gibt es eine Installationsanweisung, falls die Arbeit nicht von Dir oder von Deinem Assistenten ausgeführt werden kann?

MH: Nein.

artemak: Wie lagerst Du den originalen Farb-Negativfilm?

MH: Oje, bestimmt nicht vorschriftsmäßig. So, wie es mir vom Dienstleister übergeben wurde, im Fotokartonrahmen und Klarsichthülle bzw. Pergamin-Papierhülle, abgelegt in einem Aktenordner in meinem privaten Wohnraum bei circa 20 Grad Raumtemperatur.

artemak: Gibt es eine digitale Kopie des Farb-Negativfilms? Wenn ja, auf welchem Speichermedium?

MH: Ja, mit meinen technischen Möglichkeiten gescannt und auf Festplatte und CD/DVD gespeichert.

artemak: Wie würdest Du vorgehen, wenn die Sichtbarkeit des Motivs durch Ausbleichen des Films oder Vergilben des Harzes erheblich beeinträchtigt würde?

MH: Es gibt keine Möglichkeit, das Ausbleichen des Films oder das Vergilben des Harzes aufzuhalten oder gar rückgängig zu machen. Bei einer wirklich erheblichen Beeinträchtigung müsste man es neu machen.

artemak: Seit wann arbeitest Du mit Assistenten zusammen?

MH: Seit 1991.

artemak: Wir als Konservatoren/Restauratoren wissen aus eigener Erfahrung, dass gerade die Unklarheiten über Details der künstlerischen Konzeption und Materialverwendung zu den größten Problemen und Missverständnissen bei der Betreuung in privaten und öffentlichen Sammlungen und auf Ausstellungen führen können. Zusätzlich zu unserem Fragenkatalog scheinen uns folgende Punkte von großer Wichtigkeit für die zukünftige Betreuung Deiner Werke: Inwieweit akzeptierst Du Alterungsprozesse?
- Zum Beispiel das Verblassen und Vergilben des Filmes und Harzes?

MH: Dies ist natürlich wirklich ein Problem! Im Fall der Fata Morgana hab ich vielleicht Glück, weil ein Verblassen und Vergilben bis zu einer gewissen Grenze für das Motiv, auch inhaltlich gesehen, nicht ungünstig sein muss. Ich bemerke die Unbeständigkeiten schon seit vielen Jahren, empfinde das aber noch lange nicht als eine erhebliche Beeinträchtigung. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass das Bild im Original hauptsächlich in den Farbtönen Gelb, Ocker, Braun, Grau gemalt ist. In dieser Farbskala fällt ein Verblassen oder Vergilben nicht so dramatisch auf. Bei jedem neuen Aufbau bin ich immer wieder anfangs erschrocken. Aber wenn ich es mit früheren Abbildungen vergleiche, ist der Unterschied gar nicht so groß. Ich glaube, das Grün der Palmen ist ein zuverlässiger Indikator, weil dies auch der wichtigste Farbkontrast des ganzen Motivs ist. Wenn das nur noch schmutzig braun ist, ist wirklich alles verloren. Aber bis dahin ist noch viel Zeit...!

artemak: Zum Beispiel das Verblassen, Vergilben und Rissbildungen des Harzes an der Sandburg?

MH: Darin sehe ich überhaupt kein Problem. Solche Veränderungen würden den Charakter einer Sandburg nicht beeinträchtigen. Wenn durch Rissbildung das weiße Styropor sichtbar sein sollte, würde es genügen, diese Stellen mit matter Farbe abzudecken.

artemak: Das Korrodieren der Metallteile?

MH: Dagegen kann man wirkungsvoll etwas unternehmen oder auch die Teile sehr einfach austauschen. Die Stahlseile, die das Motiv halten, sind allerdings nicht einfach austauschbar. Es wäre da sinnvoll, sie ab und an mit etwas Öl vor Korrosion zu schützen.

artemak: Wie definierst Du einen Schaden?

MH: Alles, was kaputt ist ;-)

artemak: Wie definierst Du Schmutz?

MH: Alle Ablagerungen auf der Oberfläche.

artemak: Wie definierst Du Patina?

MH: Patina ist, glaub ich, sichtbare Alterung, die einen Gegenstand veredelt. Man kann Patina auch erzeugen, aber das ist dann immer Kitsch! Für meine Arbeiten, speziell auch für Fata Morgana, kann die Patina kaum herhalten, um alle Nachlässigkeiten zur Erhaltung zuzulassen. Ich definiere meine Arbeiten häufig als Objekte mit klarem Gegenwartsbezug und Warencharakter, Dinge eben, die eigentlich immer wie neu aussehen müssten. Interessant ist es erst dann, wenn trotz aller Bemühungen, alle sichtbaren Alterungen zu verhindern, nach einer Zeit die Alterungsspuren sichtbar werden, die nicht abwendbar sind. Die wirkliche Patina erscheint nur dort, wo man jede Patina verhindern möchte. Beispiel 1: Wenn ich Teile aus Edelstahl verarbeite, dann hätte ich die Erwartung, dass dies in 100 Jahren genauso blank und sauber aussieht. Es wäre für mich keine Patina, wenn die Oberfläche stumpf und grau geworden ist. Oder ein eintrübender Schmierfilm auf Glas ist keine Patina. Aber bei jeder Pflege wird man nach vielen Jahren kleine Veränderungen merken. Das könnte man mit Patina bezeichnen. Beispiel 2: In meinen Arbeiten verwende ich häufig Kunststoffe (Objektcharakter). Wie könnte die Patina von Kunststoffen aussehen? Die unansehnlichen Zerfaserungen von Polyesterobjekten der 60/70er Jahre, vor allem im Außenraum, oder die nikotinbraunen Verfärbungen von Kunststoffharzen aus dieser Zeit wird man wohl nicht als Patina bezeichnen. Die Vergilbung und das Verblassen der Fata Morgana würde ich auch nie mit Patina entschuldigen. Es ist einfach die Unzulänglichkeit des Materials. Jeder weiß, nichts altert so schnell wie die meisten Kunststoffe (es gibt natürlich Ausnahmen). Ich glaube mit diesen Beispielen deutlich machen zu können, dass Patina im Zusammenhang mit meiner Arbeit wenig Relevanz hat.

artemak: Wie weit dürfen für Dich Konservierungsmaßnahmen gehen?

MH: Jede Maßnahme, die unmerklich ist und bleibt. Kleine Beeinträchtigungen wären für mich hinnehmbar, müssten aber mit mir genau abgesprochen werden.

artemak: Wie weit dürfen für Dich Restaurierungsmaßnahmen gehen?

MH: Es muss alles möglich gemacht werden, um eine Arbeit zu erhalten. Ich hätte sogar auch keine Probleme mit sichtbaren Reparaturstellen.

artemak: Willst Du bei Auftreten eines Schadens informiert werden?

MH: Auf jeden Fall.

artemak: Willst Du bei der Erarbeitung eines Konservierungs- und Restaurierungskonzepts mitarbeiten?

MH: Nicht unbedingt.

artemak: Willst Du Einblick in das Restaurierungskonzept haben?

MH: Das auf jeden Fall.

artemak: Willst Du über die durchgeführten konservatorischen und restauratorischen Maßnahmen informiert werden?

MH: Auf jeden Fall.

artemak: Wäre für Dich eine Reproduktion eines Exemplars von Fata Morgana bei einem Totalverlust denkbar?

MH: Denkbar schon. Ich müsste es gerade im Fall Fata Morgana selbst machen, zumindest unter meiner ständigen Aufsicht. Und es wäre eine echte Kostenfrage.

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